Die Situation „unbegleiteter minderjähriger Ausländer“

Die Situation „unbegleiteter
minderjähriger Ausländer“ im
hessischen Bildungssystem
Julia Albrecht, Anne Gölz, Valerie
Scheurer, Mona Stinner
veröffentlicht unter den socialnet Materialien
Publikationsdatum: 25.07.2016
URL: http://www.socialnet.de/materialien/27589.php
Hochschule Darmstadt
Fachbereich: Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit
Prüfungsleistung in Modul 120 (WS 2015/16)
Veranstaltung: Forschungsmethoden II – Geflüchtete Kinder und Jugendliche im deutschen
Bildungssystem (bei Prof. Dr. Susanne Spindler)
Abgabetermin: 08.02.2016
Forschungsbericht
Thema: Die Situation „unbegleiteter minderjähriger Ausländer“ im
hessischen Bildungssystem
Anne Gölz
Julia Albrecht
Matrikelnummer: 735533
Matrikelnummer: 736216
Fachsemester: 5
Fachsemester: 5
Herrngartenstr. 21
Häusserstr. 47
64285 Darmstadt
69115 Heidelberg
Mona Stinner
Valerie Scheurer
Matrikelnummer: 736102
Matrikelnummer: 735144
Fachsemester: 5
Fachsemester: 5
Carlowitzstraße 7
Elisabethenstr. 70
55252 Mainz-Kastel
64283 Darmstadt
Inhaltsverzeichnis
Seite
1 Einleitung
1
2 Begriffserklärungen
4
3 Methodisches Vorgehen und Reflexion
6
3.1 Verfahren qualitativer Analyse
7
3.1.1 Erhebungsverfahren
7
3.1.2 Auswahl und Vorstellung der Interviewpartner/in
8
3.1.3 Aufbereitungs- und Auswertungsverfahren
9
3.2 Reflexion
10
4 Allgemeine Rechtslage zum Thema
12
4.1 Spannungsverhältnis zwischen Jugendhilferecht und dem deutschem
12
Ausländerrecht
4.2 Darstellung der rechtlichen Bildungssituation von umA in Deutschland
13
4.3 Darstellung der rechtlichen Bildungssituation von umA in Hessen
15
5 Änderung der Bezeichnung 'umFlüchtlinge' zu 'umAusländer'
18
6 Die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer im hessischen
21
Bildungssystem
6.1 UmA in den verschiedenen Bildungsräumen
21
6.1.1 UmA unter 16 Jahren in der Regelschule
22
6.1.2 UmA unter 16 Jahren – Zugang zu der Hochschulreife
24
6.1.3 UmA über 16 Jahren in Bildungsmaßnahmen
26
6.2 Motivation der umA hinsichtlich des Schulbesuchs
29
6.2.1 Zielsetzung
30
6.2.2 Lernmotivation im Kontext Asyl
31
6.2.3 Schule als „sicherer Ort“
35
6.2.4 Bildung – eine sichere Investition
36
6.3 Schulbesuch – „Bildungsabstieg“ oder „Chance“?
37
6.4 Konkrete Probleme der umA in der Schule
40
6.5 Auswirkungen der unterschiedlichen Bildungsstände von umA auf das hiesige
45
Bildungssystem
6.5.1 Intensivklassen – Heterogenität aufgrund mannigfacher Bildungsstände
47
6.5.2 Regelklassen – Heterogenität aufgrund mannigfacher Bildungsstände
48
6.6 UmA und traumatische Erfahrungen
49
6.6.1 Neue Belastungen und Stressfaktoren
51
6.6.2 Besondere Belastungen weiblicher umA
54
6.6.3 Auswirkungen von Traumatisierungen auf die Schule
55
6.7 Zukunftsvisionen und Wünsche von Seiten der Betreuer/innen und umA
56
7 Fazit
58
8 Literaturverzeichnis
65
Anhang: Transkripte der Interviews 1-7
73
Eidesstattliche Erklärung
1 Einleitung
Passend zu Beginn des aktuellen Schuljahres, am 04. September 2015, setzte der Sprecher des hessischen Kultusministeriums Prof. Dr. Lorz ein deutliches Zeichen in Hinblick auf die Einschätzung der aktuellen Situation junger Flüchtlinge: „Die Beschulung
von Kindern und Jugendlichen, die als Zuwanderer oder Flüchtlinge in unser Land
kommen, wird im kommenden Schuljahr ganz sicher die größte Herausforderung, die
unsere Schulen und auch die Schulverwaltung zu bewältigen haben.“ (Hessisches Kultusministerium 2015a). Auch die wissenschaftliche Zeitung der Gewerkschaft 'Erziehung und Wissenschaft Hessen' (GEW) wählt in ihrem monatlich erscheinenden Sonderteil vom Dezember 2015 als einschlägiges Titelthema: „Flüchtlinge: Jugendliche
ohne Angebot – Intensivklassen an der Kerschensteinerschule Wiesbaden“ und „Junge
Flüchtlinge - Herausforderungen und Chancen für die Schule“ (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hessen 2015: S.8ff.). Auf 13 Seiten werden unter anderem (u.a.) die aktuelle Bildungssituation minderjähriger Flüchtlinge in Hessen
skizziert, die Bedeutung des Unterrichts für selbige herausgestellt, sowie über Herausforderungen und Chancen für die Schulen diskutiert (vgl. ebenda: S.6-19).
Die Dringlichkeit und Präsenz des Themas in den letzten Monaten sowohl in Hessen als
auch deutschlandweit ist unumstritten. Die Schlagzeilen in den öffentlichen Medien wie
auch die Debatten in Fachkreisen drehen sich immer häufiger um die Integration minderjähriger Flüchtlinge in das deutsche Bildungssystem. Im vorliegenden Forschungsbericht wird gezielt auf die Situation so genannter 'unbegleiteter minderjähriger Ausländer'
(umA) eingegangen, welche einen immer größer werdenden Teil der geflüchteten Menschen ausmachen. Die besonders seit dem letzten Jahr steigenden Zahlen unbegleiteter
Jugendlicher, die nach Deutschland kommen, sprechen für sich, obwohl es aufgrund
mangelnder Zusammenführung der statistischen Erhebungen starke Unterschiede in den
Angaben gibt. Über u.a. zwei verschiedene Wege ist es möglich Daten vorzulegen: Zum
einen über Asylerstanträge, welche die umA bei ihrer Ankunft in Deutschland stellen.
2014 (Zahlen von 2015 liegen noch nicht vor) taten dies deutschlandweit 4399 unbegleitete Kinder und Jugendliche (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015b:
S.23). Im Vergleich dazu stellten ein Jahr vorher nur ca. zweieinhalb Tausend umA
einen Antrag auf Asyl, womit sich die Zahl um mehr als 50% innerhalb eines Jahres erhöht hat (vgl. Parusel 2015: S. 32). Zum anderen ist es möglich einen Blick auf die veröffentlichten Zahlen der Jugendämter zu werfen, welche eine Statistik über Minderjährige führen, die 'aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland' in Obhut genom1
men werden. Hier waren es 2013 noch ca. sechseinhalb Tausend umA, während die
Zahl 2014 auf 11 642 stieg, sich also nahezu verdoppelt hat (vgl. Statistisches Bundesamt 2015). Die großen Unterschiede in den Angaben zeigen, dass womöglich nur ein
geringer Teil der jungen Flüchtlinge den Weg wählt, einen Asylantrag zu stellen oder
das System die angekommenen Kinder und Jugendlichen noch nicht erfasst hat. Eine
deutlich ansteigende Tendenz, besonders seit dem Jahr 2014, ist jedoch in beiden Datenquellen zu verzeichnen. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
e.V. schätzt ein Jahr später sogar noch weitaus höhere Zahlen, welche er auf seiner Homepage bekannt gibt: 2015 seien schon mehr als doppelt so viele umA nach Deutschland gekommen wie im Jahr 2014, nämlich bereits über 30 000. Hinzu kämen ca. 6500
junge Volljährige, die gegenwärtig Leistungen der Jugendhilfe erhalten (vgl. Bundesfachverband umF 2015a).
Die Mehrzahl dieser Kinder und Jugendlicher ist bei Ankunft in einem Alter, mit dem
sie der deutschen Schulpflicht unterliegen, welche in den landesrechtlichen Schulgesetzen geregelt ist. Diese Schulpflicht reicht von einer Beschulung in den Sekundarstufen I
und II, um den Hauptschulabschluss nachzuholen, bis hin zu Unterricht an beruflichen
Schulen, an denen die Möglichkeit der Berufsvorbereitung besteht (vgl. Weiser 2013: S.
10ff.). Aufgrund dieser Tatsache ist anzunehmen, dass die aktuell steigende Zuwanderung von umA unweigerlich einen Einfluss auf das deutsche Bildungssystem haben
wird. Die einzelnen Bundesländer haben die Aufgabe sich dieser neuen Herausforderung zu stellen. Nicht nur aus logistischer, sondern auch aus sozialpädagogischer Sicht
sind umA eine besondere Gruppe innerhalb der geflüchteten Menschen. Da sie sowohl
minderjährig als auch unbegleitet nach Deutschland kommen, zählen sie zu den besonders schutzbedürftigen Personen, welche aufgrund einer hohen Verletzlichkeit in Folge
der Fluchterfahrungen einen sicheren Status benötigen. Sie sind auf Beistand in ihrer
persönlichen Entwicklung angewiesen, da sie nicht durch Eltern oder andere Familienangehörige auf ihrem Weg unterstützt werden können (vgl. Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge 2014: S. 10). Diesen Personenkreis gilt es daher innerhalb unserer Forschung genauer zu betrachten.
Das hessische Kultusministerium stellt im eingangs zitierten Pressebericht u.a. die Situation zum neuen Schuljahr 2015/16 vor, in dem es heißt, dass es nach derzeitigem
Stand 399 Intensivklassen gebe, die vorrangig dem deutschen Spracherwerb dienen.
Dies seien weit über 6000 Schulplätze allein an den allgemeinbildenden Schulen, was
über 1600 Plätze mehr als vor den Sommerferien bedeute (vgl. Hessisches Kultusminis2
terium 2015). Nach einem Artikel in der regionalen Tageszeitung Mannheimer Morgen
ist die Zahl der Intensivklassen in Hessen bis zum Dezember 2015 bereits auf 530 gestiegen und 184 eigene Lerngruppen an beruflichen Schulen wurden gebildet. Außerdem sei eine monatliche Nachsteuerung bei der Stellenzuweisung von Lehrkräften veranlasst, sowie Referendare und Pensionäre zusätzlich angeschrieben worden (vgl. Kneier und Reinhardt 2015). Schließlich, so positiv die genannten Zahlen in Bezug auf die
Intensivklassen und Stellenzuweisung klingen, so kritisch wird die Situation in Fachkreisen nach wie vor eingeschätzt. In der Sonderausgabe der GEW- Zeitschrift heißt es
treffend, dass „(...) 180 zusätzliche Stellen für die beruflichen Schulen und 120 für die
allgemeinbildenden Schulen bei weitem nicht ausreichen.(…) Sonst haben die Schulen
die Schülerinnen und Schüler, aber keine Ressourcen.“ (Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft, Landesverband Hessen 2015: S.7). Außerdem zeigt eine ausführliche Forderungs-Liste der Gewerkschaft an das Land Hessen, dass weitere Maßnahmen dringend erforderlich sind (vgl. ebenda 2015: S.7).
Das Ziel der Forschungsarbeit soll es demzufolge sein die Realität der umA innerhalb
des Bildungssystems zu beleuchten und zu analysieren, insbesondere wie sich die tatsächliche Situation darstellt und wie umA und deren Betreuer/innen das Bildungssystem
erleben. Die übergeordnete Frage „Wie gestaltet sich die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer (umA) im hessischen Bildungssystem?“ soll die gesamte Forschung leiten.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Betonung des 'hessischen' Bildungssystems bewusst gewählt ist, da aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen in den einzelnen Bundesländern verschiedene Regelungen und Maßnahmen in Bezug auf den Umgang mit umA entstanden sind. In der vorliegenden Forschungsarbeit
wird sich ausschließlich auf das Bundesland Hessen bezogen. Auch die anonymisierten
Interviewpartner, Schulen und Einrichtungen, sowie bereits genannte Stellungnahmen
und Daten spiegeln vorwiegend die Situation in Hessen wider, um ein einheitliches
Bild darzustellen.
Im nun folgenden Kapitel sollen einerseits zentrale Schlüsselbegriffe in Bezug auf das
vorliegende Thema geklärt werden, welche wir aufgrund ihrer häufigen Nennung zu erläutern sinnvoll hielten. Ein weiteres Kapitel stellt die Vorgehensweise, mit der die Forschung betrieben wurde, dar. Die gewählte Methode, das so genannte problemzentrierte
Interview anhand von Leitfragen, sowie die Aufbereitung und Auswertung durch qualitative Inhaltsanalyse werden erläutert. Des Weiteren sollen eine selbstkritische Reflexi3
on der angewandten Methodik, das Darstellen von Schwierigkeiten, aber auch von gelungenen Arbeitsschritten diesen Teil der Arbeit abrunden. Die Aktualität der Begriffsänderung 'unbegleitete minderjährige Flüchtlinge' in 'unbegleitete minderjährige Ausländer' gab den Anlass für das darauf folgende Kapitel, in welchem sich kritisch mit dieser Neuerung auseinander gesetzt werden konnte. Als Grundlage für den weiteren Verlauf des Berichts ist der Abschnitt gedachte, in dem die gesetzlichen Bestimmungen für
umA zusammengefasst sind, insbesondere in Hinblick auf das hessische Bildungssystem, da bestehende Gesetze überhaupt erst die Voraussetzung für einen möglichen Bildungsweg sind. Der anschließende ausführlichste Teil der Arbeit befasst sich mit einer
inhaltlichen Analyse der Forschungsergebnisse, welche eingebunden in verschiedene
thematische Kapitel sind. Die einzelnen Themenbereiche haben sich nach einer anfänglichen Skizze im Verlauf der Forschung, insbesondere nach Führen der Interviews, neu
ergeben oder verfestigt. Ein abschließendes Fazit fasst die im Laufe der Forschung gewonnenen Erkenntnisse zusammen und versucht einen Ausblick im Sinne des vorliegenden Themas zu geben.
Im Anhang befinden sich die Transkripte der geführten Interviews Nr. 1-7, sowie die eidesstattlichen Erklärungen der Verfasser/innen.
2 Begriffserklärungen
In diesem Abschnitt sollen zunächst häufig erwähnte und fachspezifische Schlüsselbegriffe vor dem Hintergrund des Forschungsthemas geklärt werden, um die Ausdrücke
im Folgenden ohne Erläuterung verwenden zu können.
Unbegleitete minderjährige Ausländer (umA, ehemals umF gleich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) ist einer der zentrale Begriffe des vorliegenden Berichts, welcher zu
Beginn kurz erläutert werden soll. An dieser Stelle wird nicht auf die angedeutete Änderung des Begriffs von Flüchtling zu Ausländer eingegangen, welche seit Inkrafttreten
des „Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (Umverteilungsgesetz)“ (Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge 2015a) seit dem 1. November 2015 in Fachkreisen verwendet wird. Aufgrund der Thematisierung dieser Änderung in zwei der geführten Interviews soll sie an
einem späteren Punkt erneut in den Blick genommen und diskutiert werden. Der Begriff
umA wird im folgenden Bericht auf Grund formaler Richtigkeit jedoch durchgehend
verwendet.
'Minderjährige' bezeichnet laut §2 Bundesgesetzbuch eine Gruppe von Personen, wel4
che noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. Die Interessen der Minderjährigen werden bis zur Volljährigkeit von ihren Erziehungsberechtigten oder Vormündern vertreten
(vgl. Efler 2014: S.11). Im Falle der umA ist diese Interessenvertretung jedoch nicht
möglich, da sie dem Ausdruck nach 'unbegleitet' in Deutschland angekommen sind, was
bedeutet, dass sie „ohne Begleitung eines für sie (ihn) verantwortlichen Erwachsenen in
einen Mitgliedstaat der EU eingereist oder nach der Einreise dort ohne Begleitung zurückgelassen“ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015a) wurden. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig stellt klar, dass Kinder und Jugendliche, die alleine
aus ihren Heimatländern nach Deutschland geflohen sind und ihre Familien verlassen
mussten, besonders schutzbedürftig seien. Es sei die Verantwortung Deutschlands diese
Kinder und Jugendliche zu schützen und ihnen ein neues Zuhause zu bieten (vgl.
BmfSFJ 2015).
Die nächsten zu erklärenden Begriffe beziehen sich auf die Bildungsmöglichkeiten für
umA und beschreiben Maßnahmen und Förderprogramme, welche diesen zur Verfügung
stehen oder eingerichtet wurden. Der seit dem Jahr 2000 bestehende Eingliederungslehrgang in die Berufs- und Arbeitswelt EIBE bestand bis 2014 und war eine Maßnahme für umA, die vor dieser Zeit nach Deutschland eingereist sind, sowie für deutsche
Jugendliche und junge Erwachsene, die eine besondere Begleitung im Anschluss an das
Schulsystem hinein in den Berufsbereich benötigen. EIBE wurde durch den Europäischen Sozialfond gefördert und zeichnete sich vordergründig durch sozialpädagogische
Unterstützung aus. Hierzu gehörten ebenfalls projektbezogener Fachunterricht, allgemeinbildender Unterricht und handlungsorientierter Spracherwerbsunterricht, der vor
allen Dingen den umA zugute kam (vgl. IGFH 2013). Der Lehrgang ist mit Verlängerung das letzte Mal im Schuljahr 2014/15 gelaufen und wird aktuell durch eine Folgemaßnahme weitergeführt (vgl. Hessisches Kultusministerium 2015a). Ungeachtet dessen war es wichtig die Maßnahme hier kurz zu erläutern, da sie trotz Beendigung oftmals in den von uns geführten Interviews benannt wurde. Womöglich weil das bevorstehende Auslaufen der Förderungsmaßnahme und die Ungewissheit, was daraufhin folgt,
ein großes Stress- und Konfliktpotential innerhalb der umA und Sozialpädagogen/innen
ausgelöst haben möge.
Die Folgemaßnahme, welche seit Mai 2015 hessenweit den oben genannten Lehrgang
weiterführt, ist InteA, Integration und Abschluss. Die Hauptzielgruppe sind innerhalb
der Gruppe der umA besonders diejenigen, die zum Zeitpunkt der Einreise das 16. Lebensjahr überschritten haben und nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegen. InteA
5
ermöglicht ihnen dennoch eine zweijährige Beschulung, auch wenn diese über das 18.
Lebensjahr hinausgeht (vgl. Hessisches Kultusministerium 2015b). In Kooperation mit
dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration wurde darüber hinaus ein
Konzept erstellt, das die Einführung von Intensiv-Maßnahmen nach dem Vorbild des
allgemeinbildenden Bereichs an den beruflichen Schulen vorsieht, speziell ausgerichtet
für jugendliche unbegleitete und begleitete Flüchtlinge und Zuwanderer ohne Deutschkenntnisse. Dieses spezielle Sprachförderkonzept innerhalb der Maßnahme InteA ergänze damit die bisherigen Angebote für schulpflichtige Schüler an den allgemeinbildenden
Schulen (vgl. Hessisches Kultusministerium 2015a).
Eines der neusten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds kofinanzierten Programme
ist die Fördermaßnahme PuSch und bezeichnet 'Praxis und Schule'. Sie richtet sich an
ausländische, sowie deutsche Jugendliche, wobei die inhaltlichen Schwerpunkte und
Ziele stark an das ausgelaufene Programm EIBE angelehnt sind. Die individuelle Förderung soll Jugendlichen, die noch keinen Schulabschluss haben, den Hauptschulabschluss ermöglichen und „somit Zugänge zu neuen Bildungswegen eröffnen“ (Hessisches Kultusministerium 2015a), erklärte der hessische Kultusminister Lorz. PuSch
stärke insbesondere den präventiven Ansatz und gebe den Schülern/innen die Zeit, die
sie für ihren individuellen Erfolg brauchen. Praxisorientierte Bestandteile sollen die Jugendlichen aktiv auf ihre Rolle im Berufsleben vorbereiten, sowie sie in ihrer Entwicklung zu verantwortlichem und zielbewussten Handeln unterstützen (vgl. Hessisches
Kultusministerium 2015a). Besonders im Vordergrund stehen das Erreichen sozialer
Eingliederung und zukünftiger Beteiligung am Arbeitsmarkt, was gerade für die umA
als sehr wichtig in ihrer aktuellen Lebenslage eingestuft werden kann. Im Sinne der von
der Europäischen Union festgeschriebenen Ziele für alle teilnehmenden Jugendlichen
sollen des Weiteren individuelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung gewährleistet werden (vgl. Hessisches Kultusministerium 2016: S. 1).
3 Methodisches Vorgehen und Reflexion
Der nun folgende Teil des Berichts legt die Methodik der Forschung offen dar und erläutert diese. Folglich wird das Verfahren der qualitativen Analyse, welches das Erhebungsverfahren, Aufbereitungs- und Auswertungsverfahren beinhaltet, erklärt. Ein kurz
gefasster Abschnitt nach Beschreibung des Erhebungsverfahrens beschäftigt sich mit
der Auswahl und Vorstellung der Interviewpartner/innen.
6
3.1 Verfahren qualitativer Analyse
Die herangezogenen sozialwissenschaftlichen Grundlagen der qualitativen Analyse sind
anhand der Ausführungen von Philipp Mayring beschrieben, welcher sich als einer unter
vielen maßgeblich mit qualitativer Sozialforschung beschäftigt hat.
3.1.1 Erhebungsverfahren
Im begleitenden Seminar erlernten wir grundlegende Techniken zur Erhebung qualitativer Daten. Das dort besprochene der Forschung zu Grunde liegende 'Leitfragen-' oder
'Leitfaden-' Interview ist in den Ausführungen Mayrings in diesem Wortlaut nicht zu
finden. Die erarbeitete Methode im Seminar lehnt sich jedoch an das von ihm so genannte 'problemzentrierte' Interview an. Diese Technik lässt die zu interviewende Person frei zu Wort kommen und erzählen. Sie soll offen auf die gestellten Fragen reagieren, welche jedoch nicht unbedingt der vorgeschriebenen Reihenfolge oder einem genauen Ausdruck folgen müssen. Zu beachten sei, dass diese lediglich einem bereits angesprochenen Leitfaden folgen, um das Thema des Gespräches in einem bestimmten
thematischen Rahmen zu halten (vgl. Mayring 2002: S.67ff.). Mayring spricht davon,
dass es bei dieser Methode gilt, innerhalb des Interviews ein vordefiniertes Problem genauer zu betrachten, in unserem Fall könnte man dies auf die im Vorfeld formulierte
Forschungsfrage beziehen, sprich kein Problem näher zu untersuchen, wohl aber eine
bestimmte Situation, hier die Bildungssituation der umA. Durch die spezifischen Fragestellungen, welche den Gesprächsverlauf in allen zu führenden Interviews lenken, ist es
außerdem im Nachhinein eher möglich eine Vergleichbarkeit eben dieser zu erreichen,
man kann von einer Art Standardisierung durch die Leitfragen als Grundlage für die Gespräche sprechen (vgl. Mayring 2002: S. 70f.). Auch wenn es nicht unbedingt eingehalten werde müsse, sei es dennoch hilfreich konkrete Leitfragen mit Formulierungsvorschlägen zu entwerfen und diese vorab in eine vernünftige Reihenfolge zu bringen (vgl.
Mayring 2002: S. 69).
In der vorliegenden Forschungsarbeit wurden die Leitfragen vor den Gesprächen nach
dieser Methode erstellt und an die Lebenswelt der Interviewpartner/innen angepasst,
sprich wir erstellten zwei verschiedene Blöcke an Leitfragen, welche sich thematisch
nicht unterschieden, jedoch in ihrer spezifischen Fragestellung und Ausdrucksweise.
Der eine Block enthielt die Leitfragen, welche dem/der Betreuer/in gestellt wurden, der
andere die Fragen an die umA. Im Folgenden soll beispielhaft gezeigt werden, wie diese
Formulierungsunterschiede in der Praxis ausgearbeitet wurden: An die Betreuer wurden
7
z.B. Fragen wie 'Was wissen Sie über den aktuellen Bildungsstand der Jugendlichen, die
in Ihrer Einrichtung wohnen?', 'Welche Bildungserfahrungen aus ihrem Herkunftsland
haben sie?' gestellt. In den Interviews mit den umA wurden diese Leitfragen folgendermaßen umformuliert: 'Gehst du aktuell in die Schule? In welche Schule und in welche
Klassenstufe? Oder welche Maßnahme besuchst du?', 'Hast du in deinem Heimatland
die Schule besucht (wie lange/welche Form)?'. Die inhaltlichen Erwartungen an die
Antworten auf die Fragen bleiben bei beiden Befragungsgruppen jeweils die selben,
während sie, wie ersichtlich, gänzlich anders formuliert wurden.
3.1.2 Auswahl und Vorstellung der Interviewpartner/in
Nach Erläutern des Erhebungsverfahrens soll dieser knappe Teilabschnitt einen Einblick
in die Auswahl der Interviewpartner/innen, sowie in die Durchführung der Gespräche
geben.
Um eine möglichst verschiedenartige Sichtweise auf das hessische Bildungssystem zu
erlangen, war geplant drei unterschiedliche Zugänge zu diesem System zu wählen: Zum
einen aus Sicht der umA selbst, um eine persönlich erlebte Realität für die, die das Bildungssystem nutzen, abbilden zu können. Zum anderen aus dem Blickwinkel der Pädagogen/innen, welche täglich mit umA, z.B. als Betreuer/innen einer Wohngruppe, arbeiten und eine professionelle Sichtweise auf das System einnehmen. Gleichzeitig erleben diese jedoch auch den schulischen Alltag der umA hautnah und fungieren oftmals
als deren Vertreter/innen. Darüber hinaus interessierte uns die Perspektive der Personen,
die in der Schule oder übergeordnet im Schulamt tätig sind, um einen eher distanzierten,
womöglich auch gesetzlich fundierten Blick auf die aktuelle Situation zu erfahren. Aufgrund der beschränkten zeitlichen Vorgabe und des Umfangs der Forschung haben wir
uns entschlossen die zuletzt genannte Personengruppe aus der Planung zu streichen und
uns ausschließlich auf die ersten beiden zu konzentrieren.
Infolgedessen sind insgesamt sieben Interviews geführt worden: Zwei davon mit hauptamtlich angestellten Pädagogen/innen, die täglich mit umA in einer Wohngruppe arbeiten, sowie als Leitungsfunktion agieren. Fünf Interviews sind mit umA selbst zustande
gekommen, welche in einer gemeinsamen Wohngruppe leben und alle zwischen 16 und
18 Jahre alt und unterschiedlicher Herkunft sind. Bei zuletzt genannter Gruppe der Interviewpartner war uns wichtig, dass sie in einem Umfeld befragt werden, dass ihnen
vertraut ist und in welchem sie ungezwungen und frei sprechen können, weshalb wir
einen Raum in der Wohngruppe der umA wählten. Die beiden Interviews mit den Päd8
agogen/innen, welche in verschiedenen Einrichtungen arbeiten, fanden aus praktischen
und zeitlichen Gründen jeweils an deren Arbeitsplatz statt. Um eine Vergleichbarkeit der
Aussagen weitestgehend möglich zu machen, war uns wichtig, dass sowohl die Betreuer/innen als auch die befragten umA in Hessen arbeiten bzw. leben.
Alle Interviews wurden mit einem entsprechenden Gerät zum späteren Abspielen und
Bearbeiten mit Einverständnis der Interviewpartner aufgezeichnet. Die Namen der Personen, der Städte, sowie der Einrichtungen und benannter Schulen sind durch Abkürzungen dieser unkenntlich gemacht worden, um die Anonymität der Aussagen zu wahren.
3.1.3 Aufbereitungs- und Auswertungsverfahren
Die vorhandenen Tonspuren der Interviews sind von den jeweils Gesprächs führenden
Personen in eine so genannte wörtliche Transkription verfasst worden. Dies bedeutet,
dass eine schriftliche, Wort für Wort-Fassung des Gesprochenen angefertigt worden ist,
um eine „Basis für eine ausführliche interpretative Auswertung“ (Mayring 2002: S. 89)
zu schaffen. Dies sei sinnvoll, um Textstellen in der schriftlichen Interpretation genau
angeben und vergleichen zu können, sowie Notizen und Randbemerkungen hinzuzufügen. Neben anderen Umsetzungen kann die Sprache weitestgehend in ein normales
Schriftdeutsch übertragen werden. In den hier vorliegenden Transkripten sind daraufhin
jedoch keine Grammatik oder Satzbaufehler bereinigt worden, wie es innerhalb dieser
Methode auch möglich wäre. Lediglich eine leichte Stil-Glättung der Sprache wurde
vorgenommen, um Lesbarkeit und Erfassung des Inhalts zu vereinfachen, was für die
Auswertung im Vordergrund stand (vgl. Mayring 2002: S. 91). Außerdem nahmen wir
Sprechpausen (Zahlen in Klammern = Sekunden der Pause), sowie deutlich hörbare Geräusche (in Doppelklammern) mit in die Transkription auf.
In der darauf folgenden qualitativen Inhaltsanalyse wurde das vorhandene Material
streng methodisch und systematisch analysiert, um den umfangreichen Inhalt durch eine
so genannte Subsumption besser erfassen zu können. Dies meint, dass die Fülle des Materials anhand von thematischen Kategorien verringert wird, um die Möglichkeit zu
schaffen, wichtige Aspekte herausfiltern zu können, welche besonders im Sinne der Fragestellung der Forschung wichtig sind (vgl. Mayring 2002: S.114). Diese Subsumption
kann auf zwei verschiedene Weisen erfolgen. Und zwar verwendeten wir in der vorliegenden Forschung eine Kombination aus deduktiver und induktiver Kategorien-Bildung. Bei erst genanntem Verfahren werden die Kategorien vor der Analyse des Daten9
materials aufgestellt und definiert, um anschließend das Transkript schrittweise anhand
dieser durchzugehen. Dabei werden auf die vordefinierten Kategorien passende Textstellen markiert und zugeordnet. In unserem Fall sind beispielsweise Rubriken entstanden wie „Bildungssituation im Herkunftsland“ (enthalten in: Interview 1: Z. 182-208
und Interview 3: Z. 1086-1095) oder „Aktuelle Schulsituation“ (enthalten in: Interview
1: Z. 49-92 und Interview 4: Z. 1332-1343). Die induktive Vorgehensweise erfolgt nicht
vor Sichtung des Materials, sondern die Kategorien werden aus dem Material heraus abgeleitet, welches im Grunde als Ideengeber fungiert. Die Kategorien ergeben sich z.B.
aus sich wiederholenden Themen, welche in den Interviews angesprochen wurden, im
Vorhinein jedoch nicht Inhalt des Themenkonzepts waren (vgl. Mayring 2002: S. 114f.).
Anhand dieser Methode erstellten wir Kategorien wie z.B. „Bedeutung und Konsequenzen der Flucht für die umA“ (aus Interview 1: Z. 363-369 und Interview 2: Z. 581-605),
oder „Bedeutung der Sprachproblematik“ (aus Interview 4: Z. 1478-1483 und Interview
1: Z. 222-225).
Beide Methoden wurden in der vorliegenden Forschungsarbeit angewendet, wobei das
Durchgehen des Materials anhand der deduktiven Vorgehensweise als Erstes erfolgte.
Schnell fiel jedoch auf, dass Themen, welche nicht im Vorhinein skizziert worden waren, von großer Wichtigkeit zu sein scheinen, sodass in einem zweiten Durchgang im
Sinne der induktiven Methode weitere Kategorien gebildet werden konnten. Daraufhin
war eines der nach Mayring definierten Ziele weitestgehend erreicht worden, und zwar
das Reduzieren der umfangreichen Transkripte auf das thematisch Wesentliche (vgl.
Mayring 2002: S.115). Anschließend konnte Zusatzmaterial zur Erweiterung und Erklärung der einzelnen Rubriken herangezogenen werden. Parallel zu diesen Arbeitsschritten erstellten wir eine vorläufige Gliederung für den schriftlichen Forschungsbericht,
um neben den methodischen Kapiteln eine erste sinnvolle Reihenfolge der inhaltlichen
Themen festzuhalten.
3.2 Reflexion
Dieses abschließende Kapitel im Methoden-Teil der Arbeit soll die bis hierhin durchgeführten Arbeitsschritte hinterfragen und reflektieren.
Abgesehen von dem deutlich formulierten Auftrag im begleitenden Seminar anhand
qualitativer Methoden zu forschen, kann gesagt werden, dass sich für uns diese Vorgehensweise, welche die Durchführung des Leitfaden-Interviews einschließt, als ein sinnvoller Zugang zur ausgehenden Fragestellung 'Wie gestaltete sich die Situation unbe10
gleiteter minderjähriger Ausländer im hessischen Bildungssystem?' dargestellt hat. Das
umfangreiche Material, welches wir im Anschluss an die Interviews vorliegen hatten,
enthielt eine Fülle von Stellungnahmen, Situationsbeschreibungen und interessanten Informationen, die zur Erforschung des Themas nützlich und grundlegend wichtig sind.
Durch u.a. Kontakte im persönlichen Umfeld gelang uns nach Auswahl der Interviewpartner/in eine rasche Terminfindung und Durchführung der geplanten Gespräche, welche alle sehr zeitnah stattfanden. Dies ermöglichte ein paralleles Anfertigen der schriftlichen Transkripte, sodass mit deren Bearbeitung in etwa zeitgleich begonnen werden
konnte. In Bezug auf die Durchführung der Gespräche kann resümiert werden, dass das
Interviewen der Personen in ihrer gewohnten Umgebung (am Arbeitsplatz und in der
Wohngruppe) womöglich dazu beigetragen hat, dass sich diese frei und ungezwungen
im Gespräch verhalten haben.
Die vorab erstellten Leitfragen ließen vor allem Raum für den Redefluss mit dem/r Betreuer/in. Die formulierten Fragen an die umA müssen in diesem Zusammenhang
kritisch betrachtet werden, da sie auf Grund der Sprachbarriere beider Gesprächsteilnehmer oftmals erneut erklärt werden mussten. Womöglich hätten die Fragen im Vorhinein
einfacher oder kürzer gestaltet werden sollen. Vielleicht hätten auch die Interviewer den
Jugendlichen etwas mehr Zeit zum Antworten und zum sich Beschäftigen mit einer Frage geben können. Die teilweise knappen Antworten auf unsere Fragen sind zweifellos
auch die Folge davon, dass es uns nicht möglich war, die umA in ihrer Muttersprache zu
interviewen, was auf sicher deutlich ausführlichere Gespräche hinausgelaufen wäre.
Dennoch sind im Nachhinein Interviews mit verwendbaren Ergebnissen zustande gekommen. Besonders die zwei verschiedenen Blickwinkel auf das zu erforschende Thema, welche wir durch die beiden Gruppen von Interviewpartnern erlangen konnten,
wird uns in der thematischen Bearbeitung der Forschungsfrage nützlich sein.
Durch die wörtliche Transkription im Anschluss an die Gespräche konnte das Material
erstmals im Gesamten erfasst werden, was sehr hilfreich für alle in der Gruppe war.
Dies wurde z.B. dadurch ersichtlich, dass während einer Diskussion über bestimmte
Aussagen die Stellen in den Interviews genau benannt und für die anschließende schriftliche Analyse markiert werden konnten.
Die anschließend mögliche Kategorie-Bildung verstärkte diese Übersicht über das ausführliche Material zusätzlich, sodass sich die Methode der qualitativen inhaltlichen Analyse als sehr positiv in Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den einzelnen Inhalten
und Ergebnissen der Forschung darstellte. Hier hatten wir die induktive Kategorien-Bil11
dung zunächst zu wenig im Blick, sodass wir große Teile des Materials nicht eingeordnet hatten, weil sie nicht in die vorab festgelegten Rubriken passten. Nach der Anwendung der induktiven Methode war es jedoch möglich aus diesen Abschnitten neue Kategorien zu bilden und sie zusätzlich in die Themenschwerpunkte mit aufzunehmen.
Das Einteilen der zu formulierenden Themenabschnitte, sowie das Absprechen der Formalien der Forschungsarbeit erforderte neben den inhaltlichen Ausarbeitungen einen zusätzlichen Zeitaufwand, bringt eine Arbeit in der Gruppe jedoch zwangsweise mit sich
und ist unserer Meinung nach von allen Beteiligten gut bewerkstelligt worden.
4 Allgemeine Rechtslage zum Thema
Im Folgenden soll eine Gesetzesgrundlage für den weiteren Verlauf des Berichts geschaffen werden, insbesondere im Hinblick auf das hessische Bildungssystem und welche Besonderheiten sich daraus für unbegleitete minderjährige Ausländer ergeben. Dargelegte Gesetze und Vorschriften stellen lediglich eine Auswahl dar, die für die vorliegende Arbeit relevant sind.
4.1 Spannungsverhältnis zwischen Jugendhilferecht und dem deutschem Ausländerrecht
Eine wesentliche Besonderheit im Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen, stellt das
Spannungsfeld zwischen dem SGB VIII und dem deutschen Ausländerrecht dar. Hieraus
ergibt sich ein Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Rechtsbereichen. Zum einen
gilt für umA, wie für Kinder und Jugendliche in Deutschland auch, das SGB VIII als
gesetzliche Grundlage der Kinder – und Jugendhilfe, zum anderen unterliegen sie den
rechtlichen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes und des Asylrechts als Basis des
Ausländerrechts. Die Gegenüberstellung beider Gesetze zeigt, dass ein unterschiedliches „Ziel“ verfolgt wird. Demnach umfasst die Jugendhilfe gem. § 2 SGB VIII Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.
Das Ausländerrecht bzw. das Aufenthaltsgesetz hingegen dient gem. § 1 AufenthG der
Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern nach Deutschland, es gestaltet
Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit. Grundsätzlich geht es der Jugendhilfe um das Wohl des Individuums, dem Ausländerrecht um
das Wohl der Gesellschaft. Das SGB VIII bezieht das Leistungsrecht, das Individuum
und die persönliche Sicherheit (§§ 8a, b Kinderschutz, § 42 Inobhutnahme) mit ein, das
12
Aufenthaltsgesetz wiederum das Ordnungsrecht und die Sicherheit der Gesellschaft
(Terrorismus, Schutz des Sozialsystems).
Dennoch gilt bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen - demnach also auch unbegleitete minderjährige Ausländer – das Kindeswohl als zentrales Prinzip zu handhaben und
vorrangig zu berücksichtigen. Mit der endgültigen Anerkennung der Kinderrechtskonvention verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland auch in ihren ausländerrechtlichen Bestimmungen zur Sicherung des Kindeswohls (vgl. Efler 2014: S.99f).
Die UN-Kinderrechtskonvention soll die Rechte sicherstellen, die allen Kindern zustehen, sprich jedem Menschen, „der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendende Recht nicht früher eintritt“ (Art. 1 UN-KRK).
Trotz der gemeinsamen Verpflichtung zur Kindeswohlgewährung, wird die Auslegung
diesbezüglicher Prinzipien jedoch unterschiedlich gehandhabt. Grund hierfür, sind die
gegensätzlichen Handlungsaufträge.
Zuwider des genannten Konflikts zwischen den beiden Systemen, müssen diese aber
auch kooperieren, da sie in ihren Entscheidungen aufeinander einwirken. So bestimmt
beispielsweise das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz, dass ausländischen Kindern
und Jugendlichen ohne geklärten Aufenthaltsstatus keine Hilfeleistungen nach dem
SGB VIII gewährt werden können. Sie können diese nur dann in Anspruch nehmen,
wenn sie gem. § 6 Abs. 2 SGB VIII rechtmäßig oder mit einer Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
Obwohl grundsätzlich beide Positionen in der Vertretung ihrer Standpunkte gleichberechtigt sind, ist die ausländerrechtliche Seite ausschlaggebend, was mit ihrer Vormachtstellung des „Ordnungsrechts als eingreifendes Recht“ begründet werden kann. Dies
zieht Auswirkungen dahingehend nach sich, dass die Ausländerbehörde in der Praxis
über die Vorgehensweise entscheidet, die Kinder- und Jugendhilfe hingegen versucht
die Vorgaben im Interesse des Kindeswohls umzusetzen (vgl. Efler 2014: S 100ff).
4.2 Darstellung der rechtlichen Bildungssituation von umA in Deutschland
Auch im Bezug auf Bildung kann das beschriebene Spannungsverhältnis zum Problem
werden. So muss eigentlich gewährleistet sein, dass unbegleitete minderjährige Ausländer die Möglichkeit erhalten, (weiterführende) Schulen zu besuchen oder eine Berufsausbildung abzuschließen. Allerdings tritt auch hier die Problematik des ungeklärten
Aufenthaltsstatus auf, was dazu führen kann, dass jungen Menschen über die Dauer der
13
Klärung ihres Status der Besuch einer (weiterführenden) Schule oder der Beginn einer
Berufsausbildung verwehrt bleibt (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
2014: S. 17). Zudem unterliegen sie einer Vielzahl aufenthalts- und asylrechtlicher Sondergesetze, die ihren Zugang zu Bildung erschweren können.
Die vollkommene rechtliche Gleichstellung aller der in Deutschland lebenden Minderjährigen ist noch lange nicht gewährleistet, wie auch eine Stellungnahme des Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zeigt (vgl. Studnitz 2011: S. 1):
„In Deutschland müssen alle Kinder in die Schule gehen! Mit Art. 7 Abs. 1 GG wird das
Schulwesen der staatlichen Aufsicht unterstellt. Aus diesem staatlichen Erziehungsauftrag folgert das Bundesverfassungsgericht die allgemeine Schulpflicht. Für Flüchtlingskinder gilt das jedoch nicht. Zumindest nicht für alle Bundesländer. […] Hinsichtlich
des Schulbesuchs von Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstaus (Aufenthaltsgestattung, Duldung) wird in einigen Bundesländern noch immer mit zweierlei Maß gemessen“ (Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge 2016).
Konkret bedeutet dies, dass Kinder und Jugendliche, die sich im Asylverfahren befinden
oder nur „geduldet“ werden, aufgrund der Rechtslage des jeweiligen Bundeslandes, teilweise nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegen.
Als unsicheren Aufenthaltsstatus bezeichnet man die Aufenthaltsgestattung und die sogenannte Duldung. Die Aufenthaltsgestattung erhalten Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens. Eine Duldung wird erteilt, wenn der Asylantrag abgelehnt wurde, die Person aber aus verschiedenen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ausreisen kann oder abgeschoben werden darf. Ausländische Kinder mit einem sicheren
Aufenthaltsstatus, sprich die im Besitz einer Aufenthalts – oder Niederlassungserlaubnis
sind, unterliegen in allen Bundesländern der allgemeinen Schulpflicht im Sinne des jeweiligen Schulgesetzes. Eine weitere Gruppe besteht aus den sogenannten „illegalen“
bzw. „statuslosen“ ausländischen Kindern und Jugendlichen, welche sich laut Ausländerrecht ohne jeglichen Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhalten. Diese Kinder haben
überwiegend nicht einmal das oben erwähnte - und noch näher zu erklärende – Schulbesuchsrecht (vgl. Harmening 2005: S. 2f).
Dabei gehört das Recht auf Bildung zweifellos zu den allgemeinen Menschenrechten
(Art. 1 AEMR), das unabhängig vom Status oder einer (vermuteten) Aufenthaltsdauer
zu gewähren ist und demnach auch uneingeschränkt Anwendung für Asylsuchende finden soll (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2014: S. 17).
Auch in einigen weiteren völkerrechtlichen Verträgen, die Deutschland ratifiziert hat, ist
14
das Recht auf Bildung verankert. So verpflichtet beispielsweise die UN-Kinderrechtskonvention Deutschland dazu, das Recht auf Bildung anzuerkennen (Art. 28 und Art. 29
UN-KRK). Hiermit sollen die Vertragsstaaten den vollen Zugang zum Bildungswesen
des Landes eines jeden umA sicherstellen.
Art. 2 Abs. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK) stellt sicher, dass niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden darf.
Art. 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) wiederum schützt das
Recht auf Bildung auf verfassungsrechtlicher Ebene.
Entgegen vieler Rechte und Verträge (hier nur eine Auswahl), gestaltet sich die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer im deutschen Bildungssystem dennoch zum
Teil schwierig, da die konkreten Regelungen des Schulbesuchs den einzelnen Bundesländern überlassen werden, woraus sechzehn unterschiedliche Handhabungen resultieren. Abweichende schulgesetzliche Bestimmungen der Länder und regional unterschiedliche Bildungsangebote führen zu einer uneinheitlichen Gestaltung des Schulbesuchs für
umA.
Grundsätzlich besteht in allen Bundesländern ein Recht auf Schulbesuch für umA und
sie unterliegen in der Regel der Schulpflicht.
In der Praxis stößt die Beschulung von unbegleiteten geflüchteten Kindern und Jugendlichen allerdings auf verschiedene Probleme. Ein durch die Flucht bedingtes Problem,
stellt das Alter der Kinder dar. Immer mehr Kinder und Jugendliche kommen, z.B. aufgrund der langen Fluchtwege, erst im Alter von 16 oder 17 Jahren in Deutschland an. In
diesem Alter unterliegen sie jedoch teilweise nicht mehr der allgemeinen Schulpflicht,
woraus sich zwei unterschiedliche Rechtsstellungen für schulpflichtige und nicht-schulpflichtige geflüchtete Kinder und Jugendliche ergeben (vgl. Schmieglitz 2014: S. 137f).
4.3 Darstellung der rechtlichen Bildungssituation von umA in Hessen
In Deutschland wird die Schulpflicht und ggf. das Schulbesuchsrecht in den landesrechtlichen Schulgesetzen geregelt.
In Hessen besteht die gesetzliche Schulpflicht. Gem. § 58 Abs. 1 HSchG beträgt die
Vollzeitschulpflicht in der Regel neun Jahre. „Für alle Kinder, die bis zum 30. Juni das
sechste Lebensjahr vollenden, beginnt die Schulpflicht am 1. August“ (§ 58 Abs. 1
HSchG). Aufgrund dieser geltenden Vorschrift besuchen in der Regel alle Kinder zwischen 6 und 16 Jahren eine Schule, weshalb die Schulpflicht i.d.R. bis zum 16. Lebensjahr gilt (vgl. Flüchtlinge in Hessen 2016). Auch für umA besteht diese Regelung, so15
bald sie einer Gemeinde zugewiesen wurden: „Schulpflicht besteht für alle Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden, die im Lande Hessen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben“ (§ 56 Abs. 1 HSchG).
In der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom 19. August 2011 (Hessisches Kultusministerium) wird hierauf noch einmal differenzierter eingegangen: „Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache […] sind unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit und dem Geburtsland nach §§ 56 Abs. 1, 58 bis 61 des
hessischen Schulgesetzes schulpflichtig, sofern sie im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes oder von einer solchen befreit sind oder deren Aufenthalt ausländerrechtlich geduldet wird; Asylbewerberinnen
und Asylbewerber sind dann schulpflichtig, wenn sie einer Gebietskörperschaft zugewiesen sind […]“ (§ 46 Abs. 1 Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom
19. August 2011).
Demnach sind in Hessen größtenteils sowohl Asylsuchende bzw. Asylbewerber als auch
Asylberechtigte und Migranten mit einer Duldung – ggf. nach einer bestimmten Wartefrist - schulpflichtig. Die in dem vorausgegangen Abs.1 genannten Schülerinnen und
Schüler, die nicht schulpflichtig sind, aber ihren tatsächlichen Aufenthalt in Hessen haben, sind gem. § 46 Abs. 3 Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses
(19.08.2011) zum Schulbesuch berechtigt. Das Schulbesuchsrecht bedeutet, dass der
Zugang zum Schulsystem auf einen Antrag hin gewährt werden kann.
Die Schulpflicht geht mit den Verpflichtungen des Staates einher, mittels geeigneter
Maßnahmen den Schulbesuch zu ermöglichen bzw. umzusetzen. Mit dem Schulbesuchsrecht verhält es sich anders. Es ist nicht verpflichtend, sondern erfolgt auf freiwilliger Basis. Zudem besteht keine Garantie darauf, dass alle Betroffenen tatsächlich beschult werden können (vgl. Weiser 2013: S. 10).
Es gibt dennoch verschiedene Möglichkeiten, Zugang zu Bildungsangeboten zu erhalten. So besteht, beispielsweise wie in Frankfurt am Main, die Chance an migrantenspezifischen berufsvorbereitenden Maßnahmen teilzunehmen, die eine spezielle Förderung
im Bereich Deutsch anbieten und den Erwerb des Hauptschulabschlusses ermöglichen
(vgl. Detemple 2013: S. 43). In § 58 Abs.1 der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses heißt es dazu genauer:
„Berufsschulberechtigte, die aufgrund unzureichender Vorbildung und mangelnder
deutscher Sprachkenntnisse ohne Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis sind, sollen Vollzeitunterricht oder Teilzeitunterricht im Rahmen der Bildungsgänge zur Berufsvorberei16
tung erhalten. Dieser dient vorrangig der Förderung zur Berufsbefähigung, der Förderung der Bereitschaft zu einer Berufsausbildung sowie dem Nachholen deutscher Schulabschlüsse (Hauptschul- oder Realschulabschluss).
Dabei ist die Erweiterung ihrer Kenntnisse in den allgemein bildenden Fächern notwendig. Der Unterricht hat seinen Schwerpunkt in der Vermittlung der deutschen Sprache in enger Verbindung mit dem handlungsorientierten Fachsprachenerwerb.“
Eine weitere Maßnahme stellt das, bereits beschriebene, Sprachförderkonzept InteA dar,
welches sich gezielt an Flüchtlinge richtet, die bei Erstkontakt mit der hessischen Behörde das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und das Mindestalter von 16 Jahren haben (vgl. Flüchtlinge in Hessen 2016).
Für die zuvor in § 46 der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses genannten
schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen besteht gem. § 48 der Verordnung ebenfalls
die Möglichkeit besondere schulische Fördermaßnahmen zum Erwerb der deutschen
Sprache oder zur Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse zu erhalten. Solche Fördermaßnahmen können sein: Intensivklassen, Intensivkurse, Alphabetisierungskurse,
Deutsch-Förderkurse, schulische Sprachkurse bei Zurückstellung sowie weitere Hilfen
zur Eingliederung.
Über die Teilnahmepflicht bzw. Zuweisung zu einer solchen Fördermaßnahme entscheidet zumeist die Schulleiterin oder der Schulleiter in Benehmen mit dem zuständigen
Schulamt. Genauso liegt die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler in der Entscheidung der Schulleiterin oder des Schulleiters. Soweit keine besonderen Fördermaßnahmen erforderlich sind, werden SchülerInnen bei der Aufnahme in eine Schule einer Regelklasse zugewiesen (vgl. § 47 Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses).
Wie in diesem Kapitel dargestellt haben schulpflichtige umA im Wesentlichen den gleichen rechtlichen Zugang zu Bildungsangeboten wie Inländer. In der Realität stellt sich
die Situation jedoch oftmals etwas anders dar. Wie in Kapitel 4.2 beschrieben, kann sich
der Zugang zu Bildungsangeboten für umA als problematisch bzw. schwierig herausstellen. Demnach führt die rechtliche Gleichstellung nicht zwangsweise zu einer gleichberechtigten Teilhabe am Bildungssystem. Schulische Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache sind zwar landesrechtlich vorgesehen, dennoch stehen sie vielen umA
nicht zur Verfügung. Gerade für Asylsuchende und Migranten mit einer Duldung sind
Bildungszugänge weiterhin erheblich eingeschränkt und häufig mit Wartefristen verbunden. Ausschlüsse dieser Art bestehen teilweise aufgrund des Aufenthaltsstatus, teilweise
aufgrund fehlender Angebote.
17
Beschriebene Problematiken hinsichtlich der Zugänge zum deutschen Bildungssystem
können auftreten, müssen aber nicht. Es gibt durchaus auch positive Beispiele für die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer im hessischen Bildungssystem (vgl.
Weiser 2013: S. 74).
5 Änderung der Bezeichnung 'umFlüchtling' zu 'umAusländer'
In diesem ersten Kapitel der Auswertung soll ein kurzer Blick auf die sich offiziell geänderte Bezeichnung des Ausdrucks 'unbegleitete minderjährige Flüchtlinge' in 'unbegleitete minderjährige Ausländer' seit dem 01.11.2015 geworfen werden. Wie bereits in
Kapitel zwei erwähnt, gab der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Ende letzten Jahres bekannt, dass sich in Fachkreisen seit Inkrafttreten des so genannten Umverteilungs-Gesetzes die Bezeichnung von Flüchtlinge in Ausländer geändert habe (vgl. Bundesfachverband umF 2015b). Obwohl diese Thematik nicht in direktem Bezug zur Forschungsfrage steht, war es uns ein Anliegen diese Begriffsänderung
aufgrund ihrer Aktualität und ihrer etwaigen Auswirkungen auf die damit Bezeichneten
zu hinterfragen.
In den beiden Interviews mit dem/der Pädagogen/Pädagogin wurde der Begriffswechsel
direkt zu Beginn der Gespräche gleichermaßen angesprochen und kritisiert. Zur Bedeutung der Bezeichnung aus Sicht der Jugendlichen kann an dieser Stelle nichts gesagt
werden, da sie die Thematik in den Interviews nicht erwähnten, was jedoch die Kenntnisnahme oder die Beschäftigung mit der Begriffsänderung nicht ausschließen soll. Frau
C., eine Betreuerin in einer Wohngruppe für umA, setzt sich nach wenigen Sekunden
Gespräch sofort kritisch mit der neuen Bezeichnung auseinander: „Jaja, ne. Das ist
auch sowas, Ausländer heißen die jetzt wieder offiziell. Wir mussten das auch überall
ändern auf der Arbeit, in den Anträgen und E-Mails und so. 'N größeren Stempel kann
man denen nich noch aufdrücken. Minderjährige Ausländer. ((schüttelt mit dem Kopf,
seufzt))“ (Interview 1: Z. 10-13). Auf Nachfrage, warum diese Änderung denn in Kraft
getreten sei, mutmaßt sie, dass es etwas damit zu tun haben könne, dass die Jugendlichen nach Ankunft in Deutschland noch nicht offiziell als Flüchtlinge anerkannt sind
und somit rein gesetzlich allgemein als Ausländer bezeichnet werden müssen, solange
die Anerkennung noch nicht erfolgt ist (vgl. Interview 1: Z. 18-20). Das Bundesfamilienministerium bestätigt diese Vermutung, indem es die neue Bezeichnung damit begründet, dass bei der Einreise dieser Kinder und Jugendlichen „keineswegs erwiesen
sei, ob es sich um anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention hand18
le oder nicht.“ (Bundesfachverband umF 2015b).
Die Kritik in der Aussage der Betreuerin zeigt, dass sie die Bezeichnung Ausländer als
einen aufgedrückten Stempel empfindet, den die Jugendlichen in der Öffentlichkeit von
nun an tragen müssen. Die Diskussion um den mittlerweile als Auslaufmodell zu bezeichnenden Begriff wird seit Jahren geführt, da er nicht unbedingt positiv konnotiert
ist. Schon im Wort selbst wird das 'Aus-', sprich das nicht dazu Gehören und ausgegrenzt Sein betont. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass die Bezeichnung 'Ausländer' die Integration hemmt, da demjenigen, der dem Begriff nach von Außen kommt und nicht von Innen, das Fremde und andersartig Sein nahezu anhaftet.
Demnach hat sich die Bezeichnung für geflüchtete oder eingewanderte Menschen, ausgehend davon wie sie sich oft selbst bezeichneten, im öffentlichen Diskurs in den letzten Jahren in Richtung 'Migrant/in' oder 'Einwanderer/in' geändert (vgl. Cruz 2011).
Dies zeigt z.B. auch der Titel einer Erhebung des statistischen Bundesamtes aus dem
Jahre 2012, in der es um den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe und ihrer Erwerbstätigkeit geht. Die Zielgruppe der Erhebung wird zusammengefasst bezeichnet als 'Menschen mit Migrationshintergrund' und genauer definiert als
eine Gruppe von Eingebürgerten, Vertriebenen, Aussiedlern, Spätaussiedlern und Asylbewerbern, sowie deren Nachkommen (vgl. Statistisches Bundesamt 2012). Auf den Begriff Ausländer wird im Titel gänzlich verzichtet.
Umso fraglicher, warum Ende 2015 der Begriff als Bezeichnung einer Gruppe von geflüchteten Kinder- und Jugendlichen wieder eingeführt wurde. Ein Blick in das Grundgesetz gibt zwar Aufschluss über die definitorische Bedeutung des Wortes 'Ausländer',
bestätigt jedoch nur die verallgemeinernde Bezeichnung einer Zielgruppe, deren Menschen bei näherer Betrachtung zweifellos nicht als eine homogene Gruppe betrachtet
werden können. Es heißt lediglich: „Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne
des Artikels 116 Abs.1 des Grundgesetzes ist“ (AufenthG § 2, Absatz 1). Dieser Artikel
116 wiederum definiert 'den Deutschen' als denjenigen, welcher „(…) vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als
Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte
oder Abkömmling (…) Aufnahme gefunden hat“ (GG: Artikel 116, Absatz 1). Die Beweggründe für eine Einwanderung oder die Motivationen für das Verlassen des Heimatlandes spielen in dieser Definition keine Rolle, obgleich sie die Menschen eingehend
prägen und ihr zukünftiges Leben bestimmen, auch rechtlich gesehen.
Genau auf diese Thematik geht der zweite Interviewpartner, der Leiter einer Wohngrup19
pe für umA, ein und wirft noch einmal einen anderen Blickwinkel auf den neu eingeführten Begriff. Er verdeutlicht durch ein Beispiel, dass er dem Begriff 'Ausländer' nicht
den selben Stellenwert wie dem Begriff 'Flüchtling' beimisst: Sein Sohn habe in England an einem Sprachkurs teilgenommen und schmunzelnd betonte er, dass, wenn man
es genau nehme, sei dieser dort auch ein unbegleiteter, minderjähriger Ausländer gewesen. Allerdings wäre niemand auf die Idee gekommen, dass er Hilfe in England suchen
würde oder bleiben wolle. Daraus folgert er für sich, dass der Begriff eine Verharmlosung sei und wegnehme, was diese Kinder und Jugendliche eigentlich sind, nämlich
Flüchtlinge (vgl. Interview 2: Z. 551-555). Er stellt somit die Bedeutung des Erlebten
heraus, welche sich im Begriff 'Flüchtling' widerspiegelt. Die Erfahrungen der Jungen
und Mädchen durch die Flucht seien zukünftig derart prägend, dass sie nicht mit dem
Begriff 'Ausländer' bezeichnet werden sollten, da sich diese Bevölkerungsgruppe in der
Realität doch eher sehr heterogen darstellt. Er sagte dazu wörtlich: „(...) Also von daher
finde ich das einfach, ich finde den Ausdruck unbegleitete minderjährige Ausländer
wird dem, was die Kinder erlebt haben, nicht gerecht. (Int:. Hmhm, ja) Deswegen wehre
ich mich eigentlich so dagegen. Ich bin eine kleine radikale Minderheit, der sich dagegen wehrt. (Int: ja) Und das ist jetzt wo dieser Begriff umA wurde eingeführt, ahm, ich
kann aber trotzdem nochmal wieder sagen ich finde es eine Verniedlichung dessen, was
die Kinder eigentlich erlebt haben“ (Interview 2: Z. 609-616). Diese Aussage untermauert noch einmal die Kritik, die er an dem neu eingeführten Begriff hegt. Im Zuge
der induktiven Kategorien-Bildung entstand in Bezug auf die hier beschriebene Thematik ein eigenes Kapitel, welches sich im Folgenden noch weiter mit der Bedeutung der
Flucht für die Kinder- und Jugendlichen beschäftigen wird, da diese womöglich Auswirkungen auf ihre Situation im Bildungssystem haben wird.
Die kritische Sichtweise des Leiters in Hinblick auf die neue Begrifflichkeit lässt sich
auch in Stellungnahmen der Fachkreise finden, in denen es z.B. heißt, dass unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge nicht in erster Linie als Ausländer/innen wahrgenommen
werden sollen, sondern als Kinder und Jugendliche, welche aufgrund ihrer Flucht spezifische Bedürfnisse haben. Jedoch sollen ihnen auch die gleichen Ansprüche auf Hilfen
und Unterstützung wie anderen Minderjährigen zur Verfügung stehen (vgl. Bundesfachverband umF 2015b). Hier kann man gut erkennen, dass sich die Befürchtungen des
Fachverbandes mit denen des Leiters der Wohngruppe decken. Sie sehen beide eine Gefahr darin, dass sich der Fokus der Hilfen durch die Begriffsänderung, und sei es zunächst nur die Sichtweise auf die geflüchteten Kinder und Jugendliche, verschieben
20
könnte.
Abschließend sei gesagt, dass wir den hier benannten Kritikern zustimmen, und den neu
eingeführten Begriff als eine eher negative Entwicklung betrachten. In den bereits vorausgegangen Teilen des Berichts und den folgenden Kapiteln nutzen wir jedoch aufgrund formaler Richtigkeit den Begriff 'umA', was die in diesem Teil beschriebene
Kritik nicht schmälern soll. Der Ausdruck, der unserer Meinung nach der Lebenssituation der gemeinten Gruppe am nächsten käme, wäre z.B. 'geflüchtete Kinder und Jugendliche ohne erwachsene Begleitung'.
6 Die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer im hessischen Bildungssystem
Dieser inhaltliche Hauptteil der Arbeit umfasst die Analyse und Interpretation der geführten Interviews und stellt unsere Ergebnisse in thematischen Abschnitten dar, welche
aufgrund der bereits erläuterten Methodik zustande gekommen sind. Die hinzugezogene
Literatur und die ausgewählten Passagen der Interviews sollen sich mit Hilfe unserer
Auswertung der zugrunde liegenden Forschungsfrage 'Wie gestaltet sich die Situation
unbegleiteter minderjähriger Ausländer im hessischen Bildungssystem?' nähern. Es können aufgrund des begrenzten Zeitraums nicht alle Facetten dieser Thematik aufgezeigt
werden, jedoch sollen im Folgenden die von uns herausgearbeiteten Inhalte erläutert
und analysiert werden, die uns als am wichtigsten erschienen.
6.1 UmA in den verschiedenen Bildungsräumen
Wie die bereits erläuterte Gesetzeslage in der Praxis gehandhabt wird und damit die Bildungs– und Teilhabe-Chancen von umA beeinflusst, soll in diesem Kapitel anhand der
gewonnenen Daten analysiert werden. Gleichzeitig werden die Aussagen der Befragten
miteinander verglichen, um Übereinstimmungen oder Widersprüche im Erleben des Zugangs zur Bildung aufzudecken.
Da sich die Schulpflicht in Deutschland am Lebensalter orientiert, ist für die Art der
Einschulung das Alter der umA maßgebend im Kontakt mit einer zuständigen deutschen
Behörde (vgl. Interview 2: Z. 634-637). Viele umA sind aber bei Ankunft in Deutschland ohne gültige Ausweispapiere, die ihre Altersangabe verifizieren könnten. Manchmal kommt es auch vor, dass die chronologischen Altersangaben in mitgebrachten Dokumenten in Zweifel gezogen werden. Aus diesem Grund sind umA genötigt, an einem
Altersfeststellungsverfahren teilzunehmen (vgl. Separated Children in Europe Program21
me SCEP 2012: S.7). Das kann sofort beim ersten Kontakt mit einem Beamten der Bundespolizei geschehen, aber auch nachträglich durch das Jugendamt, das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder durch die Ausländerbehörde (vgl. Dt. Caritasverband e.V. 2014: S. 33). Bei einer Differenz zwischen dem festgestellten Alter des Jugendamts und dem der Ausländerbehörde kann das Jugendamt unabhängig entscheiden
(vgl. Detemple 2013: S. 37). „Die Alterseinschätzung ist eine der schwierigsten und folgenreichsten Entscheidungen im Ankommensprozess von jungen Flüchtlingen. Schwierig ist die Entscheidung, weil es keine zuverlässigen Methoden und Kriterien für die
Einschätzung des Alters gibt. Folgenreich, weil die Alterseinschätzung darüber entscheidet, ob Zugang zu eigenem Wohnraum, Bildung, rechtlicher Vertretung, Gesundheitsversorgung und möglicherweise sogar zu einem Aufenthaltstitel besteht.“ (BumF
2015c). Das festgestellte Alter entscheidet folglich, wer als unter 16 Jahre oder über 16
Jahre anerkannt wird und somit wer sich noch innerhalb des deutschen (hier hessischen)
schulpflichtigen Alters befindet und für eine Beschulung in der Regelschule in Frage
kommt oder wer nur einem Schulbesuchsrecht unterliegt (vgl. Studnitz 2011: S. 2).
6.1.1 UmA unter 16 Jahren in der Regelschule
UmA unter 16 Jahre stellen eine Minderzahl unter den umA dar (vgl. ProAsyl 2014). Ihr
erster Kontakt mit dem hessischen Bildungssystem sind die sogenannten Intensivklassen, die sie sprachlich für den Übergang in Regelklassen vorbereiten. Der Besuch einer
Intensivklasse ist für neu Zugewanderten ohne Deutschkenntnisse verpflichtend und
kann bis zu zwei Jahre in Anspruch genommen werden. Idealerweise sollen die Intensivschüler, soweit wie möglich, parallel in die Regelklasse integriert werden (vgl. Hessisches Kultusministerium 2016a).
Zwei der neun umA aus einer der Wohngruppen, in denen interviewt wurde, sind unter
16 Jahre und besuchen somit allgemeinbildende Schulen. Die zwei umA besuchen jeweils die Hauptschule. Einer besucht eine Regelklasse mit zusätzlicher Deutschförderung, die ihn zum Hauptschulabschluss führen soll. Der zweite Schüler nimmt an dem
Programm PuSch teil, eine Kombination aus zwei Tagen wöchentlich Praktikum und
drei Tagen Schule, das auch auf einen Hauptschulabschluss abzielt (vgl. Interview 1: Z.
51-57). Obwohl schulpflichtige umA möglichst schnell eingeschult werden sollen, da
sie der Schulpflicht unterliegen, hängt es von den Aufnahmekapazitäten der örtlichen,
allgemeinbildenden Schulen ab, wie zügig sie am Schulleben teilnehmen können. Nach
Aussage der Betreuerin verlief der Ablauf folgendermaßen: umA unter 16 Jahren müs22
sen vom Wohnheim aus beim örtlichen Schulamt angemeldet werden. Das Schulamt
macht ausfindig, welche örtlichen Schulen Aufnahmeplätze zu Verfügung haben. Die
umA werden dann der betreffenden Schule zugewiesen. Es folgt ein persönliches Gespräch mit der Schulleitung, bei dem festgestellt wird, unter welchen Bedingungen die
Schüler im Schulsystem untergebracht oder eingegliedert werden können. Zu diesem
Gespräch werden die umA von einem/r Wohngruppen Betreuer/in und, wenn nötig, von
einem/r Dolmetscher/in, begleitet (vgl. Interview 1: Z. 237-241).
Laut Aussage der Betreuerin und gegensätzlich zu den Erwartungen der Forschenden
funktioniert dieser Einschulungsprozess zum großen Teil unproblematisch: „Ja, das
(Anm. d. Verf.: der Einschulungsprozess) muss eigentlich relativ schnell innerhalb von
'n paar Tagen klappen. Das klappt auch meistens“ (Interview 1: Z. 288-289). Häufig
kann es aber passieren, dass durch den Konflikt zwischen Recht auf Bildung und den
Anforderungen des deutschen Ausländerrechts Barrieren zur Erfüllung der Schulpflicht
entstehen können. So geschieht es, dass der Schulbesuch aufgrund verweigerter finanzieller Leistungen, zum Beispiel der Transport zur Schule, scheitern kann (vgl. Gag&Voges 2014: S. 62).
Die Beschulung in einer allgemeinbildenden Schule orientiert sich in Deutschland nicht
nur am Lebensalter, sondern auch an der Zahl der bisherigen Schulbesuchsjahre. Hinsichtlich solcher Kriterien ist es schwierig, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einer
Jahrgangsstufe zuzuweisen. Einstufungstests oder ein Einstufungsgespräch sollen hier
Hilfe leisten. Aufgrund ihres Sprachniveaus schaffen es aber die meisten umA nur Zugang auf die Ebene der Hauptschule zu bekommen (vgl. Interview 1: Z. 66).
Der befragte Leiter berichtet, dass umA in von ihm betreuten Gruppen an keinen Einstufungstests mehr teilnehmen, weil die Resultate immer sehr ‚unterirdisch‘ ausfielen. Der
Leiter führt dies auf kulturelle Inhalte in den Tests zurück und auf eine implizite europäische Art des Lernens oder Erfassens, auf der die Einstufungstests basieren. Obwohl
angeblich ‚sprachfrei‘ sind sie das Ergebnis eines anderen Zeit- und Kulturkreises als
der, aus dem die meisten umA stammen und können somit nichts Aussagekräftiges über
ihr Intelligenzvermögen vermitteln (vgl. Interview 2: Z. 848-856/ vgl. Bourdieu 1982:
S. 150 – 161).
23
6.1.2 UmA unter 16 Jahren – Zugang zu der Hochschulreife
Schulpflichtige umA werden fast ausschließlich Haupt-, weniger häufig Realschulen zugeordnet. Dass umA in allgemeinbildenden Gymnasien erfolgreich untergebracht werden und es bis zum Abitur bringen, passiert nur in Einzelfällen. Von 74 umA in mehreren Wohngruppen in Hessen, schaffen es nur zwei bis zum Abitur: „Ja, also ich hab
jetzt eins, zwei. Zwei hab ich jetzt. Einer ist jetzt fertig geworden. Der will Medizin studieren. Ein Abi-Schnitt von 2,2 glaube ich gehabt. Hat aber nicht gleich ein Studienplatz gekriegt. Ahm der andere ist noch mitten drin. Also auch das gibt es.“ (Interview
2: Z. 717-720). Dass diese Zahl gering bleibt, liegt auch an den fehlenden Sprachkenntnissen in Deutsch auf Seiten der umA: „(…) die müssen glaub ich am Anfang zu so 'nem
Einstufungstest bzw. zu so 'nem Gespräch, was sie schon gemacht haben aber aufgrund
des Sprachniveaus reichts einfach ganz oft nicht, dass sie weiter auf eine andere Schule
gehen“ (Interview 1: Z. 63-66). Die Betreuerin berichtet weiterhin von einem gescheiterten Versuch, einen umA in ein Gymnasium unterzubringen. Trotz mehrfachem
Deutschunterricht war schließlich der Wechsel zu einer Hauptschule eher zum Vorteil
des Schülers (vgl. Interview 1: Z. 294-300).
In der Studie „Das Gymnasium der Migrationsgesellschaft“ liefert Gerald Fischer einen
kritischen Einblick in die Rolle der Sprache auf gymnasialer Ebene. Er argumentiert,
dass die gymnasiale Unterrichts- und Bildungssprache (Deutsch) ein Hindernis für
Schüler mit Migrationshintergrund darstellt. Im Gymnasium werden wesentlich höhere
Deutschkompetenzen erwartet als in anderen Schulformen. Gleichzeitig gibt es sehr wenig Deutsch-Fördermaßnahmen an Gymnasien. Aufgrund des Klientels liegt der Fokus
eher auf Leistungs- und Begabtenförderung. Gymnasien sind nicht von den Regelungen
der Vorbereitungsklassen befreit, setzen sie aber selten um. Fischer betont deswegen die
Notwendigkeit einer Sprachförderung im gymnasialen Kontext, die die besondere Erwerbssituation von Deutsch als Zweitsprache berücksichtigt (vgl. Fischer 2015: S.
174ff). Kritisiert wird ebenfalls die Auffassung einer Sprachförderung, die nur auf die
Stärkung der deutschen Sprache hinausläuft und dabei die Kompetenzen von Kindern
mit Migrationshintergrund in anderen Sprachen ignoriert. Sprachförderung in diesem
Sinne spiegelt die (deutschsprachigen) Machtverhältnisse wieder (vgl. Mecheril et al.
2010: S. 99ff).
Für Seiteneinsteiger ist das Niveau der erreichten Schulbildung und der Sprachkompetenzen im Herkunftsland mitentscheidend für den schulischen Erfolg in Deutschland. Schüler, die in ihrer Erstsprache bereits über entsprechende Konzepte verfügen,
24
diese also nicht mehr erwerben, sondern lediglich ‚übersetzen‘ müssen, können den
entsprechenden Bildungsanforderungen schneller genügen (vgl. Fischer 2015: S. 180f).
Die wenigen umA, die es bis zu der Hochschulreife schaffen, kommen meistens aus
Ländern mit einem formalen Bildungssystem, dass dem deutschen Schulsystem mehr
oder weniger ähnlich ist. Von Bedeutung ist, ob sie schon Erfahrung mit dem selbständigen Lernen gemacht haben oder aus bildungsnahen Familien kommen (vgl. Interview 2:
Z. 857). Der umA G. aus Hessen scheint diese Auffassung zu bestätigen. Nach seinen
Angaben ging er in seiner Heimat bis zur neunten Klasse in die Schule. Im Interview
war er im Begriff über Umwege seinen Realschulabschluss zu machen (vgl. Interview
4: Z. 1329-1343). Dass die umA Lücken in ihren Bildungswegen mitbringen, sollte in
Anbetracht ihrer oft Monate oder sogar Jahre dauernden Fluchtwege nicht verwundern.
Ferner stammen sie aus unterschiedlichen geographischen Regionen, Kulturen sowie sozialen Schichten und bringen heterogene Bildungsvoraussetzungen mit (vgl. Studnitz
2011: S. 2). Aus diesen Gründen wird bemängelt, dass die Regelschule in einer sprachlichen Monokultur haften bleibt, sodass umA ungeachtet ihrer individuellen
Kompetenzen nur nach Sprachkriterien beurteilt werden. Zugleich fehlt es an ausreichenden und flexiblen Ansätzen, um umA angemessen hinsichtlich ihrer persönlichen
Ressourcen zu fördern. Eine Chance, doch einen Realschulabschluss oder Abitur zu machen, hängt vom Engagement einzelner oder von Einzelprojekten ab, die die Jugendlichen unterstützen, die es aber längst nicht überall gibt (vgl. Frieters-Reermann et al.
2013: S. 82).
Die gewonnenen Daten spiegeln diese Auffassung zwar wieder, Leiter und Betreuerin
widersprechen sich aber betreffend des Bildungsniveaus der umA aus spezifischen Herkunftsländern. Die Betreuerin meint: „(…) oft sind es die Afghanen, die kommen, die,
ehm, die 'ne höhere Schulbildung haben, weil die oft aus, einfach auch aus anderen
Gründen fliehen“ (Interview 1: Z. 186). Der Leiter sagt hingegen: “So aus Afghanistan
kriegen wir viele ahm ja vom tiefsten Land (…). Da wird auf Bildung noch nicht so viel
Wert gelegt. Und ich habe aus dem afghanischen Bereich viele Jugendliche, die haben
zwei oder drei Jahre eine Schule besucht, das war es dann“ (Interview 2: Z. 864-871).
Diese unterschiedliche Einschätzungen der Bildungsstände der umA aus Afghanistan
zeigt die Gefahr der Verallgemeinerung, die zu verfrühten Meinungsbildungen führen
kann.
25
6.1.3 UmA über 16 Jahren in Bildungsmaßnahmen
Wegen häufig langer Fluchterfahrungen liegt das durchschnittliche Alter der umA bei
der Einreise in Deutschland derzeit zwischen 16 bis 18 Jahren (vgl. ProAsyl 2014). In
diesem Alter unterliegen sie nicht mehr der Schulpflicht und sind auf schulische und berufliche Förderungsmaßnahmen angewiesen, um einen Zugang zur Bildung und einen
späteren Beruf zu erreichen. Zudem können sich umA, die eine allgemeine Schule absolviert haben, mittels Bildungsmaßnahmen weiterqualifizieren (vgl. Müller et al. 2014:
S. 40). Für umA über 16 Jahre gibt es seit Mai 2015 die schulische und berufliche Integrationsmaßnahmen InteA, die in berufsbildenden Schulen angesiedelt ist. Wie bereits
beschrieben, soll InteA den umA und anderen jugendlichen Zugewanderten zwischen 16
und 18 Jahre und ohne Deutschkenntnisse einen Seiteneinstieg ins Bildungssystem ermöglichen (vgl. Hessisches Kultusministerium 2016b). Nach Aussage der Betreuerin einer Wohngruppe scheint nur eine Berufsschule für die Aufnahme aller umA in der dortigen Stadt zuständig zu sein. Wegen der aktuell hohen Zahl junger Asylsuchender gebe
es Wartelisten für die Plätze in den Integrationsklassen. Diese hohe Zahl an Bewerbern
führe auch zu Schwierigkeiten bei der räumlichen Verteilung und zu Lehrermangel.
Zum Beispiel werden die umA bei ihrer Ankunft an der Schule gemeldet, müssen aber
oft länger auf einen freien Platz warten (vgl. Interview 1: Z. 241-262). Die Betreuerin
konnte aber keine einheitliche Angabe zu der Länge der Wartezeit machen.
Um den Mangel an Räumlichkeiten auszugleichen, werden die umA häufig erst ab 12
Uhr unterrichtet, bis in den Abend hinein. Der befragte umA T. erzählt diesbezüglich:
„Jeah. Und ich hab so viele Flüchtlinge letztes Woche, ich hab gesehen 80 Flüchtlinge
neue kommt in Schule, und normal Schule ist bis drei Uhr, bis vier Uhr. Aber ich hab
gehört vor diese neue Flüchtlinge und Leute, 80 Leute, nach vier Uhr angefangen manche Klassen. Nach vier Uhr. Mhm, bis acht Uhr Abend, bis sieben Uhr Abend“ (Interview 3: Z. 1138-1142). Ein Quereinstieg während des Schulsemesters ist meist ebenfalls
schwer zu realisieren. UmA müssen deshalb von der Zeit der Ankunft bis zum Beginn
des neuen Schuljahres warten, bis sie am Schulleben teilnehmen können. In diesem Fall
bleibt ihnen der Besuch des Sprachunterrichts, um die Wartezeit zu überbrücken (vgl.
Interview 1: Z. 241-262).
Die bereits erwähnten Nachfolgemodelle der Bildungsmaßnahme EIBE werden von der
befragten Betreuerin und dem Leiter der Wohngruppen eher kritisch betrachtet. EIBE
bot die Möglichkeit nach einem Jahr, oder verlängert auf zwei Jahre, zu einem Hauptschulabschluss zu gelangen. Der Weg zu einem Realschulabschluss und weiter bis zur
26
Fachhochschulreife blieb auch den umA offen (vgl. Interview 1: Z. 89-92). Von Vorteil
war auch das eingegliederte Praktikum. Nach Meinung des befragten Leiters diene das
Praktikum nicht nur dazu, dass die umA frühe berufliche Erfahrungen sammeln, sondern auch, und das sei noch wichtiger, um erste Kontakte zu möglichen Ausbildungsplätzen zu knüpfen. Die Praktika böten den umA die Chance, sich selbst zu präsentieren
und durch ihre überdurchschnittliche Motivation und Leistungsbereitschaft gute Eindrücke zu hinterlassen. Infolgedessen konnten mithilfe der Praktika in den Ausbildungsbetrieben erste Vorurteile und Vorbehalte gegenüber den umA ausgeräumt werden: „Das
ist so der größte Zugang, weil am Anfang ist es natürlich schon schwierig, ahm Jugendliche reinzubringen, die vielleicht auch noch nicht richtig Deutsch können oder noch
nicht so gut Deutsch können, andere Hautfarbe haben, also sind die Vorbehalte schon
noch sehr groß (…)“ (Interview 2: Z. 667-670). Innerhalb des Folgeprogramms InteA
seien keine Praktika vorgesehen, weil schwerpunktmäßig die Sprachförderung in die
Maßnahme integriert sei und nicht mehr mit Hilfe der Praxisphase stattfinden soll. Somit fällt also nach Meinung des Leiters ein wichtiger Türöffner zum Ausbildungsmarkt
weg. Außerdem besteht bei den befragten Betreuern noch Unklarheit, wie sich die neuen
Maßnahme entwickeln werden. Fest steht, dass im ersten Jahr des auf zwei Jahre angelegten Programms der Schwerpunkt auf die Sprachförderung gelegt wird: „Im ersten
Jahr meines Wissens nach 28 Stunden Deutsch Unterricht und die anderen Fächer stark
reduziert. Im zweiten Schuljahr, den Deutsch Unterricht auf 20 Wochenstunden reduziert und dafür die anderen Fächer wie Mathe, Englisch nach oben (…)“ (Interview 2:
Z. 643-646).
Für umA über 16 Jahre ist die Fördermaßnahme InteA ein Schritt in Richtung eines
Hauptschulabschlusses, der den Übergang zu einer beruflichen Ausbildung sichern soll.
Schüler, die im sprachlichen Bereich schnell vorankommen, können von InteA zur einjährigen Fördermaßnahme PuSch wechseln und somit in einem Jahr den Hauptschulabschluss erreichen (vgl. Hessisches Kultusministerium 2016b). Positiv gesehen sollen mit
InteA andere Rahmenbedingungen, besonders für die umA in Richtung des 18. Lebensjahrs, geschaffen werden. Nach Erfahrungen der Betreuerin war die Frage des Krankenversicherungsschutzes ein kritischer Punkt. Jede/r Schüler/in muss für den Besuch einer
Schule gesetzlich krankenversichert sein, aber viele umA sind nur über das Sozialamt
krankenversichert. Dieses Dilemma führte dazu, dass bei Erreichen des 18. Lebensjahrs
den umA der Verweis aus der Schule drohe, weil sie nicht mehr im Kontext der Jugendhilfe stehen und über das Sozialamt versichert sind (vgl. Interview 1: Z. 353).
27
Grundsätzlich ist die Altersgrenze von 18 Jahren für umA problematisch. Ab Erreichen
der Altersgrenze stehen die umA nicht mehr in der Zuständigkeit der Jugendhilfe, was
bedeutet, dass sie nicht nur aus der betreuten Wohngruppe ausziehen müssen, sondern
auch das Recht auf Bildungsmaßnahmen verlieren. In vielen Fällen müssen sie die Bildungsmaßnahmen abbrechen oder werden von vornherein nicht aufgenommen, weil altersmäßig vorherbestimmt ist, dass ein Abbruch durch Überschreiten der Volljährigkeit
droht (vgl. Frieters-Reermann et al 2013: S. 92f). Dadurch verlieren sie die Vorteile einer sozial-pädagogischen Begleitung in der Ausbildung oder bei der Suche nach geeigneten Ausbildungsplätzen (vgl. Detemple 2013: 35f). Nach Aussage der Betreuerin wird
in ihrer Stadt diese Vorschrift der Altersbegrenzung besonders streng gehandhabt. Anträge auf Verlängerung, die in diesen Fällen rechtlich vorgesehen ist, werden häufig abgewiesen (vgl. Interview 1: Z. 390). Für umA, die mit 17 Jahren ihren Antrag auf Asyl
stellen, bleibt wenig Zeit, um die Schule oder eine Ausbildung abzuschließen. In solchen Fällen würde eine Betreuung bis 21 Jahre notwendig sein, um Bildungs- und Integrationsziele zu erreichen. Im Vergleich dazu dürfen einheimische Jugendliche nach
dem gestellten und stattgegebenen Antrag über das 18. Lebensjahr hinaus betreut werden (vgl. Interview 1: Z. 384). In Zukunft soll mit der Maßnahme InteA diese Lücke geschlossen werden. Wichtig ist nur, dass die umA vor dem 18. Lebensjahr in das Programm aufgenommen worden sind (vgl. Hessisches Kultusministerium 2016b).
Dennoch gibt es einige Kritikpunkte, welche den Bildungs- und Integrationsmaßnahmen entgegen gebracht werde können. Es ist ein Vorteil für die umA, dass die genannten Maßnahmen sozial-pädagogisch begleitet werden. Sie werden bei der Suche nach
Ausbildungsplätzen und weiteren Qualifikationen unterstützt, solange sie unter dem
Schirm der Jugendhilfe stehen. Nachteilig ist aus Sicht der interviewten Betreuerin, dass
InteA eine geförderte Ausbildung ist. „Es gibt für die umA eigentlich nur die Möglichkeit begleitete und geförderte Ausbildungen zu machen, also als Maßnahme, solange ihr
Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist“ (Interview 1: Z. 144-146). Sollte man diese
geförderte Ausbildung anhand der deutschen, also der inländischen Teilnehmer bewerten, muss sie eher kritisch betrachtet werden. Die umA treffen hauptsächlich auf Schüler/innen mit Lernschwierigkeiten oder anderen Beeinträchtigungen, ungeachtet ihres
eigenen Leistungspotentials oder ihrer schulischen Vorgeschichte (vgl. Gag&Voges
2014: S. 68). In den Worten des Leiters treffen sie auf diejenigen, welche ohne Perspektiven sind, „die während der normalen Schulzeit es nicht geschafft haben, einen Abschluss zu kriegen“ (Interview 2: Z. 983-984). Es besteht hier die Gefahr, dass umA we28
gen der gesetzlichen Hürden gezwungen sind sich auf ein Schulsystem einzulassen, das
Bildungs- und soziale Ungleichheit reproduziert.
Dementsprechend wird bemängelt, dass sich zum Beispiel die Aussichten für Absolventen der Hauptschule stetig verschlechtert haben. Zum einen können sie nur geringe fachliche Kompetenzen vorweisen, zum anderen befinden sie sich im Nachteil auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt: Der größte Teil der Ausbildungsplätze wird von Absolventen mit mittleren und höheren Abschlüssen besetzt. Überdies werden Maßnahmen im
Übergangssystem von der Hauptschule zum Beruf als ineffizient bewertet. Das heißt,
die Möglichkeit Kinder aus schwächeren Gruppen durch einen Hauptschulabschluss beruflich zu integrieren, sinkt tendenziell (vgl. Drewek 2012: S. 119ff). Das hohe Aufkommen jugendlicher Asylbewerber belastet somit ein schon überfordertes, wenn nicht
überkommenes Fördersystem (vgl. Frieters-Reermann et al 2013: S. 82). Für umA ist
der Übergang von Schule zu Beruf mit einer abgeschlossenen Ausbildungsmaßnahme
noch nicht gesichert. Oft ist diese Phase durch ihre nachrangige Stellung am Arbeitsmarkt eine Entlassung in die Arbeitslosigkeit. Gesetzlich kommen sie für eine Einstellung erst hinter deutschen Bewerbern/innen und solchen aus EU-Mitgliedsstaaten in Betracht, sowie auch nach Bewerbern/innen mit gesichertem Aufenthaltsstatus. UmA können sich deshalb aufgrund der vielfältigen Beschränkungen durch ihren rechtlichen Status in üblichen Bewerbungsverfahren nicht oder nur schwer durchsetzen (vgl. Frieters-Reermann et al 2013: S. 93). Diese Situation ist umso bedauerlicher angesichts der hohen Motivation der umA und ihrem häufig geäußerten Wunsch in den Interviews,
schnell voranzukommen und finanziell unabhängig zu sein: „Ja, ja Ausbildung. Ich mache Ausbildung. Ich muss selbstständig sein“ (Interview 4: Z. 1531).
6.2 Motivation der umA hinsichtlich des Schulbesuchs
Als Motivation wird die Gesamtheit von Beweggründen bezeichnet, die eine Entscheidung, Handlung oder ähnliches beeinflussen bzw. zu einer Handlungsweise anregen
(vgl. Duden 2016). Im Folgenden soll es darum gehen, die Beweggründe von umA eine
Schule zu besuchen und sich damit der Situation des hessischen Bildungssystems zu
stellen, genauer zu analysieren. Welche Bedeutung nimmt der Besuch einer Schule für
geflüchtete Kinder und Jugendliche ein und welche Gesichtspunkte beeinflussen bzw.
regen die Kinder überhaupt an zur Schule zu gehen?
Zunächst einmal ist es bemerkenswert zu sehen, dass alle der interviewten Kinder und
Jugendlichen zur Schule gehen und einen Schulabschluss anstreben. Alle äußerten, ih29
nen sei die Schule sehr wichtig und es bedeute ihnen viel diese besuchen zu können.
Auch die interviewten Pädagoginnen/Pädagogen stellen fest, dass der Schulbesuch
einen hohen Stellenwert bei den Jugendlichen einnimmt und ihnen unglaublich wichtig
ist (vgl. Interview 1: Z. 459). Sie könnten es kaum erwarten in die Schule zu gehen,
95% seien unheimlich wissbegierig (vgl. Interview 2: Z. 976-981).
Die angestrebten Schulabschlüsse sind unterschiedlichster Art, vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur: „Ich hatte einen Jugendlichen, […] der hat innerhalb von zwei
Jahren Hauptschulabschluss und Realschulabschluss gemacht. Der ist jetzt 18 und
macht jetzt grad seine Fachhochschulreife“ (Interview 1: Z. 100-102).
Wie der Leiter einer Wohngruppe erklärt, wirkt sich die vorhandene Motivation der jungen Flüchtlinge auch positiv auf die spätere Ausbildungssuche aus:
„Nein wir nee versuchen möglichst jeden nach der Schule einen Ausbildungsplatz zu
finden oder gemeinsam mit ihnen zu finden. (Int: hm) Bis jetzt haben wir das ich denk‘
mal so im Schnitt bei 90% ungefähr geschafft. (Int: hm) Also es sind sehr, sehr viele. (2)
Beste Zugang sind da die Praktika also während der Schulzeit, […]durch die Praktika
lernen die Betriebe, die Jugendlichen kennen und stellen fest, die wollen viel, (2) die
sind unheimlich fleißig auch und die möchten auch was erreichen (Int: okay) und dieses
Wirken dort vor Ort im Praktikum ist der Türöffner für viele dort dann später auch zu
arbeiten bzw. eine Ausbildung zu machen“ (Interview 2: Z. 663-674).
6.2.1 Zielsetzung
Die meisten der Flüchtlinge haben ein Ziel vor Augen, dass sie relativ stringent verfolgen. Überhaupt steht die Zukunftsfrage in enger Verbindung mit der Frage der Schulbildung, denn als formale Voraussetzung für eine längerfristige Lebensplanung (in
Deutschland) kommt dem Schulabschluss wesentliche Bedeutung zu (vgl. Peter 2001:
S. 41). Wie die Interviews verdeutlichen, ist die Motivation der Jugendlichen einen
Schulabschluss zu erreichen und anschließend eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren, durchweg sehr hoch. Ziele und Zukunftsvorstellungen werden von allen Befragten eindeutig formuliert:
„Ja, ehm meine Plan, meine Wunsch und meine Traum, was soll ich sagen ist, ich will
Autodesigner (3) sein“ (Interview 3: Z. 1284f).
„Ja, ja Ausbildung. Ich mache Ausbildung. Ich muss selbstständig sein“ (Interview 4: Z.
1531).
„I: […]Ehm, (3) was hast du so für ein Ziel für die Zukunft oder wie stellst du dir deine
30
Zukunft vor, was wünschst du dir? A: Studieren. (5) […] Welches Ziel? Elektrotechnik“
(Interview 5: Z. 1721-1737).
„Ähm... ich will Ausbildung als Koch machen“ (Interview 6: Z. 1856).
„Ich muss möchte Ausbildung machen und Automechaniker“ (Interview 7: Z. 2035).
Die Vorstellungen der Jugendlichen, wie ihre Zukunft aussehen könnte, sind sehr konkret und ähneln sich. Vornehmlich wird ein Lebensentwurf verfolgt, der Eigenständigkeit und Sicherheit bietet.
Ein Ziel bzw. einen Plan vor Augen zu haben, wirkt sich erfolgreich auf die Motivation
der umA aus, denn wer eine positive Vorstellung von der Zukunft hat, bemüht sich in
der Regel in der Gegenwart mehr, anvisierte Ziele auch zu erreichen (vgl. Handelsblatt
2007). Ein Jugendlicher merkte hierzu an, dass deutsche Schüler oft nicht wüssten, wo
ihr Weg hinführen solle. Ihm hingegen sei es wichtig, einen Plan bzw. eine Richtung zu
haben, um seinen Weg finden zu können (vgl. Interview 3: Z. 1259-1263).
Eine Ausrichtung auf ein Ziel kann demnach ein großer Motivator sein, wenn nicht sogar der größte, sich den Herausforderungen zu stellen, mit denen man aktuell konfrontiert wird (vgl. Detemple 2013: S. 61).
6.2.2 Lernmotivation im Kontext Asyl
Im Rahmen der vorliegenden Studie von Babara Noske zum Thema „Die Zukunft im
Blick – Die Notwendigkeit für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Perspektiven zu
schaffen“ konnte festgestellt werden, dass SchülerInnen, die erst seit kurzem in
Deutschland sind, eine positivere Einstellung zur Schule haben. Je später die Jugendlichen nach Deutschland eingereist sind, desto höher die Hoffnung auf einen erfolgreichen Ausbildungs– und Arbeitseinstieg (Deutsches Jugendinstitut).
Diese These lässt sich, mit Blick auf die von uns geführten Interviews mit unbegleiteten
Minderjährigen, bestätigen.
Im Gegensatz zu der hier gezeigten hohen Motivation, kann es jedoch auch immer wieder zu Leistungs– und Motivationseinbrüchen kommen (vgl. Noske 2015: S. 22).
„Vor allem in Bezug auf die Schulbildung, die in den Augen fast aller Jugendlichen ein
Garant für ein erfolgreiches Leben ist, kommt es zu Verzögerungen, Einschränkungen
und Kompromissen, die sie sehr frustrieren (können)“ (Detemple 2013: S. 62).
Dies steht u.a. im Zusammenhang mit den besonderen Lebensumständen, denen umA
unterliegen. Bei der Ankunft in Deutschland muss größtenteils zunächst eine vollkommen neue Sprache und ggf. Schrift erlernt werden. Erschwerend hinzu kommt, dass In31
halte, die sie im Heimatland gelernt haben, in Deutschland oftmals nicht relevant sind.
Einige von ihnen sind noch nie auf eine Schule gegangen bzw. mussten den Schulbesuch aufgrund der langen Flucht unterbrechen. Der oftmals unsichere Aufenthaltsstatus
kann Zukunftsängste und Konzentrationsschwierigkeiten verursachen. Dies führt wiederum dazu, dass die Jugendlichen nicht so schnell lernen können, wie sie das ggf.
möchten. Zum Teil wird auf die Ambitionen von Jugendlichen, ihre Bildungskarriere
fortzusetzen oder zu studieren, nur begrenzt eingegangen. Vorrangig wird nach Ausbildungsberufen gesucht, die leichter zu absolvieren sind und dabei helfen sollen später
den Aufenthaltsstatus zu festigen (vgl. Noske 2015: S. 21).
Genannte Problematik bzw. Hinweise auf Motivationseinbrüche wurden in den Interviews eher wenig explizit erwähnt. Einige Anhaltspunkte dazu lassen sich dennoch entdecken, welche im Folgenden dargelegt werden sollen.
So erwähnen die Jugendlichen immer wieder die Problematik, die sich für sie durch das
Erlernen einer komplett neuen Sprache ergibt.
Verzögerungen aufgrund dessen hinzunehmen, fällt einem interviewten Jugendlichen
sichtlich schwer. Er empfindet die Lehrer als ungerecht und kann nicht nachvollziehen,
warum einige SchülerInnen schneller in die Regelschule wechseln dürfen als er: Ein
eindeutiges Beispiel der Demotivation. Der Verbleib in der Intensivklasse wird als Muss
definiert und dem Wunsch des Schülers, in eine Regelklasse aufgenommen zu werden,
wird nicht nachgegangen. Er selbst empfindet die Regelklasse als einfach. Dem Jugendlichen bleibt keine Wahl, er muss sich einschränken und einen Kompromiss eingehen.
Die Situation des Schülers zeigt des Weiteren seine Befürchtungen, nicht schnell genug
voranzukommen. Er fühlt sich von den Lehrern nicht ernst genommen und zu wenig unterstützt. Dies verdeutlicht, dass auch die Lehrer einen wesentlichen Teil dazu beitragen,
die Kinder und Jugendlichen zu motivieren (vgl. Interview 7: Z. 1947-1987).
Bezug nehmend auf die besonderen Lebensumstände von umA berichtet eine Pädagogin
darüber, wie schwierig es ist, wenn Jugendliche erst im Alter von 17 nach Deutschland
kommen, wie wenig Zeit ihnen dann bleibt, stabilisiert und beschult zu werden, bevor
die Maßnahme der Jugendhilfe beendet wird. Zudem kritisiert sie die Verzögerungen
und Unwissenheit während der Umstellung der Fördermaßnahmen (z.B. Eibe zu InteA),
auch wenn letztendlich „alles gut ist“. Die Ungewissheit darüber, wie sich die neuen
Programme gestalten sollten, zwangen sowohl Pädagoginnen/Pädagogen als auch SchülerInnen dazu, abzuwarten und Verzögerungen hinnehmen zu müssen (vgl. Interview 2:
Z. 390-434).
32
Dass der unsichere bzw. ungeklärte Aufenthaltsstatus geflüchtete Minderjährige stets
beschäftigt, zeigt die Äußerung eines befragten Jugendlichen. Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen, äußert er den Wunsch nach einer schnelleren Bearbeitung des
„Visums“ bzw. des Asylantrags (vgl. Interview 7: Z. 2008-2012).
Wie oben erläutert, wird auf die Ambitionen der Jugendlichen nur begrenzt eingegangen
und sie werden primär in Ausbildungen vermittelt. Dieses Phänomen bestätigt der interviewte Leiter in seiner Aussage, dass 90% seiner zu Betreuenden in Ausbildungen vermittelt werden konnten (vgl. Interview 2: Z. 663-665). Dennoch kann dies auch als positive Bilanz angesehen werden und auf die hohe Motivation der Jugendlichen, auch
was Praktika angehen, zurückgeführt werden.
Die Jugendlichen und Pädagoginnen/Pädagogen bestätigen, wie oben dargestellt, dass
es sich bei umA um eine deprivierte Gruppe handelt, die mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen hat und vielen gesetzlichen Regelungen unterliegt. Es sind vor allem
die ausländerrechtlichen Bestimmungen, wie beispielsweise ein lang andauerndes Asylverfahren oder rechtliche Beschränkungen auf Basis ihres Aufenthaltsstatus (s. Kapitel
4), die die Jugendlichen belasten und in ihrer Motivation hemmen können.
Was allerdings in allen Interviews weitaus mehr in den Vordergrund rückt ist die Motivation der Kinder und Jugendlichen, aktiv zu agieren und zielstrebig daraufhin zu arbeiten, aus der Situation der Hilfsbedürftigkeit herauszukommen, sowie selbstständig und
unabhängig zu sein. Von zentraler Bedeutung sind dabei der Spracherwerb und die schulische Bildung, wofür sie unglaublich viel Energie mobilisieren (vgl. Detemple 2013: S.
82f): „Und ich muss sagen, ich hab` Mathe und Deutsch gelernt, ich lerne selber in
meine Zimmer. […] Und dann hier is` besser, ich habe ( ), ich hab` nach Schule gegangen, letztes Jahr is` gut, ich hab` so viele (3) Deutsch, Mathe, English letztes Jahr geschrieben (gelernt, Anm. d. Verf.). Diese Jahre ich muss lernen und Prüfung schreiben“
(Interview 3: Z. 1132/ 1189).
Diese Aussage eines Jugendlichen transportiert gut die hohe Erwartungshaltung, die viele umA an sich selbst stellen. Sie scheinen sehr ehrgeizig, die Chance, die ihnen der
Aufenthalt in Deutschland bietet zu nutzen und sind dadurch angespornt, sich eine gute
Zukunft zu sichern (vgl. Detemple 2013: S. 70). Viele erkennen, dass Deutschland ihnen
eine bessere Bildung ermöglichen kann. Das deutsche Bildungssystem wird zum Teil als
„besser“ empfunden, wie in den verschiedenen Heimatländern (vgl. Interview 5: Z.
1696). Ein Jugendlicher stellt im Vergleich fest, dass der Kindergarten hier, besser als
Schule in Afghanistan sei (vgl. Interview 3: Z. 1090).
33
Die Tatsache, diese Chance nun auch wirklich nutzen zu können, stellt einen weiteren
Motivationsfaktor dar. Überhaupt scheint schulischer bzw. beruflicher Erfolg und Erfolg
im Leben für die Jugendlichen sehr eng verknüpft zu sein und könnte fast die Qualität
eines Leitbildes erreichen, an dem sie sich orientieren (vgl. Detemple 2013: S. 70). Die
interviewte Pädagogin äußerte sich hier hingehend, dass es für die Jugendlichen eine
Katastrophe sei, sie nicht in die Schule gehen zu lassen (vgl. Interview 1: Z. 421). Ein
Jugendlicher formuliert diesbezüglich drastisch: „[…] Ich sage ich hab` so viele Freunde, aber in Pause (3), ich bin immer alleine, weil (5) ich mag nicht mit andere Leute,
weil ich weiß über was, welche Sachen sprechen, weißt du was ich meine? Nur über
Spaß und (2) Alkohol, Drogen. Ich mag das nicht“ (Interview 3: Z. 1235-1237). Eine
Ablenkung durch anderweitige Themen lehnt dieser Jugendliche völlig ab, allein der
schulische Erfolg steht im Vordergrund.
Ein weiterer Beweggrund die Schule zu besuchen und später beruflichen Erfolg zu haben, ist das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein zu müssen (vgl.
Detemple 2013: S. 70).
Die interviewte Pädagogin bestätigt diese Aussage. Jugendliche würden ihr gegenüber
immer wieder betonen, nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein zu wollen (vgl. Interview
1: Z. 464-467). Die Feststellung „Ich muss selbstständig sein“, zeigt wie streng die Jugendlichen teilweise zu sich selbst sind (vgl. Interview 4: Z. 1531).
Ein Auslöser für die eigene Härte bzw. Schonungslosigkeit, kann auch ein „Auftrag“
seitens der verbliebenen Familie im Heimatland sein. Vielen könne man anmerken, dass
sie mit dem „Auftrag“ nach Deutschland geschickt wurden, etwas zu erreichen, Geld zu
verdienen und einen Aufenthaltstitel zu erlangen, berichtet eine Interviewpartnerin (vgl.
Interview 1: Z. 359-361). Die Motivation ist in diesem Falle leicht negativ besetzt und
mit dem Druck verbunden seiner Familie helfen zu wollen. „Als Hoffnungsträger für
die ganze Familie, die sie zurücklassen, lastet das familiäre Schicksal auf ihren Schultern“ (Seckler 2012: S. 133).
34
6.2.3 Schule als „sicherer Ort“
Neben diesen Anforderungen und Druckfaktoren muss u.a. auch noch die Anpassungsleistung an die hiesige Gesellschaft erbracht und die Vergangenheit bearbeitet werden.
Zudem befinden sich die Jugendlichen in einer Entwicklungsphase, in der die Persönlichkeit noch nicht ausgereift ist, sondern sich gerade erst entwickelt. Fasst man all diese Entwicklungs– und Anpassungsanforderungen sowie den Leistungsdruck von außen
zusammen, wird deutlich, welchen massiven Belastungen die Jugendlichen ausgesetzt
sind (vgl. Detemple 2013: S. 72).
Aufgrund der Belastungen und einem Leben in steter Unsicherheit sind die Faktoren
Struktur, Stabilisierung und Orientierung von enormer Bedeutung für unbegleitete Minderjährige. Schulischer Bildung wird in diesem Zusammenhang eine Bedeutung beigemessen, die über das enge Verständnis von Bildung hinausgeht. Sie nimmt eine Stabilisierungs– und Orientierungsfunktion ein. Mit einem Schulbesuch sind Rituale verbunden, die den Kindern und Jugendlichen einen stabilen Rahmen bieten können, der den
Alltag strukturiert. Genannte Faktoren nehmen daher im Hinblick auf die Motivation
eine wichtige Funktion ein. Einen geregelten Tagesablauf und eine Beschäftigung zu haben, kann die Kinder und Jugendlichen dazu anregen bzw. motivieren, die Schule zu besuchen (vgl. Peter 2001: S. 41): „[…] wo sie alle in die Schule gehen können, ist das super so. Die ham 'n super Rhytmus so, die müssen morgens aufstehen, die müssen Hausaufgaben machen (I: ja), die lernen andere Leute kennen, eh, die sind unterwegs, die
sind beschäftigt, die sitzen nicht den ganzen Tag irgendwie darum und, eh, wissen nicht,
was sie da jetzt machen sollen. Deswegen ist das auf jeden Fall viel viel Wert (1) (I: Ja.
Definitiv), dass sie die Schule besuchen“ (Interview 1: Z. 369-374).
Fehlende Strukturen und Orientierung können sich im Gegensatz dazu negativ auf die
Antriebskraft auswirken: „Nicht umsonst gibts jeden Tag irgendwelche Meldungen, dass
sich irgendwo, ehm, Bewohner von so 'ner Gemeinschaftsunterkunft, ehm, gegenseitig
verprügeln, weils ihnen halt einfach (1), weil sie halt keine Struktur haben, weil sie nix
zu tun ham. Sie nur sitzen dürfen. Wir (1), wir ham das auch gemerkt, als unsre einfach
weniger zu tun haben, eh hatten, und einfach nur die Volkshochschule oder den Sprachkurs besucht haben, und es einfach nicht möglich war, denen jeden Tag die Beschäftigung zu geben“ (Interview 1: Z. 440-447).
In diesem Sinne können auch die Betreuer zur Motivation der umA beitragen, indem sie
ihnen Unterstützung anbieten. Selbiges gilt für Freunde, die durch Hilfestellungen im
Unterricht, sei es das Übersetzen eines Wortes oder das nochmalige Erklären eines The35
mas, das Dasein in der Schule etwas einfacher und freudvoller gestalten können (vgl.
Interview 4: Z. 1421-1427).
Die Erfahrung selbst Freunde unterstützen zu können und damit seine eigene Leistungsfähigkeit zu erleben, stärkt das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen und motiviert zusätzlich: „Jeah, mhm ich muss sagen ich hab` (3) eh Glück gehabt, weil ich
hab` gute Freund gefunden, in Schule, in meine Klass`. Alle will helfen mir. T. was hast
du Problem? Aber für Mathe ich helfe Freunde ((lacht))“ (Interview 3: Z. 1218-1220).
6.2.4 Bildung – eine sichere Investition
Abschließend soll noch die Bedeutung, die Bildung für die befragten Jugendlichen einnimmt, analysiert werden. Die Antworten hierzu fallen ähnlich aus und finden teilweise
Anlehnung an die Kapitaltheorie nach Pierre Bourdieu:
„Weil, ich denke so was zum Beispiel jemand hat Geld ja, dann nach Zeit, eine Zeit, das
Geld kann weggehen ja, aber was ich hab gelernt, ja, was ich hab studiert das bleibt
immer bei mir. Niemand kann klauen. Ich habe zum Beispiel etwas, diese (2) Geld und
Haus und so was. Das kann mit Zeit, das kann gehen und das kommen, ja. Das immer.
Aber ich hab` was gelernt oder was habe`ich studiert, das immer bleibt bei mir, das ist
meine (3) eigene, wie heißt das, property und so was ja“ (Interview 4: Z. 1492-1497).
Ein weiterer Jugendlicher äußert, dass die Schule für ihn sehr wichtig sei, weil er dort
„so viel zu unterschiedlichen Dingen lernen könne“, Dinge, die man nicht einfach in der
‚Öffentlichkeit‘ erlernt (vgl. Interview 5: Z. 1680-1686). Des Weiteren sei die „Schule
gut, um die Welt besser verstehen zu können“ (vgl. Interview 7: Z. 1999).
Alle Jugendlichen verdeutlichen hier, dass ihnen der Erwerb von Bildung etwas bedeutet, dass sie an dem Erwerb von Bildung arbeiten bzw. sich selbst bilden. Sie investieren
Zeit in ihre Bildung. Die erworbene Bildung wiederum, wird nach Bourdieu als inkorporiertes Kulturkapital zum Bestandteil der Person. Dies bedeutet, dass das inkorporierte Kapital zum Habitus geworden ist, aus ‚Haben‘ wurde ‚Sein‘. Ganz im Sinne der Jugendlichen kann inkorporiertes und damit verinnerlichtes Kapital, im Gegensatz zu
Geld oder Besitztümern, nicht kurzfristig weitergegeben oder „verloren“ werden, sondern „bleibt bei der Person“ (vgl. Baumgart 1997: S. 2).
36
6.3 Schulbesuch – „Bildungsabstieg“ oder „Chance“?
Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass wir bei der Beurteilung von Bildungschancen immer von dem uns bekannten, westlich geprägten Bildungssystem reden und dass
wir Menschen anderer Kulturen mit dem hier gegebenen Bildungssystem vergleichen.
Bei der Beurteilung von Bildung solcher Personen gehen wir immer von unseren eigenen Standards und unserem eigenen Bildungssystem aus. Jeder Kulturkreis hat aber sein
eigenes Lernsystem, was wiederum mit sich bringt, dass jeder Mensch seiner Kultur
entsprechend eine Lernkultur entwickelt. In anderen Kulturen wird auf das logische
Denken nicht so viel Wert gelegt, sondern eher auf das abstrakte Denken. Dadurch wird
ein ganz anderer Denkprozess und Lerninhalt vermittelt und sollte das nicht sehr stark
unterstützte logische Denken gefordert werden, wird dies dem umA erst einmal Probleme bereiten (vgl. Interview 2: Z. 832-842). Folglich ist es schwierig, einen Test zu entwickeln, der die Leistungskapazität von umA einschätzen soll, da die Tests auf unsere
Lernsysteme ausgerichtete sind. Die andere Kultur eines Menschen und die damit verbundenen Lernsysteme bestimmen, welche Lernkultur er/sie entwickelt. Auf unsere Bildungssysteme ausgerichtete Tests führen oftmals zu verfälschten Ergebnissen. Somit
sind solche Einstufungstests recht fragwürdig (vgl. Interview 2: Z. 825- 856).
Um nun genauer zu erörtern, ob der Bildungsweg in Deutschland für die minderjährigen
Flüchtlinge eine Chance bietet oder ob sie mit einem Bildungsabstieg rechnen müssen,
muss erst einmal festgestellt werden, ob diese ein Anrecht auf Bildung bzw. Ausbildung
in Deutschland haben. Bildung zählt in Deutschland zu den grundsätzlichen Menschenrechten (Art. 26 Abs.1 des AEMR). Die Kinderrechtskonvention von 2010 legt fest,
dass Deutschland verpflichtet ist, das Recht jedes umA auf Bildung anzuerkennen (Art.
28 und Art. 2 der UN-KRK). Denn ganz gleich, welchen sozialen Status jemand hat,
muss gesichert sein, dass der Zugang zur Bildung besteht. Auch im Verfassungsrecht ist
das Recht auf Bildung durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs.1 wie auch Art.
1 Abs.1 GG gesichert (vgl. Schmieglitz 2014: S.137). Das Recht auf Bildung wird für
minderjährige Flüchtlinge durch das Unionsrecht in der Charta der Grundrechte (Art. 14
Abs. 1 und 2), wie auch durch die Neufassung der EU-Aufnahmerichtlinie, untermauert.
Diese vervollständigen das Grundrecht und erwähnen auch, dass Bildung unentgeltlich
sein muss, wie auch der Anspruch auf Angebote von Vorbereitungs- und Sprachkursen.
Im Idealfall sollte der Asylantragsteller sofortigen Zugang zum Bildungssystem haben,
jedoch spätestens drei Monate nach dem Stellen des Antrags (vgl. Robert Bosch Stiftung 2015: S. 8).
37
Die genaue Definition der Schulpflicht wie auch des Schulbesuchsrechts wird den einzelnen Bundesländern überlassen. Jedes Bundesland ist für seine Schulgesetze selbst
verantwortlich und regelt diese eigenständig. Die unterschiedliche Gestaltung der gesetzlichen Regelung zur Schulpflicht ist insofern schwierig, da der Zugang zu den Schulen für minderjährige Flüchtlinge je nach Bundesland sehr unterschiedlich ist und sein
wird (vgl. Schmieglitz 2014: S.137). Zum Beispiel haben in Sachsen-Anhalt und Sachsen die Flüchtlinge lediglich ein Schulbesuchsrecht, doch keine Schulpflicht. In BadenWürttemberg, Bayern und Thüringen müssen die Flüchtlinge erst drei bis zu sechs Monate warten, bevor die Schulpflicht greift. Dies nennt sich eine sogenannte Warteregelung. In Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und
Brandenburg gibt es zwar keine ausformulierte Warteregelung, jedoch haben Asylsuchende erst ein Anrecht auf die Schulpflicht, nachdem sie einer Gemeinde zugeteilt
wurden und somit die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen haben. Hamburg, Saarland,
Rheinland-Pfalz, Berlin, Schleswig-Holstein und Bremen bieten den minderjährigen
Flüchtlingen nach der Registrierung einen sofortigen Zugang zu schulischer Bildung.
Der Schulzugang für umA, die über 16 Jahre sind, gestaltet sich oft schwieriger, da in
einigen Bundesländern das Schulbesuchsrecht eines einzelnen an einer Altersgrenze
hängt oder an einer Schulzeitpflicht von mindestens neun Jahren (vgl. Robert Bosch
Stiftung 2015: S. 9). Aufgrund der unterschiedlichen Fokus-Punkte in den Bildungssystemen der Welt ist es oft nicht realistisch ein Schulsystem anderer Länder mit dem unseren zu vergleichen. Sollten die umA Dokumente ihrer Schulzeit bei sich haben, ist es
zum einen nicht gesichert, dass diese anerkannt werden, zum anderen ist ein Sprachdefizit in Hinblick auf die deutsche Sprache vorhanden. Wenn ein Bundesland die Schulbesuchspflicht an einer Altersgrenze festmacht, kann es dazu führen, dass weiterführende
Schulen umA, die über 16 Jahre alt sind, keinen Zugang gewähren, da sie mit der baldigen Volljährigkeit keiner Schulbesuchspflicht mehr unterliegen werden. Bleibt den umA
die Möglichkeit eines Schulbesuchs durch die bürokratischen Hürden verwehrt, ist ihre
Existenz bedroht, da auch die Regelschulen nur verpflichtet sind umA aufzunehmen, die
unter 16 Jahren sind. Ist den umA nun der Zugang zur Bildung verwehrt und keine
Chance gegeben einen berufsqualifizierenden Schulabschluss zu erwerben, ist ihre Erfolgsaussicht auf dem Arbeitsmarkt sehr gering und eine berufliche Perspektive versperrt (vgl. Robert Bosch Stiftung 2015: S. 9ff). Auch wenn umA per Gesetz ein Anrecht auf Bildung haben, kommt es immer wieder zu Problemen in der Praxis, die die
Ausführung dieses Rechts erschwert. Die Fähigkeit die Sprache des Ziellandes zu be38
herrschen ist für die umA essentiell. Es muss ihnen erst ermöglicht werden die Landessprache zu erlernen, bevor sie anfangen können das hiesige Schulsystem zu besuchen
(vgl. Schmieglitz 2014: S.137). Daher spielt der Integrationskurs des BAMF, der 2005
etabliert wurde, eine wichtige Rolle, denn er ist nicht nur für die dauerhaft wohnenden
Ausländer zugänglich, sondern auch für Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und
subsidiäre Schutzberechtigte (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016). Allerdings ist es für umA nicht nur wichtig die Sprache für das Schulsystem zu erlernen,
sondern auch, um sich mit den Einheimischen zu verständigen und Kontakt aufnehmen
zu können, sodass die Möglichkeit steigt sich sich in ihrem neuen Heimatland integrieren zu können (vgl. Schmieglitz 2014: S.137).
Der Integrationsprozess ist eine Vermischung von Eingewanderten, welche Gebräuche
und Formen des Zusammenlebens, die Kultur und Religion ihrer Heimatländer mitbringen und derer, die sie aufnehmen. Im Idealfall führt dies zu einer Verschmelzung beider
Kulturen, damit eine Bereicherung und Bildung von Vielfältigem und Neuem entsteht.
Hier soll die Integration der italienischen Gastarbeiter in der Zeit zwischen 1960 und
1970 als Beispiel dienen: die anfangs fremde, vielfach abgelehnte lockere Lebensart,
das Treffen außer Haus, das Treffen in Straßenkaffees, die Esskultur und der Hedonismus ist heute ein selbstverständlicher Bestandteil unserer Kultur. Dies besagt nicht, dass
ein Teil der Bevölkerung die eigene Kultur völlig aufgibt und sich dem anderen anpasst,
sondern, dass hier Respekt, Bereitschaft und Offenheit dem anderen gegenüber herrschen, damit auch die aufnehmende Gesellschaft sich verändern kann. So ist die Individualität eines jeden gewahrt. Eine erfolgreiche Integration zeichnet sich durch seelisch-emotionale, kognitiv-kulturelle und sozial-strukturelle Indikatoren aus (vgl. Misun
2011: S. 122-125). Für dieses Gelingen spielt der Spracherwerb eine fundamentale Rolle und stellt einen wesentlichen Teil der gesellschaftlichen Integration dar und ist neben
der sozialen Integration ein essentieller Teil. Das Erlernen der Sprache ist jedoch für
umA nur dann erreichbar, wenn sie das Aufenthaltsrecht bekommen. Mit solch einer
Aufenthaltserlaubnis kann sich ein Flüchtling in Deutschland frei bewegen und hat die
Voraussetzung, die man braucht, um z.B. erwerbstätig zu sein oder um die öffentlichen
Bildungseinrichtungen besuchen zu dürfen und das Bildungsangebot wahrzunehmen.
Nach der Beschreibung der Voraussetzungen, unter denen die unbegleiteten Flüchtlinge
überhaupt unser Bildungssystem wahrnehmen können, ist es nun möglich genauer auf
die Frage der Bildungschance oder des Bildungsabstieges einzugehen. Wie oben beschrieben, ist diese Frage in der Regel individuell zu beantworten. Zur Vereinfachung
39
kann man die Einordnung der Leistungsstärke von der entsprechenden Ausbildung im
Herkunftsland abhängig machen, insbesondere nachdem es inzwischen eine bessere Beurteilung der Qualität der Schule und der beruflichen Ausbildung der Herkunftsländern
in Deutschland gibt. Dies ist durch neue Gesetze (Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen 2011) geregelt. Hinzu kommt, dass aktuell ein immer größerer Zustrom
ausgebildeter umA nach Deutschland kommt, die ein anderes Sprachbild erlernt haben.
6.4 Konkrete Probleme der umA in der Schule
In den Interviews wurde deutlich, dass es noch einige Probleme mit der Eingliederung
minderjähriger Flüchtlinge in das deutsche Bildungssystem gibt. Das am häufigsten erwähnte Problem waren die mangelnden Sprachkenntnisse in Bezug auf die deutsche
Sprache, die die umA hatten, als sie in die Regelklassen kamen. Dies führte zu großen
Problemen in ihrer Ausbildung und erschwerte es massiv im hiesigen Bildungssystem
erfolgreich zu sein. Leider gibt es bisher in Deutschland nur unzureichend die Möglichkeit alle Betroffenen ausreichend sprachlich zu schulen, zusätzlich ist dies von Bundesland zu Bundesland verschieden: Die Organisation und die Handhabungen der Einteilung der umA in Sprachkurse und Intensivklassen ist bereits in einem Bundesland, in
diesem Fall Hessen, uneinheitlich geregelt. Allein innerhalb der fünf interviewten umA
stellte sich heraus, dass sie alle einen unterschiedlichen Zugang zu Sprachkursen und
Intensivkursen hatten. Drei von fünf besuchten nur kurz den Sprachkurs (zwischen 1-3
Monaten) und kamen dann in eine Regelklasse. Zwei von fünf Jugendlichen sollten für
ein Jahr in einem Intensivkurs bleiben.
Von den drei umA, die den Sprachkurs nur zwischen 1-3 Monaten besucht hatten, haben
zwei explizit erwähnt, dass ihr Sprachverständnis noch nicht ausreichend ist, um den
LehrerInnen ohne Probleme folgen zu können. Sie hätten gerne eine Intensivklasse besucht, bevor sie in eine Regelklasse kamen, sodass sie schon die Grammatik der deutschen Sprache beherrscht hätten und ihnen auch ein gewisses Vokabular zur Verfügung
gestanden hätte. Durch die mangelnde Sprachvermittlung ergaben sich massive Verständnisprobleme, die sich auf ihre schulischen Leistungen auswirkt haben (vgl. Interview 3: Z. 1115-1120/ Z. 1125-1137/ Z. 1145-1152 und Interview 4: Z. 1369-1370/ Z.
1476-1479).
Die Scham über das unvollständige Beherrschen der Sprache ergibt ein weiteres Thema:
Manche Betroffenen zogen sich aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse eher zurück. Solche mit Sprachdefiziten verbundenen Exklusions-Gefühle produzieren Minder40
wertigkeitsgefühle, stellen also ein großes Risiko dar, sich ausgeschlossen zu fühlen.
Möglicherweise ist dies sogar eine Mitursache dafür, sich aus der einheimischen Gesellschaft auszuschließen und in der eigenen Subgruppe der ausländischen Landsleute zu
bleiben. Denn hier werden Grundbedürfnisse, wie das Gefühl von Anerkennung, das der
Zugehörigkeit und des eigenen Wertes verletzt (vgl. Marks 2013: S. 43-44). Diese
Scham, die durch die unzureichenden Angebote für das Erlernen der deutschen Sprache
zustande kam, kann auch zu Gefühlen der Frustration führen. Dies ist eine weitere
Stressursache, mit welcher die umA umgehen müssen und setzt sie zusätzlich unter
Druck (vgl. Interview 4: Z. 1385-1388). Dies ist für Menschen, die traumatisierende Erlebnisse hatten, zum Beispiel das Verlassen der Eltern in frühen Jahren, eine Zusatzbelastung, die hätte vermieden werden könnte. Der Erwerb der Sprache oder die Sprachhandlung ist nicht nur ein reiner Informationsaustausch, sondern beherbergt die Kultur
und sozialen Beziehungen einer Person und hat einen sehr hohen Stellenwert in unsere
Gesellschaft (vgl. Richter 1989: S.12). Sie dient sowohl der Kommunikation, als auch
dem Aufbau oder der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen. Ein Gespräch ist mit
verschiedensten Prozessen verbunden, wie Erklären der eigenen Absichten, Verständigung, die wechselseitige Interpretation, Darstellen von Verhaltenserwartungen etc. und
stellt somit soziales Handeln dar. Infolgedessen stehen Sprache, Individuum und Gesellschaft in einem interdependenten Verhältnis, das Erlernen einer Sprache weist eine
Funktion auf, die nur bei einem vollständigen Austausch mit der Gesellschaft möglich
ist (vgl. Henkelmann 2012: S. 60-62). Das in jedem Einheimischen verbreitete Gefühl
der Selbstverständlichkeit der Sprache geht mit der Beurteilung des Gegenübers einher
und normiert die Beurteilung des Anderen. Die Art des Artikulierens wird oft fälschlicher Weise mit der Intelligenz des Gegenüber verbunden und degradiert ihn bei nicht
Beherrschen der Sprache zu Unrecht (vgl. Wygotski et al. 1979: S.14).
Die interviewten Flüchtlinge wünschten sich – sofern ihre kulturelle Identität, welche
Gemeinschaft und Familie in den Mittelpunkt stellt – mehr Kontakt sowohl zu anderen
Flüchtlingen ihrer Heimat, aber vor allem zu den hiesigen Bewohnern. Viele der umA
fühlten sich zu wenig im Kontakt mit den Deutschen. Die Kontaktwünsche ergaben sich
aus Gründen des Erlernens der Sprache aber auch, um sich besser integrieren zu können. Ohne einen solchen Kontakt ist es für umA schwierig sich einzuleben, da es ihnen
kaum möglich sein wird, die Kultur richtig kennenzulernen und zu verstehen. Die Art
des Zusammenlebens in einer Kultur mit ihren eigenen Streit– und Willkommensregeln
wird oft dann sichtbar, wenn sie Gruppen entzweit oder vereint (vgl. Wenzler-Cremer
41
2005: S.27-66). Gruppenunterschiede können wiederum zur Inklusion oder Exklusion
bestimmter Gruppen führen. Oftmals kommt es zu Exklusionsprozessen, die daher rühren, dass das Fremdsein anderer abstoßend und bedrohlich wirkt, was wiederum zur Abgrenzung dieser Gruppe führt. Diese bildet möglicherweise eine eigene Subgruppe, die
sich außerhalb der hiesigen Kultur einrichtet, sie möglicherweise verachtet, ablehnt oder
gar bekämpft. In solchen Gruppen kann dauerhaft eine Kultur entstehen, welche sich
aus Frustration über Ausgrenzung entwickelt, eigenen Werte schafft, die mit den Werten
im Zielland nicht vereinbar sind und vielleicht sogar in einen Kampf gegen unsere Kultur abgleitet. Das zeigt, dass Kultur ein System ist, dass auf gemeinsamen Lebensweisen, Lebensarten, Traditionen, Normen und Werten basiert. Sie dient auch zur Abgrenzung von anderen (vgl. Günter 1976: S.372). Das Medium der Weitergabe ist vor allem
die Sprache. Dies weist auf, wie wichtig es ist, dass die ausländischen NeubewohnerInnen die deutsche Sprache lernen, da diese ein Indikator für Gruppenzugehörigkeit ist
und somit einen extrem hohen Stellenwert in jeder Gesellschaft hat (vgl. Gregor 2003:
S.12).
Mit der Integration in eine neue Gesellschaft kommt es auch zu Sozialisationsprozessen.
In dem Prozess der Sozialisation wird eine Person mit der sich ihr umgebenden Kultur
sowie dem Denk- und Gefühlsmuster bekannt und nimmt auch einen Teil der sozialen
Normen an. Das Aufnehmen solcher Normen hilft beim Sozialisationsprozess und bei
der Identitätsfindung eines Individuums. Befindet sich ein Individuum in zwei Kulturkreisen, gerät es oftmals in eine Konfusion, da die kulturellen Werte ihrer Heimat sich
oftmals nicht mit den hiesigen Werten vereinbaren lassen. Dies kann sogar zur Ablehnung der Kultur im 'neuen Land' oder aber zur Verletzung einiger Werte führen, was in
einen Rollenkonflikt münden kann. Da viele der umA sehr jung nach Deutschland kommen und infolgedessen die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist,
sind dies kulturellen und sozialisatorischen Faktoren sowohl aus ihrem Heimatland, als
auch aus Deutschland signifikant für ihre Identitätsbildung. Umso wichtiger ist es, ihnen
die hiesige Kultur verständlich zu machen (vgl. Günter 1976: S.372-373).
Es stellte sich heraus, dass umA unter 16 Jahre im Bildungssystem, auch aufgrund
rechtlicher Gesetze, gute Chancen auf eine Integration haben und bessere Chancen besitzen, höhere Abschlüsse zu machen als über 16-Jährige umA (vgl. Interview 1: Z. 313326). Das heißt, dass umA unter 16 Jahre eine sofortige Eingliederung in das deutsche
Schulsystem erfahren. Dies kann aber auch zu der Situationen führen, dass ein 14-Jähriger ohne deutsche Sprachkenntnisse in eine gymnasiale Klasse eingeschult wird, was
42
für das Kind womöglich erst einmal sehr schwer sein wird. Doch durch die Gesetzeslage in Deutschland muss das Kind sofort einer Klasse zugeteilt werden. Sollte kein
Platz zur Verfügung stehen, muss es eben erst einmal dort untergebracht werden, wo es
womöglich überfordert ist (Interview 1: Z. 237-300).
Bei den umA über 16 Jahren sieht die Lage oft anders aus. Kinder über 16 Jahre gelten
nicht mehr als schulpflichtig und fallen somit in einen anderen Bereich der Kinder- und
Jugendschutz-Gesetze (vgl. Schmieglitz et al 2014: S.29). Das führt dazu, dass es zum
Teil unklar ist, ob sie noch unter die Schulpflicht fallen und generell in eine Bildungseinrichtung dürfen, woraufhin es zu Wartezeiten kommt. In der Zeit, in der die umA auf
den Beschluss warten müssen, haben sie oft nichts zu tun, da sie weder in die Schule gehen noch arbeiten dürfen. Keine Beschäftigung zu haben ist für viele umA eine stressige
Zeit, da sie oft der großen Erwartung ihrer Familien gerecht werden wollen, sich ein
besseres Leben aufzubauen oder traumatische Erlebnisse im Heimatland selbst hatten
(z.B. Krieg). Daher bräuchten sie dringend eine Tagesstruktur, um eine gewisse Sicherheit und Halt zu bekommen. Die Kombination aus Langeweile und Unsicherheit, ob sie
nun die Schule besuchen dürfen, ist ein Stressauslöser und eine unzumutbare Situation
für die umA. Die Möglichkeit eines Schulbesuch gibt den umA nicht nur eine Zukunftsperspektive, sondern auch einen Rhythmus und Stabilität, was überaus wichtig für sie
ist. Darüber hinaus auch das Gefühl, nun etwas zu besitzen, dass ihnen nicht mehr genommen werden kann. Die Erlebnisse aus dem Heimatland oder die sie auf der Flucht
erfahren haben, zeigen den umA, wie vergänglich materieller Besitz sein kann. Die Erfahrungen, dass vieles flüchtig ist oder ihnen weggenommen werden kann, ist stark prägend. Anders verhält es sich mit geistigem Besitz: Bildung, Wissen und Erfahrungen,
was ihnen niemand nehmen kann (vgl. Interview 3: Z. 1492- 1497). Hier geht es im
Sinne Bourdieus um das kulturelle Kapital, das die Flüchtlinge besitzen wollen, nicht
um den ökonomischen Unterschied. Das Benehmen, der Bildungsstatus, die Kleidung
oder auch die 'richtige' Anwendung der Landessprache ist Teil ihrer Identität, die ihnen
eine Anpassung in unsere Kultur, verbunden mit dem Stolz auf ihre Herkunft, ermöglicht.
Die immer wieder unterschiedlichen Regelungen in Bezug auf die Volljährigkeit der
umA erweisen sich als schwierig. Insbesondere, wenn die umA mit 17 Jahren nach
Deutschland kommen, benötigen sie auch nach Erreichen der Volljährigkeit Unterstützung, um stabilisiert werden zu können und um sich im neuen Land zurechtzufinden.
Doch in manchen Städten wird dies nicht berücksichtigt und es herrscht eine strikte Re43
gelung, dass ab dem 18. Lebensjahr keine Betreuung durch sozialpädagogische Kräfte
mehr vorgesehen ist, sie werden alleingelassen. Dies erweist sich als wenig durchdacht,
da auch die umA, die gerade volljährig geworden sind, durch ihren Lebensweg besondere Betreuung benötigen, vor allem in einem neuen Land mit ungewohnten Gegebenheiten. Darüber hinaus wurde in den Interviews kritisiert, dass es sehr einfach ist einen Verlängerungsantrag für die Betreuung eines deutschen Jugendlichen zu erhalten, jedoch
fast unmöglich für die Betreuung eines umA (vgl. Interview 1: Z. 346-374/ Z. 401-408/
Z. 409-410).
Zu den unterschiedlichen Bildungsständen der umA kann gesagt werden, dass sie, je
nachdem aus welchem Land sie kommen, verschiedene Schulerfahrungen mitbringen.
Z.B. bringt ein umA aus Syrien eine mit den westlichen Standards vergleichbare Schulerfahrung mit, wohingegen umA aus Afghanistan oft keine oder nur eine Schulerfahrung von 1-2 Jahren haben (vgl. Interview 3: Z. 1147-1152/ Z. 1156-1164). UmA, die
eventuell als Analphabeten hierherkommen, benötigen entsprechend eine ganz andere
Förderung als diejenigen, die schon eine neunjährige Schulerfahrung haben. Sind diese
zwei unterschiedlich beschulten umA nun in einer Klasse, kann dies zur Überforderung
des einen und Unterforderung des anderen führen (vgl. Interview 3: Z. 1165). Die Überforderung eines umA kann zusätzlich zu den zu bewältigenden Erlebnissen der Flucht
ein weiterer Trigger für Stress sein und sich in Versagensängsten und Minderwertigkeitsgefühlen äußern (vgl. Interview 1: Z. 294-300). Die Unterforderung eines umA ist
ebenfalls nicht erstrebenswert, da dies auch zu Frust und Demotivation, gar Passivität
oder Aggressivität führen kann. Beide Szenarien sind nicht wünschenswert und können
durch die individuelle Bewertung eines/r Lehrers/in vermieden werden.
Wichtig bei der Vermittlung des schulischen Inhaltes ist das Verständnis auf Seiten der
LehrerInnen, dass Deutsch für die umA eine Zweitsprache ist (vgl. Interview 4: Z.
1393-1397). Hierbei ist es wichtig, dass die Lehrenden die Kompetenzen besitzen, den
Unterrichtsstoff im Sinne einer Fremdsprache zu vermitteln und somit die Problematiken von Deutsch als zweite Fremdsprache kennen und die Finessen der zu vermittelnden Sprache beherrschen (vgl. Karl-Heinz et al. 2010 S: 137-139). Hier darf auch nicht
unterschätzt werden, dass viele der umA traumatisiert sind. Das heißt zwar nicht, dass
jeder umA ein posttraumatisches Belastungssyndrom hat, jedoch, dass sich die Flucht
auf sie auswirkt und ein Teil ihrer Lebenswelt ist. Sie hat eine Auswirkung auf ihre seelische Verfassung, eventuell verbunden mit Konzentrationsschwierigkeiten, Ängsten
oder anderen seelischen Belastungen (vgl. Interview 2: Z. 581-609/ Z. 900-946). Ein ei44
genes Kapitel wird sich dieser Besonderheit bei der Arbeit mit umA im Schulkontext
annehmen.
Auch wird bemängelt, dass die Schülerzahl in den Klassen immer größer wird und der
Lerneffekt schwieriger, da der Lehrer sich um immer mehr SchülerInnen gleichzeitig
kümmern muss. Dies führt ebenfalls zu sehr ausgedehnten Lernzeiten. In manchen
Klassen beginnt der Unterricht erst nachmittags und endet abends. Die räumliche Organisation sei auch nicht optimal (vgl. Interview 3: Z. 1139-1143/ Interview 4: Z. 1414/ Z.
1386-1389/ Z. 1463-1465).
6.5 Auswirkungen der unterschiedlichen Bildungsstände von umA auf das hiesige
Bildungssystem
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stellt die Beschulung von Kindern und Jugendlichen, die als Zuwanderer oder Flüchtlinge nach Deutschland kommen, eine große Herausforderung für Schulen dar. Die steigenden Zuwanderungszahlen stellen das Bildungssystem vor die Frage, wie die Kinder und Jugendlichen aufgenommen und erfolgreich eingegliedert werden können (vgl. Robert Bosch Stiftung 2015: S. 5). Es gilt den
verschiedenen Bedarfslagen und extrem unterschiedlichen Bildungsständen dieser Zielgruppe gerecht zu werden.
Wie genau sich die Situation mit solchen differierenden Bildungsgraden und der damit
einhergehenden Heterogenität von Klassen im hessischen Bildungssystem darstellt, soll
nachfolgend skizziert werden.
Die meisten jungen Flüchtlinge haben gemeinsam, dass sie mit dem Verlust von engen
Beziehungspersonen, Freundschaften und vertrauter Umgebung konfrontiert wurden.
Sie müssen sich in Deutschland in einem noch ungewohnten Lebensumfeld zurechtfinden (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2014: S. 8). Hier enden die Gemeinsamkeiten aber auch schon, denn die Herkunftsländer der umA divergieren ebenso
wie die Motive der Migration (wirtschaftlich, politisch, soziokulturell, etc.). SchülerInnen unterschiedlichster Länder finden sich in Lerngruppen zusammen. Einige Kinder
wurden in ihren Herkunftsländern durchgängig beschult, andere wiederum kaum oder
gar nicht. Die Spanne ist weitreichend (vgl. Grond 2014: S. 1f). „Während die Kinder
der Hochqualifizierten und Besserverdienenden häufig schon im Herkunftsland eine
[…] Schule besucht haben, haben viele Kinder und Jugendlichen […] geringe oder gar
keine Bildungserfahrungen“ (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2014: S. 8).
Wie unterschiedlich sich die Bildungssituation in den Herkunftsländern der umA gestal45
tete, beweisen die interviewten Jugendlichen:
Ein Befragter besuchte die Schule in Afghanistan für „drei Jahre, vier Jahre“ (vgl. Interview 3: Z. 1084-1086). Der Jugendliche indischer Herkunft besuchte die Schule bis
zur neunten Klasse (vgl. Interview 4: Z. 1329f). Zwei aus dem Iran und Irak stammende
Jugendliche sind acht bzw. neun Jahre zur Schule gegangen (vgl. Interview 5: Z. 15751583/Interview 7: Z. 1872-1882). Ein weiterer Interviewter ging in seinem Heimatland
Marokko nie zur Schule, lediglich für kurze Zeit in Spanien, wo er sich aufhielt, bevor
er nach Deutschland kam (vgl. Interview 6: Z. 1764).
Auch die Pädagoginnen/Pädagogen beobachten ähnliches: „Das ist total unterschiedlich. Also, ehm, die Mädels, die ich betreut hab, die waren eigentlich beide so gut wie
gar nicht in der Schule. Die eine konnte auch gar nicht lesen und schreiben. Also die
kam als Analphabetin nach Deutschland. Ehm, die Somalis haben ganz oft 'ne Koranschule besucht, […] vielleicht mal die erste bis vierte Klasse […]. Also (2) oft sind die
Afghanen, die kommen, die, ehm, die 'ne höhere Schulbildung haben, weil […] die Eltern einfach zuhause schon 'n relativ hohes Bildungsniveau hatten (I: ja). […] Ehm, bei
den Eritreern und Somalis, ehm, die haben oft einfach kürzer die Schule besucht, und
dann halt, grade einfach die Grundbildung mit Lesen und Schreiben.“ (Interview 1: Z.
182-194)
„Ahm bei den syrischen Kindern, da (3) da ist es etwas anders. […] [D]ie können sich
auch entsprechend ausdrücken. Die haben Englisch, die haben Französisch, als Schulunterricht gehabt. […]Auch so Iran, (2) diese Gegenden, also die zwei, die jetzt Abitur,
der eine, der jetzt kurz davorsteht, der andere, der das Abitur geschafft hat, die kommen
beide aus dem Iran“ (Interview 2: Z. 856-863).
Die beispielhaften Interviewausschnitte verdeutlichen gut, wie unterschiedlich sich die
Bildungsstände von umA gestalten. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat eine
Auswertung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ergeben (100.000 befragte
Asylbewerber), dass 13 Prozent der Asylsuchenden eine Hochschule besucht haben, 18
Prozent ein Gymnasium, 30 Prozent waren auf einer Mittelschule, 24 Prozent auf einer
Grundschule und 8 Prozent verfügen über keine Schulbildung (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 2015).
Wie sich nun die dargestellten Ungleichheiten auf die Bildungsangebote des hessischen
Bildungssystems auswirken, wird im nächsten Kapitel erörtert. Als Beispiele für Bildungsangebote sollen Intensivklassen und im Vergleich dazu Regelschulen bzw. berufsbildenden Fördermaßnahmen, die auch für deutsche Schüler zugänglich sind, dienen.
46
6.5.1 Intensivklassen – Heterogenität aufgrund mannigfacher Bildungsstände
Intensivklassen bestehen in der Regel aus 12 – 16 SchülerInnen im schulpflichtigen Alter. Sie dienen dem grundlegenden Kenntniserwerb der deutschen Sprache vor dem Eintritt in eine Regelklasse. Der Unterricht umfasst nach einer neuen Regelung nun nicht
mehr 28, sondern 25 Wochenstunden. Die SchülerInnen bleiben in der Regel ein Jahr in
der Intensivklasse, bei Bedarf auch länger (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2014: S. 10). Vordergründiges Ziel einer Intensivklasse ist der deutsche Spracherwerb, es werden jedoch auch Fächer, wie Politik, Mathe oder Religion unterrichtet (vgl.
Interview 5: Z. 1652f). Die Intensivklassen sind, wie oben beschrieben, extrem heterogen, so dass die Förderung sehr individuell gestaltet werden muss. In Klassen mit 16
bzw. bis zu 20 SchülerInnen, wie ein Jugendlicher berichtet, kann sich dies jedoch als
schwierig herausstellen (vgl. Interview 5: Z. 1658). Berichte aus der Praxis zeigen, dass
16 – 20 Personen zu viele pro Klasse sind, vor allem in diesem Kontext. Eine zu hohe
Gruppengröße stellt eine permanente Überforderung dar und schadet allen Beteiligten.
Ohne ausreichende Förderung und Begleitung wird es immer schwieriger, individuell
auf die Fähigkeiten der SchülerInnen einzugehen (vgl. Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft 2014: S. 8ff). Wie im vorausgegangen Kapitel bereits beschrieben, ist das
individuelle Eingehen auf die SchülerInnen jedoch absolut notwendig, um eine Überforderung bzw. Unterforderung dieser zu vermeiden. Ein Befragter äußerte als passendes
Beispiel zur Unterforderung, dass er den Unterrichtsstoff der Intensivklasse bereits könne. „Die Schule sei nicht schwer“ und er würde lieber in eine Regelklasse wechseln
(vgl. Interview 7: Z. 1947-1987). Ein wiederum überfordert wirkender Jugendlicher hätte sich gewünscht eine Intensivklasse besuchen zu dürfen: „[…] Ich hab Pech gehabt,
ich habe auch tausendmal gesagt ich will Intensivklasse lernen […]“ (Interview 3: Z.
1143f). Andere Jugendliche fühlen sich hingegen gut unterstützt: „Ja, ich kann so einfach sprechen mit meine Lehrerin. Und dann kann ich sagen meine Problem […]“ (Interview 5: Z. 1666f). Überhaupt sehen sie die Maßnahme als eher positiv an. Im Vergleich zu ihren Heimatländern bietet bereits eine Intensivklasse mehr Abwechslung. Anstelle von lediglich zwei Fächern, wie beispielsweise im Irak, wird auch Englisch, Sport
oder Musik unterrichtet (vgl. Interview 7: Z. 1968-1973). Das deutsche Bildungssystem
erachten viele als besser im Vergleich zu ihren Herkunftsländern, auch wenn es die
Konfrontation mit einem fremden Lernsystem in einem anderen Kulturkreis bedeutet
(vgl. Interview 2: Z. 852f): „ [Ich] habe so viele Unterschiede zwischen dem Iran und
hier. Aber hier ist gut. Hier ist besser“ (Interview 5: Z. 1695).
47
Die Heterogenität der Klassen kann für die SchülerInnen auch positive Auswirkungen
haben. Aufgrund gewisser Gemeinsamkeiten (z.B. Sprachbarrieren), die die SchülerInnen auf eine bestimmte Art und Weise verbinden, fühlen sie sich eher ermutigt aktiv und
ohne Hemmungen am Unterricht teilzunehmen: „Ja ich hab keine Angst, ich kann so
einfach sprechen. Das ist besser“ (Interview 5: Z. 1647).
Das Interesse und die Motivation der SchülerInnen bestärken laut GEW auch die LehrerInnen, die trotz der aufwändigen und anstrengenden Binnendifferenzierung gerne unterrichten. Die meisten der SchülerInnen würden sehr schnell einen kleinen Alltagswortschatz lernen, schwieriger würde es beim Erlernen der Schriftsprache. Im Mathematikunterricht werde die Spannbreite des Lernens besonders deutlich. Während einige
Grundrechenarten üben, kämpfen andere Kinder damit, den Zahlenraum überhaupt zu
erfassen, da sie ein anderes System erlernt haben (vgl. Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft 2014: S. 14).
Die Intensivklassen können umA einen gewissen Schutzraum bieten und sie auf das,
was sie in einer Regelklasse erwartet, zumindest teilweise vorbereiten.
6.5.2 Regelklassen - Heterogenität aufgrund mannigfacher Bildungsstände
Trotz der Vorbereitung in einer Intensivklasse werden die SchülerInnen mit dem Wechsel in eine Regelklasse zum zweiten Mal in eine „partielle Sprachlosigkeit“ geworfen.
Konnten sie sich in der Intensivklasse noch gut verständigen und das Lernpensum bewältigen, stehen sie jetzt wieder am Anfang. Am mündlichen Unterrichtsgeschehen werden sie zunächst kaum teilnehmen, weil dafür nach nur einem Jahr intensiven Deutschlernens noch immer viele Wörter fehlen (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2014: S. 15). UmA, die aufgrund ihres Alters direkt in Regelklassen bzw. Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung kommen, stand der soeben genannte Schutzraum einer Intensivklasse überhaupt nicht zu. Sie haben lediglich einige Monate Sprachkurs absolviert. Die unterschiedlichen Bildungsgrade, die in den Regelklassen aufeinanderprallen, können hier noch schwieriger aufgefangen werden, als in den extra dafür vorgesehenen Intensivklassen.
Der Unterricht mit einer solchen Schülergruppe stellt deshalb besondere Anforderungen
an Lehrkräfte. Vorrangig geht es zunächst um den Erwerb der Sprache, der „größtenteils
in der Schule stattfindet“ (vgl. Interview 1: Z. 113f). Zusätzlich gilt es, elementare Voraussetzungen für ein Lernen im schulischen Rahmen zu schaffen (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2014: S. 16). Neben der Sprachproblematik spielen die unter48
schiedlichen Bildungsstände der umA auch hier eine große Rolle. Sie führen mitunter
dazu, dass die Jugendlichen mit gewissen Unterrichtsinhalten und hier angewendeten
Methoden nicht zurechtkommen. So hat eine der interviewten Personen neben Deutsch,
große Probleme dem Mathematik – oder Englischunterricht zu folgen, weil er nie eine
Schule besucht hat. Er hätte immer nur „gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet“ (vgl. Interview 3: Z. 1124-1127).
Andere SchülerInnen, die Schulerfahrungen aus ihren Herkunftsländern mitbringen, haben Schwierigkeiten mit den Methoden der Lehrer, die sich zum Teil sehr unterschiedlich darstellen: „Und hier ist zum Beispiel, Methode ist, (6) bei uns ist so, erst mal Lehrer und Lehrerin, sie erklären etwas ja, die fragen nach, habt ihr verstanden. Dann jeder sagts ja, sie sagt komm, hier, erzähl mal zu uns, wie es geht. Aber hier die machen
nicht so was. (3) Hier die erklären einfach, die fragen danach, die alle, das ist natür-,
natürlich ja die alle sagen ja, wir haben verstanden, das ist egal sie haben verstanden
oder nicht, ja. Aber bei uns, wenn jemand sagt ich hab` verstanden, dann Lehrer sagt
komm her, du musst jetzt erzählen, wie das geht“ (Interview 4: Z. 1463-1470). Die Problematik hierbei ist auch, dass der Jugendliche sich nicht traut nachzufragen, wenn alle
anderen das Thema verstehen bzw. vorgeben es verstanden zu haben. Die unterschiedlichen Bildungsgrade können SchülerInnen demnach hemmen, sich am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen. Der Jugendliche merkt hierzu an, dass die Lehrer „wissen müssten, ob die andere Person verstanden hat oder nicht“. Des Weiteren sollten sie ihre Methoden an die Schüler anpassen, weil sie „nicht alle mit der gleichen Methode lernen
könnten, jeder hätte seine eigene“ (vgl. Interview 4: Z. 1447-1450).
Die hier nur skizzierte Heterogenität der Klassen und das eben genannte Beispiel lässt
erahnen, welche Herausforderungen die Beschulung dieser SchülerInnen darstellt und
welche Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt werden (vgl. Grond 2014: S. 2). „Um
auch in heterogenen Klassen schülergerecht fördern und fordern zu können, ist daher
ein breites Maß an Individualisierung und Differenzierung notwendig“ (Grond 2014:
S.2).
6.6 UmA und traumatische Erfahrungen
In diesem Abschnitt soll auf die Auswirkungen der traumatischen Erfahrung der Flucht
eingegangen werden, die sie auf die Lern- und Schulsituation der umA haben können.
Schon der Begriff unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (offiziell umA) deutet auf die
mehrfachen Vorbelastungen hin, die sich hinter jeder Fluchtgeschichte verbergen:
49
„Flucht drückt ja aus, dass ich weglaufen musste, weil ich Angst vor irgendwas hab, ansonsten verlasse ich nicht mein Heimatland in diesem Fall. Ahm ich muss Angst haben
sei es für widrigen Umstände, sei es um mein Leben, sei es um Verwandtschaft. Hm es
ist egal. Ich muss Angst vor etwas haben und deswegen renne ich weg, deswegen laufe
ich weg, deswegen flüchte ich vor etwas“ (Interview 2: Z. 566-570). Flucht bedeutet immer ein erzwungener Bruch in der Lebensgeschichte des Geflüchteten. Neben Verlassen
von Familie, Heimat und vertrauten Ritualen ist es zugleich ein Fortziehen auf zeitlicher
und zielgerichteter Ebene ins Ungewisse. Flucht beinhaltet auch die Umstände, die ein
Weggehen von Seiten des Geflüchteten unabdingbar machten. Darunter sind zum Beispiel kriegerische Auseinandersetzungen, Erfahrungen von Gewalt und Repression, Verfolgung und vielfältige Formen der Menschenrechtsverletzungen. Dies sind Verhältnisse, die das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen gefährdeten. Ein
außerdem nicht unerheblicher Grund ist das Vermissen jeglicher Lebensgrundlage, was
pejorativ unter dem Begriff 'Wirtschaftsflüchtlinge' von Einwanderungsgegnern subsumiert wird (vgl. Detemple 2013: S. 33).
Unter den Geflüchteten zählen umA zu dem am meisten belasteten Personenkreis. Aufgrund ihres jungen Alters sind sie oft in ihrem Herkunftsland dem erhöhten Risiko, Opfer von Gewaltanwendungen zu werden, ausgesetzt. Zudem sind sie während der Flucht
auf die Unterstützung anderer angewiesen. Es kommt nicht selten vor, dass Kinder auf
der Flucht von ihren Eltern, Verwandte oder Freunde getrennt werden. In solchen Situationen bleiben ihnen nur die Abhängigkeit von anderen Geflüchteten, Schleppergruppen
und ähnlich riskante Bindungen (vgl. Zimmermann 2015: S. 14f). Der Leiter der Wohngruppe drückt die dadurch gewonnene Skepsis der umA anderen gegenüber folgendermaßen aus: „(...) und dann stehe ich da vor der Haustür und sag herzlich willkommen.
So schon mal das erste Fragezeichen. Ist das jetzt einer dem ich trauen kann oder mal
wieder einer der mich auf dem Arm nimmt“ (Interview 2: Z. 588-591). Durch die restriktive und abwehrende europäische Einwanderungspolitik sind umA häufig auf „illegalen“ Wegen und dadurch auf gefährliche Art und Weise unterwegs. Sie sind zum Teil
monatelang auf der Flucht, währenddessen sie immer wieder gefährlichen Situationen
ausgesetzt sind. Die Angst um ihr Überleben führt dabei zu seelischen und psychischen
Schäden oder Beeinträchtigungen (vgl. Herman 2014: S.53f). Psychisches Trauma ist
„das Leid der Ohnmächtigen“ (Herman 2014: S.53). Es entsteht, wenn ein Ereignis im
Leben eines Menschen ihn in extreme Angst und Hilflosigkeit versetzt, sodass seine Fähigkeit zur Bewältigung alltäglicher Dinge überfordert wird. Das erschütternde Gefühl,
50
völlig hilflos und ausgeliefert zu sein, bringt das psychische Erleben dauerhaft durcheinander. Das Selbstverteidigungssystem bricht zusammen, weil „weder Widerstand noch
Flucht möglich ist“ (Herman 2014: S.53f). Eine kurze Aussage des umA T. innerhalb eines Interviews lässt die Folgen nur erahnen: „Ja, ich will Deutschland, ich mag
Deutschland, ich mag hier, hier weil ich hab, meine früher ich war Gefängnis, fünf Monat Reise, so schlimm“ (Interview 3: Z. 1302-1304).
Wichtig für die Traumaerfahrung der umA ist das Verständnis von Trauma als einen kumulativen Prozess und nicht als ein einzelnes, abgeschlossenes Ereignis. Masud Khan
prägt das Konzept einer kumulativen Traumatisierung. Einzelne belastende Erfahrungen, die für sich nicht traumatisierend sind, summieren und verstärken sich gegenseitig
und führen dann zu einer psychischen Verletzung. Eine weitere Entwicklung von Khans
Konzept ist Hans Keilsons Idee der sequenziellen Traumatisierung. Keilson legt seinen
Fokus mehr auf die äußerlichen Umstände, die zu wiederholten Belastungen führen. In
seiner Studie über jüdische Kriegswaisen identifizierte er drei traumatische Sequenzen.
Besonders die dritte Sequenz, welche die Zeit nach dem unmittelbaren Trauma-Erlebnis
kennzeichnet, zeigt die anhaltende Wirkung von traumatischen Erfahrungen (vgl. Detemple 2013: S. 33ff).
„Aber manche Leute kommt direkt (2) nach ein Monat, zwei Monate in Deutschland,
kann nicht English, kann nicht andere Sprache auch. Es ist ein Schock. Bei mir ist ein
Schock bis jetzt“ (Interview 3: Z. 1162-1164), erzählte einer der umA. Das Erlebnis eines Kulturschocks bei der Ankunft in Deutschland stellt eine weitere Belastung in seiner
kumulativen Erfahrung dar. Der Leiter drückt diese Auffassung aus, indem er die Traumata der umA in ein Kontinuum von ihrer Heimat bis zu ihrer Ankunft in Deutschland
stellt: „Ja, und unsere Arbeit ist geprägt von diesem (Gedank.) von dem was sie auf der
Flucht erleben, was sie im Heimatland erlebt haben, warum sie fliehen mussten, also
geprägt von traumatisierten Kindern in verschiedenen Ausprägungen“ (Interview 2: Z.
595-598). „(…) Also ich behaupte, alle Kinder, die hierher kommen, sind traumatisiert“
(Interview 2: Z. 924-925).
6.6.1 Neue Belastungen und Stressfaktoren
Erste Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen bei ihrer Ankunft in Deutschland tragen
häufig zu einer Verlängerung der Stresszustände bei. Erst in Deutschland werden sie offiziell zu unbegleiteten minderjährigen Ausländern und somit Asylbewerbern, einen Status, der durch vielfältige Auflagen und rechtliche Einschränkungen gekennzeichnet ist.
51
Der ungewisse Ausgang der Flucht mündet beim Ankommen in Deutschland häufig in
einer Erstaufnahmestelle, sprich in Gemeinschaftsunterkünften, um nach einer oder
mehreren Zwischenstationen in einem Wohnheim Platz zu finden (vgl. Gag&Voges
2014: S. 7ff). In einer Studie über 'unbegleitete Minderjährige in der Jugendhilfe'
kommt Katharina Detemple zu ähnlichen Schlüssen: „Die Ankunft in Deutschland ist
für die Jugendlichen ein sehr ambivalentes Erlebnis: Sie ist das Erreichen des Ziels
oder zumindest eines Zwischenziels, von dem sie sich eine Verbesserung ihrer Situation
erhoffen, gleichzeitig beschreiben sie aber eine außerordentlich beklemmende und
angsteinflößende Situation“ (Detemple 2013: S. 57).
Das Asylverfahren selbst stellt durch seine Dauer und ungewissen Ausgang einen weiteren Belastungsfaktor da, wie die Betreuerin berichtet: „Und wenn das alles irgendwie
stockt, (…). Ihr Asylverfahren einfach dauert und dauert und dauert, das hat in der
Wohngruppe, also echt mega den Stress hervorgerufen, also für die Jugendlichen einfach, die ja eh alle ihr Päckchen mitbringen“ (Interview 1: Z. 361-366). Die Herausforderungen, die sich nach dem Ankommen in Deutschland ergeben, führen zu Frustration
und einer Art Antiklimax. Nach dem langen und gefährlichen Weg entspricht die Situation nicht unbedingt dem erwarteten Paradies. Sprache, Schul- und Ausbildungssysteme
stellen hohe Anforderungen. Arbeitsverbote oder Vorrangprüfungen verwehren den begehrten Zugang zum Arbeitsmarkt. Der umA T. beklagt: “Aber manche Regeln ist so
fest und manche Regel wirklich ich verstehe nicht. Guck mal, jetzt viele Flüchtlinge
willst arbeiten. Ja, natürlich. (…)Welche Arbeit? (… ) ich will arbeiten, ich will arbeiten, ich darf nicht. Ich verstehe nicht“ (Interview 3: Z. 1241-1245).
Die Erfahrung der Betreuerin bestätigen, dass männliche umA oft von Seiten ihrer Familie den Auftrag aufgebürdet bekommen, sich in Deutschland nicht nur einen gültigen
Aufenthaltsstatus zu sichern, sondern auch sich schulisch und beruflich durchzusetzen.
Es wird erwartet, dass sie helfen zurückgebliebene Familienmitglieder finanziell zu unterstützen und, wenn möglich, ihnen den Weg nach Deutschland zu ebnen (vgl. Breithecker&Freesemann 2011: S. 31ff). Laut Aussage der Betreuerin führen Hindernisse, welche sich der Erfüllung dieser Aufgabe entgegenstellen, zu weiteren Belastungen: „(…)
also, man merkt mehr, dass die halt auch 'n Auftrag ham. 'Guck, dass du hier was erreichst, guck, dass du Geld bekommst, guck, dass du 'ne Ausbildung bekommst, guck,
dass du 'n guten Aufenthaltstitel bekommst'“ (Interview 1: Z. 359-361).
Die umA sehen sich auch mit einer Vielzahl an Vorurteilen konfrontiert. Es sind Vorbehalte, zum Teil rassistische, in Bezug auf ihre Deutschkenntnisse, Hautfarbe und impli52
zierte kulturelle Eigenschaften. Auf der einen Seite bringen sie eine andere kulturelle
Prägung mit, die teilweise in Konflikt mit der hiesigen steht. Auf der anderen Seite entstehen daraus neue Formen der Stigmatisierung, die gegen den umA gerichtet werden
(vgl. Interview 2: Z. 697-698). Dazu gehören Etikette wie Wirtschaftsflüchtlinge, Anti-Flüchtlings-Demonstrationen und im Extremfall Einschüchterung durch Anschläge
auf Flüchtlingsunterkünfte (vgl. Eisenhart 2014: S. 47ff). Der Leiter berichtet von Vorbehalten gegenüber möglicherweise praktizierenden Muslimen. Daraus kann man
schließen, dass Vorstellungen über bereits in Deutschland lebende Einwanderer auf die
neu zugewanderten Personen übertragen werden. Neu Zugewanderte aus ähnlich geographischen Regionen, die gleiche kulturelle oder religiöse Aspekte teilen, werden mit
den gleichen Stereotypen behaftet. In den Aussagen der umA wird gleichermaßen angedeutet, dass es eine Hierarchie und Stigmatisierung von Kulturen oder Gruppen gibt,
wie K. beklagt: „Die Lehrer ungerecht, die politisch. Schickt Leute in Regelklasse, die
anderen nein“ (Interview 7: Z. 1979) oder „Und ich konnte bisschen Deutsch und die
anderen es konnten gar kein deutsch“ (Interview 7: Z. 1979, 1987).
Ein Aspekt, der langfristige Belastungen hervorruft, welcher aber nicht thematisiert
wurde oder vielleicht auch nicht thematisiert werden kann, ist die Notwendigkeit, sich
eine dem Asylrecht passende Identität aneignen zu müssen, in der Hoffnung auf eine
Anerkennung des Asylantrags. Infolgedessen fühlen sich einige jugendliche Flüchtlinge
gezwungen Name, Alter, Herkunftsland oder Fluchtgründe zu verschleiern, wenn nicht
gar neu zu erfinden, um die restriktiven Asyl- und Einwanderungsgesetze zu umgehen
und von den Leistungen der Jugendhilfe zu profitieren. Solche umA müssen ihre doppelte Identität über Jahre hinweg während des Asylverfahrens aufrecht erhalten, um
nicht enttarnt zu werden. Somit stehen sie in dieser Zeit unter der doppelten Belastung
ihre wahre Identität zu verschweigen, sich aber zugleich als Jugendliche psychisch und
emotional weiter zu entwickeln (vgl. Detemple 2013: S. 57). Der Leiter adressiert diese
Thematik nur indirekt, zeigt aber ein Bewusstsein für das Dilemma, in dem die umA
sich befinden könnten. Zu einer Frage z.B. über den Bildungshintergrund eines umA
antwortet er folgendermaßen: „((Leiter holt tief Luft und atmet lange aus)). Schwer zu
sagen. Weil wir nicht richtig unterscheiden können, was ist Legende und was ist ehrlich.
(Int. Okay). Weil es bringt ja keine Papiere mit. So, so sind wir auf die Aussagen angewiesen, die die Jugendliche uns gegenüber machen“ (Interview 2: Z. 816-819).
Des Weiteren kommt hinzu, dass die Symptome eines posttraumatischen Syndroms oder
anderer psychischer Belastungen der betreffenden umA nicht adäquat betreut werden
53
können, weil sie in der therapeutischen Situation noch Angst davor hegen, ihre wahre
Identität preiszugeben (vgl. Detemple 2013: S. 57).
Die umA in den Interviews sind außerdem zusätzlich in einem Alter, das im westlichen
Kontext mit der Pubertät gleich gesetzt wird. Obwohl sie aus traditionellen oder familienbezogenen Kulturen stammen, sind sie in einem Alter und gezwungenermaßen in einer Situation, die einen Selbstfindungsprozess erfordert, wie die Betreuerin klarstellt:
„Also klar sind die auch irgendwie einfach Jugendliche und ham auch mal kein Bock
auf Schule, das steh ich ihnen auch zu, so, also. Das ist voll gut so, wenn sie das schon
können, also schon so rebellieren können“ (Interview 1: Z. 460-462). Innerhalb der
Rahmenbedingungen ihres Asylverfahrens streben die umA nach Eigenverantwortlichkeit und nach Möglichkeiten, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten. Dass sie bei
Erreichen der Altersgrenze '18 Jahre' z.B. aus der Einrichtung ausziehen müssen, trägt
nicht zu ihrer Stärkung bei. Wie die Betreuerin erklärt, bleibt besonders für Jugendliche,
die mit 17 Jahren ankommen, nicht genügend Zeit, um sie zu stabilisieren und für das
Leben in Deutschland gut auszurüsten. Sie sind dann mit 18 Jahren ohne Rückhalt und
auf sich gestellt. Sie kommentiert kritisch: „Ja. Und halt, dann haste halt irgendwie 'n
halbes Jahr Zeit, den so zu bestärken, (…) Und das gibt’s halt mit 18 auch nicht mehr.
Das ist halt echt blöd“ (Interview 1: Z. 401-409).
6.6.2 Besondere Belastungen weiblicher umA
Weibliche Flüchtlinge machen nur einen sehr kleinen Teil, etwa zehn Prozent der umA
aus. Sie sind auf spezielle Art und Weise von Fluchterfahrungen betroffen. Neben den
anderen genannten Fluchtursachen kommen geschlechtsspezifische Ursachen wie
Zwangsheirat und familiäre Gewalt, beispielsweise genitale Verstümmlung, hinzu.
Weibliche umA sind ebenso auf der Flucht spezifischen Gefahren wie Vergewaltigung,
Prostitution und anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt. Bei der Ankunft kann das
Asylantragsverfahren zu einem beschämenden Erlebnis werden. Obwohl gender-spezifische Fluchtgründe seit 2005 im Asylverfahren anerkannt werden, müssen weibliche Geflüchtete gegebenenfalls intime Details ihre Erlebnisse vor männlichen Beamten oder
mit Hilfe von männlichen Dolmetschern aussagen (vgl. Butterfield 2011: 30f).
In der Wohngruppe zeigt sich, dass die weiblichen umA kulturbedingt niedrige Selbstwertgefühle bezüglich ihrer Stellung in der Gesellschaft mitbringen. Diese müssen erst
verstärkt werden, um den neu gewonnenen Freiraum und Möglichkeiten für sich auszunutzen: „Auf der anderen Seite es ist aber auch so, das Mädchen für sich selber denkt
54
auch erstmal ich bin nicht so viel wert und macht das alles. So dann müssen wir sie entsprechend heben und sagen „warum, was soll das? Der kann ganz genauso in die Küche gehen und die Spülmaschine einräumen, das musst du nicht für ihn machen, er hat
Dienst“ (Interview 2: Z. 736-740). Dieser Freiraum muss teilweise geschützt und verteidigt werden vor kulturellen Praktiken und Netzwerken, die diese wieder einzuengen
versuchen. Wie das Beispiel einer 15-jährigen umA zeigt, die aus einer Zwangsehe geflüchtet ist und die von den in Deutschland lebenden Verwandten des Ehemannes gesucht wird. Der Leiter stellt die Gefahr der Re-Traumatisierung fest: „Und die müssen
wir natürlich besonders schützen. Also das ist auch dann der tägliche Umgang mit
Traumas, der tägliche Umgang auch mit Flucht“ (Interview 2: Z. 750-752).
Die weiblichen Flüchtlinge haben oft weniger oder keine Schulbildung im Vergleich zu
den männlichen umA. Dieser Tatbestand erschwert das Lernen der Sprache im Ankunftsland, sowie den Zugang zur schulischer Bildung. Die Analphabetinnen haben keine Erfahrung mit dem Lernen in einem Schulkontext, sodass sie sich trotz Alphabetisierungskursen schwer tun, die deutsche Sprache zu lernen (vgl. Interview 2: Z. 804-810).
6.6.3 Auswirkungen von Traumatisierungen auf die Schule
Beide, weibliche und männliche umA, sind durch die psychosozialen Vorbelastungen
ihrer Fluchtsituation, durch die Trennung von Familie und Heimat und durch die Anforderungen ihrer neuen Lebensrealität stets der Gefahr einer Re-Traumatisierung ausgesetzt. Es besteht die Gefahr, dass durch ihre geschwächte, psychische Widerstandsfähigkeit, ihnen die Dinge leicht über den Kopf wachsen können (vgl. Zimmermann 2015: S.
77f). Dies bestätigt die Betreuerin, als sie folgendes erlebte: „(…) der eine ist glaube ich
so im drei Wochen Rhythmus einfach ausgerastet, also weil er nicht wusste wies weitergeht und er einfach den krassen Druck verspürt hat, er muss in die Schule und das, eh,
läuft grad alles nicht so und das war krass“ (Interview 1: Z. 366-369). Nach David
Zimmermann können Aggression oder auch Rückzugstendenzen symptomatische Auswirkungen eines Traumas darstellen. Solche Ausbrüche treten häufig im schulischen
Setting auf und treffen auf pädagogische Mitarbeiter, die dafür nicht ausgebildet sind.
Sie reagieren dann mit Hilflosigkeit oder, im schlimmsten Fall, mit Ablehnung und
Strenge (vgl. Zimmermann 2015: S. 15). Der Leiter ist auch der Auffassung von Zimmermann, dass insbesondere Lehrer Defizite im sozialpädagogischen Bereich zeigen
(vgl. Interview 2: Z. 1021-1022). Ebenso vertritt er die Auffassung, dass bei fast allen
umA Bindungsstörungen vorliegen, die sich in Misstrauen gegenüber allen Personen,
55
denen sie begegnen, äußern (vgl. Interview 2: Z. 582-583). Nach Zimmermann beeinträchtigen diese Folgen einer traumatischen Erfahrung die Lernkapazitäten auf besondere Weise. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich in der pädagogischen Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen eine Sensibilisierung für solche Symptome anzueignen, da sie
auf das Vorliegen eines Traumas hinweisen können. Die umA müssen ein neues SelbstBewusstsein entwickeln und die wechselseitige Interaktion zwischen Personen neu lernen. Dazu fordert er eine individuelle Auseinandersetzung mit der ganz spezifischen
psychosozialen Situation von Flüchtlingskindern und Jugendlichen. Sie brauchen eine
angemessene Förderung im Bildungssystem, die sie auf eine sprachliche und kulturelle
Ebene einbinden (vgl. Zimmermann 2015: S. 77ff).
In dem Wohnheim des befragten Leiters sind eigene Psychologen angestellt. Er selbst
hat eine Traumatherapie-Ausbildung gemacht, von der er in die Arbeit mit den umA
sehr profitiert: “Hätte ich jetzt die Traumatherapie-Ausbildung natürlich nicht, hätte ich
die nicht, würde es mir auch schwerfallen, so etwas nachzuvollziehen. Und das, das
sehe ich so als meine Aufgabe, dann den Kollegen da beratend zur Seite zu stellen, stehen und zu sagen "schaut mal dahin, schaut mal dahin, ihr könnt es auch durch dieses
Auge betrachten (…)" (Interview 2: Z. 966-970). Obwohl eine Sensibilisierung für ihre
belastende Lebensrealität nötig ist, sind die befragten umA keine Opfer. Sie sind nicht
ohne eigene Ressourcen und Kompetenzen: „[W]eil auf der Flucht lernen, sie lernen
auf der einen Seite Ressourcen kennen auf der Flucht, Überlebensstrategien (…) Sie
lernen zu überleben. Sie lernen draußen ihr tägliches Leben zu schaffen so und dann
kommen sie hier nach Deutschland an (…) (Interview 2: Z. 584-588). Daher gilt es ihre
mitgebrachten Kompetenzen und hart gewonnenen Erfahrungen in den Dienst ihres neuen Lebens zu stellen und sorgsam zu fördern.
6.7 Zukunftsvisionen und Wünsche von Seiten der BetreuerInnen und umA
Ein geäußerter Verbesserungswunsch von den Seiten der BetreuerInnen war, dass eine
Erweiterung der Schulpflicht auf 18 Jahre stattfindet, so dass die umA über 16 Jahre
auch die Chance hätten, eine Regelklasse zu besuchen, ohne bei Erreichen der Volljährigkeit diese verlassen zu müssen. Dies würde den Kontakt der umA zu deutschen Schüler/innen fördern, sodass beide Seiten voneinander lernen könnten. Zudem würde dies
den umA über 16 Jahren auch Chancen bieten, andere Abschlüsse zu erwerben und nicht
nur die Aussicht geben, eine berufsbegleitende Schule zu besuchen. So könne man viel
individueller auf die umA eingehen und nach deren schulischem Potenzial urteilen (vgl.
56
Interview 1: Z. 401-410).
Ein weiterer Wunsch war das Einstellen von mehr Fachpersonal, da sowohl räumlichen
Gegebenheiten, wie auch die Klienten 'da' sind, aber nicht genug LehrerInnen, um den
Bedürfnissen nach Bildungsangeboten nachzukommen. Dies erweist sich wohl als sehr
schwierig, da ein hoher Betreuungsbedarf existiert und dieser wenn möglich fachgerecht
erfüllt werden sollte (vgl. Interview 2: Z.1002-1016).
Ebenso wurde die schnellere Bearbeitung des Aufenthaltsstatus (Visa) genannt, da diese
immer mit dem Recht auf Bildung in Zusammenhang steht (vgl. Interview 7: Z. 20082012). Sollte es keine Kapazitäten geben, schnellere Abarbeitung des Antrags zu gewährleisten, wäre dringlich geboten, eine Sprachförderung unabhängig vom Aufenthaltsstatus anzubieten, da wie bereits genannt, der Spracherwerb eine Schlüsselfunktion
ist, um eine erfolgreiche (Schul-)bildung zu absolvieren. Damit würden die umA die
Zeit, die sie mit Warten auf die Klärung ihres Aufenthaltsstatus verbringen, schon förderlich für die baldige Integration nutzen können.
Auch der Kontakt zwischen umA und einheimischen SchülerInnen ist dringlich geboten,
um den Lernprozess und den Abbau von Vorurteilen zu fördern. Der Austausch zwischen diesen Gruppen kann in vielerlei Hinsicht lehrreich und wertvoll für alle Beteiligten sein (vgl. Interview 2: Z. 690-703).
Ein weiterer Faktor, der genannt wurde und für die Arbeit mit umA bedeutend ist, ist das
Verständnis der Lehrenden, dass die deutsche Sprache nicht nur für die Kommunikation
wichtig ist, sondern auch ein Mittel des Lehrens und Lernens darstellt. Das heißt, dass
hier nicht nur das alltägliche Kommunikationstool erworben werden muss, sondern
auch schulische Strategien, wie das Verstehen von Fragestellungen und Texten, sowie
Informationsaustausch. Auch Schwierigkeiten im Verstehen sollten mitgeteilt werden
können, sowie Korrekturen erfolgen. Viele der schulischen Probleme, besonders in den
Sachfächern sind womöglich auf nicht ausreichende Sprachkompetenzen zurückzuführen statt auf fehlende kognitive Fähigkeiten. Um sinnvoll auf die umA eingehen zu können, müssen die LehrerInnen sprachliche Zusammenhänge des Lernens kennen und
auch über direkte, didaktische Strategien zur Wissensvermittlung verfügen. Diese sollten den werdenden LehrerInnen schon im Studium oder auf Fortbildungen vermittelt
werden. Im Laufe der Zeit kann dies immer wichtiger werden, da sich Deutschland immer stärker hin zu einer Einwanderungsgesellschaft entwickelt. Dadurch muss dem
Wert der linguistischen Kompetenz mehr Achtung gezollt werden, sowie der Chance der
sprachlichen Vielfalt, die die Einwanderung mit sich bringt. Die Lehrenden sollten
57
durch jemanden geschult werden, welcher die Kompetenzen hat eine Fremdsprache zu
vermitteln und die Problematiken des Deutsch als zweite Fremdsprache kennt, sowie die
Finessen der Fachsprache beherrscht (vgl. Karl-Heinz et al 2010 S: 137-139).
Trotz dieser angeführten Punkte ist es wichtig, dass nicht generalisiert wird, sondern
dass jede/r Schüler/in nach der individuellen Leistung betrachtet und nach dieser beurteilt werden muss. Denn ebenso wie in den hiesigen Regelklassen, in denen es unterschiedliche Leistungen der SchülerInnen gibt, verhält es sich in den Sprachkursen und
Intensivklassen auch. Den umA, die eine schnelle Auffassungsgabe in Hinblick auf die
neue Sprache haben, sollte es gestattet werden, 'eine Klasse zu überspringen', sofern
dies in ihrem Interesse liegt. Auch hier ist eine individuelle Betrachtung des Lehrers
nach wie vor nötig (vgl. Interview 6: Z. 2023-2025).
7 Fazit
Das Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit, welches zu Beginn definiert wurde, war
die Realität der umA innerhalb des hessischen Bildungssystem zu beleuchten und zu
analysieren, insbesondere den realen Zugang zu diesem System darzustellen, sowie aufzudecken, wie die umA selbst und deren Betreuer/innen die Situation erfahren. Die
übergeordnete Frage „Wie gestaltet sich die Situation unbegleiteter minderjähriger Ausländer (umA) im hessischen Bildungssystem?“ sollte die Forschung leiten und abschließend anhand der einzelnen Kapitel beantwortet werden, welche die Situation umfassend
dargestellt haben.
Nachdem in den ersten Abschnitten des Berichts wichtige Begrifflichkeiten erklärt, sowie die methodische Vorgehensweise anhand wissenschaftlicher Literatur beschrieben
wurde, sollte die darauf folgende Erläuterung der Gesetzeslage für umA in Deutschland
und insbesondere für Hessen eine grundlegende Auskunft über die rechtliche Situation
geben, in der sich die Kinder und Jugendlichen aktuell befinden. Die Ausführungen ergaben, dass umA im Wesentlichen den gleichen rechtlichen Zugang zu Bildungsangeboten wie Inländer haben, die rechtliche Gleichstellung jedoch nicht zwangsweise zu einer
gleichberechtigten Teilhabe am Bildungssystem führt. Schulische Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache sind zwar landesrechtlich vorgesehen, stehen dennoch vielen
umA nicht zur Verfügung. Ein weiterer Abschnitt der Arbeit entstand aufgrund der Aktualität der Begriffsänderung 'Flüchtling' in 'Ausländer', welche den Anlass gab, ein eigenes Kapitel zu verfassen, in dem sich mit dieser Neuerung kritisch auseinander gesetzt werden konnte. Der auf diese einführenden Kapitel folgende inhaltliche Hauptteil
58
umfasste die schriftliche Analyse und Interpretation der geführten Interviews. Im Folgenden soll nun versucht werden, eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus den einzelnen Themengebieten zu geben und damit die Forschungsfrage zu beantworten.
Grundlegend wichtig für die rechtliche Behandlung der umA in Deutschland ist die Alterseinschätzung, da sich insbesondere die Schulpflicht an dieser Feststellung orientiert.
Sie wurde als die schwierigste und eine höchst folgenreiche Entscheidung im Ankommensprozess betitelt. Folglich macht es für die Betroffenen einen deutlichen Unterschied, ob sie unter oder über 16 Jahre eingestuft werden. Die Entscheidungsgewalt in
diesem Falle obliegt letztendlich dem Jugendamt (vgl. Detemple 2013: S. 37). Anhand
unserer Auswertungen kann gesagt werden, dass sich der Einstieg in das deutsche Bildungssystem für unter 16-Jährige umA in den meisten Fällen unproblematisch und ohne
große Hindernisse gestaltet, da sie unter die gesetzlich geregelte Schulpflicht fallen.
Hierbei werden sie fast ausschließlich den Haupt-, weniger häufig den Realschulen zugeordnet. Die Unterbringung von umA in allgemeinbildende Gymnasien, sowie das erfolgreiche Abschließen des Abiturs geschieht nur in Einzelfällen (Interview 1: Z. 288289). Hier kann vor allem das Sprachniveau als Hürde genannt werden, worauf in einem
anderen Kapitel gesondert eingegangen wird. UmA, welche bei ihrer Ankunft bereits
das 16. Lebensjahr erreicht haben, unterliegen nicht mehr der Schulpflicht und sind als
Zugang zur Bildung auf schulische und berufliche Förderungsmaßnahmen angewiesen.
Aktuell sind dafür die Berufsbegleitenden, und -hinführenden Maßnahmen PuSch und
InteA vorgesehen, welche eingangs erläutert wurden. Sie sind eine Mischform aus klassischer Berufsschule, Sprachkurs und Praktika in den Firmen oder Einrichtungen. Nach
der Meinung des befragten Leiters dienen vor allem die Praktikumsstellen den umA
nicht nur dazu, um berufliche Erfahrungen zu sammeln, sondern auch, um erste Kontakte zu möglichen Ausbildungsplätzen zu verknüpfen. Durch Praktika in den Ausbildungsbetrieben können auch erste Vorurteile und Vorbehalte gegenüber den umA ausgeräumt
werden. Allerdings sollen diese Praktika in der nun aktuellen Maßnahme InteA abgeschafft werden, womit ein wichtiger Türöffner zum Ausbildungsmarkt wegfalle (Interview 2: Z. 667-670). Auch wird die problematische Altersgrenze '18 Jahre' angesprochen, da die umA fortan nicht mehr in die Zuständigkeit der Jugendhilfe fallen und auf
sich alleine gestellt sind (vgl. Detemple 2013: 35f). Anträge zur Verlängerung werden
im Gegensatz zu denen von deutschen Jugendlichen auch häufig abgewiesen (Interview
1: Z. 390). Zwar ist es von Vorteil, dass die umA innerhalb der Maßnahme InteA auch
sozial-pädagogisch begleitet werden, jedoch zeigt folgende Zusammenfassung der Si59
tuation prägnant, welche Schwierigkeiten zugrunde liegen: Das hohe Aufkommen von
jugendlichen Asylbewerbern belastet ein schon überfordertes, wenn nicht überkommenes Fördersystem (vgl. Frieters-Reermann et al. 2013: S. 82).
Die Frage, welche Bedeutung der Besuch einer Schule für geflüchtete Kinder und Jugendliche einnimmt und welche Gesichtspunkte die Kinder überhaupt anregen zur
Schule zu gehen, sollte im Zusammenhang mit vorliegender Thematik ebenfalls untersucht werden. Die befragten Pädagogen/innen bemerkten uneingeschränkt das sichere
Anstreben eines Schulabschlusses der Kinder und Jugendlichen. Auch die umA berichten in den Interviews, dass sie ein Ziel vor Augen haben und dieses stringent verfolgen.
Überhaupt stehe die Zukunftsfrage in enger Verbindung mit der Frage der Schulbildung,
denn als formale Voraussetzung für eine längerfristige Lebensplanung (in Deutschland)
kommt dem Schulabschluss eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. Peter 2001: S. 41). Die
Worte Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Sicherheit fallen häufig, sowie der
Wunsch mit dem Schulabschluss etwas zu besitzen, was ihnen nicht mehr genommen
werden kann. Trotzdem kann es im Laufe des Schulbesuchs immer wieder zu Leistungsund Motivations-Problemen kommen, da umA mit vielen negativen Einflüssen von außen, wie dem ungeklärtem Aufenthaltsstatus, der fremden Sprache und gesetzlichen Regelungen zu kämpfen haben, welche sich belastend auf die Schulsituation auswirken
können (vgl. Noske 2015: S. 22). Als weiteren Motivations-Grund lässt sich nennen,
dass die Jugendlichen oft als Hoffnungsträger der Familie im Heimatland dienen und
mit einer Art Auftrag nach Deutschland geschickt werden, um dort ein neues Leben aufzubauen, wie die Betreuerin berichtet (vgl. Interview 1: Z. 359-361). Dies äußert sich
auch in einer hohen Erwartungshaltung an sich selbst. Der schulische bzw. berufliche
Erfolg erscheint schon fast in der Qualität eines Leitbildes für das ganze Leben, an dem
sich die Jugendlichen orientieren (vgl. Detemple 2013: S. 70).
Bildung allgemein fällt in Deutschland unter die erklärten Menschenrechte (vgl. Art. 26
Abs.1 des AEMR) und sollte somit auch für Menschen, die nach Deutschland einwandern oder flüchten, als solches angesehen werden. Dennoch könnte die Frage aufkommen, ob für diese Menschen durch die Integration in das hiesige Bildungssystem ein
Abstieg oder eine Chance entsteht. Bei den bereits erwähnten Integrationsprozessen vermischen sich verschiedene Formen des Zusammenlebens, Kulturen und Religionen. Im
Idealfall führt dies zu einer Verschmelzung und kann nur als Bereicherung, auch in Hinblick auf das Bildungssystem im Zielland, angesehen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine bessere Beurteilung der Qualität der Schule und der beruflichen
60
Ausbildung in den Herkunftsländern erfolgt, um die Menschen im Zielland fair einstufen zu können.
In den geführten Interviews traten eine Reihe von Problemen zutage, welche die umA
innerhalb der Schullaufbahn erfahren. Die am häufigsten genannten sollen hier zusammengefasst werden. Sowohl der/die Pädagoge/in als auch die umA führten die fremde
Sprache als zentrale Herausforderung und Hürde an. Zwei der befragten Jugendlichen
haben explizit erwähnt, dass ihr Sprachverständnis nach den ersten Monaten Sprachkurs
bei weitem nicht ausreichend sei, um den Lehrer/innen folgen zu können. Hieraus resultiere auch Scham über das nicht vollständige Beherrschen der Sprache und ein Gefühl
der Ausgrenzung gegenüber den einheimischen Schülern/innen. Dies führt zu einem
weiteren Punkt, der häufig unter den umA genannt wurde, dem Wunsch nach mehr Kontakt zu anderen, sowohl zu anderen Flüchtlingen ihrer Heimat, aber vor allem zu den
hiesigen Bewohnern/innen. Der Kontakt wurde sich aus Gründen des Erlernens der
Sprache, sowie zur besseren Integration gewünscht. Insbesondere für die über 16-Jährigen besteht im Grunde eine weitere, bereits erwähnte problematische Situation, die sich
pausenlos bis zum Eintritt in die Schule gestaltet. Die Kombination aus Langeweile und
Unsicherheit, ob und wann sie eine Schule besuchen können, ist ein permanenter Stressauslöser. Der Schulbesuch gibt den umA nicht nur eine Zukunftsperspektive, sondern
auch Rhythmus und Stabilität im Alltag (vgl. Interview 1: Z. 363-374). Auch in den
Schulen selbst sieht die Realität des Unterrichts und das Umsetzen der Maßnahmen aufgrund von Mangel an Personal und Räumlichkeiten, sowie freien Zeiträume eher
schwierig aus. Die Thematik 'Deutsch als Zweitsprache' rückt in den Mittelpunkt der
Unterrichtsgestaltung und fordert die Lehrenden heraus.
Um bei dieser Realität in den Klassenräumen zu bleiben, beschäftigt sich ein weiteres
Kapitel mit der Heterogenität der Bildungsstände, welche die umA mitbringen. Einige
Kinder wurden in ihren Herkunftsländern durchgängig beschult, andere wiederum kaum
oder gar nicht (vgl. Grond 2014: S. 1f). Die Förderung aufgrund dessen muss individuell gestaltet werden, kann jedoch im Angesicht aller Schwierigkeiten auch positive Auswirkungen auf das Lernumfeld aller Schüler/innen haben. Gerade die Intensivklassen
bieten eine Art Schutzraum, da nahezu alle umA eines gemeinsam haben: fehlende
Sprachkenntnisse im neuen Land. Sie haben dort die Möglichkeit ihre Scham zu vergessen und fühlen sich eher ermutigt aktiv und ohne Hemmungen am Unterricht teilzunehmen. In den Regelklassen, welche umA unter 16 Jahren besuchen, sieht die Realität etwas anders aus, da sie zusammen mit einheimischen Schülern/innen nach nur ein paar
61
Monaten Sprachkurs direkt am regulären Unterricht teilnehmen, was dazu führen kann,
dass sie aufgrund noch fehlender Sprachkenntnisse gehemmt sind, den Lehrpersonen zu
folgen. Diese Umstände lassen nur erahnen, welche Herausforderung die Beschulung
dieser Schüler/innen darstellt und welche Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt werden. Es ist ein hohes Maß an Individualisierung und Differenzierung notwendig, um den
einzelnen gerecht zu werden (vgl. Grond 2014: S. 2).
Nicht nur die unterschiedlichen Bildungsstände, sondern auch die traumatischen Erfahrungen, welche die umA im Laufe ihrer Flucht machen, haben einen Einfluss auf ihre
Teilhabe am Bildungssystem, besonders auf die Lern- und Schulsituation. Das hier angesprochene psychische Trauma entsteht, wenn ein Ereignis im Leben eines Menschen
ihn in extreme Angst und Hilflosigkeit versetzt, sodass er sich nicht mehr in der Lage
fühlt alltägliche Dinge zu bewältigen (vgl. Herman 2014: S.53). Auch wenn sich die
umA nach Aufnahme in Deutschland zunächst in Sicherheit und am Ziel wähnen, ist es
wichtig, die Trauma-Erfahrung als einen kumulativen Prozess und nicht als ein einzelnes, abgeschlossenes Ereignis zu erkennen, hinzu kommen z.B auch Phänomene wie ein
Kulturschock (vgl. Detemple 2013: S. 33ff). Durch die Pubertät, in der sich die umA
aufgrund ihres Alters befinden, sind sie ebenfalls gezwungenermaßen in einer Situation,
die einen Selbstfindungsprozess erfordert, was die Belastung durch innere Konflikte
abermals erhöht. Ein kurzer Blick wurde auch auf die Situation weiblicher umA geworfen, welche aufgrund geschlechtsspezifischer Ursachen wie Zwangsheirat, familiärer
Gewalt (z.B. genitale Verstümmlung) geflohen sind und auf ihrem Weg weiterhin Formen von sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Hier gilt es im Besonderen Hilfe zur Seite
zu stellen und die weiblichen Flüchtlinge in ihrem Streben nach Unabhängigkeit zu bestärken. Dass diese Erfahrungen Auswirkungen auf die Lernsituation in den Schulen
hat, liegt auf der Hand und darf nicht unterschätzt werden. Dennoch, obwohl eine Sensibilisierung für ihre belastende Lebensrealität nötig ist, sind umA nicht ohne eigene Ressourcen und Kompetenzen. Gerade auch die durch ihre Flucht gewonnenen Erfahrungen
müssen aufgearbeitet und im Sinne der Resilienz gefördert werden.
Als letzter inhaltlicher Schwerpunkt der Auswertung sollten der/die Betreuer/in und die
umA mit ihren Wünschen und Forderungen zu Wort kommen, die sie in Bezug auf das
hessische Bildungssystem geäußert haben. Als eine mögliche Option wird die flächendeckende Erweiterung der Schulpflicht auf 18 Jahre genannt, sodass jeder umA die
Möglichkeit bekommt an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen, obgleich er/sie formal aufgrund seiner Volljährigkeit nicht mehr unterstützt werden müsse. In diesem Zu62
sammenhang ist auch ein dringender Blick auf das individuelle Bildungsniveau der einzelnen Schüler/innen zu werfen, um ihre Ausgangschancen fair zu beurteilen und sie
nicht nur anhand mangelnder Sprachkenntnisse im Zielland zu bewerten. Ein von allen
Gesprächsteilnehmern gewünschter Punkt bezog sich auf die Bearbeitung der Aufenthaltsanträge, insbesondere diese schneller und gründlicher vorzunehmen. Dies sei ein
zentrales Problem und ein deutlicher Stressor für alle Beteiligten und beeinflusse die
Bildungssituation der Jugendlichen, waren sich alle einig. Wichtig für die Integration
der umA und den Abbau von Vorurteilen ist auch der Austausch zwischen einheimischen und ausländischen Schülern/innen. Durch die Eingliederung der unter 16-Jährigen
in eine deutsche Regelklasse geschehe dies fast automatisch, bei den über 16-Jährigen
gebe es noch Handlungsbedarf, da diese wenig Kontakt zu Jugendlichen außerhalb der
Bildungsmaßnahmen aufnehmen könnten. Der uneingeschränkte Wunsch der umA die
Schule abzuschließen und eine Ausbildung zu absolvieren, zieht sich unter Formulierung ganz konkreter Zukunftsplänen durch alle Gespräche.
Auch wenn im vorliegenden Forschungsbericht verschiedene Facetten der Thematik angesprochen und diskutiert wurden, war es uns sicher nicht möglich anhand der geringen
Zahl geführter Interviews alle Bereiche und Hintergründe des Themas anzuführen. Die
Stellungnahmen und Äußerungen der Interviewpartner/in beziehen sich darüber hinaus
nur auf ein Bundesland der Republik Deutschland, welches wiederum nur ein Land Europas darstellt. Es ist wichtig, sich diese Einschränkung der Allgemeingültigkeit der
Aussagen, sowie Ergebnisse und auch Unterschiede zu gegebenenfalls anderen Zielländern für Geflüchtete in der EU bewusst zu machen.
Auffällig in den Recherchen zu dem sehr akuten Thema war, dass wenig aktuelle, gedruckte Literatur zur Verfügung stand, das Internet jedoch viele Veröffentlichungen,
auch aus dem wissenschaftlichen Bereich, bietet. Neue Artikel, sowie aktualisierte Zahlen und Daten hätten die Ergebnisse und Analysen an manchen Stellen womöglich noch
verfestigen können. An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass eine große Zahl an Stellungnahmen und Artikeln existieren, deren Wissenschaftlichkeit durchaus fragwürdig
ist. Es macht den Anschein, dass gerade im vorliegenden Thema viele Menschen das
Bedürfnis haben ihre Meinung kund zu tun. Wir haben versucht weitestgehend rein wissenschaftliche Quellen, zum Beispiel Artikel von Ministerien, Fachverbänden etc. zu
verwenden. Sicher hätten auch mehr Interviews in einem größeren Personenkreis zur
Unterstützung und weiteren Ausführung der Forschung beigetragen, was aber aufgrund
des engen Zeitrahmens nicht möglich war.
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Die Zahl der zukünftig in Deutschland ankommenden umA wird in den nächsten Jahren
mutmaßlich nicht geringer werden, sodass sich Bund und Länder angesichts dieser aktuellen Entwicklung und der Einflüsse auf das hiesige Bildungssystem zwangsweise mit
der Thematik auseinandersetzen müssen (vgl. Bundesministerium fFSFJ 2015). Die vorliegende Forschungsarbeit zeigt, dass einige Maßnahmen bereits positiv realisiert werden, es in vielen Bereichen jedoch durchaus noch Verbesserungsbedarf und vor allem
Handlungsbedarf gibt. Gerade in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit liegen viele
Möglichkeiten, an der Ausgestaltung mitzuwirken.
Wenn der eingangs zitierte Kultusminister Hessens folgendes äußert: „Wir sind uns als
Land unserer gesellschaftlichen wie politischen Verantwortung bewusst, für die in Hessen ankommenden begleiteten und unbegleiteten Flüchtlingskinder die bestmöglichen
Aufnahmebedingungen und Bildungsmöglichkeiten zu schaffen“ (Hessisches Kultusministerium 2015a), sollten dieser Aussage in den nächsten Jahren auch Taten folgen, welche die Bildungssituation für umA nachhaltig verbessern.
64
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