Erfahrungsbericht: Erasmus in Vitoria-Gasteiz, Universidad del País Vasco Wintersemester 2011/2012 Hispanistik __________________________________________________________________________ Zur Stadt Vitoria-Gasteiz ist die Hauptstadt der autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes und liegt im Inland der Region. Sie zählt etwa 240.000 Einwohner. Im Gegensatz zu San Sebastián / Donostia und Bilbao / Bilbo ist Vitoria-Gasteiz touristisch weniger bekannt und einfach auch ziemlich normal. Das macht das Leben dort aber sehr angenehm und – wenn man dieses Wort dafür verwenden möchte – ´authentisch`. Der Boom der Bauindustrie und der rasche Bevölkerungszuwachs haben in der Stadt ihre Spuren hinterlassen – in Form von relativ großen, dafür aber recht modern wirkenden Hochhausgebieten am Stadtrand. Diese stehen im Kontrast zu dem wunderschönen, mittelalterlichen Altstadtbereich, dessen Kern mandelförmig angelegt ist. Am Rand der Stadt befinden sich einige wirklich schöne Parks, in denen sich lange Spaziergänge und kleine Radtouren machen lassen. In Gasteiz gibt es ursprünglich verhältnismäßig wenige Baskischsprecher. Über den Zuzug von Menschen aus umliegenden Dörfern und gezielte Bildungsprogramme nimmt der Anteil der baskischsprechenden Einwohner aber gerade in den jüngeren Generationen stetig zu. Auch an der Uni kommt man mit Spanisch deshalb wunderbar zurecht, auch wenn einige Studiengänge auch zusätzlich auf baskisch angeboten werden. Insgesamt gibt es in VitoriaGasteiz viel zu entdecken, das Kulturangebot ist reichhaltig und vielseitig. Augen offen halten und neugierig machen lassen! Das Nachtleben spielt sich überwiegend in den zahlreichen und überall auffindbaren Kneipen ab. Besonders im Altstadtkern reiht sich eine Bar an die nächste, insbesondere in der ´Kutxi` - hier lässt sich mit netter Begleitung gemütlich das eine oder andere Bierchen trinken. Vorbereitung Außer den gängigen Erasmus-Formalia habe ich eigentlich vor meiner Abreise keine großen Vorbereitungen treffen müssen. Über meine Koordinatorin an der Facultad de Letras, bei der ich mich über meinen Studiengang beworben und schließlich eingeschrieben habe, habe ich die von der Uni benötigten Unterlagen per Email zugesandt bekommen und diese ausgefüllt zurückgeschickt. Schwierigkeiten hatte ich, mich auf der Internetseite der Uni soweit zurechtzufinden, dass ich mir einen guten Überblick über die wählbaren Fächer verschaffen konnte. Das war aber nicht weiter schlimm, da der Wechsel von vorab angegebenen zu tatsächlich gewählten Kursen vor Ort dann ganz unkompliziert verlief. Meine vorab verschickten Anfragen und Emails wurden teilweise recht zügig und ausführlich, teilweise spät oder überhaupt nicht beantwortet, da muss man wohl Glück haben. Weil ich mir Kurse aus dem Auslandssemester schließlich regulär für mein Studium in Bremen anerkennen lassen wollte, habe ich mich bereits im Vorhinein mit den entsprechenden Dozent_innen und Modulbeauftragten in Verbindung gesetzt und Möglichkeiten besprochen. Das ist denke ich ratsam um unangenehmen Überraschungen am Ende des Aufenthaltes vorzubeugen. Die Uni & Kurswahl Die Universidad del Pais Vasco / Euskal Herriko Unibertsitateko ist in drei Campus untergliedert, einen in Bilbao / Bilbo, einen in San Sebastián / Donostia und einen in VitoriaGasteiz. Allerdings bedeutet das nicht, dass es ohne weiteres möglich ist, Kurse an den verschiedenen Teil-Unis nach Wunsch miteinander zu kombinieren. Die Mitarbeiterinnen bei der Anmeldung fühlen sich von sehr individuellen Plänen erst einmal überfordert und stellen sich quer („zu hoher bürokratischer Aufwand“) – mit ein wenig Hartnäckigkeit ließe sich dann aber doch so einiges realisieren. Eine Kombination von Kursen in verschiedenen Städten ist aber auch wegen der schlechten Anbindungen zwischen den Unis nicht besonders ratsam. Schau dich also erst einmal bei dem Angebot an deiner Uni (in Gasteiz) um. Mit ein paar Extra-Nachfragen kannst du auf jeden Fall auch Kurse von unterschiedlichen Fakultäten kombinieren. Campus Der Campus befindet sich am südlichen Rand von Gasteiz, direkt beim Bahnhof. Erreichen kannst du das Unigelände zu Fuß, da Gasteiz nicht sehr groß ist brauchst du vom Altstadtkern vielleicht 15 Minuten bis dorthin. Auch eine Buslinie hält direkt am Campus. Der Campus ist recht übersichtlich gestaltet und bei gutem Wetter findest du jede Menge Plätze, um dich draußen in die Sonne zu setzen. Das komplette Gelände ist mit mehreren WifiNetzen ausgestattet. Bevor du einen dauerhaften Zugang vom Sekretariat deiner Fakultät (bei der endgültigen Anmeldung für deine Kurse) zugewiesen bekommst, kannst du dir ein vorläufiges Passwort beim Erasmus-Helpcentre im Vicerectorado (Gebäude am Rande des Campus) abholen. Essen kannst du auf dem Campus sowohl in der Mensa (ziemlich teuer, wie ich glaube – war selbst nur 1 Mal da) oder den Cafeterien in den einzelnen Fakultäten, die allerdings vorrangig Bokatas (Sandwiches) und seltener warmes Essen anbieten. Daneben findest du in der näheren Umgebung einige Kneipen und Cafés, in denen man Pintxos (baskische tapas) essen gehen kann. Akademisches Leben Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Erasmus-Koordination in Gasteiz recht gut funktioniert hat. Es werden Infoveranstaltungen angeboten und auch die jeweiligen Ansprechpartner helfen weiter. Soweit ich weiß, gibt es darüber hinaus auch die Möglichkeit, an dem Buddy-Programm teilzunehmen, da habe ich mich aber nicht weiter informiert. Es gibt die Möglichkeit Sprachkurse zu belegen, sowohl für Spanisch als auch für Euskera (baskisch). Für Spanisch wurde bei meinem Aufenthalt kurz vor Beginn des Semesters ein Intensivkurs von zwei Wochen und während des Semesters ein fortlaufender Kurs angeboten. Spanisch kann in drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden studiert werden, vor Beginn der Kurse wird hierfür ein Einstufungstest mit den Studierenden durchgeführt. Für Euskera (Baskisch) gibt es meines Wissens nach nur einen fortlaufenden Kurs während des Semesters. Er wird im Wintersemester für Anfänger und zum Sommersemester für Anfänger und Fortgeschrittene angeboten. Darüber hinaus gibt es für Erasmus-Studierende in der Regel weitere spezifische Kursangebote, zum Beispiel zur Kultur und Geschichte des Baskenlandes. Die Immatrikulation für die einzelnen Kurse erfolgt wenige Wochen nach Semesterbeginn, so hast du vorher ein wenig Zeit in die Kurse reinzuschnuppern und mit den jeweiligen Dozenten zu sprechen um dich dann zu entscheiden, welche Kurse du machen möchtest. Der Nachteil ist, dass du vorher auch noch keinen Studentenausweis hast. Wohnen Um Wohnungen habe ich mich nicht von Deutschland aus gekümmert. Das muss auch nicht sein. In Vitoria-Gasteiz angekommen kannst du dich entweder mit anderen ErasmusStudierenden zusammentun und eine Wohnung suchen oder alleine auf Zimmersuche (z.B. in WGs) gehen. In der Regel werden Anzeigen, sowohl im Internet als auch in Form von Aushängen in der Uni, von den Vermietern veröffentlicht. Das ist ein wenig schade, weil man dadurch nur oberflächliche Angaben zu dem Zimmer und in diesen Fällen zunächst überhaupt keine Infos zu den Mitbewohnern erhält. Du kannst dir für die Wohnungssuche auch Hilfe bei dem Erasmus-Helpcentre im Vicerrectorado holen. Hier bekommst du eine Liste mit Kontaktadressen für freie Wohnungen und wenn du noch kaum Spanisch sprichst kannst du dir sogar bei den Anrufen für Wohnungsbesichtigungen helfen lassen. Sport Die Uni bietet einige Sportkurse an, für die man sich anmelden und mit Glück einen Platz ergattern kann. Einfach auf dem Campus nach Flyern Ausschau halten oder nachfragen. Daneben werden auch einige verschiedene Uniexterne Angebote für dich als Student_in günstiger, auch hierzu gibt es Listen am Campus. Ansonsten kannst du dir auch bei den städtischen Centros Cívicos einen Mitgliedsausweis beantragen, mit dem kommst du kostenfrei ins Schwimmbad und bekommst Ermäßigungen auf Kursbeiträge oder den Besuch im Fitnessstudio. Sonstige Eindrücke und Tips Insgesamt habe ich eine sehr schöne Zeit in Vitoria-Gasteiz erleben dürfen. Die Tatsache, dass die Stadt nicht völlig überlaufen von Erasmus-Studierenden ist, wirkt sich in meinen Augen sehr positiv auf das Leben dort aus. Ich bin unglaublich offenherzigen, hilfsbereiten und zugewandten Menschen begegnet, hatte das Gefühl überall auf offene Türen zu stoßen, wurde selbst neugierig angesprochen und willkommen geheißen und es wurde mir dadurch fast immer leicht gemacht, mit Menschen in Kontakt zu treten. In der Stadt ist man am besten mit dem Rad unterwegs, auch wenn die Fahrradwege sehr schlecht ausgebaut sind. Zu Läden, in denen man gebrauchte Räder kaufen kann, muss man sich allerdings ein wenig durchfragen. Nach eigener Erfahrung würde ich dazu raten, sich im Erlernen der baskischen Sprache zu versuchen. Neben dem Kurs an der Uni lassen sich auch andere Angebote finden, beispielsweise ein kostenfreier Kurs in einem selbstverwalteten Jugendzentrum in der Innenstadt. Einblicke in eine neue Sprache zu gewinnen bedeutet immer Erfahrungszugewinn. Darüber hinaus unterscheidet sich das Euskera in hohem Maße von allen anderen europäischen Sprachen. Und es ist immer schön, auf ein paar Worte im Alltag zurückgreifen zu können – und damit für Freude bei den Muttersprachlern des Euskera zu sorgen.
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