Neue Kraftwerks-Idee auf altem Areal

AZ 5312 Döttingen
Fr. 1.80
Samstag, 16. Juli 2016
Nr. 82
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Heute m
Die Zeitung für das Zurzibiet und angrenzende Gemeinden
it:
Neue Kraftwerks-Idee
auf altem Areal
Ab kommender Woche liegt ein Baugesuch für die Pilot-Anlage einer Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlage auf dem Areal des ehemaligen
thermischen Kraftwerks der NOK öffentlich auf. EDF Trading, eine
Tochter des französischen Energiekonzerns EDF, plant diese Anlage
gemeinsam mit Energiedienst aus Laufenburg. Betrieben werden
soll das Kraftwerk mit Biotreibstoff aus Altspeiseölen und Reststoffen. Mit der Wärme des Kraftwerks könnte die Refuna bedient
werden. Die Investitionsentscheidung ist für 2017 vorgesehen.
DÖTTINGEN (tf) – 1948, lange bevor die
Kernkraftwerke Beznau in Betrieb gingen, wurde im Industriegebiet Stüdlihau,
in unmittelbarer Nähe der Beznau-Insel,
Geschichte geschrieben. Um dem steigenden Strombedarf der Nachkriegszeit
begegnen zu können, nahmen die Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK)
das erste konventionell-thermische
Kraftwerk der Schweiz in Betrieb. Das
mit einer BBC-Gasturbine ausgestattete Werk wurde mit Schweröl betrieben
und war das damals leistungsstärkste seiner Art in Europa.
Jetzt soll am gleichen Standort – die
Parzelle ist seit August 2015 im Besitz der
Birchmeier-Gruppe – erneut Geschichte
geschrieben werden. Ein Kosortium aus
EDF Trading und Energiedienst möchte
im Stüdlihau die erste grosse mit Biotreibstoff betriebene Wärme-Kraft-KopplungsAnlage der Schweiz bauen. Zum Einsatz
kommen voraussichtlich aus grossen
Schiffsmotoren abgeleitete Aggregate.
Bei 20 MW Feuerungsleistung resultieren
pro Motor zirka 9 MW elektrische Energie (Strom) und 9 MW thermische Energie
(Wärme). Mittelfristig sollen fünf solcher
Motoren in Betrieb genommen werden,
aktuell aufliegen wird das Baugesuch für
das Pilotprojekt mit einem Motor.
Realisieren will man das Projekt auf
der im Baurecht zur Verfügung gestellten Parzelle der Birchmeier-Gruppe. Betreiben soll das Werk die in Laufenburg
angesiedelte Energiedienst-Gruppe, an
der die Genfer Stadtwerke SIG sowie die
EnBW Energie Baden-Württemberg AG
beteiligt sind. Den Biotreibstoff soll die
Firma Tecosol liefern. Sie betreibt seit
2009 im süddeutschen Ochsenfurt eine
Biodiesel-Produktionsanlage – und liefert schon heute jährlich an die 3000 Tonnen Biodiesel in die Schweiz.
Vorhandene Infrastruktur nutzen
Auf Einladung des Döttinger Gemeinderats wurde die interessierte Öffentlich-
Die Partner
Die Parzelle, auf der die Wärme-KraftKopplungs-Anlage realisiert werden
soll und auf der seit langem schon das
Reserveheizwerk der Refuna steht, ist
seit 10. August im Besitz der Birchmeier-Gruppe. Wie Geschäftsführer und
Inhaber Markus Birchmeier an der
Informationsveranstaltung ausführte,
wollte die Birchmeier-Gruppe auf der
Parzelle ursprünglich Bauten für die
Birchmeier-Bauunternehmung realisieren, wurde dann aber nur Wochen
nach dem Kauf, sogleich von mehreren
Investoren angegangen für mögliche
Energieprojekte. Sie einigte sich mit
der EDF Trading, die im Gegensatz zu
den anderen Interessenten bereit war,
gleich von Beginn weg selbst Geld in
die Hand zu nehmen. Im Baurecht hat
die Birchmeier-Gruppe der EDF Trading das Areal auf 30 Jahre vermietet,
im Vertrag wurde zudem die Option
auf zusätzliche 30 Jahre verankert.
Die EDF Trading war auf das Areal
aufmerksam geworden, als sie sich mit
der Gasturbine beschäftigte, die auf
der Parzelle neben dem thermischen
Kraftwerk steht und die die Axpo im
keit gestern im Detail informiert zum
geplanten Pilotprojekt der EDF Trading
/ Energiedienst. Dabei handelt es sich
um den ersten Baustein einer grösseren
Kraftwerksvision (siehe Kasten). Wie
sich zeigte, wollen die Projektanten im
Rahmen des Pilotprojekts einen (von gesamthaft fünf) Verbrennungsmotoren in
Betrieb nehmen. Dazu möchten sie neues Leben in die bestehende Infrastruktur bringen. Die Tanks zur Lagerung des
Biotreibstoffs sind bereits da, der Gleisanschluss ist vorhanden und die Abladestelle ist am richtigen Ort. Die Maschinengruppen der neusten Generation
passen ebenfalls fast zentimetergenau in
die alte Generatorenhalle. Kommt hinzu,
dass der Anschluss ans Hochspannungsnetz genauso vorhanden ist wie der Refuna-Anschluss, der bereits heute zum Refuna-Reserveheizwerk auf der gleichen
Parzelle führt.
Nur mit KEV zu realisieren
Aus den Ausführungen von Martin
Kreuzberg (EDF Trading) wurde aber
auch deutlich, dass die mit Biotreibstoff
betriebene Wärme-Kraft-KopplungsAnlage nur wirtschaftlich ist, wenn sie
den Zuspruch der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) erhält. Ohne
KEV kann das Projekt nicht umgesetzt
werden. Betreffend KEV besteht jedoch
Zeitdruck, die Zeit rennt sprichwörtlich
davon. Darum drücken alle Partner (siehe Kasten) auch ordentlich aufs Gas.
Wollen die Investoren für das WKKProjekt die KEV, dann müssen sie sich
im Gegenzug verpflichten, die Abwärme
zu nutzen. Der Strom kann ins Netz eingespiesen werden, von der anfallenden
Wärme müssen aber mindestens 40 Prozent genutzt werden. Das ist eine Vorgabe der KEV. Betriebswirtschaftlich ideal wäre natürlich, wenn die gesamte anfallende Wärme – die WKK-Anlage hat
einen beeindruckenden Wirkungsgrad
von über 85 Prozent – abgesetzt werden
Januar 2015 zum Verkauf ausgeschrieben hatte. Als Firma, die in Energiehandel und Origination tätig ist, hält
die EDF Trading Ausschau nach möglichen Geschäftsfeldern, in die es sich
zu investieren lohnt. Eine mit Biokraftstoff betriebene Wärme-KraftKopplungs-Anlage betrachtet sie als
eine solche Option. Ihren Hauptsitz
hat die EDF Trading in London, hat
aber einen Geschäftssitz in Aarau.
Die Muttergesellschaft ist über die
langfristigen Stromlieferverträge aus
Frankreich eng mit dem Schweizer
Stromgeschäft verbunden.
Niederlassungen in der Schweiz hat
auch die deutsch-schweizerische Energiedienst-Gruppe aus Laufenburg. Die
auf ökologische Energieproduktion
ausgerichtete Firma würde das BioEnergiewerk betreiben. Eng begleitet
wird das WKK-Vorhaben auf Döttinger Grund einerseits durch Beat Mattmann, vom Büro Creato in Ennetbaden, einer Genossenschaft für kreative
Umweltplanung. Geplant und gezeichnet wurde das neue Werk auf altem
Areal durch Arthur Hauser vom Ingenieurbüro Urs Hauser AG in Kleindöttingen.
Die Botschaft, 16. Juli 2016
Auf dem Areal des ehemaligen thermischen Kraftwerks der NOK soll eine mit Bio-Treibstoff betriebene Wärme-Kraft-KopplungAnlage entstehen.
könnte. Für das Projekt in Döttingen
heisst das: Die Investoren müssen einen
Abnehmer für Wärme finden.
Refuna als Partner?
Es ist naheliegend, dass die Projektentwickler darum das Gespräch mit der
Refuna suchen. Der vergangene Winter
hat gezeigt, wie verwundbar das Refuna-System ist, wenn das KKB unerwartet ausfällt. Und die Frage, wie lange
das KKB noch betrieben werden kann
(oder darf), die steht im Raum. Wäre diese Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlage der
ideale neue Wärmelieferant für das Refuna-Netz? Vielleicht. Wie gestern deutlich wurde, sind Gespräche im Gang, vor
versammelter Öffentlichkeit Stellung
nehmen wollte die Refuna gestern aber
nicht. Es liegt auf der Hand, dass eines
der entscheidenden Kriterien der Wärmepreis sein wird.
Technisch und mengenmässig könnte
die WKK-Anlage im Vollausbau mit fünf
Maschinengruppen das Refuna-Netz
vermutlich knapp mit genügend Wärme
versorgen. Fünf Mal 9 MW thermische
Energie, plus Kaskadeneffekte und ein
zusätzlicher Holzkessel mit Frischholzverbrennung für die Spitzen, das könnte aufgehen.
Biotreibstoff aus Abfällen
Das Baugesuch für das Pilotwerk, das
auch durch das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI) genehmigt werden muss, liegt ab kommendem Montag
öffentlich auf.
Wie sich an der Informationsveranstaltung zeigte, interessiert die Bevölkerung
besonders Fragen zum Treibstoff. Hierzu
wurde versichert, dass der Treibstoff zu
100 Prozent aus nachhaltigen Rohstoffen
Die Vision
Ab Montag liegt das Baugesuch für
eine WKK-Pilotanlage öffentlich auf.
Geht es nach den Investoren, ist dieses
Pilotwerk das erste Puzzlestück eines
ganzen Kraftwerkkomplexes. Erhält
das Projekt den KEV-Beitrag, dann
sollen in der Halle auf dem Areal mittelfristig fünf grosse Maschinengruppen installiert werden. Die damit verbundenen Investitionskosten lägen bei
rund 50 Millionen Franken.
Für den Betrieb des Kraftwerks würde eine Projektgesellschaft gegründet.
Der Sitz der Gesellschaft ist noch nicht
Die Zeitung für das Zurzibiet
hergestellt wird und somit weitgehend
CO2-neutral ist. Es handelt sich nicht um
nachwachsende Rohstoffe, die in Konkurrenz zum Nahrungs- und Futtermittelkreislauf stehen, sondern zum Beispiel
um Altspeiseöle oder andere Reststoffe.
Es wurde versichert, dass der Treibstoff
in zehn Jahren nicht einfach ausgewechselt werden kann. Die Betriebsbewilligung ist gekoppelt an die Treibstoffart.
«Ideales Areal»
Die Chance für Fragen wurde gestern intensiv genutzt und die am Projekt Beteiligten gaben auf fast jede Frage eine Antwort. Unter dem Strich wurde klar, dass
das alte Areal des thermischen Kraftwerks (Parzelle 1209) viele Eigenschaften hat, die gut zum anvisierten Kraftwerksprojekt passen. Am Anlass war
mehrfach vom «idealen Areal» die Rede.
In den Tanks hat es theoretisch Platz
für 30 Millionen Liter Treibstoff, das Areal liegt in der Industriezone und ist nur
wenig einsehbar. Mit wenigen Sanierungsmassnahmen können die Gebäude
so gedämmt werden, dass alle Grenzwerte in den näherliegenden Wohn- und Gewerbezonen eingehalten werden können.
Der Kamin der Anlage wird 40 Meter
hoch, und es werden alle strengen Emissionsgrenzwerte eingehalten. Der Kamin
soll mit Schalldämmungs- und Partikelfilteranlage ausgestattet werden.
Für den Vermieter der Parzelle, Markus Birchmeier, passt das Projekt gut ins
Zurzibiet. «Wenn wir eines können im
Zurzibiet, dann Energie produzieren.
Und wenn wir damit auch noch die Zukunft der Refuna nachhaltig absichern
könnten, umso besser. Wir sind alle Refuna und es würde mich sehr freuen, etwas zur Lösung beitragen zu können.»
entschieden, wird aber aller Voraussicht nach in der Schweiz sein.
Rund eineinhalb Jahre nach Erteilung der Baubewilligung könnte das
neue Energiewerk seinen Betrieb aufnehmen. Notwendig hierfür sind noch
unter anderem eine KEV-Zusage sowie
die finale Investitionsentscheidung. Die
pro Jahr für den Betrieb der Pilotanlage
notwendigen 15 000 bis 17 000 Tonnen
Biotreibstoff würden mit rund 30 Eisenbahnzügen angeliefert.
Als Option wird darüber nachgedacht, die Biotreibstoffproduktion mittelfristig allenfalls auch auf dem Areal
im Stüdelihau anzusiedeln.
Gemeindenachrichten
Mettauertal
Baubewilligung: Werner Mühlebach,
Langmättli 114, Oberhofen, Aussenaufstellung Wärmepumpe.
Feuerbrand- und Ambrosiakontrollen:
Der Feuerbrand ist eine hochansteckende, meldepflichtige Bakterienkrankheit.
Die Grobkontrollen werden durch die
Gemeindeverantwortlichen von Mitte
Juli bis anfangs September vorgenommen. Wer einen Verdacht auf Feuerbrand
oder Ambrosia hat, meldet sich umgehend bei den zuständigen Personen oder
bei der Gemeindekanzlei.
Lehrabschluss: Melanie Vögeli, Etzwil,
hat die dreijährige Ausbildung zur Kauffrau EFZ, Profil M, mit grossem Erfolg
bestanden. Sie wird weiterhin auf einer
Gemeinde tätig sein und hat ihre neue
Stelle bereits am 1. Juli angetreten. Melanie Vögeli wird zu diesem Erfolg herzlich gratuliert und für die Zukunft alles
Gute gewünscht.
Themen heute
2
Hochwasser verhindert
Bootsdurchfahrt
5
Letzte Bauetappe
am Kreisel
7
Dem Tägerbach
entlang
Die historische Hirsebreifahrt hätte am Donnerstag durch das Zurzibiet geführt. Wegen des Hochwassers konnten die Boote nicht fahren
und auch der Beznauzwischenhalt fiel
buchstäblich ins Wasser.
Die vierte und letzte Etappe des Kreiselbaus in Bad Zurzach wurde in Angriff genommen. Die Bauarbeiten
dauern noch bis im September, dann
soll anfangs Oktober der Deckbelag
eingebaut werden.
Hansueli Fischer hat den Verlauf des
Tägerbachs erwandert. Der kleine
Bach erstreckt sich über sieben Kilometer und hat langsame und romantische, aber auch rasante Abschnitte.
16. Juli 2016