«Die Tat» in Zahlen Jetzt gibt es ein Wiedersehen mit einer

MIGROS-WELT | MM30, 25.7.2016 | 41
Kurt W. Zimmermann
«Als Abendzeitung
anderen voraus»
Kurt W. Zimmermann schreibt
Kolumnen für die «Weltwoche»
und die «Bilanz». Der Unter­
nehmensberater begann seine
Laufbahn 1975 bei der «Tat».
Fast ein halbes Jahrhundert
lang ist «Die Tat» erschienen. Wie schätzen Sie
heute die Bedeutung dieser
Zeitung ein?
Der Migros-Gründer
war auch ein Zeitungsmacher: Gottlieb
Duttweiler mit der
«Tat» im Jahr 1950.
«Die Tat» online Jetzt gibt es ein Wiedersehen mit einer berühmten Migros­Zeitung:
Die Schweizerische Nationalbibliothek hat «Die Tat» komplett digitalisiert und
online verfügbar gemacht. Gottlieb Duttweiler gründete sie 1935 als Sprachrohr sei­
ner Partei «Landesring der Unabhängigen». Dutti wollte eine Zeitung «ohne Polemik»,
die sachlich berichtete und auch die Gegner des Landesrings kurz zu Wort kommen
liess. 1939 wandelte sich «Die Tat» zur Abendzeitung. Sie war parteipolitisch weiterhin
gebunden, machte sich in der Nachkriegszeit aber auch über die Schweizer Grenze
hinaus einen Namen mit ihrem Kulturteil. Von 1977 bis 1978 erschien die Zeitung als
wirtschaftskritisches Boulevardblatt. Die junge Redaktion unter Leitung von Roger
Schawinski überwarf sich bald mit der Herausgeberin Migros, was schliesslich zur
Einstellung der «Tat» führte. Wer sich heute online durch die vielen Seiten klickt, erlebt
eine spannende Reise durch die Schweizer Geschichte: www.dietatarchive.ch
Sie war in der Nachkriegszeit
eine der wichtigsten Schweizer
Pressestimmen. Berühmte
Autoren wie Alfred A. Häsler
oder Hugo Loetscher schrieben
für «Die Tat». Ihre literarische
Wochenendbeilage spielte
neben dem Feuilleton der
«Neuen Zürcher Zeitung»
eine Hauptrolle im Schweizer
Kulturjournalismus.
Wie wichtig war diese MigrosZeitung als Medium für News?
Während Jahren erschien
«Die Tat» als eine von ganz weni­
gen Zeitungen am Abend. Das
verschaffte ihr bisweilen einen
Vorsprung. So war das zum
Beispiel, als es 1976 mit der
Spionageaffäre um den Briga­
dier Jean­Louis Jeanmaire los­
ging. Weil «Die Tat» vor anderen
Blättern darüber berichtete,
stürzten sich alle darauf.
Bilder: Fotoarchiv MGB (4), Keystone/Dominic Steinmann
Warum erscheint «Die Tat»
heute nicht mehr?
Auflage
«Die Tat» in Zahlen
Vom 12. November 1935 bis am
29. September 1939 erschien
«Die Tat» als Wochenzeitung
(Bild links). Sie hatte eine Auflage
von über 40 000 Exemplaren.
Am längsten war die Publikation
eine Abendzeitung (Mitte):
nämlich vom 2. Oktober 1939 bis
am 1. April 1977. Die Auflage be­
wegte sich zwischen 40 000 und
25 000. Die kurze Phase als vier­
farbige Boulevardzeitung (rechts)
dauerte nur vom 4. April 1977 bis
am 25. September 1978. Die Auf­
lage erreichte 70 000 Exemplare.
Langfristig wurde es zum Prob­
lem, dass sie mit der Migros und
der Partei Landesring der
Unabhängigen verbunden war.
Aus politischen Gründen mach­
ten manche Lesergruppen und
auch Inserenten einen Bogen
um die Zeitung. Hinzu kamen
ganz banale Probleme: «Die Tat»
wurde über Zeitungsboxen
verkauft; doch viele Leser be­
dienten sich, ohne zu bezahlen.
Heute wäre sie vielleicht eine
Gratispendlerzeitung, aber
damals gab es dieses Konzept
noch nicht. MM