AZ heute „600 Lehrstellen sind noch nicht besetzt“ - stiftung

DONNERSTAG, 21. JULI 2016
19
AARGAUER ZEITUNG
www.aargauerzeitung.ch
600 Lehrstellen sind noch nicht besetzt
Ausbildung Der Kampf um Schulabgänger ist härter geworden. Trotzdem bleiben einige von ihnen auf der Strecke
VON PETER BRÜHWILER
INSERAT
Keine Nachwuchssorgen: In der Berufsgruppe Elektrotechnik sind 95 Prozent der Lehrstellen besetzt (siehe Tabelle).
Urs Keusch Baumeisterverband Aargau
Ausland rekrutieren müssen», vermutet
Sax, der gerne auch Asylsuchende ausbilden würde. Hier müsse aber zuerst
der Staat aktiv werden, denn vielfach
fehle die Arbeitserlaubnis.
Weniger Nachwuchssorgen haben die
kaufmännischen Berufe – obwohl das
KV in Zeiten der Digitalisierung auch
schon als Auslaufmodell bezeichnet
Wirtscha, Verwaltung
15
2.1
713
97.9
728
Gesundheit
Elektrotechnik
20
10
4.8
5.4
398 95.2
175 94.6
418
185
4.8
95.2
5.4
94.6
Informatik
Verkehr, Logistik
Holz, Innenausbau
7
19
19
6.1
8.2
9.0
108 93.9
212 91.8
192 91.0
115
231
211
6.1
93.9
8.2
91.8
9.0
91.0
Planung, Konstruktion
18 10.3
156
89.7
174
10.3
89.7
Verkauf
Gastgewerbe
69 11.2
35 12.3
548 88.8
249 87.7
617
284
11.2
88.8
12.3
87.7
Fahrzeuge
Natur
50 12.6
31 14.6
347 87.4
182 85.4
397
213
12.6
87.4
14.6
85.4
Schönheit, Sport
17
14.7
99 85.3
116
14.7
85.3
Metall, Maschinen
Nahrung
56 18.0
24 21.8
255 82.0
86 78.2
311
110
18.0
82.0
21.8
78.2
Gebäudetechnik
66 24.6
202 75.4
268
24.6
75.4
327
456
28.3
71.7
BERUFSGRUPPEN
71.7
Bau
129 28.3
TOTAL
612 12.0 4468 88.0 5080
eine Bronzemedaille. Bei der Mathematik-Olympiade massen sich rund 650
Teilnehmer aus 109 Ländern.
Die jungen Talente brüteten während
insgesamt neun Stunden über den Prüfungen, die an zwei Tagen stattfanden.
Die Aufgaben waren anspruchsvoll und
weniger traditionell als andere Jahre.
Unter anderem mussten die Jugendlichen hüpfende Frösche so auf Linien
platzieren, dass nie zwei Frösche
gleichzeitig am gleichen Ort sind.
Henning Zhang aus Villigen hätte
auch an der Internationalen PhysikOlympiade in Zürich teilnehmen können, die soeben zu Ende ging. Doch da
beide Wettbewerbe gleichzeitig stattfanden, entschied er sich für die Mathematik. «Hongkong tönte doch etwas
attraktiver als Zürich», meint er. (AZ)
12.0
Lehrstellen
in % besetzt
97.9
88.0
GRAFIK: NCH/MTA
INSERAT
Medaillen für Mathematiktalente aus dem Aargau
INSERAT
Lehrstellen
in % frei
2.1
QUELLE: KANTON AARGAU
Wissenschafts-Olympiade
Die Olympischen Spiele der Sportler in
Rio beginnen in gut zwei Wochen, die
Olympiade der jungen Wissenschafter
in Hongkong ist hingegen schon beendet. Und sie brachte für die Teilnehmer
aus dem Aargau im Fach Mathematik
erfreuliche Resultate. Henning Zhang
aus Villigen und David Rusch aus Spreitenbach, die beide die Kantonsschule
in Wettingen besuchen, holten jeweils
Lehrstellen
Total
Lehrstellen
besetzt in %
«Die Zahl der Bewerbungen
ist gegenüber früher
nur leicht gesunken.»
wurde. Lediglich 15 von total 728 Stellen sind laut «Lena» in diesem Bereich
noch nicht besetzt. Die Ausbildung
müsse natürlich laufend angepasst und
ganzheitlicher werden, sagt Peter Fröhlich, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Kaufmännische Grundbildung. Dies werde aber auch gemacht.
Er empfiehlt das KV als Fundament
deshalb «jedem, der später einmal eine
Firma managen will».
Ein gutes Fundament können natürlich auch andere Lehrberufe sein. «Wir
versuchen, Jugendliche zu motivieren,
zum Beispiel über den Detailhandel in
den kaufmännischen Beruf einzusteigen, falls sie sich erfolglos um eine KVStelle beworben haben», sagt der Berufsberater Philipp von Wartburg. Dass
dies nicht immer klappt, zeigt die kantonale Statistik des letzten Jahres, gemäss der sich rund 20 Prozent der
Schulabgänger für Anschlusslösungen
wie Brückenangebote oder Praktika
entschieden.
GAETAN BALLY/KEYSTONE
Lehrstellen
besetzt
mit Zukunft», sagt der Sekretär des
Metzgereiverbands, Rolf Meyer. Trotzdem: Als er sein Amt vor 36 Jahren antrat, wurden im Aargau 72 MetzgerLehrlinge ausgebildet. Und heute? Der
Ausbildungsverantwortliche
Philipp
Sax rechnet mit deren 10 – eigentlich zu
wenig, um eine Klasse zu führen. «Früher oder später werden wir aus dem
Lehrstellen
frei
Lehrstellen
frei in %
4468 Schulabgänger starten nächsten
Monat im Aargau gemäss dem kantonalen Lehrstellennachweis («Lena») eine
Berufslehre. Es könnten allerdings
noch einige mehr sein, denn laut der
gleichen Statistik sind aktuell 12 Prozent der ausgeschriebenen Lehrstellen
noch nicht besetzt. Gegenüber dem
gleichen Vorjahreszeitpunkt stieg die
Zahl der nicht besetzten Stellen damit
um fast 100 auf 612. Der Grund für diese Entwicklung ist in erster Linie das
steigende Angebot: Waren im Juli 2015
auf der kantonalen Plattform noch
4877 Stellen registriert, sind es zwei
Jahre später bereits 5080.
Der Kampf um die Schulabgänger ist
also härter geworden. Mit einer Quote
von knapp 30 Prozent unbesetzten
Lehrstellen besonders betroffen ist laut
«Lena» die Baubranche. Urs Keusch,
Ausbildungsverantwortlicher
beim
Baumeisterverband Aargau, relativiert
den Befund allerdings. Probleme habe
vor allem das Baunebengewerbe wie etwa Gipsereibetriebe. Im Strassenbau
hingegen seien bereits 43 Lehrstellen
besetzt. Dies sei im Vergleich mit den
Vorjahren «ein sehr guter Wert», sagt
er. Die kantonale Statistik, gemäss der
lediglich sechs Strassenbau-Lehrstellen
besetzt sind, zeige ein verzerrtes Bild.
«Denn viele Betriebe finden Lernende
über andere Kanäle wie zum Beispiel
die Mundpropaganda.»
Der Grundbefund aber bleibt: Handwerklich-technische Branchen haben
tendenziell mehr Mühe, genug Nachwuchs zu finden. «Die Zahl der Bewerber ist gegenüber früher zwar nur
leicht gesunken. Aber viele von ihnen
erfüllen die Anforderungen nicht
mehr», sagt Keusch, dessen Verband
die Maurer und Strassenbauer vertritt.
Das Wettinger Bauunternehmen
Bürgler AG etwa hat die Suche nach einem Maurerlehrling bereits abgebrochen. «Wir hätten auch zwei genommen», sagt die Personalverantwortliche
Miryam Sommerhalder. «Aber es hat
einfach nicht gepasst». Als Hauptproblem hätten sich weniger die schlechten Noten als vielmehr charakterliche
Defizite wie etwa viele Absenzen während der Schulzeit herausgestellt.
Gar keine Wahl haben andere Betriebe. Fleischfachmann – so die heutige
Bezeichnung – sei «ein schöner Beruf