Nur wer lernt, spielerisch mit Seelenregungen umzugehen, kann erzieherisch wirken. Am Flügel sitzt Alain Brun-Cosme, Pianist und Eurythmiedozent am Berliner Seminar für Waldorfpädagogik, auf der Empore Glinda Spren, Sprecherin; Beethoven, Goethe und Gebrüder Grimm. Wie werden die Absolventen des Waldorflehrer-Seminars, die heute Abend nach einem Monat intensivster Bühnenarbeit eurythmisch auftreten, die Herzen der Zuschauer berühren? Gespannte Erwartung. Der Vorhang geht auf. Aus der Ruhe perlende Töne, aus der Ruhe gestaltete Sprache: Die Bühne verwandelt sich in eine farbendurchflutete Seelenlandschaft. Die Musik entfaltet sich fürs Auge wahrnehmbar, die leichte tänzerische Melodie, in schöner Exaktheit erlebbar, umrahmt vom strengen, kraftvoll ausgeführten Takt, alles in einem musikalische Transparenz schaffenden Bewegungsstrom. Das Programm gipfelt in der Darstellung des Grimmschen Märchens „Die drei Federn“. Hier ist jede Darstellerin auf sich selbst gestellt und muss ganz aus sich heraus den Charakter schöpfen, den sie darstellt, ohne Halt durch eine umhüllende Gesamtbewegung: Wenn der alte König spricht, muss er aus seiner eigenen majestätischen Ruhe und Seelengröße schöpfen; wenn die kleine Itsche sich zur holden Prinzessin entpuppt, muss ihr Liebreiz ganz die Rolle erschaffen; Entsprechendes gilt bei jeder Einzelrolle. Es braucht Mut, sich authentisch zu zeigen und daraus eine Gebärdensprache zu gestalten! Und dies ist an dem Abend wunderbar gelungen. Das Publikum war ergriffen. In mir kam das Gefühl hoch: Diese Menschen werden durch ihre eurythmische Leistung andere Lehrer werden. Sie haben Seelenkräfte an der Kunst entwickelt und erprobt, die ihnen als Lehrer dienen werden; denn nur wer Mut hat, er selbst zu sein und lernt, spielerisch mit Seelenregungen umzugehen, kann erzieherisch wirken. Ich weiß als Mitglied der Laien Bühnengruppe Vox aus Erfahrung sehr wohl, welche fröhlichen, feinfühligen Ermunterungen nötig sind, um aus Laien für einen Abend Quasi-Eurythmisten zu machen! Der Dank für diese Leistung gebührt Alain Brun-Cosme, dem es gelang, Erstaunliches aus den werdenden Waldorflehrern in ihrem Wahlpflichtfach Eurythmie bewegungskünstlerisch anzuregen und mit jedem Einzelnen individuell und bühnenreif zur Entfaltung zu bringen. Elisabeth Hardorp
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