Mittwoch, 3. August 2016 Titelgeschichte „Die Welt ist komplex geworden. Diese Komplexität zu berücksichtigen, ist die Zukunft.“ WIKU „Streng genommen müsste ein Hotel jeden Gast aufnehmen. Aber in der Praxis ist das kein Thema.“ Erich Kirchler, Universitätsprofessor Ehemals treue Gäste kommen nicht mehr, neue wollen erst gefunden werden. Das gilt nicht nur für Erwachsenenhotels. „Grundsätzlich ist Profilierung im Verdrängungswettbewerb ein Vorteil“, weiß Kronbichler. Er empfiehlt „Adults only“ aber nur Hotels ab einer Betriebsgröße von etwa 80 Betten: „Wer Nebeneinrichtungen wie Schwimmbad, Ruheräume und Sauna anbietet, braucht eine gewisse Größe, um betriebswirtschaftlich zu sein.“ Für kleine Hotels dieser Kategorie bleibe meist nur der Weg in ZUM THEMA Spezialisierung oder Diskriminierung? V or 10 Jahren geriet das Hotel Cortisen in St. Wolfgang in die Schlagzeilen. Es war das erste Erwachsenenhotel in Österreich. Heute kennt die Sparte verschiedene Untergruppen: Hotels, die ganzjährig keine Kinder aufnehmen, solche, die nach Haupt- und Nebensaison unterscheiden, und solche, die in ihrem Hotel getrennte Bereiche für Familien und kinderlose Gäste vorsehen. Der Reisemarkt versucht, Angebote für „gleichgesinnte Gemeinschaften“ und für unterschiedliche Lebensphasen zu schaffen, sagen Experten. Nicht nur Erwachsenenhotels, auch viele Kinderhotels haben strenge Aufnahmekriterien: Wer dort ohne Kind einchecken will, dem wird freundlich, aber bestimmt die Tür gewiesen. Der Grat zwischen Spezialisierung und Diskriminierung ist in jedem Fall ein schmaler. © 5 Ester Demetz, HGV-Vizedirektorin Mit Schwung in den Pool: Für die Kleinen eine Riesengaudi, für Sonnenanbeter eine Lärmquelle. Betreiber von Erwachsenenhotels haben das Shutterstock erkannt und ihr Angebot an Letztere angepasst. die Hochpreisigkeit. In jedem Fall gilt: „Die Service-Qualität muss stimmen, Full-Service am Gast angeboten werden.“ Meist seien Erwachsenenhotels Häuser mit mindestens 4 Sternen. Alles müsse auf den Pärchenurlaub ausgerichtet sein: romantischer Kerzenschein und genügend Raum für Privatsphäre inklusive. „Die romantische Schiene ist sehr wichtig für den Erfolg des Konzepts“, resümiert der Fachmann. Genauso wichtig ist die richtige Werbung. Hier ist Vorsicht geboten. Denn nicht nur die Profilierung per se hat Diskriminierungs-Potenzial: „Wenn ich Leute gezielt anspreche, schließe ich andere aus – mehr oder weniger direkt. Das ist ein üblicher und legitimer Modus, die eigene Leistung zielgruppenspezifisch zu bewerben und zu verkaufen“, sagt der Wirtschaftspsychologe Professor Erich Kirchler von der Universität Wien. Aber: Der Ton macht die Musik. „Denn Kinder sind ein sehr delikates Thema.“ Nicht der Ausschluss dürfe kommuniziert werden, sondern das spezielle Angebot und die Ausrichtung des Betriebs. „Wenn man ein Wellnesshotel betreibt, wo es ruhig ist, wo man kein Handy verwendet und wo die Leute nicht miteinander tratschen, sondern sich in Ruhe erholen – und es auch schafft, das so zu vermitteln – dann werden die Kunden es auch akzeptieren.“ Dass es die Klientel gibt, bestätigt nicht nur Hotelierin Sieglinde Hofer: Bei einer (nicht repräsentativen) Umfrage der Tourismusplattform HolidayCheck.de bekundeten 41,6 Prozent der Befragten: „Ich bin für Erwachse- nen-Hotels, weil mich das Kindergeschrei stört.“ Die Gäste: Kinderschreck oder Ruhesuchende? Wer sind die Gäste im Erwachsenenhotel? Alte Griesgrame, Kinderschrecke? Ganz im Gegenteil, erzählt Hofer: „Viele unserer Gäste haben beruflich mit Kindern zu tun, Lehrer, Kindergärtner, Ärzte und Krankenpfleger. Es sind Leute, die Kinder sehr gerne haben und sich ihnen auch im Beruf widmen. Aber einige Tage im Jahr, da schätzen sie es, Abstand zu finden.“ Weil es um Ruhe geht, werden auch nur Gruppen bis zu 6 Personen aufgenommen. „Sonst gibt es nur Remmidemmi“, schmunzelt Hofer. Woher kommt aber plötzlich das Bedürfnis der Gäste nach dem Urlaub ohne Kinder? Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler meint: „Vielleicht sind die Gäste anspruchsvoller geworden und wollen für ihr Geld genau das, was sie sich vorstellen. Vielleicht sind wir in vielen Bereichen – auch aufgrund von Stress und Belastungen – intoleranter geworden. Was auch immer es sei: Wenn es Bedürfnisse gibt, die nachvollziehbar und kommunizierbar sind, dann darf man als Dienstleister diesen Bedürfnissen auch Rechnung tragen.“ Tatsächlich ist der Bedarf da, sagt Sieglinde Hofer: „Viele Leute kommen, weil sie auf dieses Angebot aufmerksam geworden sind.“ Und was sagt das Gesetzbuch dazu? Darf ein Betrieb einzelnen Personengruppen das Einchecken verwehren? „Streng genom- men nein“, sagt Ester Demetz, Vizedirektorin des Hoteliers- und Gastwirteverbandes (HGV) und Leiterin seiner Rechtsabteilung. „Wenn es hart auf hart geht, muss der Hotelier jeden Gast aufnehmen.“ Aber in der Praxis sei das kein Thema: „Jeder Urlauber informiert sich vor der Buchung und bucht dann das, was für seine Bedürfnisse am besten passt.“ Dieser Meinung ist auch Prof. Kirchler: „Ich würde mich scheuen, kategorisch zu verlangen, dass man Kinder nirgendwo abweisen darf. Aber es ist natürlich ein heikles Thema.“ Das bestätigt auch Sieglinde Hofer. Hass-E-Mails verärgerter Eltern hat sie jedenfalls nicht bekommen. „Wenn wir Anfragen von Familien erhalten, erkläre ich, dass unsere Anlage besonders auf Ruhe und Paar-Urlaub ausgerichtet ist. Glücklicherweise kann ich Gäste mit Kindern an meinen Bruder weiterverweisen: Er hat ein Familienhotel. Deshalb hat die ganze Sache keinen so negativen Touch, wie man vielleicht meinen könnte.“ © Alle Rechte vorbehalten ZUM THEMA Urlaub ohne Kinder K urios: Auf der Webseite www.urlaub-ohnekinder.info finden Interessierte eine ständig aktualisierte (aber wohl nicht ganz vollständige) Liste mit Hotels, die Erwachsenen-Urlaub anbieten. Aktuell sind es weltweit 687, unter ihnen 6 Südtiroler Häuser. © Video auf
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