Abschrift des Interviews

Österreichische Universitäten - Pressespiegel
Ö1 Mittagsjournal 12:00 (12:00) - Terrorgefahr: Interview
mit Psychologin Brigitte Lueger-Schuster
Vospernik Cornelia (ORF) Jetzt aber begrüße ich im Studio eine Frau, die uns erklären soll, wie
man mit Terrorgefahr umgehen soll, wie man mit ihr leben kann, die Psychologin Brigitte LuegerSchuster. Guten Tag.
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Guten Tag.
Vospernik Cornelia (ORF) Wir haben jetzt die Reaktionen der Politiker gehört, auf einen
Terroranschlag, auf einen neuen Terroranschlag, muss man sagen. Wie wichtig ist denn die
Reaktion von Politikern, wenn es darum geht, Menschen Angst zu nehmen?
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Die Reaktion von Politikern ist außerordentlich
wichtig, weil die ja an das Kollektiv, und somit an die kollektiven Emotionen, appellieren. Und da
können sie sehr unterschiedliche Dinge bewirken. Sie können Angst, Wut, Zorn, Verunsicherung
schüren, sie können aber auch genau das Gegenteil bewirken. Sie können beruhigen.
Beruhigend wäre ein Beispiel, dass man sagt: "Wir haben hier Sicherheit im Land. Die
Maßnahmen sind ergriffen. Wir haben zurzeit keine besondere Verdachtslage. Es ist alles in
Ordnung und wir bleiben dran. Wir tun alles, damit wir ein sicheres Land haben." Schürend ist die
Forderung nach erhöhter Bewaffnung, ist Kampfrhetorik. Wir haben ein Beispiel aus Paris auch
heute schon gehört. Das macht Angst. Und wenn man das tun will, dann tut man der Bevölkerung,
und letztendlich sich selber auch, nichts Gutes.
Vospernik Cornelia (ORF) Noch kurz nachgefragt: Wenn man die Grenze schließt, macht man
damit auch Angst?
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Es ist schwer zu sagen. Ich denke, in einem freien
Europa, wo wir es gewohnt sind ohne Grenzkontrollen zu passieren, würde ich schon sagen, das
macht eher Angst.
Vospernik Cornelia (ORF) Sie arbeiten sehr viel mit traumatisierten Menschen, auch mit
Menschen, die aus dem Krieg kommen. Wie kann man jetzt damit umgehen, wenn man davon
ausgehen muss, dass eigentlich alles zur Waffe werden kann, auch ein LKW?
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Das Schwierige an dieser Waffe LKW ist das
bizarre Moment, das sich damit verbindet. Je bizarrer ein Tötungsinstrument ist, desto schwieriger
ist es zu verstehen und desto größer wird die Verunsicherung. Also es ist was anderes, wenn
Messer-Attentate stattfinden, wenn Attentate mit Schusswaffen stattfinden. Das sind wir gewohnt,
da haben wir die Bilder im Kopf. Allein schon durch Fernsehserien oder Kinofilme. Aber ein LKW
macht Angst. Und das ist das schwierige, weil plötzlich jeder Gegenstand in der Umgebung
höchstes Gefährdungspotential haben kann - nicht muss, haben kann.
Vospernik Cornelia (ORF) Was macht das eigentlich mit einer Gesellschaft? Alles kann
höchstes Gefahren- und Gefährdungspotential haben, aber auch jeder Mensch, der neben mir
steht, könnte ein potentieller Attentäter sein?
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Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Das gilt jetzt nicht für die gesamte Gesellschaft.
Das gilt vor allem für jene Personen, die besonders empfindlich sind für derartige Situationen,
weil sie möglicherweise schon mal in so eine traumatische Exposition geraten sind, weil sie
Schwierigkeiten in ihrem Leben hatten, die außerordentlich groß sind - da steigt die Angst.
Vospernik Cornelia (ORF) Jetzt gibt es Länder, die müssen seit Jahrzehnten mit Terror leben.
Nehmen wir Israel her.
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Ja.
Vospernik Cornelia (ORF) Gibt es da Studien darüber, was das mit einer Gesellschaft macht?
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Ich habe mir gerade vor dem Herkommen eine
Studie angeschaut. Wie hoch sind die Anzahl der traumatischen Ereignisse über Gesamt-Europa
hinweggesehen. Und Israel hat hier rund 70 Prozent Anteil an traumatischen Ereignissen, im
Vergleich zu Deutschland, wo es circa 51 Prozent sind. Das heißt, es ist kein allzu großer
Unterschied. Wir erleben tagtäglich traumatische Situationen, die oft gar nicht so bewusst sind
und ähnlich ist es für Israel. Kollegen erzählen, dass sie sich daran gewöhnt haben, dass die
Bevölkerung weiß, damit umzugehen, sich zu schützen und auch sich zu entspannen.
Vospernik Cornelia (ORF) Und könnte man vielleicht, abschließend noch kurz gefragt, daraus
auch mehr Solidarität, Zusammenhalt schöpfen?
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Das, denke ich, ist das Allerwichtigste an
Botschaft: dass man ein Stück zusammensteht. Ich finde es gut, dass die in Nizza in die
Kaffeehäuser gehen und sich treffen und darüber reden: Was ist passiert? Weil das ermöglicht
das Begreifen und vom Begreifen geht es zum Verarbeiten.
Vospernik Cornelia (ORF) Vielen Dank, Brigitte Lueger-Schuster, für Ihre Einschätzungen und
für Ihren Besuch im Studio.
Lueger-Schuster Brigitte (Universität Wien) Sehr gerne.
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