BISPINGEN Die Lüneburger Heide erfindet sich neu Von Marie Dörr Die Heide (lateinisch: calluna vulgaris) steht derzeit in voller Blüte. Deswegen gibt es im August und Anfang September die meisten Gäste Der traditionelle Tourismus mit Wanderung und Kutschfahrt schwächelt. Doch es gibt Ideen, um neue Urlauber anzulocken. Die traditionelle Pferdekutschfahrt zählte schon immer zu den Highlights eines Besuchs in der Lüneburger Heide. Denn wer die blühenden Heidekräuter in ihrer ganzen Pracht erleben möchte, muss auf sein Auto verzichten und es am Parkplatz zurücklassen. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Tourismus in der Heide gewandelt. Immer mehr Großangebote wie der Heidepark, der Snow Dome oder das Kart-Center machen den traditionellen Heideangeboten Konkurrenz. Kutscher Jürgen Hillmer kommt aus einem landwirtschaftlichen Elternhaus und kennt das Geschäft sehr gut. Er selbst lernte schon als Jugendlicher, mit Pferden und Kutsche umzugehen. "Früher lief das Geschäft besser. Die ersten Besucher kamen schon am frühen Morgen, und die letzte Kutsche war erst am Abend zurück im Hof", sagt Jürgen Hillmer, dessen Angebote seit 45 Jahren ein fester Bestand der Heidetouristik sind. "Heute ist das anders. Die täglichen Fahrzeiten beschränken sich meistens auf die Stunden zwischen 11 und 15 Uhr", fügt er hinzu. Derzeit besitzt Jürgen Hillmer zwölf Pferde und fünf Gespanne. Er organisiert die täglichen Fahrten und bringt seinen Gästen die Natur rund um die Heide mit großer Begeisterung näher. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Susanne Hillmer leitet er außerdem eine Pension in Niederhaverbeck. Am Abend müssen die Tiere versorgt und die Ställe gereinigt werden. Im Winter fallen Reparaturen an, für die während der Saison keine Zeit ist. Urlaub? Das ist lange her. Trotz allem haben die Hillmers viel Freude an ihrem Beruf. "Das Naturschutzgebiet ist einmalig, und die Heide wächst vor den Toren unseres Hofes", sagt der Kutscher. Doch die nächste Generation will dieses Leben nicht mehr. Hillmers Kinder haben eine andere berufliche Laufbahn eingeschlagen – zu unsicher ist das Saisongeschäft. Seine Familie ist da kein Ausnahmefall. In dieser Saison macht sich obendrein das schlechte Wetter deutlich bemerkbar. Moderne Technik tut ein Übriges. Potenzielle Kunden wissen mit wenigen Klicks auf ihrem Smartphone, ob es regnet und bleiben in solchen Fällen meist gleich zu Hause. Das Alternativprogramm für das jüngere Publikum ist zudem üppig: Im Centerpark Bispingen kann sich der Besucher entspannt zurücklehnen und ein Familienwochenende in erholsamer Umgebung genießen. Auch im Snow Dome, im Kart-Center oder im Heide Park gibt es viel zu erleben, gleichgültig, ob das Wetter mitspielt oder nicht. Neue Zielgruppe setzt mehr auf Wanderungen und Themenfahrten Den Wandel im Heidetourismus und die Abhängigkeit von einer guten Saison zwischen Anfang August und Anfang September bestätigen auch die Touristik-Profis. Insgesamt fallen von 5,2 Millionen Übernachtungen im gesamten Bereich der Lüneburger Heide rund 1,3 Millionen in die Blütezeit des bekannten Heidekrauts. Dabei muss die Region über mangelnde Auslastung nicht klagen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es ein Wachstum von sieben Prozent. "Wir haben bei einer Umfrage ermittelt, dass rund 30 Millionen Tagestouristen pro Jahr in die Region kommen", sagt Ulrich von dem Bruch, Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH. "Der Trend hin zur Regionalität spiegelt sich aktuell in der gesamten Bevölkerung wider", ergänzt er. Nur das Angebot verändert sich: Die neue Zielgruppe, die sehr regional- und naturverbunden ist, setzt mehr auf Wanderungen und Themenfahrten. "Dieses Potenzial muss von allen erkannt werden. Auch die Kutscher sollten davon profitieren", sagt von dem Bruch. "Dabei spielt die digitale Vernetzung eine große Rolle. So überlegen wir, die Gespanne mit GPS auszustatten, damit unsere Besucher ihren Aufenthalt besser planen können. Eine weitere Überlegung wäre die Einrichtung eines Ampelsystems, das anzeigt, ob Kutschen belegt sind oder frei zur Verfügung stehen", fügt er hinzu. Auch die Bispinger Heide-Touristik will die Kutschfahrten weiterhin im Programm halten: "Wir treffen uns zu regelmäßigen Sitzungen mit den Kutschern und den Gemeinden um das Naturschutzgebiet, um unseren Besuchern ein abwechslungsreiches Programm bieten zu können", sagt Geschäftsführerin Waltraud Giese. Die traditionellen Kutschfahrten gehören für sie zu einem Ausflug in die Heide dazu: "Es ist wichtig, sie weiterhin zu fördern. Allein der Umwelt zuliebe!" Denn es gibt eben auch in Zukunft nur drei wirklich nachhaltige Wege, um den Naturpark Lüneburger Heide in all seinen Facetten zu erkunden: Zu Fuß, mit dem Rad oder eben mit der Pferdekutsche.
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