Reise 31 u neues deutschland Sonnabend/Sonntag, 22./23. August 2015 * Hochkultur für Gaumen und Auge August der Starke würde seinen Pillnitzer Königlichen Weinberg nicht wiedererkennen. Von Heidi Diehl A lter, wir haben dein Einverständnis einfach mal vorausgesetzt und unsere Gläser unter deinem Angesicht gefüllt. Denn nirgendwo lässt sich bei dieser Affenhitze Wein besser genießen als unter deinem kühlen schattigen Dach, zumal es das der Weinbergskirche im Pillnitzer Königlichen Weinberg ist. Und heißt es im Alten Testament nicht: »So gehe hin und iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dein Werk gefällt Gott«? Im Übrigen trinken wir Hobbywinzer Walter Rogge gehört zu den Rettern der Kirche. den Wein von Walter Rogge und seinen Vereinsmitgliedern, die zu jenen Männern und Frauen gehören, die die Kirche vor 25 Jahren vor dem endgültigen Zerfall retteten. Dass das heute wieder schmucke Kirchlein mitten im Weinberg genau gegenüber dem Schloss Pillnitz steht, verdankt die Nachwelt gewissermaßen dem schlechten Gewissen des genusssüchtigen und lebenslustigen August des Starken. Der wollte nämlich sein 1720 erbautes Pillnitzer Wasserpalais großzügig erweitern, wobei ihn die Kirche auf dem Gelände im Weg war. Kurzerhand ließ er sie im Mai 1723 abreißen, doch um allen Protesten gleich den Wind aus den Se- geln zu nehmen, ordnete er einen Neubau in seinem Weinberg auf der anderen Elbseite an. Schon 18 Monate später wurde die neue Kirche eingeweiht und bis 1928 als evangelische Hofkirche genutzt. Danach gehörte sie dem Freistaat Sachsen, 1947 übergab sie die sowjetische Besatzungsmacht der lutherischen Landeskirche, die sie bis 1976 für Gottesdienste nutzte. Dann ging das inzwischen baufällige Gebäude in den Besitz der Staatlichen Kunstsammlung Dresden über. Geld, um die Kirche zu sanieren, hatte diese nicht, nutzte sie aber bis 1989 als Lagerraum und überließ das einstige Prachtstück ansonsten dem Zahn der Zeit, der ganze Arbeit leistete. Fast hätte er es geschafft, doch zum Glück gab es eine Gruppe hoffnungsloser Optimisten, die sich mit dem Elend nicht abfinden wollte. Jahrhunderte hat das Kirchlein alle Zeiten und auch Kriege überstanden – da muss es doch in Friedenszeiten zu retten sein, sagten sie sich und gründeten im April 1990 die Interessengemeinschaft zur Rettung der Pillnitzer Weinbergkirche e. V. Im Mai 1990 fand vor der Kirche ein erstes Benefizkonzert statt, dem noch viele folgten. Die Wildentschlossenen rührten mächtig die Werbetrommel für die Rettung des Kulturgutes. Wie man heute sehen kann, mit großem Erfolg: Der Freistaat Sachsen als Eigentümer der Kirche griff tief in die Staatskasse, zahlreiche große und kleine Spenden von Unternehmen und Privatleuten kamen zusammen, und viele halfen mit Rat und Tat bei den Sanierungsarbeiten. Genau 270 Jahre nach der Kirchweihe wurde am 12. November 1995 der Abschluss der Sanierungsarbeiten mit dem ersten Gottesdienst gefeiert. Viele der Vereinsmitglieder sind auch Freizeitwinzer im ehemaligen Weinberg Augusts des Starken. Seit 850 Jahren wächst an den Hängen zwischen Meißen und Dresden Wein, der denkmalgeschützte Pillnitzer Königliche Weinberg wurde 1409 erstmals erwähnt und im 16. Jahrhundert mit einer Trockenmauer umge- Das Kirchlein ist mehr als ein Schmuckstück im Pillnitzer Königlichen Weinberg. ben, die teilweise noch im Original erhalten ist. Doch dem historischen Weinberg ging es nicht viel besser als der Kirche. Erstmals verschwanden die Reben um 1900 – zum Teil war’s der zerstörerischen Reblaus geschuldet, mehr noch baulichen Begehrlichkeiten Besserverdienender. Erst ab 1925 wurden sieben Hektar des einst zwölf Hektar großen bis zu 30-prozentigen Steilhangs wieder aufgerebt. Doch das Winzerglück währte kurz. Nach 1945 wurde erneut gerodet, Obstplantagen entstanden, große Flächen verwilderten, nur an wenigen Stellen war der Weinberg noch zu erkennen. Bis 1978 ein Häuflein junger Leute begann, der einstigen königlichen Zierde ihre alte Schönheit und Bestimmung zurückzugeben. Heute bewirtschaften 70 Pächter einen großen Teil des Pillnitzer Königlichen Weinbergs, viele sind mit ihren Reben hier alt geworden. Einer ist der frühere Lehrer Walter Rogge, der jetzt als Rentner endlich alle Zeit der Welt hat, seine 1000 Stöcke Riesling, Weisburgunder und Traminer zu hätscheln. Was die 70 Hobbywinzer produzieren, veredelt der Kellermeister der Winzergenossenschaft Meißen zu köstlichen Weinen. Der 2012er Traminer, den wir unter Gottes Angesicht genießen, ist ein ganz besonders gelungenes Tröpfchen, wofür ihn die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) mit einer Goldmedaille auszeichnete. Doch auch die anderen Weine sind nicht zu verachten. Obwohl die Kirche wohl temperiert ist, scheinen sie im Glas regelrecht zu verdunsten. Walter Rogge freut sich sichtlich über so viel genüsslichen Zuspruch. Dennoch empfiehlt er, unbedingt beim Nachbarn vorbeizuschauen. »Die Weine unseres Vereins sind schon sehr gut, wenn ihr aber was ganz Besonderes wollt, dann probiert mal die von Klaus Zimmerling«, versucht er uns den Aufbruch zu erleichtern. Der Profiwinzer baut auf vier Hektar des Königlichen Weinbergs Riesling, Weiß-, Małgorzata Chodakowska schuf die Plastiken, deren Abbilder die Flaschen mit den Weinen von Klaus Zimmerling schmücken. Fotos: nd/Heidi Diehl Grau- und Spätburgunder, Traminer, Kerner sowie Gewürztraminer an – alles rein ökologisch. Sein Filetstück ist die Rysselkuppe, ein Kegel aus verwittertem Granit, was für besonders mineralische Weine sorgt. 1987 hat der studierte Maschinenbauer als Hobbywinzer begonnen, weil er der Überzeugung war, dass es möglich sein müsse, bessere Weine herzustellen als die, die man so zu kaufen bekam. 1992 machte er das Hobby zum Beruf, und zwar mit solchem Erfolg, dass ihn der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), in den es nur die Besten der Besten schaffen, 2010 mit »Kusshand« aufnahm. Seine Weine sind nicht nur eine Gaumenfreude, sondern auch ein absoluter Hingucker. Denn jede Flasche ziert das Abbild eines der Kunstwerke seiner Frau Małgorzata Chodakowska, die ihr Atelier auf dem Winzerhof hat. Zauberhafte, fast feenhafte, anrührende Schönheiten sieht man dort. Die gebürtige Polin bekam für ihre Plastiken ebenso zahlreiche Preise wie ihr Mann für seine außergewöhnlichen Weine. Wer nun Lust bekommen hat, sich selbst mal genüsslich auf den Spuren sächsischer Weinkultur zu bewegen, hat dazu am nächsten Wochenende beim »Tag des offenen Weinguts« ausführlich Gelegenheit. 40 Weingüter entlang der 55 Kilometer langen Sächsischen Weinstraße zwischen Diesbar-Seußlitz und Pirna öffnen am 29./30. August ihre Türen. Auch Walter Rogge lädt in seiner Parzelle hoch über der Weinbergkirche – die selbstverständlich geöffnet ist – zur Verkostung ein. Und wenn Sie Hochkultur für Gaumen, Auge und Seele in einem erleben wollen, dann sind Sie bei Klaus Zimmerling und Małgorzata Chodakowska an der besten Adresse. Infos Weinbergkirche: www.weinbergkirche.de; geöffnet Sa/So, 13-17 Uhr Winzer Walter Rogge: www.pillnitzer-weinberg.de; Tel.: (0351) 3118524 Weingut Klaus Zimmerling: www.weingut-zimmerling.de; Tel.: (0351) 2618752) Małgorzata Chodakowska: www.skulptur-chodakowska.de Tage des offenen Weingutes: 40 sächsische Weingüter öffnen am 29. und 30. August zwischen 10 und 18 Uhr ihre Weingüter. Alle Infos und Adressen unter: www.elbland.de/programm-offenesweingut Vormerken: Die Tage des offenen Weingutes 2016 finden am 27./ 28. 8. statt. Wussten Sie, dass Sachsen das östlichste der 13 deutschen Weinanbaugebiete und mit 460 ha das zweitkleinste nach der Hessischen Weinstraße mit 450 ha ist? Weitere Infos rund um den sächsischen Wein: www.saechsischer-weinwanderweg.de; www.weinbauverband-sachsen.de www.winzerzug.de Übernachtungsempfehlung: Pension zur Königlichen Ausspanne www.koenigliche-aussspanne.de Allgemeine Infos zum Tourismus in Dresden und Sachsen: www.dresden.de www.sachsen-tourismus.de ANZEIGE PORTUGAL ITALIEN Madeira - Blumeninsel im Atlantik g8-tägige ab/an Berlin/Tegel und Dresden RomReise 5-tägige Städtereise 2013 Sizilien - Am Fuß des Ätna R o m 5-tägige Städtereise 2013 g g 699,- 999,- Sie von Berlin bzw. 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