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Alltag in der Ausländerbehörde | Manuskript
Alltag in der Ausländerbehörde
Bericht: Alexander Ihme
Aufregung in der Asylunterkunft in Meiningen.
Mike Hemmann und Kosovaren aus Serbien
Frau Termin wann? Wann in Hospital? Tag?
I don’t know. No sprechen deutsch.
No speaken deutsch.
No help.
Eine Familie aus dem Kosovo. Eigentlich zur freiwilligen Ausreise entschlossen, jetzt wieder
unsicher – die Frau hat psychische Probleme. Der einzige, der die Ruhe bewahrt ist Mike
Hemmann – Chef der Ausländerbehörde und zu diesem Zeitpunkt schon 14 Stunden im
Dienst.
Mike Hemmann
Okay, also er hat unterschrieben, dass er freiwillig gehen will, aber jetzt will er nicht mehr.
Er will nicht mehr freiwillig, weil es seiner Frau schlechter geht.
Ob nun wirklich die Ausreise ansteht? Zwei Tage „Gnadenfrist“.
Mike Hemmann
Okay. Wir kommen halt jetzt nicht weiter. Ich muss erst mal wissen, was jetzt überhaupt
gelaufen ist. Er soll am Donnerstag zu mir kommen, bis dahin habe ich es mir angekuckt.
Wir treffen Mike Hemmann morgens 8 Uhr. Auch da ist er schon fünf Stunden unterwegs,
hat in der Nacht eine Abschiebung begleitet.
Alexander Ihme und Mike Hemmann, Ausländerbehörde Meiningen
Was erwartet Sie sonst noch heute an diesem Tag?
Einen Tag kann man nicht planen in der Ausländerbehörde. Das heißt, selbst, wenn man
ihn planen würde, erwarten einen jeden Tag Sachen, die man nicht geplant hat.
Seit drei Jahren leitet der Verwaltungsfachmann die Ausländerbehörde im Landkreis
Schmalkalden-Meiningen. Bis Anfang des Jahres mussten bis zu 1600 Asylbewerber
gleichzeitig verwaltet werden.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Alltag in der Ausländerbehörde | Manuskript
Aktuell geht es um Einzelfälle wie diesen. Der Chef einer Dienstleistungsfirma, Gerd
Baumbach, will seinen albanischen Angestellten unbedingt behalten. Der hatte Asyl
beantragt.
Mike Hemmann, Ausländerbehörde Meiningen:
Das Problem ist ja bei ihm, er kommt ja aus Albanien. Also bei den Entscheidungen, die wir
jetzt bekommen haben, von Albanien, ist es quasi fast 100 Prozent das es abgelehnt wird.
Gerd Baumbach: Also, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird, das hab ich ihnen ja schon
gesagt, wäre das für uns nicht das Problem. Wir würden dann nach einer Lösung suchen.
Weil er ist gut, wir brauchen ihn.
Mike Hemmann: Das Problem ist, wenn der Asylantrag dann abgelehnt ist, hat man erst
mal eine Einreisesperre drinne. Wenn er natürlich jetzt sagt, er reist vorher freiwillig aus,
hat er die nicht.
Mike Hemmann erklärt das gesetzlich vorgeschriebene Prozedere.
Mike Hemmann, Ausländerbehörde Meiningen:
Das heißt er muss Ausreise bei der Botschaft stellen, also bei der deutschen Botschaft in
Albanien.
Gerd Baumbach: Ähm… muss er das persönlich tun oder können wir das auch…
Mike Hemmann: Ne, das muss er persönlich machen.
Gerd Baumbach: Nur, dass ich das richtig verstehe, er muss also praktisch nach Hause
fliegen, muss in Albanien zur deutschen Botschaft gehen und muss dort den Antrag
stellen?
Mike Hemmann: Genau.
Der Albaner soll also ausreisen und dann ein normales Visum für Deutschland beantragen.
Dann könnte er, so die Idee, hier mit einer entsprechenden Erlaubnis arbeiten. Das klingt
gut. Doch dann müssen sie feststellen – und das passiert häufiger – das Gesetz hat sich
geändert. Da schon ein Asylantrag läuft ist unklar, ob der Albaner wieder einreisen darf.
Mike Hemmann
Kollegin: Ich wollte es vorhin nicht… Ich weiß nicht, wie kleinlich die Botschaft das sieht.
Mike Hemmann: Wir probieren es.
Kollegin: Ja, mehr können wir nicht. Ganz aktuell von Ende Mai erst. Botschaft Tirana,
gerade ausgedruckt.
Das Papier sagt: Um ein Visum zu bekommen, hätte der albanische Maler vor dem 4. Mai ausreisen müssen. Jetzt ist es offenbar zu spät.
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Mike Hemmann
Gut, dann müssen wir mit denen einfach mal ein Gespräch führen.
Hemmann wird dem Chef der Malerfirma mittteilen müssen, dass die Beschäftigung des
albanischen Handwerkers in weite Ferne gerückt ist.
Sie sind ja fast mehr noch Sozialarbeiter, als Mitarbeiter der Ausländerbehörde, wenn man
das hier so sieht.
Manchmal schon ja. Wobei mein eigentlicher Job ist ja ein ganz anderer. Mein eigentlicher
Job ist die Verwaltung. Bescheide erlassen, einen Fachdienst führen, nur ich denke mal in
so einem Job bleibt das nicht aus, weil im Vordergrund soll stehen und steht auch für mich
der Mensch. Das ist ganz klar.
Mike Hemmann unterwegs. Er muss für Integration werben und gleichzeitig abschieben. Ein
schwieriger Spagat.
An einer Gemeinschaftsunterkunft treffen wir den 14jährigen Gentriz
Gentriz Ziu
Wie lang seid ihr schon hier?
Ein Jahr und 6 Monate.
Ach erst, aber dafür sprichst Du ja…
Ich war davor 6 Jahre in der Schweiz.
In der Schweiz und warum nicht dort geblieben?
Wir mussten ausreisen.
Ach so.
Mike Hemmann
Von der Sprache her, wann man nicht wüsste, wenn man da ein anderes Gesicht sehen
würde, könnte man denken, es wäre ein Deutscher.
Ja.
So, und dann muss eben darüber entschieden werden. Sind halt aus dem Kosovo.
Das heißt im Endeffekt, nein?
Grundsätzlich nein.
Die Familie lädt uns in ihre Wohnung ein.
Schönen Guten Tag.
Wer schläft jetzt wo?
Hier schläft mein Bruder, hier mein Vater, hier schlaf ich und hier meine Mutter.
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Es ist absurd. Familie Ziu muss vermutlich Deutschland wieder verlassen. Dabei haben sie
eine Arbeitserlaubnis, verdienen Geld, die Kinder gehen zur Schule. Aische – die Kleinste – ist
in der Schweiz geboren.
Also Du kennst die Heimat Deiner Familie gar nicht, Du warst noch nie dort?
Nein.
Und, willst Du da hin?
Äh… Nur mal zu schauen wie es ist, aber zu Wohnen nicht.
Mike Hemmann
Wenn Asylbewerber sich so gut eingelebt haben, das ist eigentlich das, was wir wollen…
was die Gesellschaft will…
Und trotzdem kann es passieren, dass Mike Hemmann irgendwann genau diese Familie
abschieben muss. Also nachts gegen 3 Uhr bei ihnen klingelt und sie dann auffordert,
Deutschland sofort zu verlassen. Er sieht genau hier einen Denkfehler im System.
Mike Hemmann
Wir haben als Ausländerbehörde ein riesengroßes… Was heißt Problem. Es ist so, wir sind
auf der einen Seite Ordnungsbehörde auf der anderen Seite geht ja der Trend hin,
Ausländerbehörden sollen Willkommensbehörde sein.
Und Willkommensbehörde und Ordnungsbehörde das passt nicht zusammen. Da eben den
goldenen Mittelweg zu finden ist eben extrem schwierig.
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