Fokus Menschenrechte Nr. 37 / Juli 2016 Mit dem Rad für LGBTI-Rechte In 121 Tagen que(e)r durch Afrika Katerina Georgousaki, Nate Freeman Nate Freeman ist von Januar bis April 2015 mit dem Fahrrad quer durch den afrikanischen Kontinent gereist, um Bewusstsein für LGBTI-Fragen zu wecken und Spenden zu sammeln. Im Interview erläutert er, weshalb seine Reise sinnbildlich für den Kampf um LGBTI-Rechte steht. Zusammenfassung Nate Freeman hat Anfang 2015 eine Radtour von Kairo bis Kapstadt unternommen, um Spenden für NROs zu sammeln, die sich für LGBTI-Rechte engagieren. In einem Interview mit der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit erläutert er die Beweggründe für sein Unternehmen. Die Reise stehe nicht nur sinnbildlich für den Kampf um LGBTI-Rechte, sondern es gehe darüber hinaus auch darum, „eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch dieselben Möglichkeiten hat, sein Leben zu verändern, frei von jeglichen Zwängen.“ Nate, Sie haben Anfang 2015 innerhalb von 121 Tagen über 12.000 Kilometer von Kairo bis nach Kapstadt auf Ihrem Rad zurückgelegt, um Spenden für Nichtregierungsorganisationen zu sammeln, die sich für LGBTI-Rechte engagieren. Wie kamen Sie auf diese Idee? Die Idee, auf dem Fahrrad den afrikanischen Kontinent zu durchqueren, hat sich über einen längeren Zeitraum herauskristallisiert. Dabei haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt. Von besonderer Bedeutung waren meine Erfahrungen als Protokollführer für den südafrikanischen Verfassungsrichter Edwin Cameron. Herr Cameron ist in Südafrika bekannt für sein Engagement für die Rechte von LGBTI und HIV-positiven Menschen. Während ich für ihn arbeitete, habe ich eine Vielzahl von Aktivisten aus unterschiedlichen Ländern, insbesondere aus dem südlichen Afrika, kennen gelernt, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte Mit dem Rad für LGBTI-Rechte | Nr. 37 - Juli 2016 | 2 Vor meiner Tätigkeit in Johannesburg hatte ich troffen, die sich für LGBTI-Rechte einsetzen. bereits in Kairo gelebt und erfahren, was es beDies war für mich besonders interessant, da ich deutet, als Schwuler in Ägypten zu leben. Ich selbst Jurist bin. Von der Situation in Äthiopien wollte gerne in weitere afrikanische Länder reiwar ich, um ehrlich zu sein, negativ überrascht. sen und mehr über Im Gegensatz zu die Situation von Ländern wie UganLGBTI vor Ort erda, über die internafahren. In diesem tional viel berichtet Kontext kam zum wird und von denen ersten Mal die Idee man weiß, dass auf, eine Radtour sie LGBTI-feindlich zu machen. Ich sind, hört man insdachte, dass ich auf gesamt wenig über diesem Wege mehr LGBTI-Rechte in Leute dazu beweÄthiopien. Ich habe gen kann, meiner die Situation in ÄthiReise zu folgen und opien als sehr drüsich mit der Theckend empfunden, matik auseinanderüber LGBTI-Fragen zusetzen. Daraufkonnte nicht offen hin habe ich eine Am Ziel angekommen: Nate Freeman mit seinem Fahrrad Si- gesprochen werFirma kontaktiert, mon in Kapstadt. den. Es gibt dort Foto: Nate Freeman keine organisierten die Fahrradtouren durch Afrika organiGruppen, die sich siert und die bei der Planung und Durchführung der Thematik widmen, sondern eher eine Reider Tour behilflich war. Natürlich hätte ich die he von losen Verbindungen oder Gruppen von Reise auch auf eigene Faust machen können, Freunden, die sich zusammentun und im Geallerdings wäre dies mit größeren Gefahren verheimen agieren. Ich habe eine Gruppe von rund bunden gewesen, insbesondere vor dem Hinzwölf Freunden in Addis Abeba getroffen, die tergrund dessen, wofür ich mich einsetze. alle unterschiedlichen Berufen nachgehen, darunter zum Beispiel ein Sozialarbeiter, ein Arzt Schließlich ging es mir auch darum, gängige und ein Designer. Sie hatten vollkommen richtig Klischees zu widerlegen. Es herrscht noch imerkannt, dass der Großteil der LGBTI in Äthiomer die stereotype Vorstellung, obwohl es viele pien über sehr wenig oder teils falsche Informaerfolgreiche schwule Sportler gibt, dass schwutionen über Themen wie Gesundheit und häusle Männer eher in anderen Branchen als im liche Gewalt verfügt. Mit Fragen diesbezüglich Spitzensport zu finden sind. Ich wollte mit meikann man sich ja weder an staatliche Kranner Radtour beweisen, dass man als schwuler kenhäuser noch an die Polizei wenden. Diese Mann sehr wohl athletisch sein kann. Freunde bieten online anonym Hilfe zu diesen Fragen an, insbesondere zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Ich war tief Auf Ihrer Reise haben sie eine Vielzahl von beeindruckt von der Energie und dem EngageLGBTI-Aktivisten aus den unterschiedlichsment dieser Gruppe. ten Ländern getroffen. Was hat Sie besonders beeindruckt? Konnten Sie Gemeinsamkeiten über Ländergrenzen hinweg feststellen? Am meisten haben mich die Treffen in Äthiopien, Kenia und Sambia beeindruckt. In Sambia habe ich mich in erster Linie mit Anwälten ge- In Kenia hatte ich die Gelegenheit, George Gachara zu treffen, den Produzenten von „Stories of Our Lifes“, eines wunderbaren Films über das Leben von LGBTI in Kenia, der auf wahren Lebensgeschichten beruht. Ich habe auch Eric Gitari getroffen, den Vorsitzenden der „National Gay and Lesbian Human Rights Commission“ Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte Mit dem Rad für LGBTI-Rechte | Nr. 37 - Juli 2016 (NGLHRC), der vor Gericht die offizielle Anerkennung seiner Organisation durchzusetzen versucht. Der Kampf um die rechtliche Anerkennung von LGBTI-Organisationen ist eine Gemeinsamkeit über Ländergrenzen hinweg. | 3 hundert Kilometern wieder ins Visier genommen. Drittens stand ich vor logistischen Herausforderungen. Ich musste Treffen mit LGBTI-Aktivisten organisieren, ohne dabei mich selbst oder andere in Gefahr zu bringen. Was die Logistik anbetrifft, wurde mir jedoch viel Arbeit durch die Firma, die die Tour organisiert hat, abgenommen. Wir hatten zum Beispiel einen Chef dabei, der für unser leibliches Wohl gesorgt hat. Unser Gepäck wurde in einem Lastwagen transportiert, so dass wir nur wenig Gewicht beim Radfahren tragen mussten. Nur so ist es uns gelungen, rund 130 km täglich zurückzulegen. Was mich in allen Ländern, die ich bereist habe, beeindruckt hat, ist die Motivation und das Ausmaß des Engagements, das ich gesehen habe. Nach dieser Reise kann ich mit Überzeugung sagen, dass das westliche Narrativ, wonach Afrika im Bereich LGBTI als dunkler Kontinent gilt, keinen Halt hat. LGBTI haben in der Tat in weiten Teilen des Kontinents mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Ich bin allerdings optimistisch und voller Hoffnung, nachdem ich gesehen habe, welch beeindruckende Arbeit Aktivisten täglich leisten, selbst unter Start der Tour in Ägypten. widrigen Bedingungen. Foto: Nate Freeman Vor welchen Herausforderungen standen Sie? Würden Sie rückblickend etwas anders machen? Die Herausforderungen, vor denen ich stand, lassen sich in drei Gruppen einteilen. Zunächst stellt einen eine Radtour von über 12.000 km vor enorme physische Herausforderungen. Neben Erschöpfungserscheinungen hatten wir auch mit Krankheiten und Verletzungen zu kämpfen. Unter den Krankheitsfällen handelte es sich zum Großteil um Malaria oder Magendarminfekte, Verletzungen waren die Folge von Zusammenstößen mit Autos. Am schlimmsten waren jedoch die psychischen Herausforderungen. Es ist eine enorme Belastung, wenn man realisiert, dass man bisher nur ein Viertel oder Drittel der Strecke geschafft hat, das Ziel erscheint in unerreichbarer Ferne. Ich habe schließlich nur bis zum nächsten Tag, höchstens bis zur nächsten Woche oder bis zum nächsten Halt vorgeplant und das Endziel Kapstadt erst auf den letzten Für solch ein Unternehmen kann man nie hundertprozentig vorbereitet sein, aber im Großen und Ganzen denke ich, dass ich alles Nötige dabei hatte. Außerdem kann man auch nur bis zu einem gewissen Grad Vorbereitungen treffen, vieles ergibt sich erst auf der Reise. Was ich jedoch anders machen würde, wäre ein größerer Fokus auf die mediale Darstellung der Reise. Sie haben Ihrem Fahrrad einen Namen gegeben. Was steckt dahinter? Ich wollte meinem Fahrrad einen Namen geben, da ich wusste, dass wir viel Zeit miteinander verbringen würden. Mein Rad war mehr als nur ein Gegenstand oder ein Stück Metall, es war mein treuer Begleiter. Also habe ich mich auf die Suche nach einem passenden Namen gemacht, der sinnbildlich für meine Reise durch Afrika steht. Mir kam sofort der südafrikanische Aktivist Simon Nkoli in den Sinn, der sowohl gegen das Unrechtsregime der Apartheid als auch für LGBTI-Rechte gekämpft hat. Seine Lebensgeschichte ist eine Inspirationsquelle für viele LGBTI-Aktivisten. Ich könnte mir keinen geeigneteren Namensgeber vorstellen. Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte Mit dem Rad für LGBTI-Rechte | Nr. 37 - Juli 2016 | 4 vier Monaten war, dass ich nun vor mehr Fragen stand als zuvor. Ich denke, dass genau dies der Zweck solch einer Reise ist. Es geht nicht wirklich darum, Antworten zu finden, sondern vielmehr darum zu erkennen, welche Fragen wirklich relevant sind und in welche Richtung die Reise bzw. der Kampf um LGBTI-Rechte in Zukunft gehen soll. Es handelt sich um eine lange, aufregende und endlose Reise, wie ich glaube. Sie sind derzeit in Uganda tätig. Können Sie uns von Ihrer Arbeit dort berichten? In der namibischen Wüste. Foto: Nate Freeman Haben Sie mit Ihrer Reise die Ziele, die Sie sich selbst gesetzt haben, erreicht? Das ist eine sehr schwierige Frage. Als ich in Kapstadt angekommen war, merkte ich schon sehr bald, dass damit das Ziel nicht erreicht war. Meine Reise stellt in vielerlei Hinsicht eine Metapher dar. Die Ankunft in Kapstadt war zwar ein großer Moment, doch nur ein Meilenstein auf meiner Reise. Ebenso verhält es sich mit dem Kampf um LGBTI-Rechte. Es ist ein stetiger Kampf, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Mir ist außerdem bewusst geworden, dass es um viel mehr als nur LGBTI-Rechte geht. Es geht um die Freiheit eines jeden Individuums, das eigene Leben nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Es geht darum, eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch dieselben Möglichkeiten hat, sein Leben zu verändern, frei von jeglichen Zwängen. Mobilität stellt dabei ein wichtiges Konzept dar und eben dies wird durch meine Reise symbolisiert. Habe ich also meine Ziele erreicht? In vielerlei Hinsicht, ja. Das Ergebnis meiner Reise nach Die LGBTI-Szene in Uganda ist voller Energie und Kreativität, rund 30 unterschiedliche Gruppierungen sind in diesem Feld aktiv. Meine Arbeit gliedert sich vor allem in zwei Bereiche. Zum einen bin ich als Jurist tätig. Hier geht es insbesondere darum, Menschen vor Gericht zu vertreten, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet wurden. Untrennbar verbunden mit jeglicher Aktivität für LGBTI-Rechte ist gesundheitliche Aufklärung. Es sind vor allem diese beiden Bereiche, Recht und Gesundheit, in die internationale Hilfsgelder fließen. Ich denke, dass dies richtig ist und dass diese Unterstützung fortgeführt werden sollte. Allerdings glaube ich, dass dies allein nicht genügt. Obwohl wertvolle juristische Arbeit geleistet wird, sind wir weit davon entfernt, dass Homosexualität entkriminalisiert wird. Auf die rechtliche Situation kann in einem Land, in dem 95% der Bevölkerung gegen LGBTI-Rechte sind, nur bedingt Einfluss genommen werden. Man muss woanders ansetzen. Man muss zunächst an einem Bewusstseinswandel innerhalb der Bevölkerung arbeiten, bevor man über Gesetzesänderungen diskutiert. Ich glaube, dass man dies erreichen kann, indem man LGBTI vor allem in Wirtschaft, Kunst und Sport fördert, denn gerade in diesen Bereichen kann man durch Leistung Anerkennung erlangen, unabhängig von der sexuellen Orientierung einer Person. Dies ist der zweite Teil meiner Tätigkeit. Ich bringe Zuwendungsgeber aus Europa und den Vereinigten Staaten mit LGBTI in Uganda zusammen, die besonders begabte Unternehmer, Sportler oder Künstler sind. Ich befinde mich derzeit auf der Suche nach einem Sponsor für einen schwulen Basketballverein in Uganda, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte Mit dem Rad für LGBTI-Rechte | Nr. 37 - Juli 2016 | 5 Werden wir Sie bald wieder auf dem Rad sehen? Nach 121 Tagen am Ziel angekommen. Foto: Nate Freeman um nur ein Beispiel zu nennen. Es ist mir ein Anliegen aufzuzeigen, dass Engagement in juristischen und gesundheitlichen Fragen zwar eine wichtige Rolle spielt, dass wir aber unseren Blick und unsere Arbeit auch auf andere Bereiche ausweiten müssen, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen. Das ist gut möglich. Es würde mich sehr reizen, die andere Seite des Kontinents zu durchqueren, von Dakar bis nach Kapstadt. Allerdings stellt dies momentan keine Priorität dar. Ich möchte mich zunächst darauf konzentrieren, ein Buch über meine Reise, an dem ich bereits arbeite, fertigzustellen. Anschließend würde ich gerne eine Radtour durch die Vereinigten Staaten machen, um das Buch zu bewerben und Vorträge über meine Erfahrungen zu halten. Eines Tages würde ich meine Reise durch Afrika jedoch gerne wiederholen, idealerweise in Begleitung von LGBTI aus Afrika. Ja, ich bin mir sicher, Simon und ich werden uns in Zukunft wieder auf Reisen begeben. Das Interview führte und übersetzte Katerina Georgousaki, Forschungsreferentin im Regionalbüro Subsahara-Afrika. Impressum Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Bereich Internationale Politik - Referat Asien und Menschenrechte Karl-Marx-Str. 2 14482 Potsdam [email protected] www.freiheit.org Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte
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