VILLINGEN-SCHWENNINGEN
„Rückschlag für Sanierung“
KOMMENTAR
Reaktionen auf den Gemeinderatsbeschluss / Baukommission tagt am 27. September
CORNELIA HELLWEG
Der Erweiterungsbau des Deutenberg-Gymnasiums soll im Mai nächsten Jahres fertig sein. Derzeit wird über Kosten und Zeitplan der
Sanierung des Hauptgebäudes gerungen.
Foto: Hy Quan Quach
pelliert: „Wir müssen die Maßnahmen zwingend nach der Sommerpause auf die Bahn bringen.“ Es gehe
nicht nur um die Container. Die Entscheidung über Mehrkosten werde so
nur um ein halbes Jahr verschoben.
„Wir werden eine Deckungslücke haben, sodass wir das Gebäude nicht zu
Ende bauen können.“ Bührers zaghafter Anlauf, die Abstimmung wegen „Verwirrung“ nochmal wiederholen zu lassen – wie bei einer Abstimmung über die Mehrkosten für das
neue Schwenninger Feuerwehrgebäude vor einigen Monaten geschehen – , hielt dem anschließenden Protestgeschrei im Gremium nicht
Stand. Jetzt ist wohl Schadensbegrenzung angesagt.
Der weitere Zeitplan sieht nach
Angaben der städtischen Pressesprecherin Oxana Brunner wie folgt aus:
Das Gesamtprojekt GaD-Sanierung
geht am 27. September in die Baukommission. Die Ergebnisse sollen
dann im Technischen Ausschuss als
Beschlussvorlage am 11. Oktober und
am 26. Oktober im Gemeinderat
thematisiert werden.
„Man kann weitere Beauftragungen machen, aber trotzdem haushaltspolitisch später in Bedrängnis
geraten“, so Manfred Koschek gestern auf Anfrage. Bei einer Ausschreibung erst im September könne es
sein, dass sich die Auslagerung und
Sanierung nochmal um ein Jahr verschiebe, was dann erneut mit Mehrkosten verbunden wäre. Mit Befremden hat er die Äußerungen von CDUSeite zum Sanierungsausschuss der
Schule vernommen. „Das sind drei
bis vier Eltern, die sich dankenswerter Weise bereit erklärt haben, die Sanierung zu begleiten.“ Trotz der
Mehrarbeit durch das Projekt bekomme die Schule nicht mehr Lehrerstunden und müsse das „Sanierungsmanagement“ quasi nebenher
schultern. „Es handelt sich sicher
nicht um ein Konkurrenzteam zum
Gemeinderat.“ Bisher habe man gut
und konstruktiv mit der Verwaltung
zusammengearbeitet. „Wir leben
schon darauf hin, dass wir geordnet
ausziehen“, so der Schulleiter. Noch
ein Jahr Verzögerung sei eine Zumutung für Eltern, Schüler und Lehrer
eines großen städtischen Gymnasiums. Zur erneuten Forderung aus
den Reihen von der CDU, die Sanierung im laufenden Betrieb zu stemmen, damit keine Containerkosten
anfallen, meinte der Leiter des Deutenberg-Gymnasiums: „Eine Betonsanierung geht den ganzen Tag über –
wie sollen wir da einen geregelten
Unterricht stemmen.“ Jedes Gebäude
sei anders: Eine Bohrung kürzlich am
Haupteingang der Schule an der Spittelstraße habe man am anderen Ende
des Gebäudes noch mitbekommen.
„Jede Verzögerung wäre zum Schaden von 900 Schülern, fast 2000 Eltern und 80 Lehrern.“
Treppenanlage statt Muslenplatz
Wegen Rössle-Abriss ruht vorerst die weitere Sanierung der Fußgängerzone
Die Sanierung der Fußgängerzone in Schwenningen wird
vorerst nicht weitergeführt.
Hintergrund ist der Rössle-Abriss und der damit verbundene
mögliche Abriss der Stadtbibliothek. Gemacht werden soll hingegen die Treppe am Pfarrhaus.
Villingen-Schwenningen. Das hat
der Gemeinderat in der Sitzung am
Mittwochabend beschlossen bei 16
Ja- und neun Nein-Stimmen.
Es gebe zwei Bereiche in der Fußgängerzone, in denen man noch etwas tun könne, hatte Bürgermeister
Detlev Bührer in das Thema eingeführt. Den Abschnitt zwischen Stadtkirche und Pfarrhaus mit einer Bauzeit von einem halben Jahr und den
Muslenplatz Nord und West mit
einer Bauzeit von einem Jahr. Letztere Variante sei aber aufgrund der
jüngsten Entwicklung um den Rössle-Abriss nicht zur Durchführung
empfohlen, weil aufgrund der damit
verbundenen Bauarbeiten die sanierten Bereiche wieder beschädigt würden. Das gleiche gelte im Prinzip
auch für den Bereich zwischen Stadtkirche und Pfarrhaus, der dann als
Einfahrtsbereich für die Baufahrzeuge diene.
Inzwischen gebe es auch den Vorschlag, wenigstens die Treppe vor
dem evangelischen Pfarrhaus am
Muslenplatz zu sanieren. Das koste
voraussichtlich 660 000 Euro. Im
städtischen Haushalt steht eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe
Verantwortung
ernst nehmen
K
Als „Rückschlag“ bewertete gestern Manfred Koschek, Rektor
des Deutenberg-Gymnasiums,
den Beschluss des Gemeinderates, an der Deckelung der Sanierungskosten von 24,9 Millionen
Euro festzuhalten. „Wir haben
vieles auf den Weg gebracht
und werden ausgebremst.“
Villingen-Schwenningen. Betretene
Minen am Mittwochabend nach der
Abstimmung über den Antrag von
Klaus Martin (CDU), den im vergangenen Jahr vom Gemeinderat beschlossenen Kostendeckel aufzuheben. Für Nein stimmte vor allem das
bürgerliche Lager und verhinderte im
Ergebnis mit seiner Mehrheit, dass
die Mehrkosten in Höhe von 2,6 Millionen Euro für die Auslagerung des
Schulbetriebes während der Sanierung benötigten Container sowie die
Medienausstattung per Ausschreibung jetzt auf den Weg gebracht werden können (wir berichteten).
„Was beschlossen worden ist, ist
nicht einhaltbar“, stellte Bürgermeister Detlev Bührer anschließend fest
und ließ im Protokoll vermerken,
dass mit diesem Beschluss eine weitere Verzögerung von zwei Monaten
bei der Sanierung einher geht, weil
die Baukommission erst nach der
Sommerpause Mitte/Ende September tagen wird. Diese soll nach weiteren Einsparmöglichkeiten suchen.
Der Beschluss, den Kostendeckel
nicht aufzuheben, hebelte die Verwaltungsvorlage mit der Beschlussempfehlung, die Mehrkosten zu genehmigen, aus, sodass darüber nicht
mehr abgestimmt werden konnte.
Aus den Reihen der Freien Wähler
kam der Vorschlag, man könne trotz
Kostendeckels ausschreiben, weil ja
vorerst Geld vorhanden sei. Dieses
Vorgehen lehnte Bührer ab, weil die
Mehrkosten früher oder später finanziert werden müssten. Auch Dieter
Kleinhans, Leiter des Amtes für Gebäudewirtschaft und Hochbau, hatte
eindringlich an den Gemeinderat ap-
Freitag, 29. Juli 2016
von 750 000 Euro zur Verfügung. Also
stehe zur Entscheidung: die Treppe
machen oder gar nichts.
Gar nichts, meinte dazu Renate
Breuning (CDU). „Die Verpflichtungsermächtigung ist für den Muslenplatz Süd bestimmt – wir müssen
das Geld nicht mit Gewalt verbauen.“
Die Planung solle hingegen weiterge-
führt werden, damit die evangelische
Kirchengemeinde, die im Zuge der
Fußgängerzonensanierung
auch
ihren Vorplatz neu machen und darauf abstimmen will, sich darauf einrichten könne. Breuning sprach sich
dafür aus, die 750 000 Euro für die
Sanierung des Marktplatzes umzuschichten.
Werner Ettwein (Freie Wähler),
Siegfried Heinzmann (SPD) und Helga Baur (Grüne) sprachen sich dafür
aus, die Treppenanlage mit Spielplatz
vorzuziehen. „Ein Schnitt zu machen,
ist jetzt sinnvoll; alles andere wäre
Flickschusterei“, so die Auffassung
Frank Bonath (FDP). Die Planung
könne man weiterführen.
coh
ostensteigerungen bei Millionenprojekten der Stadt nerven
Gemeinderäte wie Bürger gleichermaßen. Und in VillingenSchwenningen geht man gerade eine
ganze Reihe von großen Projekten an:
von der neuen Stadtteilhalle über die
Sanierung von Schwenninger Fußgängerzone und
Marktplatz bis hin
zur Sanierung von
DeutenbergGymnasium und
Erweiterung der
Gartenschule
in
der alten Feuerwache. Und es gibt
auch in der Doppelstadt Beispiele
dafür, dass Großprojekte kostenmäßig aus dem Ruder laufen. Da
können schon mal die Nerven blank
liegen. Die Diskussion und Verweigerung der Beschlussfassung über die
Kostensteigerung von 2,6 Millionen
Euro für die Sanierung des Deutenberg-Gymnasiums hat in der Sitzung
des Gemeinderates am Mittwochabend allerdings groteske Züge angenommen. Das Projekt eignet sich
nicht, um hier ein Exempel zu statuieren. Wie FDP-Gemeinderat Frank
Bonath während der Diskussion bemerkenswert sachlich ausführte: Es
liegt an Sondereffekten, dass zusätzliche Kosten anfallen. Zum einen, weil
die Besorgung von Containern sich
zeitlich verschoben hat. Den Satz
„Zeit ist Geld“ darf man im Baubereich wörtlich nehmen. Und die Medienausstattung wird quasi vorgezogen.
Sachargumenten war vor allem die
CDU offenbar nicht mehr zugänglich.
Da wurde am Mittwochabend wieder
über Dinge diskutiert, als hätte es den
Projektbeschluss von vor einem Jahr
gar nicht gegeben. Da wurde beklagt,
die CDU habe Alternativvorschläge
gebracht, die die Verwaltung vom
Tisch gewischt habe, und ein Elternteam, das sich bemüht, die Schulleitung beim Management der Sanierung ehrenamtlich zu unterstützen,
wird plötzlich in der Wahrnehmung
zum Konkurrenzgremium des Gemeinderates aufgebauscht, das Luxuswünsche durchsetzen will. Das
hat beinahe die Qualität einer Verschwörungstheorie. Wer so eine Diskussion wie am Mittwochabend von
den Zuschauerrängen mitverfolgt,
verlässt den Saal später wahrscheinlich einigermaßen fassungslos.
Mehrkosten wie bei der Deutenberg-Sanierung kann man auch Bürgern gegenüber begründen. Es ist
nicht gut, wenn bei Großprojekten
der Eindruck entsteht, dass man sachlichen Argumenten nicht mehr zugänglich ist wenn sie nicht ins parteipolitische Kalkül oder Weltbild passen. Da machen es sich die bürgerlichen Fraktionen einfach, die Verwaltung zum Sparen aufzufordern, wenn
glaubhaft mehrfach versichert worden ist, dass das Sparpotenzial bei
diesem Projekt ausgereizt ist.
Es muss jetzt voran gehen, damit
die vorgebliche Vermeidung von
Mehrkosten nicht zum Eigentor wird
– auf dem Rücken von vielen, vielen
Betroffenen.
CORNELIA HELLWEG
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VOM TAGE
Im von der Sonne aufgeheizten
Auto ging es zur Gemeinderatssitzung nach Villingen in die Neue
Tonhalle. Obwohl sommerlich
leicht gekleidet, geriet die Berichterstatterin schon auf der Anfahrt gehörig ins Schwitzen. Da
bot der klimatisierte Sitzungssaal
eine angenehme Abkühlung. Das
empfand aber offenbar nicht jeder
so. Rechts und links saßen Kollegen und Zuschauer, die sich frierend in ihre Jacken hüllten. Daran
änderten auch die hitzigen Debatten nichts.
Die Sanierung der Treppenanlage plus Spielplatz wird vorgezogen.
Foto: Cornelia Hellweg