bluelemons.de Drei Minuten auf Gleis drei Der Bahnsteig erstreckt sich nach links und nach rechts unendlich, fast menschenlehr. Die schöne Schnauze des ICEs fährt langsam in den Bahnhof ein. Ich erhebe meinen Arm und grüße den Lokführer, wer auch immer er sein mag und er winkt mir lachend aus dem Cockpit zurück. Was für ein Moment, ich liebe diesen Moment, mein ICE, mein Locky und mein Gruß. Wagen Nummer 8 kommt langsam vor mir zum stehen. Mein Blick schweift nach links und als ob es versunkene Treppen auf dem Bahnsteig gibt, erhebt sich eine bekannte Gestalt, wie aus dem Nichts auf mich zu. Er bewegt sich leicht und schnell, aus weiter Ferne, groß, sehr schlank in perfekter Uniform. Sein Gesicht lacht, strahlt Frohmut und seine Leichtigkeit schwebt über den Bahnsteig. Ein kleiner, dunkelhaariger Junge sitzt locker auf seiner Hüfte, ein blondes wildes Mädchen tanz um seine langen Beine. Er folgt ihr mit den Augen und bewegt sich unaufhörlich auf mich zu. Sein helles Gesicht schaut in meine Richtung und er kreuzt meinen Blick. Schau, schau, meine Kinder, meine Kinder und ich, sind wir nicht schön? Verzaubert versinke ich in dieses Bild, dass sich bewegt und wende meine Augen in die offene Tür des Wagens Nummer 8. Zeit und Raum haben keine Zahlen mehr. Eine junge Frau, frech blitzen mir ihre Augen entgegen, ihr knallrot geschminkter Mund zeigt mir weise Perlen. Gewandt in Stewardess Uniform, mit hohem Schuh, ist sie die paar Treppen an mir vorbei, ich drehe mich um...das Bild ist bizarr, alles geht so schnell. Plötzlich ist der kleine dunkelhaarige Junge auf ihrer Hüfte. Das kleine blonde Mädchen wirbelt um uns herum, jetzt gehöre ich dazu. So blond wie das Mädchen ist auch ihre Mutter. Das kleine Gesicht des Jungen, mit den dunklen Augen schaut mir erstaunt entgegen, sieht er dass ich nicht weiß wen ich zuerst küssen soll, ihn, den ich zum ersten mal sehe, oder seine schöne Mutter, die ich so sehr ins Herz geschlossen habe. Hinter mir steigt der Herr Papa in den wartenden ICE. Schnell muss ich mich entscheiden, die Zeit drängt. Ich versinke in dieses Bild, in diese bluelemons.de junge Frau und ihre Kinder und küsse sie auf beide Wangen. Ein Moment der Zuneigung und der Einverständnis herrscht zwischen uns, den Kindern, dem Vater hinter mir und für einen kurzen Augenblick sind wir alleine auf Gleis 3. Stolz steht sie und zeigt mir ihren neuen Sohn, die Tochter wild und ungestüm und frech, so wie die Frau Mama auch. Ich muss mich los reisen und springe in die noch offene Tür. Der Gang erscheint mir dunkel und Gefängnishaft. Ich drehe mich ein letztes mal und strahlende, leise Gesichter schenken mir ein Lächeln. Ich lache froh auf und die schwere Tür, fällt krachend laut zurück in die glatte Wand des ICEs. Die Welt draußen rollt und der Bahnsteig bewegt sich menschenlehr. Die schöne Mama, den kleinen Jungen und das tanzende Mädchen gibt es nicht mehr. Ich schaue in das Gesicht des Vaters, er strahlt noch kurz und dann geht das Leben weiter, im Zug. So schnell verändert sich der Moment, ich fühle leichten Schwindel. Ich möchte festhalten und den Bahnsteig immer und immer wieder begehen. Das kleine Gesicht, mit großen dunklen Augen, du wagst es meine schöne, wilde Mutter zu küssen? Und wer bist du überhaupt, blitzt mich das Mädchen an. Jedoch die junge Frau strahlt und glänzt, sinkt in mich ein und teilt mit mir ihr leben. Der schlanke, hochgewachsene Vater holt mich zurück in den langgezogenen Innenraum des Zuges. Wir werden immer schneller in Richtung Süden. Hier drinnen ist es kühl und hell, wir spüren nichts von der Geschwindigkeit. Er und ich haben einen gemeinsamen Tag vor uns und auch er teilt sein Leben mit mir. Ich sehe Bilder und höre Geschichten. Meine Tochter dies und meine Tochter jenes, mein kleiner Sohn, er schläft nicht durch...was für ein stolzer Vater er ist, wie froh und stark und strahlend sein Gesicht. Drei Minuten auf einem Bahnsteig und einen Tag des Lebens. Für E & M
© Copyright 2025 ExpyDoc