Artikel Nr. 139/2011 - Wenn Mauern feucht werden

Sonderdruck aus “Wohnung + Gesundheit” Nr. 139/2011
IBN – Institut für Baubiologie + Ökologie, D-83115 Neubeuern • www.baubiologie.de
Wenn Mauern feucht werden - Teil 3
Diagnose, Bewertung und Sanierung von Mauerwerksfeuchtigkeit
Die ersten beiden Teile dieser Serie in WG 137 und 138 befassten sich mit den Ursachen, der Analyse und
der Sanierung von aufsteigender und seitlich eindringender Feuchtigkeit mittels nachträglicher Horizontalund Vertikalabdichtungen. Dieser Beitrag widmet sich der Sanierung von Salzbelastungen, die in der Praxis
oftmals anzutreffen und häufig falsch saniert werden. Auch die Erhöhung der Wandoberflächentemperatur zur
Sanierung von Kondensationsschäden wird beschrieben. Diese Lösungen werden an Hand von realen Fällen
beleuchtet.
Sanierung von salzbelastetem
Mauerwerk
In der Praxis recht häufig anzutreffen
sind Salzbelastungen in feuchtem
Mauerwerk. Die Schadsalze können auf unterschiedlichen Wegen in
das Mauerwerk eingetragen werden.
(Abb. 1). Einige Baustoffe, wie z.B.
Ziegelsteine aus älteren Gebäuden,
können Salze auch bereits enthalten.
Auch kann die Neu- oder Umbildung
von Salzen durch physikalisch-chemische Reaktionen im Mauerwerk
stattfinden, ein Beispiel hierfür ist
die sekundäre Ettringitbildung. Ettringit ist eine Mineralphase, die sich
in erhärtetem Beton bilden kann. Zementhaltige Baustoffe (Beton) enthalten durch die Hydrationsreaktion
Abb. 1: Salzeinwanderung (1)
Wohnung + Gesundheit 6/11 - Nr. 139
(Erhärtung) des Betons die Phase
Tricalciumaluminat (C3A = [CaO]
. 3 Al O ), welche in Anwesenheit
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von Sulfationen zu Ettringit reagieren kann. Relevant für die Ettringitbildung ist unter anderem auch der
Wasser-/Zement-Wert (w/z-Wert),
besonders bei niedrigen w/z-Werten.
Durch eine wechselnde Befeuchtung
und Trocknung des betreffenden
Bauteils kann ein Feuchte- und Stofftransport im Beton angeregt werden,
welcher zur Ettringitbildung führen
kann. Diese Mechanismen können
zu sichtbaren Abplatzern oder auch
weiteren Gefügeschädigungen (Rissen) führen, was einleuchtet, da der
Druck durch die Kristallisation von
Ettringit die Festigkeit des Betons
übersteigen kann.
Ein weiterer praxisrelevanter Mechanismus ist die Nitratbildung
in ehemaligen Stallungen oder im
Außenwandbereich alter Gebäude.
Direkt oder durch Spritzwasser in
das Mauerwerk eingetragene Exkremente, z.B. aus Zeiten, in denen eine
Kanalisation noch nicht gang und
gäbe war, werden durch das Enzym
Urease unter Beteiligung sog. Nitrifikanten in Nitrat umgewandelt (2).
In der Praxis überlagern sich oftmals
mehrere Effekte, wobei auch falsche
Sanierungen eine Rolle spielen können, wie folgendes Beispiel zeigt.
Die Realität
Der ca. 120 cm aus dem Erdreich
ragende Bruchsteinkeller eines Altbaus wurde vor Jahren aus ästhetischen Gründen von außen wie von
innen mit Fliesen belegt. In der Folge zeigten sich Schädigungen des
Außenputzes in Höhe des aus Bimssteinen erstellten Erdgeschosses.
Nun wurde eine Mauerwerksinjektion mittels Silikaten in Eigenleistung
eingebracht und der Putz ausgebessert (siehe Pfeile in Abb. 2).
Abb. 2: Wohnhaus Außenansicht
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Baustoffe und Bauphysik
Der gewünschte Effekt blieb aus,
im Gegenteil: Die Innenseite der betroffenen Wände des Erdgeschosses
wurden immer feuchter und begannen hinter der neu eingebrachten
Vinyltapete zu schimmeln, der Putz
bröckelte ab (Abb. 3). Die Salzbelastung des Mauerwerks bestand
hauptsächlich aus Nitraten und lag
im Erdgeschoss bei bis zu 250 mg/l.
Die absolute Mauerwerksfeuchtigkeit lag im Keller bei bis zu 45 % und
im Erdgeschoss immerhin noch bei
bis zu 10 %. Nitrate waren im EG bis
in eine Höhe von 100 cm über Fußbodenniveau messbar. Zu beachten
ist, dass die hier beschriebenen Vorgänge sich in der Realität am Bauwerk über Jahre hinweg abspielen.
Abb. 3: Schadensbild Wohnzimmer
Die ‚eigentliche’ Ursache liegt hier
in dem als diffusionsdicht zu betrachtenden Verschluss des Bruchsteinmauerwerks mit Fliesen. Die im
Bruchsteinmauerwerk aufgrund fehlender Außenabdichtung vorhandene Feuchtigkeit, wie auch die Salze,
können durch nun mangelndes Verdunstungspotential des vormals freiliegenden Kellermauerwerks kapillar weiter bis ins EG aufsteigen, die
Saughöhe des Mauerwerks nimmt
zu.
Die Sanierungslösung liegt also auf
der Hand: Das Kellermauerwerk
aus Bruchstein muss zunächst wieder komplett freigelegt werden, innen wie außen. Salzbelasteter Putz
muss entfernt werden, auch im
Wohnraum. In diesem Fall mussten
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diese Arbeiten zusammen mit der
Schimmelpilzsanierung (Kategorie
3 UBA, Gefährdungsklasse 3 nach
BGI 858) ausgeführt werden. Die so
vorbereiteten Wände werden danach
mit einem zweilagigen Sanierputz
WTA versehen (Porengrundputz +
Sanierputz und ggf. Filzputz innen
oder Sockelputz außen). Eine nachträgliche Horizontalsperre ist nach
Meinung des Autors in diesem Fall
nicht erforderlich. Warum? Gemäß
der oben beschriebenen Schadensursachen wird durch die empfohlenen
Maßnahmen die kapillare Steighöhe
der Feuchtigkeit im Mauerwerk reduziert. Feuchtigkeit kann über die
in der beschriebenen Art und Weise
neu zu erstellenden diffusionsoffenen
Wandoberflächen des Kellermauerwerks sowohl nach innen wie nach
außen verdunsten. Zudem tritt der
Effekt ein, dass die so genannte Aufsaugrate des Mauerwerks zurückgeht: Die Menge der kapillar transportierten Feuchtigkeit (und auch
der Salze) wird geringer.
Durch die Verwendung eines Sanierputzsystems WTA in der beschriebenen Art und Weise wird
der Salzbelastung des Gesamtmauerwerks Rechnung getragen: Die
Salze werden bei fachgerechter Verarbeitung und Einhaltung der Materialkenngrößen im wesentlichen im
Porengrundputz eingelagert, was
eine schadensfreie Oberfläche des
Sanierputzes gewährleistet.
Diese sachlich und fachlich richtige
Sanierungslösung läuft den Empfehlungen vieler Sanierungsfirmen entgegen, da diese eine zusätzlich Horizontalsperre bevorzugen. Ein m.E.
in diesem Fall unnötiger Kostenaufwand, der für das hier beschriebene
Projekt Kosten in Höhe von etwa
6.000 € verursacht hätte. Wichtig ist,
jeden Fall individuell zu bewerten.
Innovative Sanierungskontrolle
Die Sanierungskontrolle, gerade
bei aufwändigen, kostenintensiven
Maßnahmen ist sinnvoll durch spezielle in der Wand an verschiedenen
Stellen (Höhe, Tiefe) platzierten
Sensoren möglich. Die Temperaturund Feuchtigkeitsdaten im Wandaufbau werden mittels eines (versteckt
angebrachten) Datenloggers über 6
- 12 Monate gespeichert. Die gespeicherten Daten werden entsprechend
ausgewertet, eine zeitnahe Sanierungskontrolle über viele Jahre wird
so möglich, Sicherheit über den Sanierungserfolg wird zur Gewissheit.
Sanierung von
Kondensationsschäden
Diese letzte Art der Feuchtigkeitsschäden tritt im Wohnrauminneren
auf, meistens im Bereich von konstruktiven oder geometrischen Wärmebrücken in den Raumecken oder
im Bereich von Außenwandecken
(s. Wohnung + Gesundheit Nr. 137),
Feuchtigkeit kondensiert an den kalten Wandoberflächen. Auch schlecht
dämmende Außenwände mit hohem
U-Wert können in Kombination mit
dicht davor platzierten Möbeln Ursache für Kondensationsfeuchtigkeit
sein. Oftmals folgt der Kondensation ein Schimmelpilzbefall. Je nach
Ausprägung der Wärmebrücken ist
die Situation selbst mit perfektem
Lüftungsverhalten nicht zu bereinigen, eine Sanierung wird notwendig.
Wichtig ist es also letztlich, die Wandoberflächentemperaturen, vor allem
in den genannten kritischen Bereichen, zu erhöhen und somit eine
Kondensation zu vermeiden. In der
Praxis begegnet mir immer wieder
die Empfehlung, ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) auf die
Gebäudehülle aufzubringen. Meines
Erachtens eine zumindest im punkto
Kosten/Nutzen diskussions- wenn
nicht gar fragwürdige Sanierungslösung. Die Innendämmung mittels
Holzfaserplatten, unter Einhaltung
der DIN 4108-3 (Feuchteschutznachweis, siehe Wohnung + Gesundheit Nr. 125), kann eine sinnvolle, zu
Wohnung + Gesundheit 6/11 - Nr. 139
Baustoffe und Bauphysik
prüfende Alternative sein. Auch die
Anbringung von Calciumsilikatplatten von innen auf die Außenwände
ist in die Überlegungen mit einzubeziehen. Beide Maßnahmen sorgen
im Gegensatz zum WDVS für eine
Verbesserung des Raumklimas und
sind meist kostengünstiger. Wichtig
zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass nicht jede Wärmebrücke
mit einer Maßnahme von innen saniert werden kann. Zur Erhöhung
der Wandoberflächentemperatur ist
es sinnvoll und unter Berücksichtigung des Kosten-/Nutzen-Verhältnisses oftmals effektiv, eine Wandflächenheizung bzw. –temperierung
(auch Hüllflächentemperierung (3)
zu realisieren, wie folgende Grafik
(Abb. 4) zeigt:
Elektrophysikalische Verfahren
Diese Art der Mauerwerksentfeuchtung, auch Elektro-Osmose genannt,
wird in der Fachwelt intensiv und
sehr widersprüchlich diskutiert (siehe Quellennachweis 1, S. 168). An
dieser Stelle sollen weder Für und
Wider, noch die Grundlagen des Verfahrens eingehend erläutert werden.
Die aktive Elektro-Osmose arbeitet mit einem Potentialunterschied,
welcher in Form einer Spannung an
das Mauerwerk angelegt wird. Die
dipolartigen Wassermoleküle sollen
entsprechend dem Potentialunterschied nun wieder in Richtung des
Minuspols in Richtung Erde bewegt
werden.
Bedeutend ist auch hier wieder, die
Grenzen des aktiven Verfahrens zu
kennen, welche u.a. in der Mauerwerksstärke, dem Elektrodenverschleiß und der Höhe der Salzbelastung des Mauerwerks zu sehen sind.
Aus baubiologischer Sicht ist es
prinzipiell als kritisch zu bewerten,
dass „eine Wand unter Spannung gesetzt wird“. Die möglicherweise entstehenden technischer Felder sollten
entsprechend messtechnisch bewertet werden.
Wohnung + Gesundheit 6/11 - Nr. 139
Abb. 4: Wandoberflächentemperaturen im Vergleich bei gleicher Vorlauftemperatur
Hervorzuheben ist, dass die sog.
kontaktlosen Verfahren, bei denen
beispielsweise eine „Black Box“ im
Keller platziert wird und die Feuchtigkeit mit angeblichen technischen
Feldern, ohne Kontakt zum Mauerwerk zu haben, zurückgedrängt
werden sollen, nach heutigem Verständnis nicht wissenschaftlich gesichert sind. Auch liegen keine von
einer unabhängigen Institution anerkannten statistisch aussagekräftigen
Auswertungen vor.
Wünschenswert ist nach Meinung
des Autors, ein zur Diskussion stehendes elektrophysikalisches Verfahren durch ein von neutraler Stelle
wissenschaftlich begleitetes und sauber dokumentiertes Referenzobjekt
zu bewerten. Bei einer solchen Forschungsarbeit sollte ausschließlich
das zu bewertende Verfahren zum
Einsatz kommen, ohne den Einsatz
flankierender Maßnahmen, wie das
Aufbringen von Sanierputzen o.ä..
Analyse und eine ursachengerechte
Sanierungsplanung sind erhebliche
Kosteneinsparungen bzw. -vermeidungen möglich, wie an Hand eines
Fallbeispiels gezeigt wurde.
Der Sanierungskontrolle sollte bei
den oftmals kostenintensiven Sanierungsmaßnahmen für feuchtes
Mauerwerk eine höhere Bedeutung
zukommen, was in der Praxis selten
der Fall ist. Eine innovative Sanierungskontrolle ermöglicht eine VorOrt-Überwachung des Mauerwerkszustandes über viele Jahre.
Fazit
(1) „mauerwerkstrockenlegung – von den
grundlagen zur praktischen anwendung“, M.
Balak, A. Pech, Springer Verlag 2003, S. 45
(2) „Schadensursachen bei alten Gebäuden ...“, H. Künzel, IBP-Mitteilung 337,
Fraunhofer Institut für Bauphysik, 1998
(3) „Feuchteschutz durch Wandtemperierung“, H. Künzel, IBP-Mitteilung 339,
Fraunhofer Institut für Bauphysik, 1998
Wie in W+G 138 gezeigt wurde, benötigt jede Ursache ihre spezifische
Sanierung, dies gilt insbesondere für
schadsalzbelastetes Mauerwerk, da
hier zumeist eine Ursachenkombination vorliegt. Durch eine fundierte
Michael Thiesen
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH)
Baubiologe IBN
Sachverständigenbüro für
angewandte Baubiologie
56203 Höhr-Grenzhausen
www.baubiologie-thiesen.de
Quellennachweise:
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