1 Mehr Transparenz in Immobilienportfolios

Dieser Beitrag ist in der Fachzeitschrift Immobilien & Finanzierung1 erschienen unter dem
Titel: Mehr Transparenz im Portfolio durch neue Analyse-Instrumente.
Due Diligence
Mehr Transparenz in Immobilienportfolios
Von Dipl.-Ing. Holger Busch, TÜV SÜD ImmoWert GmbH
Banken und Versicherungen können sich bei der Ermittlung von Beleihungswerten nicht auf
Pauschalbewertungen verlassen. Die Immobilienkrise in den USA hat die systematischen
Schwächen des Geschäfts mit Baufinanzierungen offen zu Tage gefördert. Folglich werden die
Anforderungen eines umfassenden Reportings deutlich steigen. Je stärker sich ein Kreditinstitut im Immobiliengeschäft engagiert, desto sorgfältiger muss es seine Risiken minimieren.
Durch die schockartigen Krisenwellen am US-amerikanischen Hypothekenmarkt sehen Marktbeobachter weltweit eine neue Ära der Immobilienbewertung anbrechen. Nachhaltigkeitsaspekte und
Cash-flows werden an das veränderte Marktumfeld angepasst. Vor allem wird zukünftig eine zuverlässigere Risikoeinschätzung und marktgerechte Bewertung der Objekte nötig sein. Auch dürften Kreditverträge dann kaum noch ohne Vereinbarungen über die fachliche Prüfung der Bausubstanz geschlossen werden. Genauso gewinnen Fragen der Instandhaltung oder der energetischen Sanierung
auf Basis ökologischer Standards bei der Planung an Bedeutung. Nach den massiven Fehlbewertungen im Vorfeld der „Subprime“-Krise beeinflussen bau-, gebäude- und umwelttechnische Faktoren
die Immobilienpreise und Mietverträge heute in bisher nicht gekanntem Maße.
Um die veränderten Rahmenbedingungen zu verstehen, muss man sich die Ursachen der amerikanischen Immobilenkrise noch einmal vor Augen führen: Immer mehr zahlungsunfähige Kreditnehmer
verursachten bei gleichzeitig stark sinkenden Immobilienpreisen Milliardenverluste der Banken. Rückblickend lässt sich der Einbruch vergleichsweise einfach erklären: Die Kreditinstitute hatten Ertragschancen überbewertet, Ausfall- und Bewertungsrisiken dagegen nicht ernst genug genommen. Viele
Bauherren erhielten Kredite trotz zweifelhafter Bonität. Auch waren die Sicherheiten oft zu knapp bemessen oder konnten – wie sich später herausstellte – nicht zum kalkulierten Preis verwertet werden.
Bewertungsrisiken sind nie ganz auszuschließen
Wie war diese Verkettung von Fehlern möglich, die in den USA die Häuserkrise ausgelöst hat? Neben
zu geringen Anforderungen an die Bonität der Kreditnehmer lag die Hauptursache für Subprime in der
fehlerhaften Over all - Beurteilung des baulichen Zustands sowie der Verwertbarkeit zahlreicher Immobilien. Weil namhafte Ratingagenturen geschnürte wohnwirtschaftliche Immobilienpakete mit Bestnoten versahen, kletterte der ermittelte Beleihungswert mit den spekulativ bedingten, permanent steigenden Immobilienpreisen. Statt Substanz-, Sach- und Vergleichswerte genauer in den Blick zu nehmen, wurden aus der Ferne Pauschalbewertungen vorgenommen, die auf zu allgemeinen oder auf
falschen Annahmen basierten. Nur wenige Kreditberater hatten die Objekte ihrer Kunden persönlich
besichtigt oder deren bauliche Qualität Fachleuten vorgelegt. Es wurde davon ausgegangen, dass
Fehlkalkulationen die Ausnahme seien und die Ausfallwahrscheinlichkeit äußerst gering sei. So waren
die Kreditinstitute bereit, ein tatsächlich unbekanntes Risiko zu tragen.
Auch in Deutschland und Europa wäre ein solches Szenario nicht undenkbar gewesen, wenngleich
einige Faktoren es weit weniger wahrscheinlich machen. Diesseits des Atlantiks herrschen zum Beispiel höhere Anforderungen an Bonität und Eigenkapital der Kreditnehmer und strengere Vorschriften
für die Besicherung von Krediten. Spätestens seit Basel II ist der Unterschied zwischen der EU und
den USA in diesem Punkt noch größer geworden. Während ein amerikanischer Kreditberater viele
der von ihm betreuten Objekte nie vor Ort begutachtet, gehört die Beleihungswertermittlung und die
Besichtigung der Objekte schon lange zum Aufgabengebiet seiner deutschen Berufskollegen. Verluste
durch Fehlbewertungen des Immobilienportfolios sind indes auch in Europa nicht auszuschließen,
1
da kaum eine Bank über die personellen Kapazitäten verfügt, um alle Objekte regelmäßig selbst zu
prüfen. So werden auch hier Cluster nur teilweise bekannter Risiken gebildet.
Wirksames Risikomanagement unverzichtbar
Gleichwohl kann auf eine eingehende Prüfung und exakte Bewertung nicht mehr verzichtet werden.
Seit der US-Immobilienkrise ist die Sensibilität von Anlegern und staatlichen Kontrolleinrichtungen
noch einmal deutlich gewachsen. So stellt zum Beispiel die Finanzaufsicht spezifische Anforderungen
an Kreditinstitute und Versicherungen und verpflichtet sie zur sorgfältigen Überwachung ihrer Immobilienportfolios. Je nach Einschätzung des Risikos müssen bewertungsrelevante Daten regelmäßig erfasst und überprüft werden. Wie oft und in welchem Umfang hängt von der Beurteilung der Geschäftssituation durch die Finanzaufsicht ab. Grundsätzlich gilt: Je stärker sich ein Institut im Immobiliengeschäft engagiert, desto sorgfältiger muss es seine Risiken minimieren, sonst muss teures Eigenkapital
hierfür untergelegt werden.
Doch mit der Größe des Immobilienbestands wachsen auch die Bewertungsschwierigkeiten. Gerade
bei größeren Immobilienportfolios sind aktuelle, professionell erhobene Primärinformationen aber
besonders wichtig. Ohne den direkten Blick von Fachleuten auf den tatsächlichen Bestand vor Ort
müssten die Banken ein Restrisiko tragen, das angesichts der großen Anzahl der Objekte deutlich
zu hoch ist. Stattdessen benötigen sie jederzeit verfügbare, aktuelle Daten zu Einzelobjekten oder
dem gesamten Portfolio. Effiziente und schnelle Bewertungsverfahren kommen deshalb nicht ohne
Software-Unterstützung aus.
TÜV SÜD ImmoWert hat für die Massenbesichtigungen das Besichtigungstool „ImmoVisit“ entwickelt,
mit dem Immobilienportfolios ab 100 Einheiten geprüft und verwaltet werden können. Das System
macht aktuelle Daten zu beliehenen Gebäuden über das Internet zugänglich und schafft schnell
Klarheit darüber, ob eine Einzelimmobilie oder ein Immobilien-Paket als Kreditsicherheit in Betracht
kommt. Objekte wie Eigentumswohnungen, Mehrfamilienwohnanlagen, Reihen-, Doppel- und Einfamilienhäuser sowie gewerbliches Teileigentum (Läden, Praxen und Büros) werden auf der internetbasierten Plattform erfasst. Damit sind die Grundlagen für die Bewertung des Investmentrisikos,
der Vermietbarkeit, Verkäuflichkeit, Drittverwendungsfähigkeit sowie das umgebende Milieu und der
Gesamteindruck jederzeit transparent.
Wichtige Daten immer verfügbar
Wie gehen die Spezialisten bei ImmoVisit vor? Um auf die jeweiligen Arbeitsweisen und Anforderungen verschiedener Finanzdienstleister eingehen zu können, wurde eine Befragung durchgeführt, die
Beurteilungskriterien von weitreichender Gültigkeit ermittelt. Auf diese Weise wurden Prüfschritte festgelegt, die weitreichend die Sicherheitsanforderungen von Banken und Versicherungen erfüllen. So ist
sichergestellt, dass das Unternehmen genau die Informationen erhält, die es für seine internen Bewertungsverfahren benötigt. Alle Ergebnisse werden gespeichert und stehen berechtigten Personen im
Internet in Form einer Datenbank zur Verfügung. Außer dem Kreditgeber selbst können dies zum
Beispiel auch Investoren oder Transaktionsberater sein, die ImmoVisit für ihre Datenräume nutzen.
Nicht zuletzt dienen die Daten auch der Finanzaufsicht als Substanzkontrolle.
Zu einer tragfähigen Bewertung und Prüfung gehört aber noch mehr als die einmalige Erfassung
von Gebäudedaten und Standortcharakteristika. Verlässliche Bewertungskriterien müssen fortlaufend
verifiziert werden, damit negative Überraschungen ausbleiben. Hierzu bestehen verschiedene Möglichkeiten. Manchmal genügt schon eine Außenbesichtigung, um den Sicherheitsanforderungen einiger Kreditinstitute zu genügen. Dagegen ist vor allem während der Errichtungsphase und kurz nach
Fertigstellung des Objekts eine effiziente Innenbesichtigung wichtig, um die Qualität des Baubestands
zu kontrollieren oder auch die verbleibenden Kosten für die Fertigstellung richtig einschätzen zu
können.
Die Besichtigungsprotokolle von ImmoVisit sind so angelegt, dass sie problemlos in den gesamten
Bewertungsprozess des Kreditgebers eingebunden und in Ratingsysteme integriert werden können.
Der aktuelle Zustand jedes Einzelobjekts ist mit digitaler Signatur archiviert und der Online-Zugang
2
garantiert maximale Verfügbarkeit. So lassen sich Bewertungsanfragen sehr schnell klären und
der Kunde verfügt über ein aussagekräftiges Chancen- und Risikoprofil. Außerdem sind seine
hausinternen Wertermittlungen durch fachmännische Gutachten abgesichert.
Marktbeobachtungen unverzichtbar
Selbst mit der regelmäßigen Prüfung der objektrelevanten Daten ist eine sorgfältige Immobilienbewertung nicht abgeschlossen. Auch wenn das Gebäude die baulichen Anforderungen erfüllt, muss
sich dafür erst ein Käufer finden, der bereit ist, den kalkulierten Preis zu zahlen. Andernfalls sind alle
Prüfungen und Berechnungen hinfällig. Ein baulich einwandfreies Objekt, für das es keine Nachfrage
gibt, stellt keine Sicherheit mehr dar. Unerlässlich ist daher die regelmäßige und fundierte Analyse
des lokalen Immobilienmarktes. Sie ist fester Bestandteil von ImmoVisit. Um das Risiko mangelnder
Verwertbarkeit auszuschließen, werden sämtliche Marktdaten erfasst und regelmäßig ausgewertet.
Das System verfügt über eine Angebotsdatenbank von rund zwei Millionen Objekten im gesamten
Bundesgebiet. Auf dieser Basis und durch die lokalen Marktkenntnisse können Branchenkenner
schnell feststellen, welcher Preis für ein Gebäude je nach Standort und baulichem Zustand erzielt
werden kann. Hierfür klassifiziert ImmoVisit die Verwertbarkeit einer Immobilie analog zum Schulnotensystem: von „sehr gut verwertbar“ (Note 1) bis „überhaupt nicht verwertbar“ (Note 6).
Fazit
Trotz der Häuser-Krise in den USA bergen Immobilien weiterhin erhebliche Investmentpotenziale.
Es wird in Zukunft aber darauf ankommen, der Bewertung des Immobilienportfolios die größtmögliche
Aufmerksamkeit zu schenken und auch die substanziellen Risiken ernst zu nehmen. Gerade bei
großen und breit gestreuten Portfolios ist es wichtig, dass die Immobilienwirtschaft neue Instrumente
wie ImmoVisit erkennt und sie dann konsequent für eine effiziente und schnelle Bewertung anwendet.
Autor:
Dipl.-Ing. Holger Busch, Geschäftsführer der TÜV SÜD ImmoWert GmbH und Branchenmanager
Immobilien bei TÜV SÜD Industrie Service
Kontakt:
TÜV SÜD ImmoWert GmbH
Westendstraße 199
80686 München
Tel: 089 5791 2405
E-Mail: [email protected]
www.tuev-sued.de
1
Verlage Fritz Knapp GmbH und Helmut Richardi GmbH, Mehr Transparenz im Portfolio durch neue Analyse-Instrumente,
Immobilien & Finanzierung – Die Fachzeitschrift für Immobilienmärkte, Immobilienpolitik und Immobilienfinanzierer 18/2008,
Seite 25
3