◆ ◆ Jahresbericht 2015 ÜBERWACHUNG LEBENSMITTEL · BEDARFSGEGENSTÄNDE · KOSMETIKA TRINKWASSER · FUTTERMITTEL ◆ Jahresbericht 2015 ÜBERWACHUNG LEBENSMITTEL BEDARFSGEGENSTÄNDE KOSMETIKA TRINKWASSER FUTTERMITTEL ◆ ◆ TEIL I VORSPANN G R U S S WO RT D E S M I N I ST E R S JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TEL-, TRINK WASSER,- FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW Liebe Verbraucherinnen und Verbraucher, in Baden-Württemberg wird der Verbraucherschutz bei Lebensmitteln und verbrauchernahen Produkten wie Kleidung, Kosmetik und Spielzeug großgeschrieben. Deshalb hat die Landesregierung bereits seit 2010 die Lebensmittelüberwachungsbehörden im Land laufend personell verstärkt und 2015 mit dem neuen Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit (LKL BW) ein interdisziplinäres Team eingerichtet, um die zuständigen Behörden in ihrer Arbeit durch weitere Expertinnen und Experten zu unterstützen. die Überwachung von Bedarfsgegenständen, kosmetischen Mitteln und Tabakerzeugnissen in das für die Marktüberwachung zuständige Vor-Ort-Regierungspräsidium Tübingen einzugliedern. Wir stärken und bündeln also unsere Ressourcen im gesundheitlichen Verbraucherschutz. So können wir die Herausforderungen der modernen Lebensmittelwirtschaft – seien es globale Handelsströme oder regionale Herkünfte – auch weiterhin gut bewältigen und das hohe Verbraucherschutzniveau im Land gewährleisten. Unsere Lebensmittelüberwachungsbehörden überprüfen risikoorientiert die gesamte Lebensmittelkette vom Feld über den Stall bis auf den Teller. Sie überwachen dort gezielt, wo sie Schwachstellen vermuten, und sie überprüfen die Wirksamkeit der betrieblichen Eigenkontrollen. Die beachtliche Jahresbilanz bei der Überwachung von Lebensmitteln, Trinkwasser, Futtermitteln und Lebensmittelkontaktmaterialien ebenso wie von Bedarfsgegenständen, kosmetischen Mitteln und Tabakerzeugnissen zeigt eindrucksvoll die große Bandbreite an Aufgaben im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Der Jahresbericht der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung trägt zur Transparenz in diesem wichtigen Bereich bei. So informieren wir die Öffentlichkeit einmal im Jahr umfassend über die Aktivitäten der Überwachung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der amtlichen Lebensmittel-, Trinkwasser- und Futtermittelüberwachung in Baden-Württemberg haben auch im vergangenen Jahr hervorragend zum Wohle aller Verbraucherinnen und Verbraucher gearbeitet. Ich möchte mich an dieser Stelle für ihr großes Engagement und ihre hervorragende Arbeit bedanken. Die amtliche Lebensmittelüberwachung ist aktiver Verbraucherschutz mit langer Tradition. Die Landesregierung wird die zuverlässige Arbeit der amtlichen Veterinär- und Lebensmittelkontrolle auf allen Stufen der Lebensmittelherstellung noch weiter stärken und den begonnenen Ausbau weiter fortsetzen. Darüber hinaus ist vorgesehen, die bestehenden überregionalen Kontrollteams und Stabsstellen zu einer effektiven Einheit zusammenzuführen und Ihnen, liebe Verbraucherinnen und Verbraucher, wünsche ich eine interessante und kurzweilige Lektüre des Jahresberichts 2015 „Überwachung von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen, Kosmetika, Trinkwasser und Futtermitteln“. Peter Hauk MdL Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg Stuttgart, im Juli 2016 5 IVorspann I N H A LT S V E R Z E I C H N I S TE I L I VO R S PA N N Sagt das Etikett die Wahrheit? 48 V Futtermittel Sagt das Etikett alles? 48 Themenübersicht89 Inhaltsverzeichnis6 Fremdwasser in Geflügelfleisch? 49 Futtermittelüberwachung Zusammenfassung: Highlights und Sorgenkinder 8 Was ist die LMIV? 51 Übersicht90 Nicht besonders super 52 Schlank und fit mit Pillen? 53 Cross-Compliance-Kontrollen Futtermittelsicherheit91 Auf Spurensuche … 54 Grußwort des Ministers 5 II Betriebskontrollen und Vollzug 90 Wenn es schnell gehen muss: RASFF 91 Radioaktivität54 Untersuchungen auf unerwünschte Stoffe 93 14 Pflanzenschutzmittelrückstände und organische Kontaminanten Höchstgehaltsüberschreitungen von Pflanzenschutzmitteln 94 im Verbraucherschutz 15 Tierarzneimittelrückstände57 Dioxine und PCB 95 Schwerpunkt FORUM Ernährung 17 Gentechnik und Lebensmittel Betriebskontrollen im Rahmen des LFGB 18 Industrie- und umweltbedingte Kontaminanten 59 Futtermittelkontrollen als Hilfe zur Aufklärung von Belastungen in Lebensmitteln 97 Zahlen und Fakten 18 Herstellungsbedingte Kontaminanten 62 Pharmakologisch wirksame Stoffe 97 20 Mykotoxine und Biotoxine 62 Gentechnisch veränderte Futtermittel 99 Schädlinge23 Was ist drin? 68 Radiochemische Untersuchungen 100 Fehlende Sauberkeit 23 Allergene in Lebensmitteln 68 Rätselhafte Todesfälle bei Weiderindern 100 Zusammenarbeit von Behörden 28 2015 – Kein gutes Jahr für Olivenöl-Freunde 69 Zusammenarbeit auch mit den Betrieben 29 Insekten – igitt oder lecker? 70 Internethandel31 Wie kommt Bisphenol F in Senf? 71 Kennzeichnung32 Non-Food – auch ein Thema der Lebensmittelüberwachung 72 Themenübersicht13 Einleitung14 Das LKL-BW – neue Wege bei der Kontrolle im Land 55 AkadVet – Garant für die Qualifikation des Personals Schulungen und Beratungen Verschiedenes33 58 Wo steht was ? I Vorspann 5 II Betriebskontrollen und Vollzug 13 Veränderungen in der Laborlandschaft in Baden-Württemberg – Eine Ära geht zu Ende 101 IIIUntersuchungen 37 Zusammenfassung102 IVTrinkwasser 75 VFuttermittel 89 Glossar Erfreuliches35 Kurioses36 JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TEL-, TRINK WASSER,- FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW Abkürzungsverzeichnis103 IV Trinkwasser Größenvergleich von Konzentrationsangaben 104 Themenübersicht75 Trinkwasserüberwachung76 IIIUntersuchungen Lebensmittel, Kosmetische Mittel, Bedarfsgegenstände und Tabakwaren Themenübersicht37 Untersuchungsergebnisse: 6 Übersicht in Zahlen 38 Achtung: Gesundheitsgefahr! 41 Informationen rund ums Trinkwasser 76 Flüchtlingswelle 2015 – Auswirkungen auf die Trinkwasserüberwachung 77 Umsetzung der umfassenden Untersuchung für dezentrale kleine Wasserwerke 78 Radioaktivität im Trinkwasser 80 Krankmachenden Lebensmittelkeimen auf der Spur 42 Trinkwasseruntersuchung82 Achtung: Gefahr beim Verschlucken 45 Mikrobiologische Untersuchungen 83 Tödliches Gartengemüse 46 Chemische Untersuchungen 86 Gefährliche Haarglätter 47 Strahlend weiße Zähne – nicht ungefährlich 48 Impressum107 7 Zahlen aus der Lebensmittelüberwachung Ziel der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist es, Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken durch Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs und vor Täuschung zu schützen. Die amtliche Überwachung ist die „Kontrolle der Kontrolle“, das heißt, sie überwacht die Wirksamkeit der betrieblichen Eigenkontrollen. Dies erfolgt über risikoorientierte Betriebskontrollen und zielgerichtete Probenahmen mit wechselnden Untersuchungsschwerpunkten. Die Kontrollfrequenzen der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den einzelnen Betrieben leiten sich aus den jeweiligen Risikobeurteilungen ab. Vorbildlich geführte Betriebe, die in der Risikobewertung niedrig eingestuft werden, müssen seltener kontrolliert werden als solche, in denen Mängel festgestellt wurden. Highlights und Sorgenkinder 2015 ◆ ◆ Bis zu 15.000 E 32 % der untersuchten Olivenöle mussten zum Beispiel wegen schlechter Qualität beanstandet werden. betrugen die Geldstrafen, die im Rahmen von Strafverfahren verhängt werden mussten. Aktuell sind in Baden-Württemberg 234.840 Betriebe registriert. Im Jahr 2015 fanden insgesamt 118.678 Kontrollbesuche statt, bei denen 81.864 Betriebe ein- oder mehrmals überprüft wurden. In 23.570 Betrieben, das heißt, bei 28,8 % der kontrollierten Betriebe (Vorjahr: 27,9 %), wurden insgesamt 42.175 Verstöße festgestellt. Zur Ahndung der Verstöße wurden im Jahr 2015 insgesamt 425 Strafverfahren und 2.473 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, die zu 1.710 Bußgeldbescheiden und zu 4.468 Verwarnungen mit oder ohne Verwarngeld führten. 1.021 Betriebe mussten aufgrund der dort herrschenden unhygienischen Umstände zum Schutz der Verbraucher sofort geschlossen werden. Die zielgerichtete Probenahme umfasste insgesamt 48.016 Proben, die chemisch, physikalisch und mikrobiologisch untersucht sowie auf Kennzeichnungsmängel überprüft wurden. Das waren 41.626 Lebensmittel (16,8 % beanstandet), 2.042 kosmetische Mittel (13,4 % beanstandet), 2.302 Bedarfsgegenstände (21,6 % beanstandet), 343 Tabakerzeugnisse (12,0 % beanstandet) und 35 sonstige Produkte (20,0 % beanstandet), die zum Beispiel wegen der möglichen Gesundheitsgefahr durch Verwechselbarkeit mit Lebensmitteln überprüft wurden. Als gesundheitsschädlich beurteilt wurden insgesamt 103 Proben von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln beziehungsweise Bedarfsgegenständen, dies entspricht einem Anteil von 0,21 % aller Proben. Gründe für diese Beurteilung waren bei Lebensmitteln, ähnlich wie in den Vorjahren, hauptsächlich pathogene Keime (z. B. Listeria monocytogenes, Salmonellen, verotoxinbildende Escherichia coli), mikrobiell verursachte toxische Eiweißabbauprodukte (Histamin), scharfkantige Fremdkörper sowie Verunreinigungen mit Säure, Lauge oder Lösungsmitteln. Bei den Kosmetika wurden beispielsweise Anti-Cellulite-Cremes wegen hoher Gehalte an Coffein sowie bei Bedarfsgegenständen Lederbe8 w ◆ 1.668 Weine wurden im Rahmen der amtlichen Überwachung überprüft. 16 Proben von Lederbekleidung wurden wegen erhöhter Chrom-VI-Gehalte als gesundheitsschädlich beurteilt. ◆ ◆ Bis zu 27 µg/kg und damit mehr als das 5-fache der zulässigen Höchstmenge des krebserregenden Schimmelpilzgiftes Aflatoxin B1 wurden in Proben von zerkleinerten Haselnüssen festgestellt. 5 von insgesamt 17 Proben Haarglättungsmittel mussten wegen erhöhter Gehalte an freiem Formaldehyd als nicht sicher für die menschliche Gesundheit beurteilt werden. ZU S A M M E N FA S SU N G JA H R E S B E R I C H T 2015 TEIL I VORSPANN LEBENSMIT TEL-, TRINK WASSER,- FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW kleidung wegen Chrom (VI)-Gehalten als gesundheitsschädlich beurteilt. Außerdem wurden 14.949 Proben im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplanes für Lebensmittel tierischer Herkunft, bei dem unter anderem Fleisch, Milch, Eier und Honig auf Rückstände unerwünschter Stoffe überprüft werden, sowie 1.506 Proben auf Radioaktivität und 5.585 Proben im Rahmen der Trinkwasserüberwachung untersucht. Zahlen aus der Futtermittelüberwachung Die amtliche Futtermittelkontrolle erfolgt − analog der Lebensmittelüberwachung − risikoorientiert. Sie versteht sich als Kontrolle der betrieblichen Eigenkontrolle mit dem Ziel einer hohen Futtermittelsicherheit. Im Jahr 2015 wurden 1.265 Betriebe kontrolliert, in denen Futtermittel hergestellt, gehandelt, eingeführt oder verfüttert wurden; 39 Unternehmen (3,1 %) wurden mit Verfahren belegt. Weiterhin wurden insgesamt 1.041 Futtermittelproben gezogen und vielfältig untersucht, zum Beispiel auf unerwünschte oder verbotene Stoffe, aber auch auf qualitätsbestimmende Inhaltsstoffe oder Zusatzstoffe. Von den untersuchten Proben entsprachen 121 (11,6 %) nicht den Vorschriften. Im Brennpunkt Das LKL-BW – neue Wege bei der Kontrolle im Land Auf Beschluss des Ministerrates wurde 2015 eine landesweit tätige und interdisziplinär zusammengesetzte Kontrolleinheit in Baden-Württemberg gegründet, das Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit (LKL-BW). Bei der Aufklärung und Bewältigung von Krisenfällen, bei schwierigen Kontrollen und komplexen Fragestellungen soll es die Lebensmittelüberwachungsbehörden unterstützen. Auch Kontrolltätigkeiten an den Schnittstellen verschiedener Rechtsbereiche, zum Beispiel Lebensmittel – Futtermittel sollen mithilfe des LKL-BW besser vernetzt werden. Anfang Oktober 2015 hat das Kontrollteam seine Arbeit aufgenommen, es wird im Lauf des Jahres 2016 personell noch weiter aufgestockt. Erste Projekte sind die Überprüfung des Hygienestatus und des Eigenkontrollkonzepts in Großbäckereien sowie die Rückverfolgbarkeit und Zuverlässigkeit der Auslobung von Lebensmitteln regionaler Herkunft aus Baden-Württemberg. Infoveranstaltungen für Verantwortliche von Vereins- und Straßenfesten Auf großes Interesse stießen Infoveranstaltungen, die für Verantwortliche von Vereins- und Straßenfesten organisiert 9 wurden. Pressemeldungen und Medienberichte rund um die seit Ende 2014 geltende Lebensmittelinformationsverordnung hatten viele Gewerbetreibende, besonders aber auch Verantwortliche von Vereins- und Straßenfesten, verunsichert. Die größten Bedenken waren, ob es zukünftig für einen Verein mit überwiegend lebensmittelrechtlichen Laien überhaupt noch möglich sein würde, ein öffentliches Vereinsfest, zum Beispiel einen Basar oder ein Straßenfest, durchzuführen. Die Referenten erklärten, wie die Kennzeichnungsverpflichtungen durch Laien ausreichend, aber nicht zu kompliziert umgesetzt werden können. Selbstverständlich wurden in den Veranstaltungen auch wichtige Informationen zur Lebensmittelhygiene vermittelt. Das gehört nicht in Lebensmittel Fremdkörper in Lebensmitteln stellen ein erhebliches Sicherheitsproblem dar. Sie gelangen entweder durch die Rohwaren oder beim Produktionsprozess in die Lebensmittel. Ein großer Teil der Rückrufe von Lebensmitteln erfolgt wegen enthaltener Fremdkörper; diese sind nicht nur ekelerregend, sondern meist auch geeignet, die Gesundheit der Verbraucher zu schädigen. Die Suche nach der Herkunft eines Fremdkörpers gestaltet sich meist schwierig und erfordert nicht selten detektivischen Spürsinn und technisch aufwendige Nachuntersuchungen. Bei der Lebensmittelüberwachung gehen regelmäßig Verbraucherbeschwerden ein, wenn in Lebensmitteln etwas gefunden wird, was dort mutmaßlich nicht hineingehört. Fremdkörper aus Glas, Metall, Kunststoff oder Holz, aber auch Knochenstücke und Steine, die beim Verzehr aufgrund der Form und Größe zu Verletzungen führen können, wurden von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Lebensmitteln gefunden. Kurios war der Fund einer „Kröte im Spinat“, über den auch in einem kurzen Internetbeitrag berichtet wurde. Tödliches Gartengemüse Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen traten bei einem älteren Ehepaar mutmaßlich infolge des Verzehrs eines Zucchinigerichts auf; eine Person ist sogar verstorben. Bei der Untersuchung der entsprechenden Verdachtsprobe hat das CVUA Stuttgart erhebliche Gehalte an giftigen Cucurbitacinen nachgewiesen, eine Gruppe toxischer Stoffe, die von verschiedenen Kürbisgewächsen natürlicherweise gebildet werden können. Cucurbitacine verursachen einen stark bitteren Geschmack und können Lebensmittelvergiftungen hervorrufen. In seltenen Fällen wurden bereits Vergiftungen mit tödlichem Verlauf beschrieben. Das in der Probe festgestellte Muster an Cucurbitacinen sowie deren Gehalte waren typisch für bittere Zucchini. Das BfR hat daraufhin diesen und weitere in Bayern aufgetretene Fälle bewertet und empfiehlt, einen ungewöhnlich bitteren Geschmack als Warnzeichen zu deuten, dass derartige Zucchini nicht zum Verzehr geeignet sind. 10 TEIL I VORSPANN ZU S A M M E N FA S SU N G Strahlend weiße Zähne – nicht ungefährlich Pyrrolizidinalkaloide in Kräutertee – weiter Handlungsbedarf Keine strahlende Bilanz ergab das Untersuchungsprogramm von Zahnbleichmitteln: Mehr als ein Drittel der Proben waren zu beanstanden. Ein über das Internet erhältliches Produkt, welches mit einer stark wasserstoffperoxidhaltigen Gelschicht belegt war, musste sogar als nicht sicher für die menschliche Gesundheit beurteilt werden. Denn ohne ärztliche Betreuung besteht bei der Anwendung ein erhöhtes gesundheitliches Risiko, besonders bei Verletzungen des Zahnfleisches oder der Mundschleimhäute, aber auch bei ständigem Genuss von Alkohol und Tabak. Wasserstoffperoxid kann das durch Tabakkonsum oder Alkoholmissbrauch erhöhte Risiko, Krebs im Mundraum zu entwickeln, weiter erhöhen. Auf der Verpackung wurden dagegen Raucher und Weintrinker besonders angesprochen beziehungsweise die Anwendung speziell bei dieser Personengruppe empfohlen. Gerade hier sollte doch besondere Vorsicht für die Anwendung gelten. Pyrrolizidinalkaloide in Kräutertees stellen weiterhin ein ernstzunehmendes Problem dar. Dies zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen aus 2015. Alle festgestellten Gehalte liegen zwar weit unter der Schwelle für akute Gesundheitsbeschwerden oder gar Vergiftungen. Allerdings wurde beispielsweise die maximal empfohlene Tageszufuhr für Kinder durch eine Tasse bei 43 % der untersuchten Kräutertees überschritten, darunter unter anderen Kamillen-, Melissen- und Pfefferminztees. Nachdem im Jahr 2013 das Problem bekannt wurde, hat die Lebensmittelwirtschaft bereits große Anstrengungen unternommen, Gehalte dieser natürlichen Pflanzeninhaltsstoffe mit gesundheitsschädigendem Potenzial in Kräutertees zu minimieren. Da jedoch weiterhin Handlungsbedarf besteht, hat die Lebensmittelüberwachung jetzt eine Vorgehensweise abgestimmt und die Lebensmittelwirtschaft darüber informiert. Holpriger Start: Allergenkennzeichnung in Restaurants und Kantinen Das „Super Food“ Moringa – nicht besonders super Kontrollen in Betrieben der Gemeinschaftsverpflegung, wie Restaurants, Kantinen und Imbissen sollten zeigen, ob die neuen Kennzeichnungsregelungen bei offen, das heißt unverpackt abgegebenen Lebensmitteln korrekt umgesetzt worden sind. In einem umfangreichen Untersuchungsprogramm wurden die angebotenen Gerichte beprobt und auf allergene Bestandteile untersucht. Anschließend wurde mit der Allergenkennzeichnung verglichen, die die Kontrolleure im Betrieb angetroffen haben. Die Ergebnisse zeigten, dass häufig noch Verbesserungsbedarf besteht: Bei 40 % der untersuchten Proben war die Allergenkennzeichnung noch nicht oder nicht korrekt vorgenommen worden. Auch über Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung hinaus wurden noch zum Jahresende 2015 Betriebe angetroffen, denen die Verpflichtung zur Kennzeichnung nicht bekannt war, darunter auch Handwerks- und Einzelhandelsbetriebe. Moringa liegt zusammen mit anderem angeblichem „Superfood“ voll im Trend. Die getrockneten, pulverisierten Blätter des Moringabaumes sollen über das morgendliche Müsli gestreut oder als sogenannter „Smoothie“ zubereitet werden. Das Fazit der Untersuchungen von Moringa-Blattpulver-Präparaten war ernüchternd: Salmonellen waren nachweisbar und Pestizid-Höchstgehalte wurden häufig überschritten. Zudem wies die Kennzeichnung der Produkte, zum Beispiel wegen irreführender Angaben, fast durchweg Mängel auf. Schimmelpilzgifte – zerkleinerte Haselnüsse verstärkt betroffen Möglicherweise auf Engpässe auf dem Weltmarkt zurückzuführen sind deutlich erhöhte Belastungen mit Aflatoxinen, vor allem bei zerkleinerten Haselnüssen. Aflatoxine, besonders Aflatoxin B1, gelten als stark krebserregend. Bei Proben von „zerkleinerten“ Haselnüssen (geröstet, gehackt, gemahlen) waren im Jahr 2015 die Belastungshäufigkeit, die mittlere Belastung sowie die Zahl an Höchstmengenüberschreitungen deutlich höher als im Jahr 2014. Bei ganzen Haselnüssen war die Belastung durch Aflatoxine vergleichsweise gering. Die Resultate der Proben von „zerkleinerten“ Haselnussprodukten bestätigen die langjährige Erfahrung, dass diese Produkte häufiger belastet sind als „ganze“ Haselnüsse. Die Daten deuten darauf hin, dass für die Herstellung der zerkleinerten Ware Rohstoffe eingesetzt werden, die qualitativ weniger hochwertig sind als ganze Früchte. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TEL-, TRINK WASSER,- FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW betroffen. Auch hatten Wasserversorger und Hersteller jeweils schnell reagiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Die Untersuchungen werden in sensiblen Einrichtungen weitergeführt. Vorbeugender Verbraucherschutz: Untersuchungen auf Chlorat und Chrom-VI im Trinkwasser Mit ebenfalls umfangreichen Untersuchungen wurden neue Erkenntnisse zu möglicherweise problematischen Stoffen in Trinkwasser gewonnen: Über das Vorkommen von Rückständen an Chlorat hat die baden-württembergische Überwachung 2014 erstmals berichtet. Chlorat kann über chlorhaltige Reinigungs- und Desinfektionsmittel in das Trinkwasser gelangen. Mit der nun vorliegenden toxikologischen Sicherheitsbewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ist eine Bewertung der Befunde möglich. In den meisten Trinkwasserproben liegt der Gehalt an Chlorat unterhalb der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge, allerdings gibt es in Einzelfällen doch deutliche Überschreitungen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es geeignete Minimierungsmöglichkeiten durch den Wasserversorger gibt. Anders ist die Situation bei Chrom-VI, das aufgrund einer toxikologischen Neubewertung als krebserregend eingestuft wurde: Die Untersuchungen zeigten, dass der jetzt durch das Umweltbundesamt vorgeschlagene Leitwert in knapp 30 % der Trinkwasserversorgungsgebiete überschritten wurde. Eine Reduzierung des sehr wahrscheinlich geogen bedingten Vorkommens von Chrom-VI unter den vorgeschlagenen Leitwert ist entweder technisch aufwendig und/oder kaum wirtschaftlich betreibbar. Allerdings weist das Umweltbundesamt zum Verständnis des vorgeschlagenen Leitwertes explizit darauf hin, dass von Bakterien in neuen Wasserzählern ◆ Aus Norddeutschland wurde im Jahr 2014 bekannt, dass Wasserzähler verschiedener Hersteller mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa belastet sein können. Beispielsweise konnte dort ein Kindergarten wegen des Nachweises des Keims nicht planmäßig in Betrieb genommen werden. P. aeruginosa wird immer wieder als Ursache von Infektionen in medizinischen Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern, aber auch in Pflegeheimen, genannt. Kontaminiert wurden die Zähler entweder beim Kalibrieren durch Fachfirmen oder durch falsche Lagerung. Als Konsequenz überprüfte die Trinkwasserüberwachung in BadenWürttemberg sensible Einrichtungen wie Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen. Erfreulicherweise waren nur wenige Trinkwasserinstallationen von einer Verkeimung ◆ 11 LEBENSMIT TEL-, TRINK WASSER,- FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW aufgeregte Botschaft: „Sie kommet doch net heut oder morga? Bei uns isch nämlich grad der Boiler verreckt ond mir hend koi Zeit für da Kundadienscht. Sie kommet doch bestimmt net glei, oder?“ Teil II Betriebskontrollen und Vollzug JA H R E S B E R I C H T 2015 wissenschaftlicher Seite derzeit kein „wahres" Risiko und daher auch kein „wahrer" Grenzwert für Chrom-VI ermittelt werden kann. Die Untersuchungen werden im Jahr 2016 fortgesetzt, um ein möglichst vollständiges Bild über die Belastungssituation des Trinkwassers in Baden-Württemberg durch Chrom-VI zu erhalten. TEIL I VORSPANN Kirchenasyl? Veränderungen in der Laborlandschaft in Baden-Württemberg – Eine Ära geht zu Ende Die Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie der Universität Hohenheim (LA Chemie) hat viele Jahrzehnte Aufgaben der amtlichen Futtermitteluntersuchung wahrgenommen. Die Uni Hohenheim hat jetzt beschlossen, ihre Analytik neu auszurichten und zu bündeln. Dabei spielt die LA Chemie eine maßgebliche Rolle. Bestehende Aufgaben im Bereich der amtlichen Futtermitteluntersuchung kann die LA Chemie nach der Neuausrichtung daher nicht mehr wahrnehmen. Die Landesaufgaben hat mit Beginn des Jahres 2016 das LTZ Augustenberg übernommen. Die damit verbundene weitgehende Konzentration der Futtermitteluntersuchungen an einer Stelle soll zu einer verbesserten Koordinierung und auch wirtschaftlicheren Probenbearbeitung beitragen. Die Regierungspräsidien und das MLR bedanken sich für die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit der LA Chemie. Als Brücke zwischen Wissenschaft, Verwaltung und landwirtschaftlicher Praxis stand sie dem Land als wertvoller Berater sowohl bei analytischen als auch bei wissenschaftlichen Fragen, in nationalen und internationalen Gremien und bei der Beurteilung von Gesetzesvorhaben zur Verfügung. Immer wieder war sie auch gefragt bei der Aufklärung von Schadensfällen. Betriebskontrollen und Vollzug der Lebensmittelüberwachung ◆ Anfang August wurde eine Kontrolle beim Kirchenfest in einer Kreisgemeinde durchgeführt. Bei seiner Ankunft, so berichtete der Lebensmittelkontrolleur humorvoll, flüchteten alle an der Ausgabe von Lebensmitteln beteiligten Personen in die Kirche. Der Lebensmittelkontrolleur musste geraume Zeit warten. Die Flucht war insofern begründet, als er keine Handwaschgelegenheit vorfand. Das einzige, was zur Verfügung stand, war Weihwasser. Dem Mangel wurde umgehend abgeholfen und so konnte die Feier beginnen. „Meisterbäcker?“ Kurioses und Unappetitliches Kontrolle abbestellt Die Lebensmittelkontrolle hat einen Lebensmittelbetrieb „wegen extremer Sparsamkeit“ in der Risikoanalyse „hoch“ eingestuft. Dieser musste deshalb bis auf Weiteres vierteljährlich mit Kontrollen rechnen. Hauptursache waren Hygienemängel im Betrieb und defekte Geräte. So war die einzige, uralte Spülmaschine seit Monaten praktisch funktionsunfähig, der Boiler zur Warmwasserbereitung für die Personaltoiletten ging in regelmäßigen Abständen kaputt, ebenso der Ablauf des Kondenswassers im Kühlraum – meist ausgerechnet kurz vor einer Kontrolle. Im Februar 2015 war dem Betreiber klar, dass die nächste Kontrolle unmittelbar bevorstehen müsste. Deshalb wurde mehrfach versucht, den zuständigen Lebensmittelkontrolleur auf seinem Privathandy zu kontaktieren und auch im Dienst zu erreichen. Als dies endlich gelungen war, erreichte ihn die 12 Fast ein Jahr lang führte ein Bäcker einen Betrieb mit 2 Filialen. Er war weder im Besitz eines Gesellenbriefes noch hatte er die Meisterprüfung abgelegt. Am Schaufenster prangte unter seinem Namen jedoch das Wort „Meisterbäckerei“. Mehrere Kontrollen förderten in allen Betriebsteilen heillose Unordnung, gravierende Hygienemängel und verdorbene Lebensmittel zutage. Im Backbetrieb, der illegal in einem normalen Wohnhaus eingerichtet worden war, herrschten inakzeptable bauliche Mängel und ebenfalls gravierende Hygienemängel vor. Bei der Untersuchung von Laugenbrezeln, die direkt auf defekten Aluminiumblechen gebacken worden waren, wurden laut Gutachten so hohe Aluminiumgehalte festgestellt, dass ein Kind die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge an Aluminium beim Verzehr von nur einer Brezel ausgeschöpft hätte. Die Behörde hat den Betrieb geschlossen und ein Strafverfahren eingeleitet. Allerdings sind der „Meisterbäcker“ und sein Sohn mittlerweile unbekannt verzogen. 13 Themenübersicht Einleitung Das LKL-BW – neue Wege bei der Kontrolle im Land AkadVet – Garant für die Qualifikation des Personals im Verbraucherschutz Schwerpunkt FORUM Ernährung 13 14 14 15 17 Betriebskontrollen im Rahmen des LFGB 18 Zahlen und Fakten Schulungen und Beratungen Schädlinge Fehlende Sauberkeit Zusammenarbeit von Behörden Zusammenarbeit auch mit den Betrieben Internethandel Kennzeichnung Verschiedenes Erfreuliches Kurioses 18 20 23 23 28 29 31 32 33 35 36 Hans-Ulrich Waiblinger, CVUA Freiburg 13 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Betriebskontrollen und Vollzug der Lebensmittelüberwachung Einleitung Häufig war das Kontrollpersonal der Lebensmittelüberwachungsbehörden auch im Berichtsjahr zu ungewöhnlichen Tageszeiten unterwegs, um Betriebe zu überprüfen, n bei denen die Produktion bereits nachts beginnt, wie in Bäckereien oder Metzgereien, n die erst spät abends öffnen, wie Diskotheken oder Nachtlokale oder n die nur sonn- und feiertags ihre Waren anbieten, wie bestimmte Gaststätten oder Weihnachtsmärkte, ebenso Vereins- und Straßenfeste. Die Veterinärämter der Stadt- und Landkreise – je nach Behörde auch Veterinär- und Verbraucherschutzamt oder Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung genannt – überwachen, ob die Betriebe in BadenWürttemberg die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen einhalten. Die Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure führen selbstständig, teilweise mit Unterstützung der Amtstierärztinnen und -ärzte regelmäßige Kontrollen durch und entnehmen Proben. Sie treffen die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, um die Sicherheit der Lebensmittel zu gewährleisten, Verstöße zu beseitigen, ihnen vorzubeugen und Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefahren zu schützen. Deren Schutz vor gesundheitlichen Gefahren hat höchste Priorität. Daneben ist auch die Verhinderung von Irreführung und Täuschung sehr wichtig. Bei Bedarf sind Sachverständige der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter und häufig auch Personal der Kreisgesundheitsämter an den Betriebskontrollen beteiligt. Die Behörden planen die Betriebskontrollen und Probenahmen auf Basis risikoorientierter Überwachungsstrategien, welche die betriebsspezifischen und die produktspezifischen Besonderheiten berücksichtigen. Daher nimmt die Lebensmittelüberwachung häufigere Routinekontrollen vor und erhebt Planproben insbesondere dort, wo betriebsbedingte Risiken bestehen und empfindliche Produkte hergestellt und angeboten werden. Wenn einzelne Betriebe bei Kontrollen mit erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen auffallen, erhalten diese Betriebe individuell eine höhere Risikoeinstufung und werden nachfolgend häufiger als bislang kontrolliert. Die Überwachungstätigkeiten folgen den Vorgaben des landesweiten Qualitätsmanagementsystems. Dabei hat jede Behörde ihr eigenes QM-Team, das noch zusätzlich individuelle, auf das jeweilige Amt zugeschnittene Vorgaben erstellt. Verschiedenste Verfahrens- und Arbeitsanweisungen sorgen für eine einheitliche Durchführung und Dokumentation und gewährleisten eine jederzeit nachvollziehbare und transparente Überwachung. Vom Lebensmittel liefernden Tier im Stall oder der Pflanze auf dem Feld über die Produktion bis zum verzehrfertigen Produkt auf dem Teller der Verbraucher unterliegt die gesamte Lebensmittelkette der Überwachung. Die Lebensmittelkontrolle überprüft alle Lebensmittelunternehmen risikoorientiert vom Produzenten über Transporteure und Zwischenhändler bis zum Vertreiber. Kontrolliert werden zum Beispiel Landwirte, Metzgereien, Molkereien, Spediteure, Lebensmittelkonzerne, Gaststätten, Großküchen, wie Kantinen oder Krankenhäuser und weitere Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung, wie Altenheime, Kindertagesstätten oder „Tagespflegeeinrichtungen in anderen geeigneten Räumen“ sowie Anbieter auf Wochenmärkten, Volks- und Straßenfesten. Die Lebensmittelkontrolle überwacht auch Betriebe, die kosmetische Mittel, Bedarfsgegenstände oder Tabakerzeugnisse in den Verkehr bringen. Die Aus- und Fortbildung des Kontrollpersonals findet in Baden-Württemberg zentral in der Landesakademie für Veterinärund Lebensmittelwesen (AkadVet) in Stuttgart statt. Ergänzt wird das Fortbildungsprogramm der AkadVet beispielsweise durch Fachvorträge bei Dienstbesprechungen oder bei der ämterübergreifenden Fortbildung der CVUAs. Manche Lebensmittelunternehmer sind deutschland-, europa- oder weltweit tätig. Auch die Lebensmittelkrisen der letzten Jahre hatten immer eine überregionale Dimension. Dies stellt eine ganz besondere Herausforderung dar für eine Behörde, deren Zuständigkeit an der Kreisgrenze endet. Deshalb hat der Ministerrat am 20. Februar 2015 beschlossen, eine landesweit tätige und interdisziplinär zusammengesetzte Kontrolleinheit in Baden-Württemberg zu gründen. Das Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit (LKL-BW) wurde damit ins Leben gerufen. Das LKL-BW – neue Wege bei der Kontrolle im Land Das LKL-BW mit Sitz am Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) in Stuttgart hat zum 1. Oktober 2015 seine Arbeit aufgenommen. Das Team unter der Leitung von Dr. Wolfram Martens besteht derzeit neben dem Sekretariat aus einer Chemikerin, einem Lebensmittelchemiker, einer Lebensmitteltechnologin, einer Agrarbiologin, einer Juristin und zwei Lebensmittelkontrolleuren. Es wird im Lauf des Jahres 2016 personell noch weiter aufgestockt. Die Hauptaufgabengebiete sind: n Unterstützung bei der Aufklärung und Bewältigung von Krisen- und größeren Fällen von Irreführungen bei Lebensmitteln und Futtermitteln, auch in der Rolle einer schnellen Eingreiftruppe n Unterstützung der zuständigen Behörden mit einem interdisziplinären Expertenteam, insbesondere bei schwierigeren Kontrollen und komplexeren Fragestellungen n Vernetzung der Kontrolltätigkeiten, vor allem an den Schnittstellen verschiedener Rechtsbereiche, zum Beispiel Lebensmittel – Futtermittel n Durchführung besonderer Kontrollen zusammen mit der zuständigen Behörde, zum Beispiel bei schwerwiegenden Vorkommnissen im Zusammenhang mit Lebensmitteln n Zusammen mit der zuständigen Behörde vertiefte Überprüfungen großer, überregional tätiger Betriebe und komplexer Systeme Das LKL-BW bearbeitet inzwischen die beiden Einstiegsprojekte „Überprüfung des Hygienestatus und des Eigenkontrollkonzepts in Großbäckereien“ sowie „Rückverfolgbarkeit und Zuverlässigkeit der Auslobung von Lebensmitteln regionaler Herkunft aus Baden-Württemberg“. Prof. Dr. Wolfram Martens, LKL-BW 14 EINLEITUNG A K A DV E T JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW AkadVet Garant für die Qualifikation des Personals im Verbraucherschutz Im Berichtsjahr schlossen an der AkadVet 15 Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure, 18 amtliche Fachassistentinnen und Fachassistenten und 40 Amtstierärztinnen und Amtstierärzte ihre Aus- beziehungsweise Weiterbildung ab. Premiere hatte der erste theoretische Ausbildungslehrgang für das in Baden-Württemberg neue Berufsbild des Veterinärhygienekontrolleurs. Außerdem profitierten mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von dem Fortbildungsangebot der AkadVet. Informationen über Aufgaben und aktuelle Kurse an der AkadVet stehen auf deren Internetseite: www.akadvet.baden-wuerttemberg.de. Lebensmittelkontrolleure (LMK) Im Februar 2015 gab es den Startschuss für einen neuen zweijährigen LMK-Ausbildungslehrgang mit 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der AkadVet. Ende 2015 konnte darüber hinaus der Jahrgang 2014/15 mit 13 erfolgreichen hiesigen und 2 auswärtigen Absolventinnen und Absolventen verabschiedet werden. Die frischgebackenen Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure erhielten am 11. Dezember im Rahmen einer feierlichen Verabschiedung mit Fortbildungsteil ihre Urkunden von Minister Alexander Bonde. Die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen des LMK-Lehrgangs 2014/2015 15 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Amtstierärzte (ATA) Mit 42 Veterinärinnen und Veterinären, davon 6 externen aus Rheinland-Pfalz und Hessen sowie aus den Reihen der Bundeswehr, begann bereits Mitte Januar 2015 ein neuer Lehrgang für den tierärztlichen Staatsdienst. Die Weiterbildung von Tierärzten zu ATA hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition: Es war der 35. Lehrgang seit der Gründung Baden-Württembergs im Jahr 1952, wobei die beiden ersten Lehrgänge 1953 und 1954 noch in den Landesteilen getrennt nach „badischem“ und „württembergischem“ Recht durchgeführt wurden. An der AkadVet fand Urkundenübergabe von Abteilungsleiter Jürgen Maier an die 3 lehrgangsder „Staatskurs“ 2015 bereits zum fünften besten Teilnehmerinnen des Lehrgangs für den tierärztlichen Staatsdienst Mal statt. Am 30. Oktober war es dann so 2015 – von rechts nach links: Kerstin Rutenbeck, Jürgen Maier, Dr. Ulrike weit: 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Fischer, Dr. Katharina Englert konnten den ATA-Lehrgang erfolgreich abschließen und erhielten von Jürgen Maier, Leiter der Abteilung 3 – Verbraucherschutz und Ernährung – des MLR, ihre Zeugnisse. Zurück in den Heimatämtern gilt es nun, die neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in die Praxis umzusetzen. Amtliche Fachassistenten (aFA) und Veterinärhygienekontrolleure (VetHK) Schon im Juni begann die Theorieausbildung für die amtlichen Fachassistentinnen und -assistenten, die früher als Fleischkontrolleure bezeichnet wurden. Zeitgleich startete – ein Novum in der baden-württembergischen Landesverwaltung – die Ausbildung von Veterinärhygienekontrolleurinnen und -kontrolleuren. Diese neue Berufsgruppe soll die Amtstierärzte bei ihren täglichen Routineaufgaben in den Veterinärämtern unterstützen und entlasten. Da thematisch verwandt, begannen 4 baden-württembergische und 4 externe VetHK-Azubis gemeinsam mit dem aFA-Seminar I. Das Seminar II wird dann für die beiden Berufsgruppen getrennt durchgeführt. Die aFA schlossen die Theorie mit diesem Seminar noch im Jahr 2015 ab. Die VetHK werden nach einer praktischen Ausbildung in den Veterinärämtern erst 2016 mit dem Seminar II ihre theoretischen Kenntnisse weiter vertiefen. Fortbildungen Auch im Jahr 2015 bot die AkadVet ein umfangreiches und vielfältiges Fortbildungsprogramm für die unterschiedlichen Berufsgruppen des Kontrollpersonals im Veterinärwesen und der Lebensmittelüberwachung an. Insgesamt besuchten 1.363 Teilnehmer 32 verschiedene Fortbildungen an 51 Terminen. Neben dem Fachwissen braucht das Kontrollpersonal zunehmend weitere Kompetenzen, die nicht unbedingt Teil der Berufsausbildung sind. Die AkadVet hat deshalb im Berichtsjahr zusätzlich wichtige Themen wie Konfliktmanagement, Deeskalation oder Ethik in den Stundenplan mit aufgenommen. Dieses Pensum kann die Geschäftsstelle der AkadVet mit ihren derzeit 3,3 Personalstellen nicht alleine bewältigen. Sie wird in ihren Aufgaben von einer Vielzahl von Dozentinnen und Dozenten sowie Prüferinnen und Prüfern unterstützt. Außerdem werden in verschiedenen Gremien von Fachleuten aus allen Ebenen der Verwaltung die Inhalte der Aus-, Fort- und Weiterbildungen erarbeitet, festgelegt und ständig an die Bedürfnisse aus der Kontrollpraxis angepasst. Diesen Kolleginnen und Kollegen, die die Lehrgänge und Fortbildungen an der AkadVet durch ihren Einsatz erst ermöglichen, gilt unser herzlicher und spezieller Dank. Sie gewährleisten durch ihr Engagement eine hochwertige Qualifikation des Kontrollpersonals und stärken somit dauerhaft die Qualität im Verbraucherschutz und Veterinärwesen in Baden-Württemberg. A K A DV E T Besonders erfreulich ist es, wenn die Überwachung von Betrieben zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit der Behörden mit den Unternehmen führt, mit der zum Teil wesentliche Verbesserungen der Lebensmittelhygiene erreicht werden können. Von dieser Entwicklung profitieren alle. Die Lebensmittelunternehmer, weil ihr Renommee und die Qualität der Produkte gesteigert werden. die Verbraucher, weil sie mehr sichere, appetitliche Lebensmittel kaufen können und nicht zuletzt auch die Kontrolleure, die gute Betriebe seltener überprüfen müssen, weil diese in der Risikoeinstufung sinken. Auch solche neudeutsch „Best practice“ genannten Beispiele beschreibt dieser Bericht. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Ein kleinerer Teil der Aufgaben hat beratenden Charakter – beispielsweise im Bereich der Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung. Schwerpunkt FORUM Ernährung FORUM Ernährung – 10 Jahre beim Veterinäramt und Verbraucherschutz – Ein Rückblick Im Rhein-Neckar-Kreis arbeiten das dem Veterinäramt angegliederte FORUM Ernährung für Kindertagesstätten (Kitas) und Tagespflegepersonen, die die Tagespflege in anderen geeigneten Räumen anbieten, und das Jugendamt eng zusammen. Regelmäßig führt das FORUM Ernährung für diese Zielgruppe Schulungen zur Lebensmittelhygiene durch. Was hat die Ernährungsbildung mit dem Veterinäramt oder der Lebensmittelüberwachung zu tun? Diese Frage, die sich unsere Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Veranstaltungen oft stellen, stellte sich uns vor der Verwaltungsreform auch. Wo sind die Schnittstellen? Wo ergeben sich Ansätze zur Zusammenarbeit? Nach anfänglichem „Beschnuppern“ zeigte sich recht schnell, dass die Themen Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelproduktion und Lebensmittelhygiene eine Verbindung darstellen, die auch für unsere Klientel – pädagogische Fachkräfte und hauswirtschaftliche Kräfte – gewinnbringend sein kann. Sind wir doch mit den Informationen zu rechtlichen Vorgaben und aktuellen Änderungen immer am Ball und können diese zum Beispiel direkt über unser Fachberaternetzwerk der Kitas den Einrichtungen beziehungsweise Trägern oder Küchenkräften zukommen lassen. Durch den persönlichen Kontakt der Kolleginnen und Kollegen der Lebensmittelüberwachung bei Kontrollen der Kita-Küchen ergibt sich zudem die Möglichkeit, im Gespräch auf unsere ernährungsbildenden Angebote der Landesinitiative BeKi – bewusste Kinderernährung aufmerksam zu machen und dadurch unterstützend und nicht nur kontrollierend zu wirken. So können hilfreiche Informationen für den Kita-Alltag direkt weitergetragen, die Wahrnehmung gesteigert und die Angebote genutzt werden. Auch bei Verpflegungsfragen allgemein, der Schulverpflegung, des Lernortes Bauernhof, der Tagespflegepersonen und anderen gilt: In allen Bereichen sind Fragen der Hygiene im Umgang mit Lebensmitteln relevant. Durch das FORUM Ernährung kann die Lebensmittelkontrolle wichtige Informationen direkt an die Multiplikatoren weitergeben. Das Veterinäramt unterstreicht mit seiner Beteiligung die Fachlichkeit und macht die Verbindung auch nach außen deutlich, was letztlich auch einen Imagegewinn und eine positive Außendarstellung mit sich bringt. So hat sich die Verbindung über die Jahre bestätigt; man könnte es auch als klassische Win-win-Situation bezeichnen. Auch bei der BeKi-Zertifizierung hat sich die Einbindung des FORUM Ernährung ins Veterinäramt bewährt, da auf kurzem Weg die Registrierung der Einrichtung als Lebensmittelunternehmen überprüft beziehungsweise in die Wege geleitet werden kann. Dr. Manuela Franz, AkadVet 16 17 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Z A H L E N U N D FA K T E N JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Art der Verstöße 2% 20 % 29 % Die Kontrollfrequenz der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den einzelnen Betrieben leitet sich von der jeweiligen Risikobeurteilung ab. Aktuell sind in Baden-Württemberg 234.840 Betriebe (Vorjahr: 232.805) registriert, 65.165 davon (Vorjahr: 65.076) sind landwirtschaftliche Betriebe. Im Jahr 2015 fanden insgesamt 118.678 Kontrollbesuche (Vorjahr: 111.933) statt, bei denen 81.864 Betriebe (Vorjahr: 77.689) ein- oder mehrmals überprüft wurden. In 23.570 Betrieben (Vorjahr: 21.685), das heißt bei 28,8 % der kontrollierten Betriebe (Vorjahr: 27,9 %), wurden insgesamt 42.175 Verstöße (Vorjahr: 35.910) festgestellt. In den Grafiken ist die Entwicklung der Betriebskontrollen in den letzten 6 Jahren dargestellt. Betriebskontrollen im Rahmen des LFGB Anzahl der Betriebskontrollen (gemäß § 2 Nr. 1.1 AVV-DÜb) Betriebe Hersteller Großhändler Einzel- Dienst- und und händler leistungs- Abpacker Transporteure betriebe handwerkliche insgesamt Hersteller und Direktvermarkter 3.438 3.990 52.18793.435 2.627 1.625 1.352 23.897 Kontrollbesuche 3.748 5.030 2.401 36.11561.267 271 Hygiene allgemein Zusammensetzung (nicht mikrobiologisch) Kennzeichnung und Aufmachung andere Verstöße 472 212 226.763 232.374 232.857 230.902 232.805 234.840 150.000 kontrollierten Betriebe Betriebe mit Verstößen 65.165 Hygiene (HACCP, Ausbildung) 250.000 200.000 landwirt- schaftliche Erzeuger 49 % Betriebskontrollen – Übersicht 1 (2010-2015) Zahlen und Fakten Zahl der 1% 5.711 46.161 16.625 6.202 14.761 10.117 2.143 100.000 234.840 81.864 118.678 23.570 50.000 n Z ahl der registrierten Betriebe 46.244 52.163 50.274 52.629 56.004 58.294 19.852 18.135 19.961 21.685 23.570 2011 2013 2014 davon: 0 15.725 n ohne Verstöße 2010 n mit Verstößen 2012 2015 Art der festgestellten Verstöße bei Betriebskontrollen (gemäß § 2 Nr. 1.1 AVV-DÜb) landwirt- schaftliche Erzeuger Hersteller Großhändler Einzel- Dienst- und und händler leistungs- Abpacker Transporteure betriebe (Urproduktion) handwerkliche insgesamt Hersteller und Direktvermarkter Betriebskontrollen – Übersicht 2 (2010-2015) 120.000 5.386 881 8.475 80.000 230 415 167 4.738 13.019 1.982 20.551 60.000 3 23 7 44 180 31 288 Zusammensetzung (nicht mikrobiologisch) 40.000 n Zahl der kontrollierten Betriebe Kennzeichnung und 18 Aufmachung 55 Andere Verstöße 13 131 29 40 16 2.7358.173 191 427 961 90 12.095 766 n Zahl der Kontrollbesuche n Zahl der Verstöße 20.000 81.864 118.678 42.175 1.872 77.689 111.933 35.910 73 72.590 100.521 37.884 209 68.409 98.440 30.098 Hygiene allgemein 54 72.015 107.676 32.706 (HACCP, Ausbildung) 94.037 26.199 100.000 Hygiene 61.969 Zahl der Verstöße gegen 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 19 Bei Kontrollen werden Beanstandungen häufig durch den Betreiber sofort oder nach mündlicher Anordnung abgestellt. Wenn dies nicht der Fall ist, sorgen die verantwortlichen Lebensmittelüberwachungsbehörden mit ihren verwaltungsrechtlichen Mitteln in Form von schriftlichen, kostenpflichtigen Anordnungen oder anderen Maßnahmen – im Berichtsjahr in 32.142 (Vorjahr: 28.422) Fällen – dafür, dass rechtskonforme Zustände wieder hergestellt werden. In 4.468 Fällen wurden Verwarnungen mit oder ohne Verwarngeld (Vorjahr: 4.392) ausgesprochen. Zahl und Ausgang der Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren – soweit bei den unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden bekannt und im Berichtsjahr abgeschlossen – ergaben sich aus den oben genannten Tätigkeiten im Jahr 2015 insgesamt wie folgt: 2.473 Ordnungswidrigkeitsverfahren (Vorjahr: 2.411) wurden eingeleitet, die zu 1.710 Bußgeldbescheiden (Vorjahr: 1.550) mit Bußgeldern bis zu 7.000 Euro (Vorjahr: 5.000 Euro) führten. Bei Verdacht des Vorliegens einer Straftat wird der Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet. In 425 Fällen wurden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet (Vorjahr: 426), 87 Verfahren (Vorjahr: 93) wurden im Berichtsjahr abgeschlossen mit Geldstrafen bis zu 15.000 Euro (Vorjahr: 9.000 Euro). 1.021 (Vorjahr: 1.027) Betriebe mussten aufgrund der dort herrschenden unhygienischen Umstände zum Schutz der Verbraucher sofort geschlossen werden. Die nachfolgenden Fallbeispiele geben einen Einblick in die breite Palette der Tagesarbeit der baden-württembergischen Lebensmittel- und Fleischhygieneüberwachung. Einige Themen dieses Kapitels werden zusätzlich in Kapitel III behandelt; dort wird aus der Perspektive der Untersuchungseinrichtungen berichtet. Im vorliegenden Kapitel werden die Fälle aus dem Blickwinkel der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden dargestellt, überwiegend vom Entstehen bis zu ihrem Abschluss mit der jeweiligen Sanktionierung. Daran wird deutlich, dass die Lebensmittelkontrolle auf 2 Säulen basiert: der Kontrolle vor Ort mit Betriebsbesuchen und Probenahme und der Probenuntersuchung. Beide Säulen stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind durch die Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Lebensmittelüberwachungsbehörden vor Ort und in den Untersuchungsämtern eng miteinander verbunden. Bei den im Folgenden dargestellten Beispielen handelt es sich um besonders interessante oder anschauliche, teilweise aber auch kuriose oder sehr drastische Einzelfälle aus dem Überwachungsalltag sowie um Themen, die im vergangenen Jahr die eine oder andere Behörde des Landes besonders beschäftigten. Sie sind daher nicht repräsentativ für die jeweilige Branche und erlauben keine Rückschlüsse auf die Lebensmittelunternehmen in Baden-Württemberg insgesamt. 20 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Schulungen und Beratungen Kita und Co. Die Zahl an Kindertages- und Kindertagespflegeeinrichtungen und damit einhergehend deren lebensmittelhygienische Überwachung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Während die Kindertagesstätten (einschließlich der Kindergärten) schon seit einigen Jahren zum Zielpublikum der Fortbildungen über Lebensmittelhygiene gehören, kamen die Tagespflegepersonen neu dazu. Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis hat daher im Jahr 2015 die seit 2012 für Tageseltern angebotenen Schulungen zum Erwerb der Fachkenntnisse nach § 4 LMHV durchgeführt. Dieses Angebot richtete sich an Tageseltern, die die Betreuung in anderen geeigneten Räumen anbieten – und nicht an diejenigen, die dies in ihren privaten Räumen tun. Die Lebensmittelkontrolle arbeitet dazu eng mit dem Jugendamt zusammen, um die Zielgruppe zu erreichen. Bisher waren die Tagespflegeeinrichtungen nicht registrierpflichtig. Für diejenigen, die die Tagespflege in den eigenen privaten Räumen anbieten, ist dies nach wie vor nicht erforderlich. Dagegen müssen sich inzwischen die Tagespflegepersonen in anderen geeigneten Räumen bei der Lebensmitteüberwachungsbehörde registrieren. Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von den registrierten Kindertagesstätten; lediglich die Zahl der betreuten Kinder dürfte in den meisten Fällen bei der Tagespflege deutlich kleiner sein. Probleme bestehen bei dieser Zielgruppe darin, dass sich die Tagespflegepersonen an ihren Status als Lebensmittelunternehmer erst gewöhnen müssen. Entsprechend viele Unsicherheiten und zum Teil auch Vorbehalte waren noch vorhanden. Dabei ging und geht es nicht so sehr um bauliche Belange – diese werden meistens verstanden –, sondern um die Abläufe im Alltag. Vor allem die Abgrenzung zu den Eltern und deren Vorstellungen fällt dabei oft schwer. Dies ist verständlich, da die Tagespflege in den privaten Räumen der Tageseltern bis vor Kurzem nicht der Lebensmittelkontrolle unterlag. Es handelt sich damit um eine neue Situation für die Tageseltern, nun plötzlich ebenfalls als Lebensmittelunternehmer behandelt zu werden. Entsprechend war bei den Schulungsveranstaltungen zumindest anfänglich etwas Unmut zu spüren. Dieser legte sich jedoch im Laufe der Veranstaltungen, nachdem die Teilnehmer merkten, dass sie nicht mit theoretischem Wissen überhäuft wurden. Stattdessen konnten sie selbst an der Veranstaltung mitwirken und erhielten konkrete Informationen und Handlungsempfehlungen, die ihnen im Alltagsleben mit den ihnen anvertrauten Kindern von Nutzen sein werden. Empfehlungen zum richtigen und sicheren Erhitzen und Abkühlen von Speisen waren dabei ebenso vorhanden wie Tipps zur Reinigung und gegebenenfalls erforderlichen Desinfektion. Z A H L E N U N D FA K T E N S C H U LU N G E N U N D B E R AT U N G E N Bereits im Jahr 2014 war die Lebensmittelüberwachung im Rems-Murr-Kreis von den im Kreis ansässigen Tageselternvereinen kontaktiert worden. Hintergrund war der Umgang mit der Leitlinie für eine gute Lebensmittelhygienepraxis in der Kindertagespflege des Bundesverbands für Kindertagespflege e.V. Die 5 Tageselternvereine im Rems-MurrKreis vertreten rund 500 Tagespflegepersonen. Sie haben 2014 und 2015 insgesamt 9 Informationsveranstaltungen organisiert, an denen Vertreter der Lebensmittelüberwachung unter anderem den Inhalt der Leitlinie für eine gute Lebensmittelhygienepraxis praxisnah vermittelt haben. An einer der ersten Veranstaltungen haben Vertreter des Fachdienstes Kindertagesbetreuung des Jugendamtes teilgenommen und sich informiert. Die Informationsveranstaltungen zielten auf Tagespflegepersonen ab, die Kinder im eigenen Haushalt betreuen. Schnell wurde klar, dass insbesondere auch Beratungsbedarf bei Tiger-Einrichtungen (Tagespflege in anderen geeigneten Räumen) besteht. Hierzu steht ein Lebensmittelkontrolleur für den gesamten Rems-Murr-Kreis zur Verfügung, der bezirksübergreifend auch vor Ort berät. So können lebensmittelhygienische Fragen schon vor der Einrichtung der Tiger geklärt werden. Auch andere Vor-Ort-Behörden haben Schulungen und Beratungen für Betreiber von Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung, aber auch andere, wie Vereins- und Straßenfeste, als wichtiges Element des vorbeugenden Verbraucherschutzes durchgeführt. Informationsangebote der Lebensmittelüberwachung Tübingen Eine zentrale Aufgabe der Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes Tübingen ist, Verstöße gegen das Lebensmittelrecht aufzudecken und eine rasche Mängelbeseitigung zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher zu veranlassen. Hilfreich ist darüber hinaus allerdings auch, bereits im Vorfeld zu informieren und zu beraten, sodass die verantwortlichen Lebensmittelunternehmer ihren Sorgfaltspflichten genügen können und Mängel gar nicht erst entstehen. Zum Beispiel sehen sich Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie Eltern plötzlich in die neue Rolle von Lebensmittelunternehmern versetzt, da in den Einrichtungen nun auch eine Gemeinschaftsverpflegung für die Kinder angeboten wird. Auch Ehrenamtliche, die auf Vereinsfesten mitwirken, haben häufig einen Informationsbedarf bezüglich der lebensmittelrechtlichen Anforderungen, die von Ihnen einzuhalten sind. Für alle Personen, die nicht hauptberuflich den Umgang mit Lebensmitteln erlernt haben, sind Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Bereich daher wichtig. So hat die Tübinger Lebensmittelüberwachung im Jahr 2015 in Kindergärten und auf Vereinsfesten verschiedene Vorträge zur Lebensmittelhygiene gehalten, in denen über die wich- JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW tigsten gesetzlichen Vorschriften aufgeklärt wurde. Dabei stellten die Referenten auch gute und schlechte Beispiele aus der Praxis vor. Anschließend diskutierten sie mit der Zuhörerschaft Einzelfragen und zeigten Lösungen für individuelle Probleme auf. Das Landratsamt Tübingen (www.kreis-tuebingen.de) hat ebenso wie die anderen unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden der Stadt- und Landkreise auf der eigenen Internetseite Merkblätter und Leitfäden zu verschiedenen Themenbereichen rund um lebensmittelrechtliche Anforderungen eingestellt, die dort auch heruntergeladen werden können. Infoveranstaltungen für Verantwortliche von Vereins- und Straßenfesten Seit Dezember 2014 gelten die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1169/2011). Die vielen Pressemeldungen und Medienberichte haben Gewerbetreibende, insbesondere Verantwortliche von Vereins- und Straßenfesten, verunsichert. Die größten Bedenken waren, ob es zukünftig für einen Verein mit überwiegend lebensmittelrechtlichen Laien überhaupt noch möglich sein würde, ein öffentliches Vereinsfest, zum Beispiel einen Basar oder ein Straßenfest, durchzuführen. Die Betroffenen traten mit diesen Bedenken an die Lebensmittelüberwachung heran. Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis hat im späten Frühjahr 2015 eine Informationsveranstaltung für Verantwortliche von Vereins- und Straßenfesten in Backnang organisiert. Die Teilnehmenden wurden über sämtliche Belange des Lebensmittelhygienerechts informiert, wobei das Hauptaugenmerk auf der neu in Kraft getretenen Lebensmittelinformationsverordnung lag. Die Referenten erklärten, wie die Kennzeichnungspflicht durch Laien ausreichend, aber nicht zu kompliziert umgesetzt werden kann. Diese Veranstaltung haben trotz sonnig-schönem Wetter über 50 Personen besucht. Das Interesse war groß, es wurden viele Fragen gestellt und angeregt diskutiert. Angespornt durch die vielen Nachfragen und die große Resonanz im Nachgang fiel rasch die Entscheidung, solche Infoveranstaltungen auch in den anderen großen Kreisstädten des Landkreises anzubieten. Im Laufe des Jahres 2015 fanden 5 weitere Veranstaltungen statt. Planung und Bau einer Kindergartenküche Eine Kindergartenleiterin nahm Kontakt mit der Lebensmittelkontrolle auf, um sich bei der Planung einer Küche beraten zu lassen. Die Kindergartenküche sollte als Verteilerküche und zum pädagogischen Kochen genutzt werden. Hieraus ergaben sich besondere Anforderungen. Die Bauplanung war gut vorbereitet und so konnten die konkreten Vorstellungen gemeinsam problemlos umgesetzt werden. Die Küchenzeile wurde in einer U-Form so geplant, dass 21 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG die Kinder nicht unmittelbar in den Hygienebereich gelangen, sondern von einem Podest aus alle wichtigen Kücheneinrichtungen bedienen können, während die Küchenleiterin vom Hygienebereich aus mitwirkt. Die Küche ist bereits seit einiger Zeit in Betrieb und hat sich bewährt. Die lebensmittelrechtlichen Vorgaben wurden so gut umgesetzt, dass dieses Konzept weiterhin überzeugen kann. Regelmäßig fragen Bauherren, Architekten und Küchenplaner bei der Lebensmittelüberwachung nach, unter welchen Voraussetzungen Bauprojekte verwirklicht werden können. Das Landratsamt bietet eine beratende Mitwirkung schon bei der Bauplanung solcher Einrichtungen gerne an und zeigt die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf. Hierdurch können Probleme und möglicherweise teure bauliche Nachbesserungen bereits im Vorfeld vermieden werden. S C H U LU N G E N U N D B E R AT U N G E N S C H Ä D L I N G E · F E H L E N D E S AU B E R K E I T Schädlinge JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Zu einer guten Hygiene gehört auch eine effektive Schädlingsbekämpfung – im günstigsten Fall bleiben die Tierchen einfach draußen. Hier ein Beispiel, bei dem die Schädlingsbekämpfung offenbar nicht klappte: Das betreffende Restaurant führte die Schädlingsbekämpfung in Eigenregie durch. Offensichtlich war dies nicht besonders effektiv, denn die Mäuse haben die selbst aufgestellten Fallen ignoriert. Im Anschluss an die Kontrolle hat der Betrieb einen professionellen Schädlingsbekämpfer beauftragt. Fehlende Sauberkeit Auch im Jahre 2015 blieben die Fälle nicht aus, bei denen man nichts anderes feststellen konnte als: „Es ist einfach dreckig!“. Wie immer muss dazu aber angemerkt werden, dass dies Einzelfälle, Ausnahmen und nicht die Regel sind – die überwiegende Anzahl der Betriebe arbeitet sauber, die Mehrzahl der gefundenen Mängel ist nicht so gravierend. Gerade deshalb aber sind die folgenden Beispiele so interessant, weil sie eben nicht alltäglich und gewöhnlich sind. Gaststätten Neben den Beratungen spielen natürlich auch die Kontrollen der Einrichtungen eine große Rolle. Da die Betreiber von Kindertagesstätten, aber auch die von Pflege-, Alten- und Seniorenheimen eine große Verantwortung tragen, muss auf diese Einrichtungen ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. Ein Beispiel findet sich im nächsten Beitrag. Jahresziel Kontrolle von Pflege-, Alten- und Seniorenheimen Die Lebensmittelüberwachung hat 2015 im Rems-Murr-Kreis die Pflege-, Alten- und Seniorenheime insbesondere in Hinblick auf Erfüllung der betrieblichen Eigenkontrollen und HACCP kontrolliert. Insgesamt waren dies 77 Einrichtungen. Im ersten Schritt hat das Amt die vorhandenen Daten (Einrichtungen, Adressen, Träger) abgeglichen und hierzu Kontakt mit der Heimaufsicht im Rems-Murr-Kreis aufgenommen. Es gab auch einen gemeinsamen Besprechungstermin der Lebensmittelüberwachung mit der Heimaufsicht, in dem die jeweiligen Kontrolltätigkeiten dargestellt wurden. Der nächste Schritt war die Erstellung einer Kontrollcheckliste und Schulung der Lebensmittelkontrolleure durch den Projektleiter. Die eigentlichen Kontrollen fanden im dritten Schritt statt. Hauptaugenmerk war die Kontrolle der Eigenkontrolle. Es wurde geprüft, welche Vorgaben die Einrichtungen für die Eigenkontrollen haben, ob diese ausreichend sind, ob sie auch durchgeführt werden und wie mit Abweichungen umgegangen wird. Das Ergebnis fiel positiv aus. Die meisten Heime arbeiten nach einem individuellen HACCP-Konzept und nur ein geringer Anteil nach einer vorgefertigten Leitlinie. Nur in wenigen Einrichtungen wurden Abweichungen zwischen Eigenkontrollkonzept und täglicher Arbeit festgestellt. Die Eigenkontrollen sind in der Regel fester Bestandteil der täglichen Arbeit und werden auch entsprechend dokumentiert. 22 Viele Bedarfsgegenstände waren altverschmutzt, die Klingen dieses Gemüsehobels zeigten Schimmelanhaftungen. Dreck sogar am Waschbecken Die Betriebskontrolle in einer Speisegaststätte ergab zahlreiche Mängel in der Betriebs-, Produktions- und Lebensmittelhygiene. Besonders fiel der Zustand des Waschbeckens auf: die Handtuchrolle war verunreinigt, der Aufrollmechanismus defekt, die Silikonfugen waren verschimmelt und es fehlte die Flüssigseife. Eine regelmäßige und gründliche Händereinigung ist jedoch für eine gute Betriebshygiene von zentraler Bedeutung! 23 In einigen Ecken hatte sich Schmutz angesammelt, viele Fugen waren schwarz verunreinigt und altes Fett tropfte von der Dunstabzugshaube. Insgesamt hatte dieser Betrieb die Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten erheblich vernachlässigt. Der Lebensmittelkontrolleur ordnete mündlich eine sofortige Grundreinigung an. Die Bußgeldbehörde leitete gegen den Betriebsinhaber ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Bei der Nachkontrolle waren die Mängel beseitigt. Vereiste Kühlung 1 Ein Lebensmittelkontrolleur hat einer anderen Gaststätte zahlreiche überlagerte Lebensmittel gefunden, von denen einige augenscheinlich bereits verdorben waren. Die Kühlschränke wurden vom Betreiber nur aufgefüllt, aber anscheinend weder zwischengereinigt noch abgetaut. TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG In einzelnen Behältnissen hatte sich ein regelrechter Schimmelrasen ausgebreitet. Der Betreiber entsorgte unter Aufsicht des Lebensmittelkontrolleurs alle Lebensmittel, die offenkundig verdorben waren. F E H L E N D E S AU B E R K E I T Unbelehrbare müssen Lehrgeld zahlen Missstände schleichen sich in einer Gastwirtschaft immer wieder ein. Ein Gastwirt erhielt ein Bußgeld von 1.000 Euro, da außer erheblich verschmutzten Betriebsräumen und Geräten auch verdorbenes Fleisch und verdorbener Fisch vorgefunden wurden. Im Betrieb wurden noch weitere Hygienemängel festgestellt. Noch vor Ort wurde mündlich eine sofortige Grundreinigung angeordnet, zeitnah nachkontrolliert – und außerdem gegen den Betriebsinhaber ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Vereiste Kühlung 2 In einer Selbstbedienungstheke eines Restaurants wurde Schweinemett angeboten, das während der Kontrolle eine Temperatur von +15 °C aufwies. Die hohe Temperatur resultierte unter anderem daraus, dass der Kühlthekeneinsatz zu weit oben angebracht worden war. Der Lebensmittelunternehmer wollte dadurch die Lebensmittel besser präsentieren, bedachte aber nicht, dass sich dadurch die Kälte nicht in der Umgebung der Lebensmittel halten konnte. Bei der weiteren Überprüfung entdeckte der Kontrolleur außerdem eine starke Vereisung der Abtropfwanne, die überdies dazu führte, dass die Kälte sich nicht mehr verteilen konnte. Die Lebensmittelkontrolleure haben bei einer Routinekontrolle hygienische Mängel festgestellt. Unter anderem war der Mikrowellenherd verschmutzt, Lebensmittel waren nicht abgedeckt und Wandflächen sowie Ablageflächen altverfettet. Der Gastwirt war einsichtig. Es reichte eine Verwarnung aus, um ihn zur Beseitigung der Missstände zu bewegen. Allerdings war dies nicht von Dauer. Bei der nächsten Kontrolle fand der Lebensmittelkontrolleur die Gaststätte wieder in stark verschmutztem Zustand vor. Die Dunstabzugshaube war erheblich verfettet, das Fenster in der Küche besaß kein Fliegengitter, das Handwaschbecken war zugestellt und ohne Warmwasser, der Abfalleimer hatte keinen Deckel, die Silikondichtung am Spülbecken war schadhaft und der Boden nicht sauber. Außerdem waren JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW und über Hygieneschulungen vorlegen. Der Gastwirt kam der Aufforderung zur Beseitigung der Mängel nach und bei der Nachkontrolle war wieder alles in Ordnung. Aber leider hielt dieser Zustand erneut nicht lange an. Beim nächsten Besuch der Lebensmittelüberwachung herrschten solch unhygienische Zustände, dass eine sofortige Grundreinigung der Betriebsräume sowie ein Verbot der Produktion und Abgabe von Speisen angeordnet wurden. Die Verunreinigungen betrafen die Abzugshaube, den Herd, den Boden und den Keller sowie die Wandflächen. Auch zeigten diverse Arbeitsgeräte wie der Dosenöffner oder die Seiher starke Verunreinigungen. Außerdem wurden wiederum Lebensmittel offen gelagert. Es wurden 7 Proben genommen, die laut Gutachter allesamt nicht mehr zum Verzehr geeignet waren. Dabei handelte es sich um rohes Fleisch verschiedener Tierarten, Bratwürste und Fisch. Die Missstände wurden vom Gastwirt wiederum fristgerecht behoben. Um den Lerneffekt zu verstärken, wurde ein Bußgeld von 1.000 Euro festgesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Wirkung zeigt und der Gastwirt nicht wieder „rückfällig“ wird! Gammel statt Edelschimmel In einem Kühlraum eines Restaurants wurde ein grünlich verschimmelter Parmaschinken vorgefunden. Der Lebensmittelunternehmer war zunächst der Meinung, dass es sich um Edelschimmel handeln würde. Die Lebensmittelkontrolleure haben ihn eines Besseren belehrt und den Schinken entsorgen lassen. Derartige Eisbildungen bekommt auch ein Lebensmittelkontrolleur nicht alle Tage zu sehen. Es war fast nicht möglich, die eingefrorenen Lebensmittel zu entnehmen. eingefrorene Lebensmittel nicht sachgemäß verpackt und ohne Bezeichnung. Es stand Gerümpel herum und der Kellerraum war nicht aufgeräumt. Bei mehreren Lebensmitteln war das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen und kühlpflichtige Lebensmittel wie Quark und Schinkenwurst lagerten bei einer viel zu hohen Temperatur. Darüber hinaus konnte der Betriebsverantwortliche keine Nachweise über die Belehrungen nach dem Infektionsschutzgesetz 24 25 Verschimmelte Schankanlage Bei der Kontrolle einer Getränkeschankanlage im Selbstbedienungsbereich eines Restaurants wurden stark verschmutzte Mischeinheiten festgestellt. Offensichtlich hatten die Verantwortlichen schon seit längerer Zeit vergessen, die Mischeinheiten der Post-Mix-Getränkeschankanlage zu reinigen. TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Im Rahmen einer Routinekontrolle hat die Lebensmittelüberwachung festgestellt, dass die Abkühleinrichtungen ausgefallen und erneut erhebliche hygienische und bauliche Mängel vorhanden waren. Kondenswasser tropfte von der schimmelbehafteten Decke unmittelbar auf den Zubereitungsbereich. Die von der Lebensmittelüberwachung angeordneten Eigenkontrollen wurden immer noch nicht durchgeführt. Aufgrund dieser erheblichen Mängel wurde der Gemeinschaftsverpflegung die Speiseabgabe unmittelbar untersagt und gegen die Betreiber ein Strafverfahren eingeleitet. F EH L ENDE SAUBERK EI T Im Kühlraum waren Ventilatorgitter, Kabel und Deckenleuchte stark verflust. Es bestand die Gefahr, dass offene Lebensmittel hierdurch verunreinigt und auch Schimmelsporen verteilt werden. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Einzelhandel Während einer Plankontrolle im Lebensmitteleinzelhandel hat die Überwachungsbehörde schwerwiegende Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen festgestellt. Zunächst war die mangelhafte Kühlleistung der Kühltheke aufgefallen. Bei der genaueren Überprüfung stellte der Metzgereien Gemeinschaftsverpflegung Das Ergebnis der Routinekontrolle in einer Metzgerei sah nicht überzeugend aus. Der Betriebsinhaber gab als Hauptgrund für die Hygienemängel in seinem Betrieb personelle Engpässe an. In den Lagerräumen herrschte Unordnung und in den Produktionsbereichen waren Reinigungsmängel offensichtlich. Über dem Kombidämpfer in der Wurstküche wurde ein Insektenvernichter verwendet, der durch elektrischen Strom Insekten explosionsartig tötet. Deren Reste sammelten sich auf der Oberseite des Gerätes, in dem gerade Fleischkäse gebacken wurde. Schimmel und unhygienische Zustände in einer Gemeinschaftsverpflegung Täglich verpflegen die Betreiber einer EU-zugelassenen Küche über 1.000 Kinder aus Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen im Cook & Chill Verfahren. Dies ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Der Lebensmittelüberwachung zeigte sich seit einiger Zeit jedoch ein anderes Bild. Das CVUA hatte die Speisepläne von 4 Wochen ausgewertet und in seinem Gutachten festgestellt, dass die Zusammensetzung der zubereiteten Speisen nicht dem Standard für Kleinkinder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspricht. Doch nicht nur die ernährungsphysiologische Qualität der Speisen gab Grund zur Beanstandung. Die Großküche war baulich in einem desolaten Zustand. Aufgrund des mangelhaften Raumklimas durch die schlechte Belüftung wiesen die Wände und Decken immer wieder einen flächendeckenden Schimmelbewuchs auf. Wiederholt haben die Lebensmittelkontrolleure erhebliche Hygienemängel festgestellt. Die Eigenkontrollen beschränkten sich in diesem Betrieb auf das Führen einer Liste, in der die Temperatur von lediglich einer Kühlzelle eingetragen wurde. Zusätzlich hat das Personal die Temperatur eines defekten Thermometers, das in einer Tiefkühltruhe bereitliegt, täglich abgelesen und auch in dieser Liste dokumentiert. Mikrobiologische Untersuchungen, ein Schädlingsmonitoring oder das Zurücklegen von Rückstellproben wurden nicht oder nur sporadisch durchgeführt. Es gab keine Reinigungspläne oder Ähnliches. Der Abkühlprozess der im Cook & Chill Verfahren hergestellten Speisen wurde nicht überwacht. 26 Zudem haben die Kontrolleure verdorbene Lebensmittel vorgefunden. Auf diesem Stück Rindfleisch hatte sich schon ein richtiger Schimmelpilzrasen entwickelt. Dieses Fleisch hat der Inhaber freiwillig entsorgt. Auf dem Boden standen zahlreiche offene Behältnisse. Dabei bestand das Risiko, dass Gegenstände hineinfallen konnten, der untere Rand von Schürzen die Gefäße streiften oder durch den direkten Kontakt zwischen Gefäßunterseite und Fußboden die Arbeitsflächen später verunreinigt werden. Kontrolleur dann eine starke Verschmutzung der Kühltheke fest, die unter anderem die Ursache für die mangelnde Kühlleistung war. Nachdem die Bleche mit den kühlpflichtigen Plunderteilchen und Kuchen entnommen wurden, waren bereits auf der Edelstahlabdeckplatte grünlich verschimmelte Gebäckreste und Brösel zu erkennen. Unter der Abdeckplatte wucherte in der Abtropfwanne starker grau-grünlicher Schimmel und das Abtauwasser staute sich, weil der Abfluss verstopft war. Auf dem Abtauwasser bildete sich schon ein weißlicher Schimmelrasen. An den Lüftergittern wurden weißliche, milchig-schleimige, fädenziehende Gebilde festgestellt. Aufgrund der verschiedenen Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften wurde gegen den Betriebsinhaber ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Bis zur Nachkontrolle hatte sich die Betriebshygiene erheblich verbessert und bildete nun eine solide Basis für das Behandeln von sensiblen Lebensmitteln. 27 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Zusammenarbeit von Behörden Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Veterinärämter mit anderen Behörden ist vor allem dort wichtig, wo verschiedene Ämter in die gleichen Betriebe kommen und dort an einem Strang ziehen sollten. Bestes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern, die für die Hygiene in gewerblichen Küchen und Lebensmittelbetrieben insofern eine große Rolle spielen, als sie für die Gesundheit der dort Beschäftigten zuständig sind. Im Falle einer Erkrankung oder keimbedingten Vergiftung durch ein Lebensmittel muss immer auch geprüft werden, ob dieser Keim nicht durch einen Menschen in oder auf das Lebensmittel kam. Auch mit anderen Behörden wie dem Jugendamt, den Bauämtern, dem Zoll, der Polizei, der Landwirtschaftsverwaltung, der Futtermittelüberwachung und, nicht zuletzt, den Gemeinden, vor allem den dortigen Ordnungsämtern, muss eine enge Zusammenarbeit gepflegt werden. Wie dies gelingen kann, zeigen die folgenden Beispiele fruchtbarer Zusammenarbeit: Auftreten humaner Trichinellose – ein Fallbericht Die Trichinellose ist eine weltweit verbreitete Zoonose, die zu den meldepflichtigen Krankheiten zählt. Es handelt sich um eine lebensmittelbedingte Infektion mit Fadenwürmern der Gattung Trichinella, die über ungenügend erhitztes Fleisch aufgenommen werden. Die Trichinellose tritt in Deutschland nur noch sehr selten auf. Immer wieder treten jedoch vereinzelt sogenannte importierte Erkrankungsfälle auf, bei denen sich Personen in Nicht-EU-Ländern oder durch mitgebrachte infizierte Wurst- oder Fleischprodukte anstecken. Im Februar 2015 hat das Institut für Pathologie in Heilbronn dem Gesundheitsamt des Hohenlohekreises die Trichinelloseerkrankung eines im Landkreis wohnhaften Jägers und Metzgers, seiner Ehefrau und deren erwachsenen Sohnes gemeldet. Bei dem ersterkrankten Mann war aufgrund von Muskelschmerzen eine Biopsie aus der Oberarmmuskulatur entnommen worden. Nach anfänglichem Verdacht, die Person könnte sich durch den Verzehr von selbst erlegtem Wild infiziert haben, hat die Gesundheitsbehörde jedoch Reste einer aus Serbien eingeführten Paprikarohwurst sichergestellt, nach deren Genuss die ersten Symptome bei den betroffenen Familienmitgliedern aufgetreten waren. Sie hat das Veterinäramt verständigt, das unverzüglich die Untersuchung einer Probe der Wurst in der Trichinenuntersuchungsstelle Öhringen veranlasste. Bei der mikroskopischen Untersuchung waren unzählige Trichinellen festzustellen (siehe Abbildung), die zunächst einen deutlichen Hinweis auf die Ursache der Erkrankung lieferten. Das staatliche Tierärztliche Untersuchungsamt Aulendorf (Diagnosezentrum) und das BfR als Referenzlabor für humane Trichinellose haben den Befund bestätigt. Zu den ersten Erkrankungsfällen kamen im weiteren Verlauf des Geschehens noch 8 weitere im Familienumfeld des Betroffenen hinzu. Alle erkrankten Personen hatten einen Teil der Wurst verzehrt. Für die Verzehranamnese war von elementarer Bedeutung, dass 2 der Familienmitglieder, die nicht erkrankten, Vegetarier waren und nicht von der Wurst gegessen hatten. Von den erkrankten Personen mussten 6 stationär und 3 ambulant behandelt werden. Das infizierte Fleisch, aus dem die Paprikawurst hergestellt war, stammte von der Hausschlachtung eines in Serbien Mikroskopischer Nachweis der Trichinellen aus der Verdauungsim Freien gehaltenen Hausschweins. flüssigkeit der Rohwurst Das für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beauftragte RKI hat die Falldefinition für humane Trichinellose beschrieben. Danach erkennt man die Erkrankung im Wesentlichen durch das klinische Bild und die Labordiagnose. Der epidemiologische Zusammenhang wird durch den Verzehr eines Lebensmittels, in dessen Resten Trichinella-Larven labordiagnostisch nachgewiesen wurden, bestätigt. Das typische klinische Bild der humanen Trichinellose wird durch 5 Kriterien gekennzeichnet, von denen für die Diagnosestellung mindestens 2 erfüllt sein müssen: verändertes Blutbild (Eosinophilie), Durchfall, Fieber, Muskelschmerzen und Schwellungen (periorbitales Ödem). Das rasche Eingreifen und die gute und unbürokratische Kooperation der beteiligten Institutionen haben dazu beigetragen, die Krankheitsursache schnell aufzuklären und weitere Infektionen zu vermeiden. Dieses Fallbeispiel zeigt anschaulich, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit zwischen Veterinäramt und Gesundheitsamt bei lebensmittelbedingten Erkrankungen ist. 28 ZUSA MMEN A RBEI T VON BEH Ö RDEN ZUSA MMEN A RBEI T AUC H MI T DEN BE T RI EBEN Eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei ist ebenfalls von großer Bedeutung, wie man exemplarisch an den folgenden Beiträgen sehen kann: Kühltransporter Eine Lebensmittelüberwachungsbehörde führt regelmäßig Kontrollen auf der Autobahn gemeinsam mit der zuständigen Autobahnpolizei des Polizeipräsidiums durch. In diesem Rahmen wurde bei einer Kontrolle ein Kühltransporter einer Firma für mediterrane Spezialitäten überprüft. Dabei hat die Lebensmittelkontrolle festgestellt, dass nicht kühlpflichtige, kühlpflichtige und Tiefkühllebensmittel zusammen in einer Kabine transportiert wurden. Die tiefgefrorenen Lebensmittel wiesen nur noch Kerntemperaturen von -6 °C auf. Die Kühlung konnte nicht tiefer eingestellt werden, da ansonsten Produkte wie Wein oder Essig eingefroren wären. Die zu beliefernden Betriebe hatten die Spezialitätenfirma über die unterbrochene Kühlkette informiert. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass der Betrieb dies aus Kostengründen regelmäßig praktizierte und es schon wiederholt zu behördlichen Auflagen und Anzeigen gekommen war. Deshalb hat die Behörde wegen des Verstoßes gegen die Tiefkühllebensmittelverordnung gegen den verantwortlichen Geschäftsführer ein Strafverfahren eingeleitet. Die für die Spezialitätenfirma zuständige Behörde hat wegen der mangelnden Zuverlässigkeit gegen den Unternehmer nun ein Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet. Gemeinsame Kontrollen Die Autobahnpolizei hat bei einer Fahrzeugkontrolle in einem anderen Landkreis wegen Verdachts eines lebensmittelrechtlichen Verstoßes das Veterinär- und Verbraucherschutzamt des Landratsamtes hinzugezogen. Der Verdacht hat sich dann bestätigt, gegen den Lebensmittelunternehmer wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Diesen Vorfall hat die Lebensmittelüberwachungsbehörde zum Anlass genommen, weitere Straßen- und Autobahnkontrollen in Zusammenarbeit mit der Polizei durchzuführen. Bei 2 gezielt durchgeführten Aktionen wurden 2 Verstöße festgestellt und jeweils ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Die gemeinsamen Kontrollen mit der Autobahnpolizei werden auch 2016 wieder durchgeführt. Zusammenarbeit auch mit den Betrieben JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Erfolgreiche Minimierung des Aluminiumgehaltes in Laugengebäck Die Belastung von Laugengebäck wie Laugenbrezeln, -stangen und -brötchen mit unerwünschten Gehalten an Aluminium steht seit Jahren im Fokus der Lebensmittelüberwachung. Ursache für erhöhte Aluminiumgehalte ist der Kontakt von belaugten Teiglingen vor oder während des Backvorgangs mit aluminiumhaltigen Backblechen. Durch diesen Kontakt können sich aufgrund des erhöhten pH-Wertes erhebliche Mengen an Aluminium aus diesen Materialien lösen und auf das Erzeugnis übergehen. Backbleche aus Aluminium kommen bisher in Bäckereien hauptsächlich wegen der guten Backeigenschaften zum Einsatz. Das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landratsamtes Tuttlingen hat im Rahmen eines Projektes im Jahr 2015 die Belastung von Laugengebäck mit Aluminium näher beleuchtet. Die Proben wurden gezielt in handwerklichen Bäckereien entnommen. Das CVUA Freiburg bestimmte die Aluminiumgehalte. Abhängig von den Untersuchungsergebnissen sollten die Backbetriebe zu Maßnahmen angehalten werden, die Aluminiumgehalte im Laugengebäck zu minimieren. Am Beispiel einer handwerklichen Bäckerei wird der erfolgreiche Weg der Minimierung des Aluminiumgehaltes von Brezeln erörtert. In einer Bäckerei haben die Behördenvertreter mit dem Betreiber und dem Backstubenmeister die Abläufe bei der Herstellung von Brezeln vor Ort erfasst, um mögliche Kontaminationsquellen der Backwaren mit Aluminium herauszufinden: Nach der Ausformung wurden die Teiglinge über ein Beregnungssystem mit Backlauge, 4 %iger Natronlauge, benetzt. Die Lauge tropfte auf Edelstahlgittern ab. Anschließend wurden die Teiglinge direkt auf Aluminiumbleche (Lochbleche) umgesetzt, auf denen sie bis zum Backen verblieben; die Verweildauer bis zum Backvorgang war dabei unterschiedlich lang. Zum Backen wurden die Brezeln direkt auf den Aluminiumblechen in den Ofen geschoben und anschließend zur Auskühlung auf Holzgitter umgesetzt. Direkt im Anschluss an die Produktion hat der Lebensmittelkontrolleur amtliche Proben von Laugengebäck (Brezeln) entnommen und zur Untersuchung an das CVUA Freiburg eingesandt. Das Labor hat bei den Brezeln einen GesamtAluminiumgehalt von 30,6 mg/kg ermittelt. Die Verteilung des Aluminiums auf dem Laugengebäck war unterschiedlich; auf der Oberseite wurden 5,45 mg/kg und auf der Unterseite 54,7 mg/kg gemessen. Diese Untersuchungsergebnisse belegen anschaulich, dass der erhöhte Aluminiumgehalt durch den direkten Kontakt der belaugten Teiglinge mit der aluminiumhaltigen Oberfläche der Back29 bleche verursacht wird. Die Proben wurden aufgrund des hohen Aluminiumgehaltes als „zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet“ beurteilt. Die Lebensmittelüberwachungsbehörde informierte den Betreiber unverzüglich über das Ergebnis und forderte ihn auf, schnellstmöglich Maßnahmen zur Minimierung des Aluminiumgehaltes zu ergreifen. Als Sofortmaßnahme hat die Bäckerei das Herstellungsverfahren modifiziert und die Teiglinge zum Backen auf Backpapier, etwas später auf Silikonfolien ausgelegt. Nach Angaben des Bäckers funktionieren diese Methoden jedoch nur bedingt, weil die Qualität der Brezeln hinsichtlich Konsistenz, Krustenbildung, Farbe und Geschmack nicht zufriedenstellend war. Daher hat er nach Alternativen Ausschau gehalten. In Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. und Herstellerfirmen aus dem Backzubehörbereich und in enger Begleitung durch das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz hat die Bäckerei sichere Herstellungsverfahren mit bestmöglichem Backverhalten und Qualität des Endproduktes ausprobiert und bewertet. Im Ergebnis zeichnete sich ein deutlicher Vorteil bei der Verwendung von neuartigen Backblechen mit Keramikbeschichtung ab. Das Backverhalten war sehr gut, die Brezeln lösten sich praktisch von selbst vom Blech und die Keramikbeschichtung schützte das Backgut vor einem Übergang von Aluminium. Nach Abschluss der Testphase wurde dieses Verfahren priorisiert. wachungsbehörde und Untersuchungsamt konnte die Belastung mit Aluminium erfolgreich minimiert und damit ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung von gesundheitlich bedenklichen Substanzen in Lebensmitteln geleistet werden. Leider gibt es auch das gegenteilige Beispiel, bei dem ein selbsternannter Bäcker dadurch, dass er sich weder um eine Ausbildung noch um ein rechtskonformes hygienisches Arbeiten bemühte, Gebäck mit gefährlich hohen Aluminiumgehalten in Verkehr brachte: Eine gute Ausbildung macht schon Sinn Fast ein Jahr lang führte ein Bäcker einen Betrieb mit 2 Filialen. Er war weder im Besitz eines Gesellenbriefes noch hatte er die Meisterprüfung abgelegt. Am Schaufenster prangte unter seinem Namen jedoch das Wort „Meisterbäckerei“. Mehrere Kontrollen förderten in allen Betriebsteilen heillose Unordnung, gravierende Hygienemängel und verdorbene Lebensmittel zutage. Im Backbetrieb, der illegal in einem normalen Wohnhaus eingerichtet worden war, herrschten inakzeptable bauliche Mängel und ebenfalls gravierende Hygienemängel vor. Von einer angemessenen Personalhygiene konnte nicht die Rede sein. Bei der Untersuchung von Laugenbrezeln, die direkt auf defekten Aluminiumblechen gebacken worden waren, wurden laut Gutachten so hohe Aluminiumgehalte festgestellt, dass ein Kind die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge an Aluminium beim Verzehr von nur einer Brezel ausgeschöpft hätte. Das CVUA hatte die Brezeln als nicht sicher eingestuft und damit als inakzeptabel für den menschlichen Verzehr. Die Behörde hat den Betrieb geschlossen und ein Strafverfahren eingeleitet. Allerdings sind der „Meisterbäcker“ und sein Sohn mittlerweile unbekannt verzogen. ZUSA MMEN A RBEI T AUC H MI T DEN BE T RI EBEN I N T ERNE T H A NDEL Internethandel Lebensmittelkontrolle im World Wide Web In den letzten Jahren hat das Angebot an Lebensmitteln im Internet stetig zugenommen. Im Jahr 1999 waren beispielsweise bei eBay 323 Nahrungsmittelartikel im Angebot. Im März 2013 waren es bereits 247.680 und im September 2015 sogar 350.094 Artikel mit weiter steigender Tendenz. Diesem wachsenden Angebot an Lebensmitteln trägt auch die seit Dezember 2014 gültige Lebensmittelinformationsverordnung, kurz: LMIV (VO (EU) Nr. 1169/2011) Rechnung, in der zum ersten Mal auch konkrete Kennzeichnungsregelungen für den Fernabsatz enthalten sind. Seit 2012 beschäftigt sich die Stabstelle Ernährungssicherheit (SES) am RP Tübingen in enger Zusammenarbeit mit dem CVUA Karlsruhe mit der Überwachung des Onlinehandels in Baden-Württemberg. Kennzeichnung von Lebensmitteln im Internet Seit Einführung der LMIV müssen nun auch im Fernabsatz, zu dem auch der Internethandel zählt, bestimmte Anforderungen zur Lebensmittelinformation erfüllt sein. Folgende Kennzeichnungselemente müssen für die Kundschaft nun vor Vertragsabschluss verfügbar sein: n die Bezeichnung des Lebensmittels; n das Verzeichnis der Zutaten; n bestimmte Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen; n die Menge bestimmter Zutaten oder Klassen von Zutaten – QUID; n die Nettofüllmenge des Lebensmittels; n ggf. Hinweise zur Verwendung oder Hinweise zur Lagerung; n der Name beziehungsweise die Firma und die Anschrift des Lebensmittelunternehmers oder Importeurs; n ggf. das Ursprungsland oder der Herkunftsort; n ggf. eine Gebrauchsanleitung; n der Alkoholgehalt bei Getränken über 1,2 Vol %; n die Nährwertdeklaration (ab 13.12.2016). Das Mindesthaltbarkeits- oder das Verbrauchsdatum müssen spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung bekannt sein. Bei Waren, die nicht vorverpackt sind, muss eine Angabe zu bestimmten allergenen Bestandteilen erfolgen. Ein Merkblatt für Unternehmer zur Kennzeichnung im Fernabsatz ist auf der Internetseite des RP Tübingen unter https:// rp.baden-wuerttemberg.de/rpt > Unsere Themen > Verbraucherschutz > Internethandel zu finden. Bei einer ersten stichprobenartigen Überprüfung der Kennzeichnung von Internethändlern aus Baden-Württemberg im Jahr 2015 erfüllten zirka 68 % die Vorgaben gemäß Art. 14 LMIV. Ergebnisse der Überwachung Die Gemeinsame Zentralstelle zur Kontrolle der im Internet gehandelten Erzeugnisse des LFGB und Tabakerzeugnisse der Bundesländer beim BVL (kurz: G@ZIELT) übermittelt jedes Jahr 2- bis 3-mal Datensätze zu Onlinehändlern an die Bundesländer. Im Rahmen dieser Unternehmensrecherchen hat das BVL bisher 1.003 unterschiedliche Onlinehändler mit Sitz in Baden-Württemberg ermittelt. Davon waren 731 Betriebe laut Rückmeldung der Lebensmittelüberwachungsbehörden bereits registriert, 178 Betriebe, also fast 18 %, nicht. Bei 289 Betrieben hanAuswertung der Unternehmensrecherchen, getrennt nach reinen Onlinedelte es sich um reine Onlinehändler. Von händlern und Händlern mit konventionellem und Internet-Vertrieb diesen waren wiederum 111 (38 %) nicht 568 registriert. Die neu ermittelten Betriebe sind 600 nunmehr der zuständigen Lebensmittel9% 500 überwachungsbehörde bekannt und damit 400 im Überwachungssystem erfasst. 289 300 Bei der Überwachung des Internethandels 91,0 % 38 % 200 in Baden-Württemberg arbeiten das CVUA Karlsruhe und die SES eng zusammen. 100 62 % Auch 2015 haben sie wieder verschie0 Händler mit konventionellem reine Onlinehändler dene gemeinsame Projekte durchgeführt. und Internet-Vertrieb Nachfolgend sollen 2 Projekte vorgestellt nicht registriert registriert werden: Anzahl der überprüften Händler Die Umstellung auf das neue Verfahren verzögerte sich lediglich, weil der Backblechhersteller Lieferschwierigkeiten hatte. Nach der Umstellung hat die Kontrollbehörde die Brezeln, die mit dem neu etablierten Herstellungsverfahren gebacken worden waren, amtlich beprobt. Das Untersuchungsergebnis war erfreulich. Der Messwert von Aluminium lag unterhalb der Bestimmungsgrenze. Durch den gemeinsamen Einsatz von Betrieb, Lebensmittelüber- TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW 30 31 Unter anderem hat die SES im Sommer 2015 kühlpflichtige Fischprodukte bei Internethändlern bestellt. Das CVUA Karlsruhe untersuchte dann diese Testkäufe. Alle Händler ließen die Ware von gängigen Logistikunternehmen ohne spezielle Kühlfahrzeuge ans CVUA anliefern. Teilweise waren in den Paketen zwar Kühlakkus oder Trockeneis vorhanden, bei der Mehrheit der Produkte war jedoch die Einhaltung der Kühlkette nicht gewährleistet. Bei der Untersuchung stand die Mikrobiologie im Vordergrund. Das CVUA hat die Ware direkt nach Eingang und gegen Ende des MHD untersucht. Insbesondere zum Ende des MHD wiesen einige Proben erhöhte Keimzahlen auf. Eine Probe zeigte bereits am Ankunftstag sensorische Abweichungen. Außerdem mussten einige Proben wegen Kennzeichnungsmängeln beanstandet werden. In einem weiteren Projekt untersuchte das CVUA Karlsruhe Haarglättungsmittel hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe. Bei diesen Produkten wird wegen seiner guten Wirksamkeit oft Formaldehyd eingesetzt, das allerdings aufgrund der Gesundheitsgefahr in der EU für diesen Zweck verboten ist. Deshalb hat die SES neben Proben, die die Lebensmittelüberwachungsbehörden bei Internethändlern vor Ort erhoben haben, auch gezielt Testkäufe bei weiteren Onlinehändlern, insbesondere aus dem EU-Ausland, durchgeführt. Diese Proben wurden bei Händlern bestellt, die über ebay.de oder den Marktplatz von amazon.de ihre Produkte anbieten. Formaldehyd konnte dabei in 5 Proben nachgewiesen werden. Eine Probe stammte von einer Händlerin in Nordrhein-Westfalen, 4 weitere aus Großbritannien und Polen. Für die Probe aus Deutschland wurde ein RAPEX-Entwurf erstellt, der von Nordrhein-Westfalen weiter verfolgt wurde. Der Online-Händler in Nordrhein-Westfalen hat das Produkt bei allen belieferten Kunden zurückgerufen. Die dortigen Behörden haben die Informationen zum Produkt an das europäische Schnellwarnsystem RAPEX weitergegeben (Meldung A12/1064/15). Bei den anderen 4 Produkten hat das BVL die Vorgänge im Rahmen des EU-Amtshilfeverfahrens in die Herkunftsländer weitergeleitet. Die SES hat eBay und Amazon über die Ergebnisse informiert, woraufhin die beiden Plattformen diese Angebote in eigener Verantwortung gelöscht haben. Die Untersuchungsergebnisse sind in Kapitel III dargestellt. Tipps für Verbraucher zum Onlinekauf von Lebensmitteln sind auf der Internetseite des RP Tübingen unter https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpt > Unsere Themen > Verbraucherschutz > Internethandel zu finden. Asja Altwasser und Isabella Sackmann, SES 32 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Kennzeichnung Fehlende Preisauszeichnung Bei Betriebskontrollen in der Vergangenheit hat der Lebensmittelkontrolleur den Betriebsinhaber eines Marktstandes mehrfach darauf hingewiesen, dass er seine Ware gemäß der Preisangabenverordnung auszeichnen muss. Bei einer erneuten Kontrolle fehlten zum wiederholten Male die Preise an fast der gesamten Ware. Dazu kamen noch Reinigungsmängel in der Verkaufskühltheke, sodass ein Bußgeldverfahren eingeleitet wurde. Bei einer Nachkontrolle 6 Wochen später bot sich leider das gleiche Bild. Aufgrund dieser Unbelehrbarkeit wurde ein zweites, deutlich höheres Bußgeld erhoben. Erst bei der zweiten Nachkontrolle, die 8 Wochen später durchgeführt wurde, zeigten die beiden Bußgelder Wirkung. Die Ware war jetzt mit Preisschildern versehen und der Verbraucher hatte die Möglichkeit, die Preise zu vergleichen. I N T ERNE T H A NDEL · K ENNZEI C HNUN G V ERSC HI EDENE S Wie müsste der „Schummelschinken“ korrekt heißen? Wird die Pizza als „Schinkenpizza“ oder „Pizza mit Schinken“ bezeichnet, darf auch nur Hinterschinken darauf liegen. Wurde zur Herstellung Formfleisch-Schinken verwendet, muss sie „Pizza mit Schinken aus Stücken zusammengefügt“ heißen. Wurde gar ein brühwurstähnliches Imitat verwendet, muss dies zutreffend erläutert werden: „Pizza mit Pizzabelag nach Art einer groben Brühwurst aus Schweinefleisch“. Gleiches gilt auch für Nudelgerichte, Salate und andere Gerichte, die Schinken als Zutat enthalten. Zur Problematik der Schinkenimitate haben die CVUAs 2009 mit dem Titel „Ist es wirklich ein Schinken auf der Pizza ?“ und 2012 mit dem Titel „Der Schinken unterm Mikroskop – Original oder Fälschung?“ ausführliche Berichte veröffentlicht: www.ua-bw.de. Allergenkennzeichnung Seit dem 13. Dezember 2014 müssen nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) die 14 wichtigsten Allergene deutlich sichtbar gekennzeichnet werden. Dabei müssen auch Produkte aus diesen Allergenen gekennzeichnet werden. Nicht zu kennzeichnen sind dagegen Stoffe, die durch den Verarbeitungs- oder Herstellungsprozess ihr allergenes Potenzial verlieren. Die Ausnahmen sind in der LMIV genannt. Diese Stoffe und Erzeugnisse müssen bei vorverpackten Waren im Zutatenverzeichnis hervorgehoben werden. Bei nicht vorverpackten Waren muss ebenfalls eine Information über Allergene erfolgen; erfolgt diese in mündlicher Form, muss eine schriftliche Information auf Nachfrage leicht erhältlich sein. Verbrauchertäuschung Bei der Routinekontrolle einer Gaststätte hat die Lebensmittelüberwachung festgestellt, dass in der Speisekarte zahlreiche Gerichte mit der Zutat „Schinken“ angeboten wurden. Tatsächlich jedoch hat der Wirt anstelle von Schinken ein Produkt verwendet, das laut Zutatenverzeichnis neben Kartoffelstärke und Sojaeiweiß nur 56 % Schweinefleisch enthielt. Die Bezeichnung „Schinken“ war demnach nicht zutreffend und stellte eine Täuschung des Verbrauchers dar. Gegen den Inhaber der Gaststätte wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Damit hätten im Jahre 2015 überall die Allergene gekennzeichnet sein müssen. Dies war allerdings nicht der Fall, wie sich bei vielen Vor-Ort-Kontrollen herausstellte. Die Lebensmittelkontrolle kann folgendes Fazit ziehen: Wer die Allergene gekennzeichnet hatte, tat dies auch meistens korrekt. Die anderen hatten sie überhaupt nicht gekennzeichnet. Noch zum Jahresende 2015 wurden Betriebe gefunden, denen die Verpflichtung zur Kennzeichnung nicht bekannt war, auch Handwerks- und Einzelhandelsbetriebe. Zur Allergen-Untersuchung in Lebensmitteln finden Sie weitere Informationen in Kapitel III. Verschiedenes JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Verdorbenes Verarbeitungsfleisch Die Lebensmittelüberwachungsbehörde erhielt einen Hinweis, in einem handwerklichen Metzgereibetrieb sei verdorbenes Verarbeitungsfleisch nicht ordnungsgemäß entsorgt worden. Der Betrieb sollte es zur Abtötung vorhandener Keime mit Desinfektionsmittel versetzt und weiterverarbeitet haben. Im Rahmen der unverzüglich durchgeführten Betriebskontrolle hat die Behörde verdächtige Produkte wie frisch hergestellten Fleischkäse sowie rohe Fleischküchle von insgesamt rund 130 kg amtlich sichergestellt und Verdachtsproben erhoben. Weiter hat sie im Betrieb anhand des Reinigungs- und Desinfektionsplans und der vorhandenen Reinigungs- und Desinfektionsmittel als vermutlich zum Einsatz gekommenes Desinfektionsmittel quartäre Ammoniumverbindungen ermittelt. Daher sollte das CVUA Stuttgart gezielt darauf untersuchen. Tatsächlich konnten diese Stoffe in der Probe bestätigt werden, in allen beprobten Lebensmitteln wurden stark erhöhte Gehalte an quartären Ammoniumverbindungen festgestellt. In den Proben der Fleischküchle war der Gehalt sogar so hoch, dass diese Probe als gesundheitsschädlich beurteilt wurde. Das Desinfektionsmittel war jedoch weder bei der Sicherstellung noch bei der Untersuchung geruchlich wahrnehmbar. Aufgrund der nachgewiesenen Konzentration des Desinfektionsmittels ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem mutwilligen Versatz auszugehen. Die gleichzeitig angeforderte mikrobiologische Untersuchung zeigte zudem eine hohe Belastung mit Verderbnis erregenden Keimen. Dies unterstützte die Aussage des Hinweisgebers, dass verdorbenes Verarbeitungsfleisch wieder keimfrei gemacht werden sollte. Gegen den Metzger wurde Strafanzeige gestellt. Verheimlichte Rauchfleischproduktion Seit mehr als 10 Jahren ist ein Lebensmittelunternehmer im Landkreis gewerblich als Wurst- und Fleischwareneinzelhändler gemeldet und bei der Lebensmittelüberwachung registriert. Routinemäßig wird der Betrieb von der Lebensmittelüberwachung kontrolliert. Der Betreiber zeigte der Überwachung stets einen Kühlschrank im Flur, in welchem verpackte und etikettierte Wurst und vereinzelt Konserven bereitgehalten werden. Der Betreiber gab gegenüber dem Kontrollpersonal sehr überzeugend an, lediglich verpackte Fleisch- und Wurstwaren einzukaufen und auf einem Wochenmarkt weiterzuverkaufen. Zufällig entdeckte die Lebensmittelüberwachung bei einem Direktvermarkter vakuumiertes Rauchfleisch mit den Herstellerangaben des Gewerbetreibenden. Als der Gewerbetreibende mit dem Fund konfrontiert wurde, gab er an, dass sein Metzger ihm aus Versehen Rauchfleisch ohne Etiketten verkauft hätte, somit wäre er gezwungen gewe33 TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG sen, das Rauchfleisch selbst zu etikettieren. Lieferscheine oder Rechnungen konnten nicht vorgelegt werden, diese wären beim Steuerberater, nur den Namen des herstellenden Metzgers gab der Gewerbetreibende preis. Da diese Aussage der Lebensmittelüberwachung doch sehr fragwürdig erschien, wurde bei der herstellenden Metzgerei nachgefragt. Die Lebensmittelüberwachung erhielt dort die Auskunft, dass der besagte Gewerbetreibende immer nur unverarbeitetes Fleisch bezieht, aber nie Rauchfleisch. Erneut wurde der Gewerbetreibende aufgesucht. Anfänglich gab er wieder an, lediglich verpackte Wurstwaren zu handeln. Doch das Lügengespinst fiel durch gezielte Fragen der Lebensmittelkontrolleure in sich zusammen. Zunächst versuchte der Gewerbetreibende darzustellen, dass das unverarbeitete Fleisch bei einem benachbarten Metzger gesalzen und geräuchert würde. Schlussendlich gab er aber zu, dass er das Fleisch in der Brennerei seiner Schwester einlegt, räuchert und in seiner Waschküche trocknet, aufschneidet und etikettiert. In der Brennerei schlachtet die Schwester zudem noch Kaninchen und Geflügel und brennt Schnäpse, was der Lebensmittelüberwachung auch nicht bekannt war. Verfärbtes Ei Eine Verbraucherin beschwerte sich beim zuständigen Veterinäramt über die Verpflegung, die ihr Kind im Rahmen eines Sommerferienprogramms erhalten hatte. Das Kind hatte ein Käse-Ei-Brötchen mit nach Hause gebracht und die Mutter entdeckte auf dem Brötchenbelag grünliche Verfärbungen des gekochten Eis. Das Brötchen wurde fotografiert und danach mit dem Hausmüll entsorgt. Die Behörde erhielt die Beschwerde samt Fotos per E-Mail und kontrollierte daraufhin den Bäckereibetrieb, in dem die Brötchen belegt worden waren. V ERSC HI EDENE S ERF REUL I C HE S Erfreuliches Mit Eigeninitiative zu einer vorbildlichen Betriebshygiene Bei einer Regelbetriebskontrolle einer Metzgerei führte der Inhaber verschiedene, für seinen Betrieb maßgefertigte Konstruktionen vor, die in einigen häufig anzutreffenden Problembereichen wesentlich zu einer Verbesserung der Betriebs- und Arbeitshygiene beitragen. Problem: Die Rostbildung an frisch gereinigten Maschineneinsätzen gibt häufig Anlass zu Beanstandungen. Nach ihrer Reinigung werden die Metallteile häufig so gelagert, dass durch unmittelbaren Kontakt der Einsätze keine Abtrocknung erfolgen kann und sich somit Rost bildet. Lösung: Auf einem Kunststoffbrett sind Aufhängevorrichtungen angebracht, die mit einem Abstandhalter zur Unterlage versehen sind. Somit ist für eine gute Luftzirkulation und Abtrocknung der eingehängten Teile gesorgt. Problem: Eine häufige Beanstandung in Kühlhäusern ist die Bodenlagerung von Behältnissen. Diese ist zu vermeiden, da die vom Fußboden aufgenommenen Kisten – wenn sie anschließend auf die Arbeitstische gestellt werden – diese verunreinigen. Lösung: Hier sorgt dieses rollbare Metallrahmen-System für Übersichtlichkeit, Sauberkeit und vereinfachte Handhabung. Die Kisten sind hierbei nicht einfach aufeinander gestapelt, sondern einzeln zu entnehmen. Gute Wildbrethygiene Es wurden keinerlei Hygienemängel festgestellt. Stutzig wurden die Kontrolleure über den interessanten Hinweis, dass in der Bäckerei ähnliche Farbveränderungen schon einmal bei der Kombination von Sonnenblumenkernbrötchen mit hartgekochtem Ei beobachtet worden waren. Sie gaben diesen Hinweis an das CVUA Freiburg weiter, das sofort eine Versuchsreihe anlegte. Problem: In Metzgereien werden Lackschürzen als Teil der Schutzkleidung nass gereinigt und sollen danach möglichst rasch und vollständig abtrocknen. Bei der üblichen Trocknung werden die Schürzen an Wandhaken aufgehängt, hierbei entstehen allerdings Falten, sodass diese Zwischenräume nur schlecht abtrocknen. Diese Feuchtigkeitsansammlungen begünstigen Schimmelbildung. Lösung: Hier werden die Schürzen auf überdimensionale Kleiderbügel annähernd faltenfrei gespannt, im Deckenbereich aufgehängt und können dort vollständig abtrocknen. Der Hinweis aus der Bäckerei erwies sich als Volltreffer. Da sich Sonnenblumenkerne durch einen vergleichsweise hohen Kupfergehalt auszeichnen, gelang es im Labor, Verfärbungen wie auf den Beschwerdefotos durch den Kontakt von hartgekochten Eischeiben mit Sonnenblumenkernen oder auch mit Kupferdrähten zu erzeugen. Hinweise auf eine gesundheitsschädliche Wirkung ergaben sich zwar nicht, aber schon aufgrund der optischen Beeinträchtigung wird der Bäckereibetrieb in Zukunft seine Sonnenblumenkernbrötchen anders belegen. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Wildbret ist für viele eine Bereicherung des Speisezettels. Für manche Verbraucher ist jedoch Wildbret untrennbar mit dem Begriff „Hautgout“ verbunden; dieser sehr strenge, angeblich typische Wildgeschmack und -geruch hält viele vom Verzehr ab. Dabei kommen diese Merkmale häufig durch mangelhafte Kühlung und zu spätes Ausweiden zustande und kennzeichnen den fortschreitenden Eiweißverderb. Eine zeitgemäße Wildbrethygiene vermeidet solche Mängel. Jäger, die Wildbret an Dritte abgeben, sind als Lebensmittelunternehmer anzusehen und gesetzlich dazu verpflichtet, sichere Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Die hier abgebildete Wildkammer wurde im vergangenen Jahr vom Veterinäramt abgenommen. Der hygienische Umgang mit dem Wildbret kann nur in einer entsprechenden Umgebung gelingen. Eine optimal ausgestattete Wildkammer auch auf kleinem Raum – wie hier auf unserer Abbildung – bietet hierfür das geeignete Arbeitsumfeld: gut ausgeleuchtet, komplett gefliest und daher leicht zu reinigen und zu desinfizieren, mit Insektenschutz an den Fenstern, Warmwasseranschluss und ausreichenden Kühlmöglichkeiten. Wie bereits erwähnt, stellen diese Fallbeispiele nicht die Regel dar. Die überwiegende Mehrzahl der Kontrollen in den verschiedenen Lebensmittelbetrieben ergab ein erfreuliches Ergebnis, da die lebensmittelrechtlichen Anforderungen eingehalten wurden. Einige besonders positive Eindrücke aus verschiedenen Bereichen sollen daher auch in diesem Bericht erwähnt werden. Durch Eigeninitiative, Kreativität und durch ein besonders gutes Hygieneverständnis wurden hier praktische Lösungen gefunden, die auch die Lebensmittelüberwachungsbehörde überzeugen konnten. 34 35 Kurioses Kontrolle abbestellt Die Lebensmittelkontrolle hat einen Lebensmittelbetrieb „wegen extremer Sparsamkeit“ in der Risikoanalyse hoch eingestuft. Dieser musste deshalb bis auf Weiteres vierteljährlich mit Kontrollen rechnen. Hauptursache waren Hygienemängel im Betrieb und defekte Geräte. So war die einzige, uralte Spülmaschine seit Monaten praktisch funktionsunfähig, der Boiler zur Warmwasserbereitung für die Personaltoiletten ging in regelmäßigen Abständen kaputt, TEIL II BETRIEBSKONTROLLEN UND VOLLZUG Teil III Untersuchungen daraus nicht trinkbar sei. Bei der darauffolgenden Betriebskontrolle bestätigte der Inhaber zunächst diese Aussage gegenüber dem Lebensmittelkontrolleur und fügte hinzu, dass aufgrund der alten Leitungen das Wasser wahrscheinlich kontaminiert sei. Als dem Gastwirt deutlich gemacht wurde, dass unter diesen Bedingungen keine Lebensmittel mehr abgegeben werden dürften, wurde dieser kleinlaut. Er gab zu, dass es keinerlei Hinweise auf eine mangelhafte Wasserqualität gäbe, er wollte eben lieber andere Getränke verkaufen als Leitungswasser abgeben. Lebensmittel Kosmetische Mittel Bedarfsgegenstände Tabakwaren Gute Zusammenarbeit Untersuchungsergebnisse: Übersicht in Zahlen Achtung: Gesundheitsgefahr! Krankmachenden Lebensmittelkeimen auf der Spur Achtung: Gefahr beim Verschlucken Tödliches Gartengemüse Gefährliche Haarglätter Strahlend weiße Zähne – nicht ungefährlich Im August 2015 begegneten sich der Lebensmittelkontrolleur und der Geschäftsführer im Supermarkt. Letzterer freute sich und sagte ganz stolz: „Es ist unfassbar, was so ein Schreiben von Ihnen bewirken kann! Ich habe für alle TK-Truhen Deckel bekommen. Jetzt machen die Temperaturkontrollen richtig Spaß!“ ebenso der Ablauf des Kondenswassers im Kühlraum – meist ausgerechnet kurz vor einer Kontrolle. Wegen der wiederholten Verstöße waren Zwangsgelder bereits festgesetzt und auch schon mehrfach beigetrieben worden. Im Februar 2015 war dem Betreiber klar, dass die nächste Kontrolle unmittelbar bevorstehen müsste. Deshalb wurde mehrfach versucht, den zuständigen Lebensmittelkontrolleur auf seinem Privathandy zu kontaktieren und auch im Dienst zu erreichen. Als dies endlich gelungen war, erreichte ihn die aufgeregte Botschaft: „Sie kommet doch net heut oder morga? Bei uns isch nämlich grad der Boiler verreckt ond mir hend koi Zeit für da Kundadienscht. Sie kommet doch bestimmt net glei, oder?“ Kirchenasyl? Anfang August wurde eine Kontrolle beim Kirchenfest in einer Kreisgemeinde durchgeführt. Bei seiner Ankunft, so berichtete der Lebensmittelkontrolleur humorvoll, flüchteten alle an der Ausgabe von Lebensmitteln beteiligten Personen in die Kirche. Der Lebensmittelkontrolleur musste geraume Zeit warten. Die Flucht war insofern begründet, als er keine Handwaschgelegenheit vorfand. Das einzige, was zur Verfügung stand, war Weihwasser. Dem Mangel wurde umgehend abgeholfen und so konnte die Feier beginnen. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Sagt das Etikett die Wahrheit? Sagt das Etikett alles? Fremdwasser in Geflügelfleisch? Was ist die LMIV? Nicht besonders super Schlank und fit mit Pillen? 36 42 45 46 47 48 48 48 49 51 52 53 Auf Spurensuche …54 Radioaktivität54 Pflanzenschutzmittelrückstände und organische Kontaminanten 55 Tierarzneimittelrückstände57 Gentechnik und Lebensmittel 58 Industrie- und umweltbedingte Kontaminanten59 Herstellungsbedingte Kontaminanten 62 Mykotoxine und Biotoxine 62 Blattspinat mit Beilage Als Beschwerdeprobe wurde der Lebensmittelüberwachung eine leere Blattspinat-Pappschachtel mit einem grün-braunen Fremdkörper in einer Plastiktüte übergeben. Der Fremdkörper hatte sich im tiefgefrorenen Spinat befunden. Die Untersuchung ergab, dass es sich bei dem Fremdkörper um Korpusteile einer Kröte mit dunkelgrüner, lederartiger Haut handelte – höchstwahrscheinlich um eine Gemeine Erdkröte. Die Probe wurde als ekelerregend beurteilt – wohl für jeden nachvollziehbar. Was ist drin? Allergene in Lebensmitteln 2015 – kein gutes Jahr für Olivenöl-Freunde Insekten – igitt oder lecker? Wie kommt Bisphenol F in Senf? Non-Food – auch ein Thema der Lebensmittelüberwachung „Wasser ist zum Waschen da“ Ein Verbraucher wandte sich besorgt an die Lebensmittelüberwachung, nachdem ihm beim Besuch einer Gaststätte ein Glas Leitungswasser als Getränk verwehrt wurde. Die Begründung des Gastwirtes lautete, dass aufgrund des schlechten Zustandes der Wasserleitungen das Wasser 38 41 ◆ Dr. Sabine Burgermeister, LRA Rhein-Neckar-Kreis 37 68 68 69 70 71 72 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Untersuchungsergebnisse: Übersicht in Zahlen U N T E R SU C H U N G S E RG E B N I S S E: Ü B E R S I C H T I N Z A H L E N Anteil der beanstandeten Proben an der Gesamtprobenzahl und Verteilung der Beanstandungsgründe Die Untersuchung und Beurteilung von Lebensmitteln, Wein, kosmetischen Mitteln, Bedarfsgegenständen und Tabakwaren ist neben den Betriebskontrollen (siehe Kapitel II ) die zweite Säule der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Lebensmittel untersuchte Proben davon beanstandet Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurden insgesamt 48.016 Proben (Vorjahr: 50.318) chemisch, physikalisch und mikrobiologisch untersucht: 41.626 Lebensmittel (Vorjahr: 44.078), 1.668 Weine (Vorjahr: 1.558), 2.042 kosmetische Mittel (Vorjahr: 1.969), 2.302 Bedarfsgegenstände (Vorjahr: 2.361), 343 Tabakerzeugnisse (Vorjahr: 308) und 35 sonstige Produkte (Vorjahr: 44), die zum Beispiel wegen der möglichen Gesundheitsgefahr durch Verwechselbarkeit mit Lebensmitteln überprüft wurden. Obwohl Trinkwasser das wichtigste Lebensmittel darstellt, unterliegt es rechtlich der Trinkwasserverordnung und nicht dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Der große Bereich Trinkwasser wird deshalb separat dargestellt (siehe Kapitel IV). Außerdem wurden 14.949 Proben (Vorjahr: 13.033) im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplanes für Lebensmittel tierischer Herkunft untersucht, bei dem unter anderem Fleisch, Milch, Eier und Honig auf Rückstände unerwünschter Stoffe untersucht werden. 1.506 Proben (Vorjahr: 1.151) wurden auf Radioaktivität und 5.585 Proben (Vorjahr: 5.342) im Rahmen der Trinkwasserüberwachung (siehe Kapitel IV) untersucht. Art der Proben 2015 2014 2013 Amtliche Lebensmittelüberwachung: Lebensmittel (ohne Wein) 41.626 44.078 46.643 Wein 1.668 1.5581.772 kosmetische Mittel 2.042 1.969 2.008 Bedarfsgegenstände (z.B. Verpackungsmaterial, Spielwaren, Gegenstände mit Hautkontakt, Reinigungs- und Pflegemittel) 2.302 2.361 2.202 35 44 21 kein Erzeugnis nach LFGB Tabakerzeugnisse Probenzahl gesamt 343 308272 48.016 50.318 52.918 Sonstige Proben: Nationaler Rückstandskontrollplan (u.a. Fleischhygieneproben) 14.949 13.033 13.839 Radioaktivität (2012 einschl. IMIS-Übung) 1.506 1.151 1.595 Trinkwasser 5.585 5.3426.079 Hygieneproben (Mikrobiologie zur Betriebshygieneüberprüfung) 734 801 696 Weinmost (während der Lesezeit) 710 679 698 Der Begriff „Beanstandung“ umfasst jede festgestellte Abweichung von der Norm, unabhängig von der Art oder dem Ergebnis der weiteren Verfolgung. Die Feststellungen, die im Gutachten ihren Niederschlag finden, unterliegen gegebenenfalls noch der richterlichen Nachprüfung. Insbesondere sind hier nicht nur Abweichungen in stofflicher Hinsicht, sondern auch Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften und Kenntlichmachungsgebote aufgeführt. 38 Die Art der Beanstandung ist aus den nachfolgenden Grafiken und Tabellen erkennbar. Durch Zusammentreffen mehrerer Beanstandungsgründe bei einer Probe kann die Anzahl der Beanstandungsgründe höher sein als die der beanstandeten Proben. Geeignet die Gesundheit zu schädigen waren insgesamt 103 (0,21 %) Proben (Vorjahr: 106 = 0,21 %). 59 (0,14 %) Lebensmittelproben (Vorjahr: 81 = 0,18 %) wurden als gesundheitsschädlich beurteilt – vor allem wegen pathogener Keime (Listeria monocytogenes, Salmonellen, verotoxinbildende Escherichia coli), mikrobiell verursachter toxischer Eiweißabbauprodukte (Histamin), scharfkantiger Fremdkörper oder Verunreinigung mit Säure, Lauge oder Lösungsmitteln. Auch 20 (0,87 %) der Bedarfsgegenstände- (Vorjahr: 12 = 0,51 %) – beispielsweise wegen Chrom VI in Lederkleidung – und 18 (0,88 %) Kosmetikaproben (Vorjahr: 9 = 0,46 %) – zum Beispiel wegen hohen Gehalten an Coffein in Anti-Cellulite-Cremes oder an Formaldehyd in Haarglättungsmitteln – mussten entsprechend beurteilt werden. Außerdem waren 6 von 35 (Vorjahr: 4 von 44) sonstigen scharfkantigen beziehungsweise verschluckbaren Produkten wegen ihrer Verwechselbarkeit mit Lebensmitteln als gesundheitsschädlich zu beurteilen. Einzelheiten sind in der Tabelle im Kapitel „Achtung: Gesundheitsgefahr! “ dargestellt. 59 1.326 Probenanforderung und Probenahme erfolgen risikoorientiert, es werden Verdachts-, Beschwerde- und Vergleichsproben eingesandt und die Untersuchung der Proben wird zielgerichtet durchgeführt. Die Zahl der Beanstandungen ist deshalb nicht repräsentativ für das Marktangebot und erlaubt nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die Qualität unserer Lebensmittel insgesamt. Die festgestellten Verstöße beruhten auf folgenden Mängeln: n Mängel der Kennzeichnung und Aufmachung, n Mängel der Zusammensetzung und Beschaffenheit (z.B. Qualitätsmängel), n Mängel durch mikrobiologische Verunreinigungen, mikrobiologischen Verderb, n Mängel durch andere Verunreinigungen oder Verderbsursachen, n Mängel aus anderen Gründen, n Beanstandungen aufgrund gesundheitsschädlicher Eigenschaften. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW 1.551 604 43.295 7.275 Anteil in [%] 16,8 % davon nicht beanstandet 36.020 Anteil in [%] 83,2 % 497 mikrobiologische Verunreinigungen oder Verderb 1.551 andere Verunreinigungen oder Verderbsursachen 604 Zusammensetzung, Beschaffenheit 4.654 Anzahl an Beanstandungen* Bedarfsgegenstände 4.654 andere Gründe 1.326 gesundheitsschädlich59 untersuchte Proben davon beanstandet Anteil in [%] 20 36 davon nicht beanstandet Anteil in [%] 234 288 kosmetische Mittel 18 23 47 21,6 % 1.804 78,4 % 0 24 Zusammmensetzung, Beschaffenheit 234 Kennzeichnung, Aufmachung 288 0 gesundheitsschädlich20 untersuchte Proben 2.042 davon beanstandet 274 Anteil in [%] 13,4 Anteil in [%] 1.768 86,6 mikrobiologische Verunreinigungen oder Verderb 0 andere Verunreinigungen oder Verderbsursachen 0 Zusammmensetzung, Beschaffenheit Kennzeichnung, Aufmachung andere Gründe Anzahl an Beanstandungen* 498 andere Verunreinigungen oder Verderbsursachen nicht beanstandet 223 2.302 mikrobiologische Verunreinigungen oder Verderb andere Gründe Anzahl an Beanstandungen* 497 Kennzeichnung, Aufmachung 47 223 23 gesundheitsschädlich18 * Je beanstandeter Probe können bis zu 3 Beanstandungen gezählt werden. 39 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW TEIL III UNTERSUCHUNGEN Lebensmittel Beanstandungen aufgrund anderer Gründe Beanstandungen aufgrund Kennzeichnung / Aufmachung Beanstandungen aufgrund Zusammensetzung / Beschaffenheit Beanstandungen aufgrund anderer Verunreinigungen Beanstandungen aufgrund mikrobiologischer Verunreinigungen Anteil der beanstandeten Proben in % Zahl der beanstandeten Proben Gesamtzahl der Proben 43.294 7.274 16,8 % 1.566 638 497 4.653 1.326 Milch und Milchprodukte 3.150 380 12,1 % 180 4 21 178 129 Eier und Eiprodukte 1.001 123 12,3 % 3 13 8 81 82 Fleisch, Wild, Geflügel und deren Erzeugnisse 7.980 1.563 19,6 % 591 31 160 894 257 Fische, Krusten-, Schalen-, Weichtiere und deren Erzeugnisse 2.643 488 18,5 % 188 29 42 270 53 835 168 20,1 % 1 60 33 96 12 Suppen, Brühen, Saucen, Feinkostsalate 1.298 321 24,7 % 72 4 4 247 58 Getreide, Backwaren und Teigwaren 4.367 740 16,9 % 184 77 59 434 118 Obst, Gemüse und deren Erzeugnisse 4.814 564 11,7 % 59 234 15 139 197 Fette und Öle Kräuter und Gewürze 944 177 18,8 % 8 8 11 153 6 alkoholfreie Getränke (inkl. Mineral- und Tafelwasser) 3.742 472 12,6 % 121 33 13 273 61 Wein 1.668 218 13,1 % 0 4 25 196 18 alkoholische Getränke (außer Wein) 2.177 414 19,0 % 48 29 13 313 148 Eis und Desserts 1.551 232 15,0 % 55 14 18 151 40 Zuckerwaren 1.608 331 20,6 % 3 7 5 308 69 Schokolade, Kakao und kakaohaltige Erzeugnisse, Kaffee, Tee 1.152 135 11,7 % 1 13 18 107 9 824 91 11,0 % 5 30 9 58 1 Fertiggerichte 1.689 469 27,8 % 45 13 7 413 28 Diätetische Lebensmittel, Säuglingsnahrung, Nahrungsergänzungsmittel 1.481 361 24,4 % 1 33 33 321 40 370 27 7,3 % 1 2 3 21 0 Kosmetische Mittel 2.042 274 13,4 % 0 18 47 223 23 Mittel zur Hautreinigung und Hautpflege 1.228 150 12,2 % 0 10 15 133 12 Hülsenfrüchte, Nüsse und deren Erzeugnisse, Knabberwaren Zusatzstoffe Haarbehandlungs-/Reinigungs- und Pflegemittel für die Mundhygiene und Nagelkosmetik Deodorants und Parfüms Mittel zur Beeinflussung des Aussehens (Make-up, Sonnenschutz) Rohstoffe für kosmetische Mittel Tätowiermittel 59 Bacillus cereusSpätzle 1 Listeria monocytogenes 10 Salmonella Give und Salmonella ChicagoSesammus 1 Salmonella Minnesota 2 Moringa Blattpulver bzw. Kapseln Salmonella spp.Zwiebelmettwurst 1 Enterotoxin des Staphylococcus aureusLachs 1 Staphylococcus aureus (und Enterotoxin) Kartoffelsalat 1 Verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC) Hackfleisch (4x), Zwiebelmettwurst 5 Histamin Thunfisch (4x), Thunfischsalat 5 CucurbitacineZucchini 1 Hoher Chloratgehalt, Kontamination mit Perchlorat und Verunreinigung mit Trihalogenmethanen Nahrungsergänzungsmittel (Wasser mit Kochsalz) als Nachprobe zu Probe aus 2014 1 Erhebliche Überschreitung der sicheren maximalen Tagesdosis von Vitamin B6 Nahrungsergänzungsmittel für Sportler bei intensiver Muskelanstrengung 1 Zugesetztes Desinfektionsmittel (QAV ) Fleischküchle 1 Ätzende Wirkung durch extrem niedrigen pH-Wert Flüssigkeit in einer Mineralwasserflasche 1 ErstickungsgefahrHartzuckerbälle 1 Verletzungsgefahr durch Tierkralle, Knochensplitter, Zahn Bratwurst, Bauernbrot, Eintopf 3 Verletzungsgefahr durch Glasscherben, -splitter oder -stücke Joghurt, marinierte Steaks, Knoblauchsauce, Mehrkornbrot, Kürbiskerne, Gemüsemischung, Steinobstbrand, Erdbeerlikör, Pizza 9 Fremdkörper aus Kunststoff Bio-Milch, Brot (2x), Erbsenkonserve 4 Verletzungsgefahr durch Aluminiumfäden, Drahtstücke, Metallunterlegscheibe, Eincentmünze Cornflakes, Berliner, Bohnenkonserve, Hähnchenbrustfilet, Chips 5 Verletzungsgefahr durch andere Fremdkörper wie Dorn, Steine, Zahnstocher Suppe, Winzerbrötchen, Hefekranz, Kartoffelknabbererzeugnis, Fertiggericht 5 20 Verletzungsgefahr durch scharfkantige, spitze bzw. harte 70 15,3 % 0 8 22 45 8 10 11,1 % 0 0 0 10 0 241 39 16,2 % 0 0 9 31 3 Hoher Chrom(VI)-Gehalt (größer 3 mg/kg) Lammfellsohle, Lederschuhe (2x), Lederhandschuhe (7x), Ledergürtel (4x), Lederarmband (2x) 5 0 0,0 % 0 0 0 0 0 Verletzungsgefahr bei bestimmungsgemäßem Gebrauch Teller, Suppen bzw. Salat-/Dessertschalen (2x), Schleckmuscheln Gegenstände und Materialien mit Lebensmittelkontakt 1.091 289 26,5 % 0 14 114 211 0 Gegenstände mit Körperkontakt 864 155 17,9 % 0 21 92 60 0 Spielwaren und Scherzartikel 288 29 10,1 % 0 0 26 3 0 Reinigungs- und Pflegemittel 59 25 42,4 % 0 9 2 14 0 0 0 0 0 0 0 0 0 35 7 20,0 % 0 0 0 0 7 Kosmetische Mittel 10 Hoher Gehalt an freiem Formaldehyd Haarglättungsmittel 5 Methylacryalat, das ein hohes Sensibilisierungspotenzial aufweistNagelbehandlungsmittel 1 Gehalt an Wasserstoffperoxid, der für die Abgabe an Endverbraucher unzulässig ist Zahnbleichmittel 1 Verbotener Stoff (2-Aminophenol) Färbemittel für Augenbrauen Tabakwaren Verwechselbarkeit mit Lebensmitteln (scharfkantig, verschluckbar) 41 12,0 % 0 0 35 5 1 5.585 621 11,1 % 547 1 11 0 4 18 Anti-Cellulite Cremes 343 16 Hoher Gehalt an Coffein, das durch die Haut aufgenommen werden kann Kein Erzeugnis nach LFGB Trinkwasser (siehe Kapitel IV) Schnittkäse, Hackfleisch (3x), Lachsschinken, Rindswurst, Leberwurst, geräucherte Forellenfilets, Pesto (2x) 90 195 26,3 % 00 1 40 Anzahl Lebensmittel 459 2.302498 21,6 % 0 44234288 0 Kein Erzeugnis nach LFGB Probenbezeichnung Bedarfsgegenstände Bedarfsgegenstände Verpackungsmaterialien für kosmetische Mittel und Tabakwaren Als gesundheitsschädlich beurteilt wegen JA H R E S B E R I C H T 2015 Achtung: Gesundheitsgefahr! Übersicht: Untersuchungsergebnisse Produktgruppe Ü B E R S I C H T: U N T E R SU C H U N G S E RG E B N I S S E AC H T U N G: G E SU N D H E I T S G E FA H R! Dekogegenstände (Äpfel, Erdbeeren, Trauben …) 1 6 6 87 Ergebnisse der Untersuchungen an Lebensmitteln, kosmetischen Mitteln, Bedarfsgegenständen, Tabakwaren und Trinkwasser. 40 41 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Krankmachenden Lebensmittelkeimen auf der Spur K R A N K M AC H E N D E N L E B E N S M I T T E L K E I M E N AU F D E R S P U R JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Welche Wirkung hatte das Gutachten? Die 4 CVUAs untersuchen amtliche Lebensmittelproben auf ihre mikrobiologische Unbedenklichkeit. Sie haben 2015 insgesamt 13.880 Proben (Vorjahr: 15.863), bestehend aus 10.113 Planproben und 3.767 Anlassproben, mikrobiologisch untersucht. 942 Planproben (8,0 %) und 754 Anlassproben (18,3 %) haben sie aufgrund dieser Untersuchungen beanstandet und bei 655 Proben darüber hinaus auf Mängel hingewiesen. 27 Proben (0,2 %) wurden als gesundheitsschädlich beurteilt. 495 Proben (3,1 %) waren aufgrund des grobsinnlichen und/oder mikrobiologischen Untersuchungsbefundes „nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet“, 94 Proben (0,6 %) „wertgemindert“. Zentral im Land untersucht das CVUA Stuttgart mikrobiologisch Lebensmittelproben, die in einem Erkrankungszusammenhang stehen. Es hat im Jahr 2015 im Zusammenhang mit vermeintlich lebensmittelbedingten Erkrankungen insgesamt 1.261 sogenannte Erkrankungsproben zu 323 Ausbrüchen bearbeitet. Ein lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch ist laut AVV Zoonosen Lebensmittelkette definiert als „das Auftreten einer mit demselben Lebensmittel in Zusammenhang stehenden oder wahrscheinlich in Zusammenhang stehenden Krankheit in mindestens 2 Fällen beim Menschen oder eine Situation, in der sich die festgestellten Fälle stärker häufen als erwartet“. Diese Proben sind nicht planbar. Der Vergleich der letzten 6 Jahre zeigt, dass die Zahl der Ausbrüche und die Zahl der eingeschickten Proben tendenziell leicht abgenommen haben. Zahl der Proben, die 2015 als gesundheitsschädlich beanstandet wurden wegen: Aufgrund des Gutachtens mussten keine aktuellen Maßnahmen ergriffen werden. Denn der Hersteller hatte dieses Produkt bereits im Januar 2015 öffentlich zurückgerufen. Die Behörden hatten die Unternehmensmeldung im Portal www.Lebensmittelwarnung.de ein- gestellt und diese ging zumindest im Internet durch die Medien. Auch die belieferten Lebensmittelgeschäfte hatten per Aushang vor der Salmonellen-Kontamination des Sesammuses gewarnt. Dennoch hatte diese wichtige Information die erkrankte Verbraucherin offensichtlich nicht erreicht. Der Fall macht 2 Dinge deutlich: Zum einen ist die Information der Öffentlichkeit gerade bei verzehrsfertigen Lebensmitteln, die mit Krankheitserregern verunreinigt sind, zwingend notwendig, weil hier die konkrete Gesundheitsgefahr vorliegt. Zum anderen ist es schwierig, alle Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich zu erreichen und damit die Gefahr der Gesundheitsschädigung zu verhindern. Birgit Bienzle, MLR 1 2 Listerien-Untersuchungen 10 4 Listeria monocytogenes 10 verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC)5 Histamin5 5 Salmonellen4 5 Staphylococcus aureus einschl. Staph. Enterotoxin 2 Bacillus cereus 1 ◆ Nachfolgend werden Beispiele zu lebensmittelbedingten Erkrankungsfällen dargestellt. Krankmachendes Sesammus Im Februar 2015 klagte eine Verbraucherin etwa 12 Stunden, nachdem sie Sesammus (Tahin) verzehrt hatte, über Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Fieber. Sie übergab deshalb die Restmenge des Produktes an die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde, die das Lebensmittel zur weiteren Untersuchung an das CVUA Stuttgart weiterleitete. Dort wurden mithilfe der mikrobiologischen Untersuchung aus dem Sesammus gleich 2 SalmonellaSerovare nachgewiesen: Salmonella Give und Salmonella Chicago. Eine Lebensmittelinfektion durch Salmonellen führt in der Regel 12 bis 36 Stunden nach dem Verzehr des Lebensmittels zu Symptomen wie Kopfschmerz, Unwohlsein, Erbrechen, Leibschmerzen, leichtem Fieber und Durchfällen. Die Sachverständige beurteilte deshalb das Sesammus als gesundheitsschädlich. 42 Listeria monocytogenes ist als Auslöser schwerwiegender lebensmittelbedingter Erkrankungen bekannt. Im Vergleich zu Campylobacter-Infektionen und Salmonellosen ist die Listeriose zwar eine eher seltene Erkrankung, allerdings weist sie eine hohe Sterblichkeitsrate von 20 % auf, insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel älteren Menschen. Bei Patienten mit gutem Immunsystem verläuft die Infektion meist symptomlos oder mit leichter, grippeähnlicher Symptomatik. Dagegen können die Erreger bei Patienten mit Abwehrschwäche schwere Infektionen verursachen. Die Listeriose während der Schwangerschaft kann zum Abort oder konnataler Listeriose führen. Der Verzehr kontaminierter Lebensmittel gilt als hauptsächlicher Übertragungsweg auf den Menschen, wobei die Lebensmittel ihrerseits einer Vielzahl von Kontaminationsquellen ausgesetzt sein können. Listerien sind überall verbreitet, besonders an kühlen, feuchten Stellen. Der Nachweis von Listerien in Lebensmitteln weist immer auf ein Hygieneproblem hin. Gemäß den mikrobiologischen Sicherheitskriterien der VO (EG) Nr. 2073/2005 gelten verzehrfertige Lebensmittel mit L. monocytogenes-Gehalten von über 100 KbE/g als nicht sicher. Sie sind geeignet, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Listerien-Untersuchungen in Baden-Württemberg Von 9.482 in Baden-Württemberg auf Listerien untersuchten Proben konnten die CVUAs in 338 Proben (3,6 %) diese Bakterien nachweisen. In 201 Fällen haben sie die pathogene Art L. monocytogenes differenziert (2,1 %). Am häufigsten wurde L. monocytogenes nachgewiesen in rohem roten Fleisch einschließlich Rohwürsten (93) und bei Fischerzeugnissen (53). Bei letzteren handelte es sich überwiegend um vakuumverpackte Räucherfischwaren. Eine Gefahr für den Menschen stellen diejenigen kontaminierten Lebensmittel dar, die vor dem Verzehr nicht mehr unbedingt durcherhitzt werden. Aus diesem Grund wurden 10 Lebensmittel wegen des Nachweises von L. monocytogenes in einer Konzentration über 100 KbE/g als nicht sicher und gesundheitsschädlich beurteilt: 3 Mal rohes Hackfleisch, 3 Mal Fleischerzeugnisse, 1 Mal Schnittkäse, 1 Mal geräucherte Forellenfilets und 2 Mal Pesto-Proben. ◆ 43 Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen 2014 hat das RKI erneut auf eine Häufung von ListerioseErkrankungen in verschiedenen Landkreisen in BadenWürttemberg hingewiesen. Bei der Feintypisierung dieser Isolate zeigte sich, dass es sich sehr wahrscheinlich um denselben Stamm handelte (PFGE-Muster 13a/54), der seit 2012 bereits über 30 Erkrankungen in mehreren Bundesländern verursacht hatte. Um in einem solchen Fall die mögliche Infektionsquelle zu ermitteln, ist ein gemeinsames Vorgehen der Lebensmittelüberwachungsbehörden und des öffentlichen Gesundheitswesens notwendig. Durch gute Kontakte und regelmäßige Zusammenarbeit der Behörden und Untersuchungsämter, wie LGA und CVUA Stuttgart, wird dies erleichtert. Erste Patientenbefragungen lenkten den Verdacht auf Brühwürstchen. In anschließenden umfangreichen Untersuchungen durch die CVUAs konnte dieser Verdacht jedoch nicht bestätigt werden. Derzeit untersucht das CVUA Stuttgart verstärkt L. monocytogenes-Isolate aus der amtlichen Routine sowie aus betrieblichen Eigenkontrollen auf die Zugehörigkeit zu diesem sogenannten „Würstel-Cluster“ mittels Infrarotspektroskopie. Zusätzlich werden die verdächtigen Proben zur Abklärung ans BfR, das Nationale Referenzlabor für Listerien, gesandt. TEIL III UNTERSUCHUNGEN K R A N K M AC H E N D E N L E B E N S M I T T E L K E I M E N AU F D E R S P U R AC H T U N G: G E FA H R B E I M V E R S C H LU C K E N Bislang konnte jedoch die Infektionsquelle nicht näher eingegrenzt werden, die Untersuchungen werden daher fortgeführt. Achtung: Gefahr beim Verschlucken Histamin-Untersuchungen Das gehört nicht in Lebensmittel Wenn Thunfischfleisch verdirbt, werden zahlreiche Stoffwechsel- und Abbauprodukte gebildet, die für den Menschen toxisch sein können. Insbesondere gehört dazu das biogene Amin Histamin, das durch Eiweißabbau entsteht. Der toxische Schwellenwert ist bei Normalpersonen im Bereich von 100 mg bei oraler Aufnahme anzusetzen. Da jedoch große Unterschiede in der individuellen Empfindlichkeit gegen biogene Amine bestehen, kann dieser Wert nur als grobe Orientierung angesehen werden. Vergiftungsserscheinungen können schon bei weit geringeren Konzentrationen auftreten. Die Symptome einer Histaminvergiftung sind Brennen im Mund, Taubheitsgefühl auf der Zunge, Hautrötungen bis hin zum Nesselausschlag, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Schwindel, Übelkeit bis zum Erbrechen, Magenbeschwerden und Bauchschmerzen bis zum Durchfall. Typischerweise treten diese Symptome bereits 30 bis 60 Minuten nach dem Verzehr der thunfischhaltigen Lebensmittel auf. Fremdkörper in Lebensmitteln stellen ein erhebliches Sicherheitsproblem dar. Sie gelangen entweder durch die Rohwaren oder beim Produktionsprozess in die Lebensmittel. Ein erheblicher Teil der Rückrufe von Lebensmitteln erfolgt wegen enthaltener Fremdkörper; diese sind nicht nur ekelerregend, sondern meist auch geeignet, die Gesundheit der Verbraucher zu schädigen. Die Suche nach der Herkunft eines Fremdkörpers gestaltet sich meist schwierig und erfordert nicht selten detektivischen Spürsinn und technisch aufwendige Nachuntersuchungen. Histaminvergiftungen durch keimbelastetes Thunfischfleisch In insgesamt 5 verschiedenen Fällen haben Lebensmittelüberwachungsbehörden offenes Thunfischfleisch in Verbindung mit Erkrankungen zur Untersuchung eingereicht. In der Regel stammte es aus Pizzerien zur Herstellung von Thunfischpizza, einmal handelte es sich um Thunfischsalat. Allen beschriebenen Erkrankungsfällen war gemeinsam, dass sehr rasch nach dem Verzehr der thunfischhaltigen Lebensmittel die typischen Symptome einer Histaminvergiftung aufgetreten waren. Tatsächlich konnten in allen Fällen eine sehr starke Keimbelastung sowie hohe bis sehr hohe Histamin-Gehalte von 173 bis 4.155 mg/kg nachgewiesen werden. In allen Fällen war deshalb ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr der thunfischhaltigen Lebensmittel und den Erkrankungen anzunehmen. Das CVUA hat die Lebensmittel als gesundheitsschädlich beurteilt. Thunfischfleisch aus der Dose ist aufgrund der Herstellung üblicherweise sehr keimarm. Erst wenn die Dosen in der Gastronomie geöffnet und dann das Thunfischfleisch zu lange und/oder unsachgemäß gelagert und behandelt wird, entstehen die starken Keimbelastungen und daraus resultierend die hohen Histamingehalte. Bei der Lebensmittelüberwachung gehen regelmäßig Verbraucherbeschwerden ein, wenn in Lebensmitteln etwas gefunden wird, was dort mutmaßlich nicht hineingehört. Manchmal sind sie „nur“ ekelerregend, manchmal sogar gesundheitsschädlich. In der tabellarischen Übersicht der als gesundheitsschädlich beanstandeten Lebensmittel ist wieder eine große Vielfalt solcher Beispiele aufgeführt. Fremdkörper aus Glas, Metall, Kunststoff oder Holz, aber auch Knochenstücke und Steine, die beim Verzehr aufgrund der Form und Größe zu Verletzungen führen können, wurden von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Lebensmitteln gefunden. 44 Knochenstück Eincent-Münze Zahnstocher Metallstück Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse 2015 sind im Internet veröffentlicht worden: www.ua-bw.de. Dr. Alfred Friedrich und Dr. Sabine Horlacher, CVUA Stuttgart JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Metallspäne Die derart verunreinigten Lebensmittel sind als nicht sicher zu beurteilen. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um einen Einzelfall handelt und derart verunreinigte Ware in den Privathaushalten vorhanden ist, erfolgt nicht nur eine Rücknahme im Handel, sondern auch die Information der Öffentlichkeit über die Medien und im Internet auf dem bundesweiten Portal www.Lebensmittelwarnung.de. Bei Produkten, die in Baden-Württemberg an Verbraucherinnen oder Verbraucher abgegeben wurden, informiert das MLR auch auf der eigenen Internetseite: http://mlr.baden-wuerttemberg.de > Unser Service > Lebensmittel- und Produktwarnungen. Ein kurioser Fall eines Fremdkörpers, der ekelerregend, nicht aber gesundheitsschädlich war, wird in Kapitel II beschrieben. Über die „Kröte im Spinat“ ist auch ein kurzer Internetbericht veröffentlicht: www.ua-bw.de. 45 AC H T U N G: G E FA H R B E I M V E R S C H LU C K E N · TÖ D L I C H E S G A R T E N G E M Ü S E G E FÄ H R L I C H E H A A RG L ÄT T E R Sind das Lebensmittel? Tödliches Gartengemüse Gefährliche Haarglätter Nicht nur Fremdkörper in Lebensmitteln können gefährlich sein, wenn sie mitverzehrt werden. Auch Produkte, die gar keine Lebensmittel sind, können insbesondere von Kleinkindern in den Mund genommen und verschluckt werden, wenn sie mit Lebensmitteln verwechselbar sind. Scharfe oder spitze Teile können dabei im Mund- und Rachenraum oder im Verdauungskanal zu Verletzungen führen. Wenn sie als Ganzes verschluckbar sind, kann dies im schlimmsten Fall zum Ersticken führen. Daher hat der Gesetzgeber verboten, solche Produkte in den Verkehr zu bringen. Im August 2015 hat das CVUA Stuttgart 2 Verdachtsproben Zucchini untersucht, nachdem bei einem älteren Ehepaar mutmaßlich infolge des Verzehrs eines Zucchinigerichts schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgetreten waren. In deren Verlauf mussten beide Personen intensivmedizinisch betreut werden, eine Person ist verstorben. Im Rahmen der durchgeführten chemischen Untersuchungen hat das CVUA in einer Probe erhebliche Gehalte an giftigen Cucurbitacinen nachgewiesen. Formaldehydhaltige Produkte aus dem Internet Immer wieder gerät deshalb Dekomaterial in den Fokus der Lebensmittelüberwachungsbehörden. Im Berichtsjahr hat das CVUA Stuttgart insgesamt 5 verschiedene Dekogegenstände aufgrund der genannten Gefahren als gesundheitsschädlich beurteilt. Dazu gehörten Zieräpfelchen, künstliche Erdbeeren, Trauben und Beeren. Solche Artikel sind zu jeder Jahreszeit beliebt, daher bietet der Handel immer naturgetreuere Früchte für die Zimmerdekoration an. Aber nicht nur die Hersteller und Anbieter sind vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher sollten Kleinkinder von solchen Dekorationen auf Tischen, Fensterbänken und in hübschen Schalen fernhalten, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Denn die Kleinen sind nicht nur neugierig, sondern nehmen gerne auch alles Mögliche in den Mund – ganz besonders, wenn es zum Anbeißen lecker aussieht. Deko-Erdbeeren Deko-Trauben Birgit Bienzle, MLR 46 TEIL III UNTERSUCHUNGEN JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Nachdem die Kosmetiküberwachung des Landes im Herbst 2010 vor formaldehydhaltigen Haarglättungsmitteln gewarnt hatte, fand das Kosmetiklabor bei den stichprobenartigen Untersuchungen von Proben aus dem Einzelhandel in den Jahren 2011 bis 2014 keine dieser gesundheitsschädlichen Haarglättungsmittel mehr. Das Projekt 2015 „Haarglättungsmittel im Internethandel“ zeigt hingegen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sehr wohl noch vermeintlich harmlose Produkte übers Internet erwerben können. Von insgesamt 17 Proben hat das CVUA Karlsruhe 5 Proben als nicht sicher für die menschliche Gesundheit beurteilt. Es hatte in den Proben zwischen 1,3 und 6,5 % freies Formaldehyd bestimmt. Wegen des hohen Gehaltes an freiem Formaldehyd geht bei Verwendung dieser Produkte ein ernstes Risiko für die menschliche Gesundheit aus. Zu den Testkäufen im Internet und dem weiteren Vorgehen nach den Beanstandungen berichtet die SES in Kapitel II. Zucchini Bei Cucurbitacinen handelt es sich um eine Gruppe von toxischen Stoffen, die von verschiedenen Kürbisgewächsen, zu denen neben Kürbissen auch Zucchini, Gurken oder Melonen zählen, natürlicherweise gebildet werden können. Die Gruppe umfasst etwa 40 Einzelstoffe. Cucurbitacine verursachen einen stark bitteren Geschmack, wirken als Zellgift und können Lebensmittelvergiftungen mit gastrointestinaler Symptomatik hervorrufen. Je nach aufgenommener Dosis können die Symptome von Übelkeit, Erbrechen, Magenkrämpfen und Durchfall bis hin zu lebensbedrohlicher hämorrhagischer Gastroenteritis reichen. In seltenen Fällen wurden bereits Vergiftungen mit tödlichem Verlauf beschrieben. Das in der Probe festgestellte Muster an Cucurbitacinen sowie deren Gehalte sind als typisch für bittere Zucchini zu bezeichnen. Das CVUA Stuttgart hat den Fall in einem kurzen Bericht veröffentlicht: www.ua-bw.de. Kurze Zeit später hat auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Internet über vermehrte Vergiftungsfälle durch bittere Zucchini berichtet (www.lgl.bayern.de). Das BfR hat daraufhin die Fälle in seiner Mitteilung Nr. 027/2015 vom 4. September 2015 bewertet (www.bfr. bund.de). Das BfR empfiehlt, einen ungewöhnlich bitteren Geschmack als Warnzeichen zu deuten, dass derartige Zucchini nicht zum Verzehr geeignet sind. Vor der Zubereitung sollte das rohe Gemüse gekostet und bei einem bitteren Geschmack nicht verwendet werden. ◆ Zum Hintergrund: Vor 5 Jahren berichtete die amtliche Kosmetiküberwachung Baden-Württembergs über Haarglättungsmittel, die als sensationelle Neuheit in Friseursalons und im Internet angeboten worden waren. Sie stammten aus den USA und aus Brasilien und waren irreführend aufgemacht. Die Werbeaussagen behaupteten, dass der Haarglättungseffekt durch einen gesundheitlich unbedenklichen Keratinkomplex erzielt würde. Die Analysen im Labor wiesen dagegen nach, dass die Produkte bis zu 8 % Formaldehyd enthielten. Mit diesem Wirkstoff kann während der Friseurbehandlung mit einem Glätteisen bei hohen Temperaturen eine perfekte, über Monate anhaltende Haarglättung erzielt werden. Während dieser Anwendung atmen aber sowohl das Friseurpersonal als auch die Kundschaft giftige Formaldehyd-Dämpfe ein. Formaldehyd ist aufgrund seiner erwiesenen krebserzeugenden Wirkung im Bereich der Nasen- und Rachenepithelien für diesen Verwendungszweck EU-weit verboten. Das MLR hat am 29.10.2010 vor Haarglättungsmitteln mit verbotenem Formaldehyd gewarnt. Ein ausführlicher Fachbericht aus demselben Jahr ist veröffentlicht: www.ua-bw.de. Thomas Kapp, CVUA Stuttgart Dr. Gerd Mildau, CVUA Karlsruhe Glyoxylsäure – eine harmlose Alternative? Inzwischen gibt es einen Alternativwirkstoff für Formaldehyd, und zwar die Glyoxylsäure, auch Oxoessigsäure (CAS 298-12-4) genannt. Sie ist in der EU-Kosmetikverordnung bisher nicht geregelt, also auch nicht verboten. Glyoxylsäure hat kein krebserregendes Potenzial und ist in Haarglättungsmitteln zwischen 10 und 20 % enthalten. Das Funktionsprinzip ist ähnlich wie bei Formaldehyd, nämlich die Vernetzung der Keratin-Proteine des Haares durch Hitzeeinwirkung mit dem Glätteisen. Bei Glättungstemperaturen von 180 bis 230 °C und einer Prozedur im Friseursalon von bis zu 45 Minuten je nach Haarlänge und Haardicke ist eine für Verbraucher und Friseur unangenehme Dampfentwicklung zu beobachten. Das CVUA Karlsruhe hatte die Sicherheitsbewertung eines untersuchten Produktes mit einem Glyoxylsäuregehalt von 20 % eingesehen. Sowohl Friseur als auch Kunden sind den Glyoxylsäuredämpfen ausgesetzt. Für den toxikologisch wichtigen Endpunkt der Inhalationstoxikologie lagen jedoch keine Daten vor, weshalb diese Sicherheitsbewertung nicht geeignet war, die Sicherheit des Produktes ausreichend zu belegen. Aus diesem Grund wurde das Produkt als nicht verkehrsfähig beurteilt. 47 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Strahlend weiße Zähne – nicht ungefährlich Sagt das Etikett die Wahrheit? Dank Sauerstoffbleiche wieder strahlend weiße Zähne. Das wünschen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Doch Zahnbleichmittel sind nicht ungefährlich. Daher hat der europäische Gesetzgeber strenge Vorschriften für die Abgabe dieser Produkte festgelegt. Das Untersuchungsprogramm im Jahr 2015 ergibt keine strahlende Bilanz: Mehr als zwei Drittel der Proben waren zu beanstanden. Täuschungsschutz ist neben dem Gesundheitsschutz das zweite klassische Ziel der Lebensmittelüberwachung. Die Bekämpfung von sogenanntem Lebensmittelbetrug ist seit dem Pferdefleischskandal im Jahr 2013 stärker in den Fokus der Behörden und der Öffentlichkeit gerückt. Aber nicht nur dadurch gewinnen neue Fragestellungen wie der Herkunftsnachweis oder die Überprüfung der „Bio“-Kennzeichnung immer mehr an Bedeutung. Auch die Verbrauchererwartung an die Informationen zu den gekauften Lebensmitteln und Produkten steigt immer mehr. STRAHLEND WEISSE Z ÄHNE – NICHT UNGEFÄHRLICH · SAGT DAS E TIKE T T ALLES? FREMDWASSER IN GEFLÜGELFLEISCH? JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Was ist eine Konformitätserklärung? Eine Konformitätserklärung (KE) bestätigt, dass der betreffende Gegenstand so hergestellt wurde, dass er den geltenden Vorschriften entspricht und mit Lebensmitteln in Kontakt kommen darf. Außerdem soll sichergestellt werden, dass für die Sicherheit des Verbrauchers Informationen, beispielsweise Verwendungshinweise, in der Herstellungskette weitergegeben werden. Das CVUA Stuttgart hat den ausführlichen Bericht im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Dort ist auch für Unternehmen ein Merkblatt über die Herstellung und Kennzeichnung von Lebensmittelbedarfsgegenständen aus Keramik abrufbar. Magdalena Köhler, CVUA Stuttgart Sagt das Etikett alles? ◆ Seit 1. November 2012 gibt es für Zahnbleichmittel mit Wasserstoffperoxid im kosmetischen Bereich neue rechtliche Regelungen. Die baden-württembergische Kosmetiküberwachung nahm 2015 diese Produktgruppe unter die Lupe – gezielt Produkte aus dem Internet, aber auch direkt von Herstellern. Von den 19 untersuchten Proben waren 7 (37 %) zu beanstanden. Eine Probe musste das CVUA Karlsruhe als nicht sicher für die menschliche Gesundheit bewerten, da jeder sie über das Internet beziehen konnte und damit die vorgeschriebene ärztliche Betreuung nicht sichergestellt war. Bei der Probe handelte es sich um transparente dünne Kunststoffstreifen, die jeweils mit einer wasserstoffperoxidhaltigen oder freisetzenden Gelschicht belegt sind. Der ermittelte Wasserstoffperoxidgehalt betrug 5,5 %. Gemäß der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Komitees für Verbraucherprodukte der EU gibt eine fehlende ärztliche Betreuung Anlass zu gesundheitlichen Bedenken. Ein erhöhtes gesundheitliches Risiko besteht bei Verletzungen des Zahnfleisches oder der Mundschleimhäute, aber auch bei ständigem Genuss von Alkohol und Tabak. Denn Wasserstoffperoxid kann das durch Tabakkonsum oder Alkoholmissbrauch erhöhte Risiko, Krebs im Mundraum zu entwickeln, weiter erhöhen. Hier sollte also besondere Vorsicht für die Anwendung gelten. Auf der Verpackung wurden dagegen Raucher und Weintrinker besonders angesprochen beziehungsweise die Anwendung speziell bei dieser Personengruppe empfohlen. Die erforderlichen Warnhinweise, wie „nicht bei Personen unter 18 Jahren verwenden“, fehlten. Erschwerend kam hinzu, dass im Internet noch gefahrenverharmlosend geworben wurde mit „enthält weniger als 0,1 % Wasserstoffperoxid“. Das CVUA Karlsruhe hat den ausführlichen Bericht im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Nicht nur das, was drauf steht, muss stimmen. Die Kennzeichnung muss auch vollständig sein und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Denn nur so sind die Verbraucherinnen und Verbraucher auch vollständig informiert über das, was sie kaufen. Konformitätserklärung für Keramik – mehr als ein Beipackzettel Auf Weihnachtsmärkten gibt es jedes Jahr wieder Tassen, Teller und Schüsseln und vieles mehr aus Keramik. Was die Verbraucher jedoch nicht wissen: Bei jedem Kauf eines Produktes aus Keramik, das mit Lebensmitteln in Kontakt kommt, muss eine sogenannte Konformitätserklärung (KE) ausgehändigt werden. Doch die Realität sieht anders aus. Im Jahr 2015 haben die Händler bei 37 von 38 Proben keine Konformitätserklärung ausgehändigt. Die Situation hat sich damit in den letzten Jahren sogar verschlechtert. 2013 hatten 72 % der 57 Proben, 2014 nur 27 % keine oder eine mangelhafte KE. Im Berichtsjahr musste das CVUA nun 97 % wegen der fehlenden KE beanstanden. Diese Produkte dürfen von Rechts wegen nicht in den Verkehr gebracht werden. Fremdwasser in Geflügelfleisch? Fleisch von Huhn und Pute wird immer beliebter. Bei rohem Fleisch ist die Gewichtssteigerung durch den Zusatz von fleischfremdem Wasser eine altbekannte Möglichkeit zum Betrug am Verbraucher. Nur bei ausdrücklicher Kennzeichnung kann Geflügelfleisch zulässige Mengen, beispielsweise an Flüssigwürze, enthalten. Die landesweiten Untersuchungen von 94 Proben zeigen ein erfreuliches Ergebnis: Die CVUAs mussten keine der Proben wegen eines möglichen Fremdwassergehaltes beanstanden. Der Geflügelfleischverzehr in Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich gestiegen. Der ProKopf-Verbrauch lag 1952 noch bei rund 1,2 kg. 1978 war er bereits auf über 10 kg gestiegen und 2013 verzehrte jeder Bürger etwa 19,4 kg Geflügelfleisch. Neben dem günstigen Preis ist für diesen Anstieg ausschlaggebend, dass Geflügelfleisch den Wünschen der Konsumenten nach kalorienarmer und leicht verdaulicher Kost entspricht. Am häufigsten kommt Huhn auf den Tisch, der Putenfleischverzehr hat allerdings stark zugenommen. Was regelt das Lebensmittelrecht? ◆ § In der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 sind Durchschnittswerte und Höchstwerte für das Wasser-Eiweiß-Verhältnis (W/E-Verhältnis) für die unterschiedlichen Fleischstücke von Puten- und Hähnchenfleisch, abhängig vom Herstellungsverfahren, aufgeführt. Wird Fremdwasser zum Beispiel in Form von Flüssigwürze zugesetzt, handelt es sich nicht mehr um „rohes Geflügel“, sondern um eine Geflügelfleischzubereitung. Die Abweichung von der allgemeinen Verkehrsauffassung ist durch eine beschreibende Verkehrsbezeichnung nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) kenntlich zu machen. Dr. Gerd Mildau, CVUA Karlsruhe 48 49 TEIL III UNTERSUCHUNGEN F R E M DWA S S E R I N G E F LÜ G E L F L E I S C H? WA S I ST DIE L MI V? Untersuchungsergebnisse Was ist die LMIV? Ein unzulässiger Wasserzusatz erhöht das Fleischgewicht. Damit kauft die Kundschaft das Fleisch überteuert ein. Mithilfe des W/E-Verhältnisses ist es möglich, eine Zugabe von Fremdwasser zu erkennen. Denn der Wassergehalt von Fleisch steht zu dessen Eiweißgehalt in einem bestimmten, relativ konstanten Verhältnis. Für die Kennzeichnung von Lebensmitteln gilt seit 13. Dezember 2014 weitgehend die neue europäische Lebensmittelinformationsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, kurz LMIV). Die Überprüfung der neuen Vorgaben war für die Lebensmittelüberwachung im Jahr 2015 eine zentrale Aufgabe und Herausforderung. Die LMIV führt in vielen Teilen die schon bisher geltenden Regelungen der nationalen Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) fort, beispielsweise bei der Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums, der Angabe des Herstellers oder der Angabe eines Zutatenverzeichnisses. In anderen Teilen werden die Kennzeichnungsvorschriften ausgedehnt und präzisiert. Bereits 2013 haben die CVUAs im Rahmen eines landesweiten Projekts Geflügelteilstücke auf Phosphat- sowie Wasserzusätze untersucht und die Ergebnisse im Jahresbericht veröffentlicht. Dieses Projekt wurde 2015 nochmals aufgegriffen und 94 rohe Geflügelfleischproben – Hähnchenbrustfilet, Putenbrustfilet und entbeintes Fleisch von Hähnchen- und Putenschenkeln – auf Fremdwasserzusätze über das W/E-Verhältnis überprüft. Keine der untersuchten Proben war wegen eines Fremdwasserzusatzes zu beanstanden. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Untersuchungsergebnisse des W/E-Verhältnisses bei Geflügelfleisch Probenzahl W/E-Verhältnis durchschnittliches W/E-Verhältnis nach VO (EG) Nr. 543/2008 Hähnchenbrustfilet, ohne Haut 36 3,29 ± 0,12 3,19 ± 0,12 Putenbrustfilet, ohne Haut 30 3,09 ± 0,19 3,05 ± 0,15 entbeintes Fleisch von Hähnchenschenkeln 24 4,03 ± 0,11 4 3,79 ± 0,15 entbeintes Fleisch von Putenschenkeln 3,65 ± 0,17 (ohne Haut) ◆ Die weitreichendsten Neuerungen beziehen sich auf die Allergenkennzeichnung. Nach den bisherigen Vorgaben der LMKV musste auf bestimmte Zutaten, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können, wie glutenhaltige Getreideerzeugnisse, Eier, Erdnüsse und Milch, auf Verpackungen hingewiesen werden. Nach der LMIV müssen diese Zutaten nun im Zutatenverzeichnis hervorgehoben dargestellt werden, beispielsweise durch Fettdruck. Neu ist auch, dass die 14 Zutaten, die allergische oder andere Unverträglichkeitsreaktionen auslösen können, auch bei loser Abgabe von Lebensmitteln angegeben werden müssen, beispielsweise auf Speisekarten oder Schildern an der Ware. Neben der fehlenden oder unzureichenden Allergenkennzeichnung waren insbesondere die neuen Vorgaben zur Nährwertkennzeichnung und die neu eingeführte Mindestschriftgröße für die verpflichtenden Angaben sehr häufig Grund für eine Beanstandung. ◆ Für entbeintes Fleisch von Hähnchenschenkeln gibt die Verordnung (EG) Nr. 543/2008 keine durchschnittlichen Werte vor. Das in diesen Proben ermittelte W/E-Verhältnis ist im Vergleich zum entsprechenden Putenfleisch zwar höher, aber dieser Unterschied zwischen Hähnchen- und Putenfleisch ist mit den Ergebnissen bei den untersuchten Brustfilets vergleichbar. Inge Eversberg und die Mitglieder der ALUA-AG „Fleisch, Fisch und Erzeugnisse“ 50 Die Anforderungen der LMIV stellen aber auch Lebensmittelbetriebe vor erhebliche Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise die Frage aufgeworfen, wer überhaupt als Lebensmittelunternehmer einzustufen ist und folglich die Vorgaben der LMIV einzuhalten hat. Gelten die Regelungen der LMIV zum Beispiel auch für schulische Veranstaltungen oder lokale Vereinsfeste? Das CVUA Sigmaringen war an einer Landesarbeitsgruppe des MLR beteiligt, die diese Frage klären sollte. Die Arbeitsgruppe hat eine Entscheidungshilfe erarbeitet, die die Lebensmittelüberwachungsbehörden des Landes bei der Beantwortung der Fragestellung unterstützt, wann eine Tätigkeit als Lebensmittelunternehmer vorliegt. So liegen zum Beispiel bei der gelegentlichen Abgabe von selbst hergestellten Speisen wie Kuchen auf kleinen gemeinnützigen Festen oder beim Verkauf von Konfitüren durch Schulklassen auf Weihnachtsmärkten keine lebensmittelunternehmerischen Tätigkeiten vor, sodass für diese Lebensmittel die Allergenkennzeichnung und die weiteren Vorgaben der LMIV nicht verpflichtend sind. Der Leitfaden ist auch im baden-württembergischen Verbraucherportal veröffentlicht: www.verbraucherportal-bw.de. Die Ergebnisse der Allergenuntersuchungen sind in diesem Kapitel unter Allergene in Lebensmitteln dargestellt. In Kapitel II sind die Ergebnisse der Überprüfung der Allergenkennzeichnung bei Kontrollen vor Ort dargestellt. Mirjam Zeiher und Paul-Hermann Reiser, CVUA Sigmaringen 51 TEIL III UNTERSUCHUNGEN N I C H T B E S O N D E R S SU P E R S C H L A N K U N D F I T M I T P I L L E N? Nicht besonders super Schlank und fit mit Pillen? Das „Super Food“ Moringa Nicht deklariertes DNP als gefährlicher „Fatburner“ Moringa liegt zusammen mit anderen angeblichen „Superfoods“, wie beispielsweise Getreidegräsern, Spirulina, Chlorella oder Maca, voll im Trend. Die getrockneten, pulverisierten Blätter des Moringabaumes sollen über das morgendliche Müsli gestreut oder als sogenannter „Smoothie“ zubereitet werden. Bequemer ist der Verzehr von Kapseln mit Moringablattpulver. Das CVUA Stuttgart hat in den Jahren 2013 bis 2015 insgesamt 16 Proben Moringa-Blattpulver untersucht. Davon waren 11 Proben als „Nahrungsergänzungsmittel“ bezeichnet. Sofern ein Herkunftsland angegeben wurde, lautete es „Indien“. Das ernüchternde Fazit der Untersuchungen lautet: n Lediglich 2 Proben wurden nicht beanstandet. n 2 der im Jahr 2015 untersuchten Proben enthielten Salmonellen und wurden als gesundheitsschädlich beurteilt (siehe Tabelle „Achtung Gesundheitsgefahr“). n 12 der 13 auf Pestizide untersuchten Erzeugnisse wiesen Rückstände auf, 8 Proben – darunter 2 „Bio“-Produkte – wurden wegen der Überschreitung von Höchstgehalten beanstandet. n 13 Proben wiesen Kennzeichnungsmängel auf, meist aufgrund irreführender nährwert- und/oder gesundheitsbezogener Bewerbung, aber auch unzulässiger krankheitsbezogener Angaben. Im Sommer 2015 hatte Interpol vor Diätpillen mit 2,4-Dinitrophenol (DNP) gewarnt. Nahrungsergänzungsmittel für Sportler versprachen eine schnelle Gewichtsreduktion durch eine Steigerung der Fettverbrennung. Über den Internethandel können solche Produkte leicht beschafft werden. Die Untersuchungsämter in Großbritannien spürten den giftigen Stoff auf und informierten über das europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) alle übrigen Mitgliedstaaten. In den daraufhin vom CVUA Karlsruhe untersuchten Proben aus dem Präsenzhandel ergaben sich keine positiven DNP-Befunde. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW ◆ ◆ 52 Was ist drin in Moringablättern? Untersuchungsergebnisse Glaubt man der Werbung – insbesondere im Internet – sind die Wirkung und der Nährstoffgehalt von Moringablättern „legendär“. Vor allem in Ostafrika wird Moringa oleifera traditionell als Heilmittel eingesetzt. Für die Behauptung, dass Moringablätter Krankheiten heilen können, gibt es aber bisher keine durch fundierte wissenschaftliche Studien erzielten Nachweise. Abgesehen davon sind krankheitsbezogene Angaben für Lebensmittel gar nicht erlaubt. Die Gegenüberstellung der Nährwerte von getrockneten, pulverisierten Moringablättern mit denen von frischer Milch, Spinat oder Bananen entspricht dem berühmten Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Die Untersuchungen einiger wichtiger Nährstoffe durch das CVUA Stuttgart zeigen, dass Moringablätter zwar ein breites Nährstoffspektrum haben, jedoch auch nur ein „normales“ Lebensmittel sind. Verglichen mit üblichen Verzehrsmengen von frischen Lebensmitteln sind in 10 g Moringablattpulver keinesfalls wie beworben enthalten: „doppelt so viel hochwertiges Eiweiß (Soja)“, „17-mal so viel Kalzium (Milch)“, „25-mal so viel Eisen (Spinat)“ bzw. „15-mal so viel Kalium (Bananen)“. Die Art und Weise dieser Bewerbung der Nährstoffgehalte hat das CVUA deshalb als zur Täuschung des Verbraucher geeignet beurteilt. Ein ausführlicher Fachbericht ist veröffentlicht: www.ua-bw.de. Im CVUA Karlsruhe als zentraler Einrichtung in Baden-Württemberg zur Untersuchung von Sportlernahrung werden derartige Proben auf unzulässige Zusätze, insbesondere auch auf nicht deklarierte Zusatzstoffe oder Zutaten untersucht. 2015 hat das CVUA insgesamt 70 Proben analysiert. Es handelte sich um Produkte zur Zufuhr von Eiweiß, Aminosäuren, Vitaminen, Mineralstoffen oder Pflanzenextrakten in Form von Pulvern, Kapseln, Flüssigkeiten, Gelen oder Riegeln. Die Kennzeichnung wies zum Teil auf Fettverbrennung, Körperstraffung oder ähnliche Wirkungen hin. Die Proben des Untersuchungsprogramms stammten aus dem stationären Handel wie Fitness-Studios, lokalen Sportgeschäften und Supermärkten, also dem sogenannten Präsenzhandel. Erfreulicherweise konnte in diesen Proben kein DNP nachgewiesen werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind also beim Erwerb von Sportlerlebensmitteln aus dem Präsenzhandel bei weitem nicht so gefährdet wie beim Internetkauf. Zu warnen ist vor allem vor Produkten aus dem internationalen Internethandel. Die hier angebotenen Nahrungsergänzungsmittel können derzeit noch kaum in die Überwachung einbezogen werden. Besonders tückisch sind nicht deklarierte DNP-Zusätze zu Sportlernahrung, deren Gefährlichkeit für den Verbraucher dann nicht erkennbar ist. Dr. Christiane Lerch und Ellen Scherbaum, CVUA Stuttgart Sibylle Maixner, CVUA Karlsruhe 53 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW TEIL III UNTERSUCHUNGEN Auf Spurensuche ... R A D I OA K T I V I TÄT P F L A N Z E N S C H U T Z M I T T E L RÜ C K S TÄ N D E U N D O RG A N I S C H E KO N TA M I N A N T E N JA H R E S B E R I C H T 2015 Pflanzenschutzmittelrückstände und organische Kontaminanten Lebensmittel tierischer Herkunft Radioaktivität 30 Jahre, genau eine Halbwertzeit des Radionuklids Cäsium (Cs)-137, liegt der Unfall im Kernkraftwerk von Tschernobyl (Ukraine) zurück. Durch den Reaktorbrand am 26. April 1986 wurden große Mengen Radioaktivität freigesetzt, die große Flächen in Europa kontaminierten, in Deutschland insbesondere den Süden. Bund und Länder installierten daraufhin mit IMIS ein deutschlandweites Messnetz für die Umweltradioaktivität, das seitdem immer weiter entwickelt wurde. Die CVUAs Stuttgart und Freiburg sind als Landesmessstellen Baden-Württembergs in das IMIS eingebunden. Sie müssen in einem Ereignisfall hohe Probenzahlen auch über längere Zeit bewältigen können. Ihre Kapazität soll mit dem Projekt „Nuklearer Notfallschutz" ausgebaut werden, für das die Landesregierung 2015 zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt hat. Der Kernkraftwerksunfall von Fukushima (Japan) hat vor rund 5 Jahren, am 11. März 2011, das Thema Radioaktivität sehr deutlich in Erinnerung gebracht. Während aus Japan nur sehr geringe Mengen radioaktiver Stoffe nach Deutschland gelangten, sind die Cs-137-Kontaminationen aus Tschernobyl auch heute noch in einigen Gebieten Baden-Württembergs im Wildschweinfleisch deutlich messbar. Ergebnisse 2015 Die beiden CVUAs haben im Jahr 2015 insgesamt 1.391 (Vorjahr: 1.070) Lebensmittel- und 26 (Vorjahr: 28) Trinkwasserproben auf Radioaktivität untersucht. Die Ergebnisse zu Futtermittel- und Bodenproben sind in Kapitel V Futtermittel dargestellt. Die untersuchten Lebensmittelproben zeigten geringe Cs-137-Gehalte im Bereich der Nachweisgrenze von 0,1 bis 1 Bq/kg. Mit Ausnahme von Wildschweinfleisch lagen die Werte damit bei allen Proben deutlich unter dem EU-Grenzwert von 600 Bq/kg, den die EU kurz nach Tschernobyl für Importe aus den besonders betroffenen Gebieten Ost- und Südosteuropas festgelegt hatte. Seither zieht die Lebensmittelüberwachung in Deutschland diesen Wert für Lebensmittel allgemein als Beurteilungsrichtwert heran, zum Beispiel bei heimischem Wild. Ein Teil der Proben wurde zusätzlich auf Strontium-90 untersucht, das durch oberirdische Kernwaffentests in den 1950er und 1960er Jahren verstärkt in die Umwelt gelangte. Strontium-90 findet sich heute zwar nur noch in Spuren in Lebensmitteln, gehört aber wegen seiner hohen Radiotoxizität weiterhin zum festen Untersuchungsprogramm. Wild-Überwachungsprogramm Mit dem Wild-Überwachungsprogramm der Landesregierung BadenWürttemberg soll erreicht werden, dass kein Wildschweinfleisch mit Cs-137-Gehalten über dem Richtwert von 600 Bq/kg in den Handel gelangt. Die stichprobenartigen Kontrollen von Wildfleisch aus Gaststätten und Metzgereien ergaben nur in einem Fall eine Richtwertüberschreitung. Das CVUA Freiburg hat die Untersuchungsergebnisse des Landesuntersuchungsprogramms für Wildschweinfleisch von allen Messstellen des Landes für das zurückliegende Jagdjahr (01.04.2015-31.03.2016) ausgewertet und im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Dort sind auch die Auswertungen der Vorjahre sowie der Gesamtbericht der Radioaktivitätsuntersuchungen 2015 abrufbar. Das CVUA Freiburg hat 2015 insgesamt 1.040 Proben tierischer Herkunft untersucht. 528 dieser Proben stammen aus dem Lebensmittelhandel mit Schwerpunkt auf den Produktgruppen Fleisch und Fleischprodukte, Leber, Fisch, Milch und Milchprodukte, Babynahrung sowie 117 Proben Honig. 279 Proben hat die Lebensmittelkontrolle im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplanes (NRKP) direkt bei den Erzeugern entnommen. Dazu kamen 2 Humanmilchproben aus Baden-Württemberg zur Untersuchung. Als Referenzlabor der WHO und des UNEP hat das CVUA Freiburg 6 gepoolte Humanmilchproben für die internationale WHO/UNEP-Studie auf Gehalte an POPs analysiert. Untersuchungsspektrum Das CVUA Freiburg untersucht seit 2001 zentral für Baden-Württemberg Lebensmittel tierischer Herkunft auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und organischen Kontaminanten. Das Pflanzenschutzmittelspektrum umfasst neben den zum langjährigen Routine-Untersuchungsprogramm gehörenden fettlöslichen Pyrethroiden, Organochlor- und Organophosphorverbindungen inzwischen auch mittelpolare und polare Pflanzenschutzmittel sowie deren Metaboliten. Das Untersuchungsprogramm für organische Kontaminanten beinhaltet insbesondere langlebige organische Schadstoffe mit der englischen Abkürzung POPs. Zusätzlich werden Nitromoschusverbindungen, synthetische Duftstoffe sowie natürlich vorkommende Inhaltsstoffe, die eine schädliche Wirkung für den Menschen haben, wie zum Beispiel Pyrrolizidinalkaloide in Honig untersucht (siehe auch Mykotoxine und Biotoxine). Nach wie vor ist eine Hintergrundbelastung an Altlasten von langlebigen Organochlorpestiziden, den sogenannten Altpestiziden, sowie an chlor- und bromorganischen Kontaminanten vorhanden, die jedoch ständig weiter abnimmt. Dennoch sind Lebensmittel tierischer Herkunft weiterhin die Hauptquelle für die Aufnahme dieser Stoffe durch den Verbraucher. Daher wird die Lebensmittelüberwachung die Rückstandssituation weiterhin beobachten, um die Aufnahme dieser unerwünschten Stoffe langfristig abzuschätzen, die zeitliche Entwicklung aufzuzeigen und eventuell vorhandene „Hot Spots“ zu erkennen. Diese Stoffgruppen sind auch Bestandteil des bundesweiten Monitorings, an dem sich das CVUA Freiburg jedes Jahr beteiligt. Besonders relevant und repräsentativ für die Belastung mit Altpestiziden und Kontaminanten sind die Stoffe Hexachlorbenzol (HCB), Lindan, Gesamt-DDT, PCB 153 (als Markersubstanz für die Stoffgruppe der polychlorierten Biphenyle), Dieldrin, Endosulfan, Moschusketon/Moschusxylol sowie die polybromierten Diphenylether (PBDE, Summe aus BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154 und 183 ). Die gemessenen Gehalte sind inzwischen sehr niedrig. Der höchste Gehalt mit 16 µg DDT/kg Rindfleisch schöpft die gültige Höchstmenge nicht einmal zu 2 % aus. Biozidrückstände in Babynahrung Das Untersuchungsspektrum bei Säuglings- und Kleinkindernahrungsmitteln umfasste im Berichtsjahr auch Biozide. Dies sind Stoffe, die während der Reinigung, beispielsweise von Arbeitsoberflächen, eingesetzt werden. Die Umgebung bei der Lebensmittelherstellung soll sauber und weitgehend keimfrei sein. Auf den Arbeitsoberflächen dürfen aber auch keine Rückstände von Bioziden verbleiben, damit diese die Lebensmittel nicht verunreinigen können. Daher müssen die Flächen nach der Anwendung mit solchen Stoffen sorgfältig nachgereinigt werden. Bekannte Biozide sind quartäre Ammoniumverbindungen (QAV) und Chlorat. Das Labor hat 34 Proben Babybrei mit Milchanteil und 19 Proben Milchmahlzeiten untersucht. In 2 Proben waren QAV bestimmbar, die Gehalte lagen aber jeweils unter der Höchstmenge. In 8 Proben gab es Befunde von Chlorat, 4 dieser Proben wurden mit Gehalten zwischen 0,02 und 0,3 mg Chlorat/kg verzehrsfertiger Nahrung beanstandet. Die ermittelten Gehalte von Rückständen und Kontaminanten lassen keinen signifikanten Unterschied zwischen Produkten aus ökologischer und solchen aus konventioneller Produktion erkennen. Die vereinzelt festgestellten geringfügig erhöhten Gehalte sind unabhängig von der Produktionsart. Der Gesamtbericht ist im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Dr. Martin Metschies, CVUA Freiburg 54 Benjamin Dambacher, CVUA Freiburg 55 TEIL III UNTERSUCHUNGEN P F L A N Z E N S C H U T Z M I T T E L RÜ C K S TÄ N D E U N D O RG A N I S C H E KO N TA M I N A N T E N T I E R A R Z N E I M I T T E L RÜ C K S TÄ N D E Tierarzneimittelrückstände Lebensmittel pflanzlicher Herkunft JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Wenn landwirtschaftliche Nutztiere wie Rinder, Schweine oder Geflügel erkranken, werden sie mit Tierarzneimitteln behandelt. Daher ist nach der Verabreichung eines Tierarzneimittels in der Regel eine Wartezeit einzuhalten, bevor von dem Tier Lebensmittel gewonnen werden dürfen. Außerdem sind für Nutztiere nur bestimmte Wirkstoffe zugelassen. Zur Entscheidung darüber, ob ein Lebensmittel verkehrsfähig ist, ziehen die Lebensmittelüberwachungsbehörden EUweit festgelegte Höchstmengen heran. Weitere Informationen zu pharmakologisch wirksamen Stoffen finden Sie im Internet: www.ua-bw.de. Kontrolle nach Plan Im Jahr 2015 hat das CVUA Stuttgart insgesamt 916 Proben Frischgemüse, 813 Proben Frischobst und 338 Proben verarbeitete Lebensmittel, Pilz-, Getreide- und Kartoffelproben aus konventionellem Anbau auf Rückstände von über 700 verschiedenen Pestiziden, Pestizidmetaboliten sowie Kontaminanten untersucht. Bei frischem Obst hat sich die Beanstandungsquote mehr als halbiert und liegt in diesem Jahr bei 5,2 %, im Vergleich zu 11 % im Jahr 2014. Dies ist vor allem auf die Verbesserung der Rückstandssituation bei Chlorat zurückzuführen. Hier ist der Anteil an Höchstmengenüberschreitungen von 6,9 % im Jahr 2014 auf 1,6 % im Berichtsjahr zurückgegangen. Wesentliche Gründe hierfür sind die umfangreichen Untersuchungen im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung, aber auch die erfolgreiche Aufklärung und Ursachenforschung hinsichtlich der Eintragswege und als Folge davon die wirksamen Eigenkontrollmaßnahmen der Inverkehrbringer zur Reduktion der Chloratrückstände in frischem Obst. Im Gegensatz dazu liegt die Beanstandungsquote bei frischem Gemüse mit fast 16 % unverändert hoch auf dem Vorjahresniveau. Hier wirkt sich die weiterhin sehr hohe Beanstandungsquote bei Chlorat (13 %) aus. Im Vergleich zu frischem Obst konnte trotz umfangreicher Untersuchungen bei Gemüse keine Verbesserung der Rückstandssituation erreicht werden. Da keine Informationen zu Eigenkontrollmaßnahmen seitens der Produzenten vorliegen, können über die genauen Gründe lediglich Vermutungen angestellt werden. Denkbare Ursachen für die zahlreichen Chloratbefunde bei Gemüse sind der Einsatz von gechlortem Wasser als Gießwasser während der Produktion oder Waschwasser zur Behandlung der Ware nach der Ernte sowie die Verwendung von chlorathaltigem Dünger. Sonderproblematik Chlorat Bis 1992 waren in Deutschland mehrere Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Natriumchlorat als Herbizide auf dem Markt, das bekannteste davon als „Unkraut-Ex“. Seit 2010 ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Chloraten EU-weit verboten. Auch in Biozid-Produkten darf Chlorat nicht angewendet werden. Als ehemalige Pflanzenschutzmittelwirkstoffe fallen Chlorate unter die Regelung der Verordnung (EG) Nr. 396/2005. Da für Chlorat keine spezifische Höchstmengen festgelegt sind, gilt wie in allen derartigen Fällen als Höchstmenge EU-weit der Standardwert von 0,01 mg/kg. Das gilt unabhängig davon, auf welchem Weg das Chlorat in das Lebensmittel gelangt. Lebensmittel, deren Chlorat-Konzentration gesichert über diesem Standardwert liegt, dürfen nach dem deutschen Lebensmittelrecht (LFGB) nicht in den Verkehr gebracht werden. Diese rechtliche Beurteilung gilt nach wie vor. Eine Verbesserung dieser Beanstandungsquote ist langfristig vermutlich nur erreichbar, wenn spezifische Höchstgehalte für Chlorat in Lebensmitteln, aber auch in Trinkwasser festgelegt werden. Seit die EFSA am 24. Juni 2015 eine neue Risikobewertung zu Chlorat in Lebensmitteln veröffentlicht hat, sollen sich die Überwachungsmaßnahmen in Deutschland bis auf Weiteres auf eine einzelfallbezogene Risikobewertung beziehen. Dafür prüft das CVUA unter Anwendung der ARfD und mittels EFSA-PRIMo im Einzelfall, ob nach Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Art. 14 ein nicht sicheres Lebensmittel vorliegt. Birgit Bienzle, MLR Insgesamt 3 Übersichtsberichte zu den Ergebnissen bei konventioneller Ware (Frischobst, Frischgemüse sowie verarbeitete Lebensmittel, Pilze, Getreide und Kartoffeln) sind im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Die Ergebnisse von Bioproben werden ausführlich im Ökomonitoringbericht 2015 dargestellt, der unter http://oekomonitoring.cvuas.de abrufbar ist. Maria Roth, CVUA Stuttgart 56 Für die Überwachung tierischer Lebensmittel auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe gibt es bereits seit 1989 EU-einheitliche Maßstäbe. Jeder Mitgliedstaat muss jährlich einen nationalen Kontrollplan erstellen und die Kontrollen entsprechend durchführen. Der nationale Rückstandskontrollplan (NRKP) legt bundesweit Mindestprobenumfang und Stoffspektrum fest und macht Vorgaben zur anzuwendenden Methodik und zur Probenahme. Trotz der zielorientierten Probenahme liegt die Beanstandungsquote beim NRKP seit Jahren in einem sehr niedrigen Bereich – nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch bundesweit, wie die NRKP-Jahresberichte auf der Internetseite des BVL zeigen (www.bvl.bund.de). Das CVUA Karlsruhe hat 2015 für Baden Württemberg insgesamt 4.970 NRKP-Proben (Vorjahr: 4.573) auf pharmakologisch wirksame Stoffe unter Einsatz von chemisch-physikalischen Methoden analysiert. Die Proben stammten überwiegend aus Schlachtbetrieben, aber auch aus Erzeugerbetrieben. Insgesamt hat das Labor 14 Rückstände an pharmakologisch wirksamen Stoffen festgestellt. Wie im Vorjahr wurden lediglich 4 Proben (0,09 %) beanstandet: n Das Antibiotikum Tetracyclin war in den Muskel- und Nieren-Proben eines Mastschweins oberhalb des zulässigen Grenzwertes nachweisbar. n In der Niere eines weiteren Schweins wurden Gehalte des Antibiotikums Dihydrostreptomycin aus der Gruppe der Aminoglycosid-Antibiotika deutlich oberhalb der zulässigen Höchstmenge bestimmt. n In der Muskulatur und Niere einer Kuh wurde Oxytetracyclin aus der Antibiotikagruppe der Tetracycline nach- gewiesen, wobei nur die ermittelte Konzentration in der Niere den zulässigen Grenzwert überstieg. n Eine Honigprobe enthielt nachweisbare Mengen des verbotenen Stoffes Chloramphenicol sowie des Antibiotikums Tetracyclin. Tetracycline wirken in der aktiven Wachstumsphase gegen den Erreger der amerikani- schen Faulbrut und werden zum Teil in Staaten außerhalb der EU zur Bekämpfung der Tierseuche eingesetzt. Aktuell ist in Deutschland allerdings kein Tierarzneimittel mit dem Wirkstoff Tetracyclin zur Behandlung von Bienen zugelassen. Für Rückstände von Tetracyclin in Honig gilt daher eine Nulltoleranz. Eine Verfolgsprobe bestätigte diesen Befund. Lebensmittelkontrolle Neben den NRKP-Proben überprüft die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung auch Lebensmittel tierischer Herkunft aus dem Handel als amtliche Proben nach dem LFGB gezielt auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe. Die Auswahl der Proben erfolgt risikoorientiert. Im Jahr 2015 hat das CVUA Karlsruhe im Rahmen der allgemeinen Lebensmittelüberwachung insgesamt 858 Proben untersucht (Vorjahr: 881 Proben). In 13 Proben wurden Tierarzneimittelrückstände festgestellt, 7 (0,8 %) davon führten zu Beanstandungen. Wie auch schon im Vorjahr fielen im Berichtsjahr insbesondere asiatische Aquakulturerzeugnisse und südamerikanische Rindfleischerzeugnisse wie Corned Beef durch eine vergleichsweise hohe Anzahl an Rückstandsbefunden auf. Daher hat das CVUA Karlsruhe beide Produktgruppen auch 2016 wieder verstärkt im Untersuchungsprogramm auf Tierarzneimittelrückstände. Das CVUA Karlsruhe hat den Gesamtbericht der Untersuchungen im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Dort sind auch die Ergebnisse der beiden Untersuchungsschwerpunkte zu Aquakulturerzeugnissen aus Asien und zu südamerikanischen Rindfleischerzeugnissen dargestellt. Christina Skiera, CVUA Karlsruhe 57 TEIL III UNTERSUCHUNGEN GENTECHNIK UND LEBENSMIT TEL I N D U S T RI E- U N D U M W E LT B E D I N G T E KO N TA M I N A N T E N Gentechnik und Lebensmittel Industrie- und umweltbedingte Kontaminanten Das CVUA Freiburg hat 2015 insgesamt 635 Lebensmittelproben auf Bestandteile aus gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen untersucht, davon waren 76 positiv. Der Anteil positiver Proben (12,0 %) blieb damit gegenüber dem Vorjahr (11,5 %) nahezu unverändert. In keiner Probe waren Bestandteile von nicht zugelassenen GV-Pflanzen nachweisbar. Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) Bei 75 von 76 positiven Proben handelte es sich um zugelassene GV-Soja, zumeist in sehr geringen Spuren unter 0,1 %. Zudem wurden bei einer Probe Mais gentechnische Veränderungen nachgewiesen – ebenfalls im Spurenbereich. Kennzeichnungspflichtige Anteile von zugelassenen GV-Pflanzen über 0,9 % ohne entsprechende Deklaration wurden nur bei einer Probe Sojalecithin festgestellt. Aufgrund des Befundes hat die Lebensmittelüberwachungsbehörde in dem Betrieb Nachproben aus derselben Charge erhoben. Diese Nachproben waren unauffällig und haben den Erstbefund nicht bestätigt, sodass die Gesamtcharge als verkehrsfähig eingestuft wurde. Die Behörde hat jedoch im Zusammenhang mit dem auffälligen amtlichen Untersuchungsergebnis das Eigenkontrollsystem des Betriebes überprüft und wird dort weiterhin regelmäßig die Eigenkontrollergebnisse überprüfen und amtliche Proben ziehen. Im Gegensatz zu den Vorjahren war GV-Raps nicht nachweisbar, auch nicht in Form sogenannter botanischer Verunreinigungen in Senf, wie dies zuletzt noch der Fall war. Auch bei Lebensmitteln aus weiteren Nutzpflanzen mit grundsätzlicher „GVO-Relevanz“, das heißt, dass hier entsprechende GV-Pflanzen im Ausland angebaut werden oder GV-Bestandteile bereits in Lebensmitteln nachgewiesen wurden, gab es keine positiven Befunde. Dies gilt auch für die in geringem Umfang erfolgten Untersuchungen auf GV-Mikroorganismen oder GV-Lachs. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Bei der Auswahl neuer Stoffe im Untersuchungsspektrum orientiert sich das CVUA Freiburg unter anderem an internationalen Übereinkommen wie der Stockholmer Konvention. Die Konvention nimmt immer wieder neue bedenkliche Stoffe in ihre Liste auf. Perfluoroctansulfonat (PFOS) wurde 2009 in die Liste der Stockholmer Konvention aufgenommen. PFOS gehört zur Stoffgruppe der PFAS. Lebensmittel werden daher inzwischen auch auf PFAS untersucht. Das CVUA Freiburg hat im Jahr 2015 insgesamt 223 tierische und 219 pflanzliche Lebensmittelproben untersucht. 23 % der tierischen und 39 % der pflanzlichen Proben stammten wegen eines aktuellen Kontaminationsverdachts aus dem Landkreis Rastatt sowie aus den Stadtkreisen Baden-Baden und Mannheim. In diesem Zusammenhang sind vor allem die kurzkettigen Vertreter dieser Stoffklasse in den Fokus gerückt. Das CVUA Freiburg hat daher schwerpunktmäßig 6 kurzkettige PFAS-Verbindungen mit Kettenlängen zwischen 5 und 7 Kohlenstoffatomen analysiert. Diese Gruppe kurzkettiger PFAS war in dort untersuchten Wasserproben und Bodenproben aufgefallen (siehe hierzu Jahresbericht 2014, Kapitel IV). Die genauen Umstände der Kontamination von Wasser und Boden sind noch nicht abschließend geklärt. Als Quelle wird der Zusatz eines „Bodenverbesserers“ zum Mutterboden auf Feldern vermutet. Im Sinne des vorsorglichen Verbraucherschutzes hat das MLR 2014 ein Minimierungskonzept mit verbindlichen Beurteilungswerten für Lebensmittel und einem breitangelegten Untersuchungsprogramm erarbeitet. Dadurch soll verhindert werden, dass hochbelastete Lebensmittel in den Handel kommen. Außerdem soll den betroffenen Landwirten rechtliche Sicherheit gegeben werden. Sportlernahrung aus dem Internet – kaum Auffälligkeiten Besonders im Internethandel ist eine Vielzahl von Produkten anzutreffen, die dank hochkonzentrierten Proteins Sportlern beim Aufbau von Muskelmasse helfen sollen. Insgesamt 19 Proben von Sojaproteinpräparaten in Pulverund Riegelform wurden beim Internetangebot von hier ansässigen Händlern beprobt. Gentechnische Veränderungen waren in 6 Proben nachweisbar. Nachgewiesen wurden jeweils zugelassene GV-Soja Events („Roundup Ready Soja“, Events GTS40-3-2 sowie MON89788). Der höchste Anteil an GV-Soja lag mit 0,26 % noch deutlich unter dem Kennzeichnungsgrenzwert. Die übrigen Proben mit positiven Befunden enthielten lediglich Spuren unter 0,1 %. Das CVUA Freiburg musste keine der Proben wegen enthaltener gentechnischer Veränderungen beanstanden. Allerdings hat es bei 6 Proben unterschiedliche Kennzeichnungsmängel festgestellt. GV-Bestandteile in Sportlernahrung auf Sojabasis aus dem Internetangebot (Gesamtprobenzahl 19) 0 1 ◆ 5 PFAS – perfluorierte Alkylsubstanzen Prominenteste Vertreter der Stoffklasse sind Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA). Sie sind außerordentlich stabil und überall in der Umwelt nachweisbar. PFOS kann sich in der Nahrungskette anreichern. PFOS und PFOA verbleiben nach der Aufnahme lange im menschlichen Organismus. Beide Stoffe besitzen im Tierversuch lebertoxische, krebserregende und reproduktionstoxische Eigenschaften. Für PFOS und PFOA existieren im Gegensatz zu den kurzkettigen PFAS bereits toxikologische Einschätzungen. Die EFSA hat die vorläufige täglich tolerierbare Aufnahmemenge auf 0,15 µg PFOS pro kg Körpergewicht und Tag beziehungsweise auf 1,5 µg PFOA pro kg Körpergewicht und Tag festgelegt. Es gibt jedoch bisher weder in der EU noch in Deutschland Höchstgehalte für PFAS in Lebensmitteln. 13 nicht nachweisbar Spuren ≥ 0,1 % > 0,1 % - 0,9 % > 0,9 % 58 Die Ergebnisse der GVO-Untersuchungen in Futtermitteln sind im Kapitel V beschrieben. Der Gesamtbericht zu den Lebensmitteluntersuchungen auf GVO und ein ausführlicher Bericht zu den Ergebnissen des Erntemonitorings sind im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Die Ergebnisse von Bioproben werden ausführlich im Ökomonitoringbericht 2015 dargestellt, der unter http://oekomonitoring.cvuas.de abrufbar ist. Der Gesamtbericht mit den Ergebnissen von 2014 und 2015 ist im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Darin ist auch ein Bericht zum Untersuchungsprogramm bei Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft aus den von dem Kontaminationsfall betroffenen Kreisen aus den Jahren 2014 und 2015 enthalten. Hans-Ulrich Waiblinger, CVUA Freiburg Dr. Tanja Radykewicz, CVUA Freiburg 59 Dioxine und PCB Der Begriff Dioxine umfasst die beiden Stoffgruppen polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Furane (PCDF). Sie bestehen aus insgesamt 210 Einzelverbindungen, Kongenere genannt, und gehören zu den giftigsten chlororganischen Verbindungen. Das Kongener mit der höchsten Toxizität ist das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (kurz 2,3,7,8-TCDD), das sogenannte Seveso-Gift. Dioxine sind fettlöslich und sehr langlebig. Deshalb reichern sie sich im Fettgewebe von Tieren und Menschen an. Bestimmte PCB weisen dioxinähnliche toxikologische Eigenschaften auf und werden deshalb als „dioxinähnliche PCB“ (dl-PCB) bezeichnet. Die übrigen der insgesamt 209 PCB-Kongenere weisen ein anderes toxikologisches Profil auf und werden daher unter der Bezeichnung „nicht dioxinähnliche PCB“ (ndl-PCB) zusammengefasst. EU-Minimierungskonzept Da der Mensch Dioxine und PCB fast ausschließlich über die Nahrung aufnimmt, können belastete Lebensmittel bei lebenslanger Aufnahme ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher darstellen. Daher hat die EU-Kommission eine Strategie entwickelt, um die Gehalte in der Nahrungskette zu verringern. Sie hat Höchstgehalte erlassen, die die Aufnahme von Dioxinen über die Nahrung begrenzen. Um die Belastung der Lebensmittel mit Dioxinen und PCB zu erkennen und weiter zu reduzieren, hat sie zudem sogenannte Auslösewerte eingeführt. Die Auslösewerte liegen unterhalb der Höchstgehalte und sind ein Instrument, um Kontaminationsquellen zu identifizieren und diese einzuschränken oder zu beseitigen, bevor der Höchstgehalt überschritten wird. Sind diese Auslösewerte überschritten, soll die Kontaminationsquelle ermittelt und durch entsprechende Maßnahmen beschränkt oder beseitigt werden. Weitere Informationen zu Dioxinen und PCB sind unter www.ua-bw.de zu finden. TEIL III UNTERSUCHUNGEN Gehalte an dl-PCB verursacht wurde. In 4 Proben war der Auslösewert für dl-PCB statistisch gesichert und in weiteren 4 Proben nur numerisch überschritten. Von insgesamt 3 Proben Hühnereier wurden die Höchstgehalte für Dioxine und/oder die Summe aus Dioxinen und dl-PCB überschritten. Eine der Proben überschritt darüber hinaus den für Indikator-PCB gültigen Höchstgehalt von 40 ng/g Fett mit einem Gehalt von 293 ng/g Fett sehr deutlich. Darüber hinaus haben 4 Hühnereiproben die für Dioxine beziehungsweise dl-PCB festgesetzten Auslösewerte unter Berücksichtigung der erweiterten Messunsicherheit überschritten, bei 3 weiteren Proben lagen nur numerische Überschreitungen vor. Bei getrocknetem Majoran haben 2 der 3 Proben die für Dioxine und dl-PCB gültigen Auslösewerte überschritten. Kosmetische Mittel Im Berichtsjahr hat das CVUA Freiburg eine Probe „Grüne Tonerde“ auf Dioxine und PCB untersucht. Das Produkt soll laut Kennzeichnung als Schönheitsmaske für das Gesicht verwendet werden. In der Probe wurde bezogen auf das Produkt ein Dioxingehalt von 4,5 pg WHO-PCDD/F-TEQ/g und 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (2,3,7,8-TCDD) in einer Konzentration von 1,4 pg/g bestimmt. 2,3,7,8-TCDD darf in kosmetischen Mitteln nicht enthalten sein. Lediglich eine unbeabsichtigte Anwesenheit ist dann erlaubt, wenn der Gehalt technisch unvermeidbar ist. Unbelastete Tonerden enthalten jedoch nach Kenntnis des CVUA Freiburg weniger als 0,75 pg WHO-PCDD/F-TEQ/g und deutlich niedrigere Gehalte an 2,3,7,8-TCDD von unter 0,15 pg/g. Somit enthielt die Probe den verbotenen Stoff 2,3,7,8-TCDD in einer Menge, die nach Auffassung des zentral für kosmetische Mittel in Baden-Württemberg zuständigen CVUA Karlsruhe technisch vermeidbar ist. Der französische Hersteller müsste daher gegebenenfalls eine technische Unvermeidbarkeit belegen können, damit das Produkt als sicheres Kosmetikum vermarktet werden darf. Bislang hat die hiesige Kosmetiküberwachung hierzu noch keine Stellungnahme von der Behörde in Frankreich erhalten. Das CVUA Freiburg hat im Jahr 2015 insgesamt 526 Lebensmittelproben und eine Kosmetikprobe auf Dioxine und PCB untersucht. Darüber hinaus hat es 8 NRKP-Proben (Hühnereier, Fleisch) zur Untersuchung auf Dioxine und PCB erhalten. Lebensmittel Insgesamt überschritten nur vereinzelte Lebensmittelproben die Auslösewerte oder die Höchstgehalte für diese Kontaminanten: In 2 Rindfleischproben aus ökologischer Erzeugung lag eine Überschreitung des Höchstgehaltes für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB vor, die im Wesentlichen durch erhöhte 60 ◆ I N D U S T RI E- U N D U M W E LT B E D I N G T E KO N TA M I N A N T E N JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Schwermetalle und toxische Spurenelemente Von A wie Aluminium bis Z wie Zink werden chemische Elemente in einer breiten Palette von Lebensmitteln, Kosmetika und Bedarfsgegenständen untersucht. Verbrauchern sind chemische Elemente meist aus dem Chemieunterricht durch das Periodensystem der Elemente oder unter dem Sammelbegriff Schwermetalle bekannt. Jedoch sind für die Lebensmittelüberwachung weit mehr Elemente als die typischen Schwermetalle, wie Blei oder Quecksilber, relevant. Zahlreiche andere Elemente können sich beispielsweise toxisch auswirken oder können falsch gekennzeichnet sein. Das kann auch für gesundheitlich wichtige Elemente wie Jod zutreffen. Die Gehalte verschiedenster toxischer Elemente und an Spurenelementen werden risikoorientiert überprüft. Auch 2015 haben die CVUAs in rund 6.000 Proben nahezu 52.000 Elementbestimmungen durchgeführt. Wie in den Vorjahren sind nur wenige Proben mit Überschreitungen von Höchstgehalten für toxische chemische Elemente aufgefallen. Arsen in Reiswaffeln Insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder sind Reiswaffeln eine einfache und vermeintlich gesunde Energiequelle. Produkte aus Reis können allerdings relativ hohe Gehalte an anorganischem Arsen aufweisen. Der Gesetzgeber hat inzwischen reagiert: Seit Januar 2016 gilt für Reisprodukte eine Höchstmenge von 0,3 mg/kg, bei spezieller Eignung für Säuglinge und Kleinkinder sogar von 0,1 mg/kg. Diese Höchstmengen wurden von keiner der im Jahr 2015 untersuchten 11 Reiswaffeln erreicht. Im Jahr 2015 hat das CVUA Stuttgart 11 Reiswaffeln auf ihren Gehalt an anorganischem Arsen untersucht. Der höchste ermittelte Wert lag bei 0,16 mg/kg anorganischem Arsen. Davon wiesen 6 Gehalte unter 0,1 mg/kg auf, bei 4 Proben lag der Gehalt um 0,1 mg/kg. Eine der Proben wurde speziell für Säuglinge und Kleinkinder angeboten. Hier lag der Gehalt an anorganischem Arsen unter 0,1 mg/kg und entspracht somit den Vorgaben. Alle untersuchten Reiswaffeln wiesen damit Gehalte an anorganischem Arsen unter den gesetzlichen Höchstmengen auf. Die Befunde bestätigen die Ergebnisse des bundesweiten Monitoringprojektes 2014, die das BVL veröffentlicht hat: www.bvl.bund.de. Von einem Verzehr im Übermaß ist dennoch abzuraten: Nach Empfehlung des BfR sollten besonders Säuglinge und Kleinkinder nicht ausschließlich mit reisbasierten Lebensmitteln ernährt werden. Der Gesamtbericht einschließlich der Ergebnisse von Bioproben ist unter www.ua-bw.de zu finden. Der ausführliche Bericht ist im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Kerstin Wahl und Katharina Djuchin, CVUA Freiburg Dorothee Doludda, CVUA Stuttgart 61 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Herstellungsbedingte Kontaminanten Mykotoxine in Trockenfeigen – Never ending story! Herstellungsbedingte Kontaminanten, auch Prozesskontaminanten genannt, sind unerwünschte, manchmal auch giftige Substanzen, die bei der Herstellung verschiedenster Lebensmittel, insbesondere bei Erhitzungsprozessen, gebildet werden. Viele dieser Substanzen sind bisher noch gar nicht erforscht, aber einige haben in den letzten Jahren doch erhebliche Bedeutung erlangt. Altbekannt sind die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK). Im Fokus der Lebensmittelforschung und der Überwachung stehen seit einigen Jahren auch Acrylamid sowie 3-MCPD und verwandte Verbindungen. ◆ Die beiden erstgenannten Projekte hat das CVUA im Rahmen des Ökomonitorings durchgeführt. Die Ergebnisse werden ausführlich im Ökomonitoringbericht 2015 dargestellt, der unter http://oekomonitoring.cvuas.de abrufbar ist. ◆ Ein Bericht über die Untersuchungsergebnisse 2015 zu Acrylamid in Weihnachtsgebäck ist im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Mykotoxine und Biotoxine Natürlich ist nicht automatisch sicher. Mykotoxine sind von Schimmelpilzen gebildete Stoffwechselprodukte. Mehrere 100 Substanzen sind bekannt. Biotoxine oder Pflanzentoxine sind Stoffwechselprodukte, die von sehr vielen Pflanzenarten als Schutz gegen Fraßfeinde gebildet werden. Mykotoxine und Biotoxine können bei Mensch und Tier bereits in geringsten Konzentrationen akute oder chronisch toxische Wirkungen zeigen. Aus diesem Grund sind neben den bereits auf EU- oder nationaler Ebene rechtlich geregelten Mykotoxinen eine Vielzahl weiterer Mykotoxine und Biotoxine in den Fokus der Lebensmittelüberwachung gerückt. 2015 hat das CVUA Sigmaringen zentral für BadenWürttemberg knapp 1.700 Proben auf Schimmelpilzgifte, sogenannte Mykotoxine, untersucht. Ein besonderer Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf 3 Projekten: n Cornflakes und andere getreide- oder maisbasierte Frühstückscerealien n Getreideflocken und n Popcornmais aus Kinos in ganz Baden-Württemberg Feigen sind als Frischware nur sehr kurz haltbar. Sie werden daher durch Trocknung haltbar gemacht und sind dann als „getrocknete Feigen“ das ganze Jahr verfügbar. Trockenfeigen stellen in Bezug auf Mykotoxine ein Risikoprodukt dar, insbesondere können sie mit Aflatoxinen oder Ochratoxin A belastet sein. Das saftige und nährstoffreiche Fruchtfleisch der frischen Feige bietet einen idealen Nährboden für Schimmelpilze. Das in den Feigen-Anbaugebieten wie Griechenland, Spanien, Iran und vor allem Türkei herrschende Klima begünstigt deren Wachstum zusätzlich. So kann es bei nicht sachgerechter beziehungsweise unzureichender Trocknung und Verletzung der Früchte zu einem Befall durch Schimmelpilze und damit zur Bildung von Mykotoxinen kommen. Daher werden Trockenfeigen am CVUA Sigmaringen regelmäßig auf die genannten Mykotoxine untersucht. 2014 war in einem Kino eine Probe Popcornmais erhoben worden, in der das CVUA erhöhte Gehalte an Mykotoxinen nachwies. Daher hat die Lebensmittelüberwachung 2015 landesweit verstärkt Popcornmais aus Kinos beprobt. Insgesamt hat das Labor 21 Proben untersucht. In fast allen Proben konnte Deoxynivalenol nachgewiesen werden, der höchste gemessene Wert lag bei 436 µg/kg. In etwa jeder zweiten Probe waren die Fumonisine B1 und B2 nachweisbar, maximal wurden 318 µg/kg erreicht. Zearalenon war nur in wenigen Proben vorhanden, T-2 Toxin und HT-2 Toxin konnten nur in 2 Proben in Spuren nachgewiesen werden. Keiner der Messwerte hat den jeweiligen Höchstwert überschritten, weshalb im Berichtsjahr auch keine dieser Proben beanstandet werden musste. Ein Großteil der untersuchten Getreideprodukte war nur gering mit Mykotoxinen belastet. Dem nächsten Kinobesuch mit Popcorngenuss steht also in dieser Hinsicht nichts im Weg. Mykotoxine sind in den Früchten grundsätzlich nicht gleichmäßig verteilt, zudem besitzen Trockenfeigen ein ungefähres Stückgewicht von 15 g. Diese beiden Eigenschaften gestalten die Entnahme einer repräsentativen Probe sehr schwierig. Für eine einheitliche Vorgehensweise wurden in der Verordnung (EG) Nr. 401/2006 allgemeine und EUweit geltende Kriterien festgelegt, die ein Probenahmeverfahren erfüllen muss. Um die erforderliche Repräsentativität zu erreichen, muss nach dieser Verordnung eine von der Größe der vorhandenen Produktcharge abhängige Anzahl an Einzelproben entnommen werden – gleichmäßig verteilt über die gesamte vorrätige Produktmenge. Beispielsweise müssen bei einer Lieferung von 8 Tonnen Feigen 80 Einzelproben – jede mit jeweils etwa 300 g – an unterschiedlichen Stellen der Partie entnommen werden. Bei diesem Beispiel werden somit 24 Kilogramm Trockenfeigen als Probe erhoben. In der Praxis ist dies zwar ein sehr zeitaufwendiger und kostspieliger Vorgang, doch nur so können die Ergebnisse der Mykotoxinuntersuchung als repräsentativ für die gesamte beprobte Partie angesehen werden. Mykotoxine in Cornflakes, Getreideflocken und Popcorn – ein Problem? 62 H E R S T E L LU N G S B E D I N G T E KO N TA M I N A N T E N M Y KOTOX I N E U N D B I OTOX I N E JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW ◆ Höchstgehalte für Feigen Aflatoxine sind europaweit in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 geregelt. Für Aflatoxin B1 liegt der Höchstgehalt bei 6 µg pro Kilogramm Probe und für Gesamtaflatoxine (Summe Aflatoxine B1, B2, G1 und G2) bei 10 µg/kg. Für Ochratoxin A in Feigen ist in der nationalen Kontaminantenverordnung ein Höchstgehalt von 8 µg/kg geregelt. Dr. Gregor Vollmer, CVUA Sigmaringen 63 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Haselnüsse – eine Rarität in der Weihnachtsbäckerei 2015? Untersuchung von Importproben Für bestimmte Erzeugnisse aus Drittstaaten, also Länder außerhalb der EU, schreibt die Verordnung (EU) Nr. 884 ˘/2014 Maßnahmen für eine systematische Kontrolle auf Aflatoxine bei der Einfuhr in die Gemeinschaft vor. Dies betrifft gegenwärtig Pistazien aus dem Iran und der Türkei, Haselnüsse und getrocknete Feigen aus der Türkei, Erdnüsse aus Ägypten und China, Mandeln aus den USA sowie Paranüsse aus Brasilien. Die Einfuhrkontrolle, auch Vorführpflicht genannt, führen die Zollämter und Lebensmittelüberwachungsbehörden durch. ◆ Im Jahr 2015 gingen am CVUA Sigmaringen 5 solche Importproben Trockenfeigen aus der Türkei zur Untersuchung auf Aflatoxine ein. Die Proben wurden auch auf Ochratoxin A untersucht. Eine dieser Importproben war aufgrund ihres hohen Aflatoxin B1-Gehaltes (10,5 µg/kg) und ihres hohen GesamtaflatoxinGehaltes (17,2 µg/kg) zurückzuweisen. Eine weitere fiel durch einen Ochratoxin A-Gehalt von 10,5 µg/kg auf. Die Behörden melden solche Grenzzurückweisungen auch über das europäische Schnellwarnsystem RASFF. Untersuchung von Handelsproben Das CVUA hat 25 Feigenproben aus dem Handel, die vor allem aufgrund der geforderten Probenmenge in Zentrallagern und Abpackbetrieben erhoben wurden, auf Mykotoxine untersucht. In 76 % der Fälle waren Aflatoxine und in 64 % der Fälle war Ochratoxin A nicht nachweisbar. Ergebnisse Aflatoxin B1 und Gesamtaflatoxin in Feigen 2015 Ergebnisse Ochratoxin A in Feigen 2015 4% 20 % 20 % M Y KOTOX I N E U N D B I OTOX I N E JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Im Berichtsjahr hat das CVUA Sigmaringen insgesamt 77 Proben ganze beziehungsweise zerkleinerte Haselnüsse auf Aflatoxine untersucht. 6 (7,8 %) der Proben waren wegen Überschreitungen der festgelegten Höchstmengen zu beanstanden. Außerdem war gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Zunahme des Anteils aflatoxinbelasteter Ware und des mittleren Aflatoxingehaltes festzustellen. Haselnüsse müssen für den deutschen Markt überwiegend importiert werden. Hauptexportland ist die Türkei. An der türkischen Schwarzmeerküste gab es Ende März 2014 einen Kälteeinbruch mit Hagelschlag, weshalb die Blüten an den Haselnusssträuchern erfroren sind. Dadurch kam es in der Weihnachtszeit 2014 und vor allem im ersten Halbjahr 2015 zu enormen Engpässen. Somit war man gespannt, wie die neue Ernte im August und September 2015 ausfallen würde. Die Ernte 2015 war zwar zufriedenstellend, aber durch eine mäßige Ernte blieben die Preise hoch. Haselnüsse waren damit zwar keine Rarität für die Weihnachtsbäckerei 2015, jedoch waren sie relativ teuer. Die Lebensmittelüberwachung stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob aufgrund der Engpässe bis Mitte 2015 im Berichtsjahr auch aflatoxinbelastete Haselnüsse auf den Markt gekommen sind. Untersuchungsergebnisse Das CVUA hat insgesamt 86 Proben ganze beziehungsweise zerkleinerte Haselnüsse im Jahr 2014 und 77 Proben im Jahr 2015 auf Aflatoxine analysiert und beurteilt. Dabei wurden 11 (2014) beziehungsweise 10 (2015) dieser Proben bei Einfuhrkontrollen erhoben. Aflatoxinuntersuchungen in ganzen und zerkleinerten Haselnüssen in den Jahren 2014 und 2015 Toxin 16 % 64 % 76 % Jahr Gesamtzahl der Proben Aflatoxin B 1 Proben mit Gehalten > BG* Anzahl MaximalMittel(Anteil wert wert [%]) [ µg/kg] [ µg/kg] > HG** Anzahl (Anteil [%]) Gesamtaflatoxine Proben mit Gehalten > BG* MaximalAnzahl Mittelwert (Anteil wert [ µg/kg] [%]) [ µg/kg] > HG** Anzahl (Anteil [%]) ganze Haselnüsse nicht nachweisbar nicht nachweisbar Gehalt unter dem Höchstgehalt Gehalt unter dem Höchstgehalt Gehalt über dem Höchstgehalt Gehalt über dem Höchstgehalt Bei 20 % der Proben lag der Gehalt an Aflatoxin B1 unter dem Höchstgehalt von 6 μg/kg, bei 4 % darüber. Der höchste ermittelte Gehalt lag bei 10,4 μg/kg. Für die Gesamtaflatoxine zeigt sich das gleiche Bild, der höchste ermittelte Gehalt betrug hier 22 μg/kg. Bei 36 % der Proben war Ochratoxin A nachweisbar, bei 16 % lag der Gehalt an Ochratoxin A unter dem Höchstgehalt von 8 μg/kg, bei 20 % der untersuchten Proben darüber. Der höchste ermittelte Gehalt lag hier bei 84 µg/kg, was einer 10-fachen Höchstgehaltsüberschreitung entspricht. Wie aus diesen Ergebnissen ersichtlich ist, waren Trockenfeigen bezüglich Aflatoxinen im Jahr 2015 in der Regel unproblematisch, dagegen war die Belastungsquote bei Ochratoxin A auffallend hoch. Daher hat die Untersuchung auf Ochratoxin A insbesondere bei Feigen große Bedeutung, da hier ein hohes Risiko für eine Ochratoxin A-Kontamination gegeben ist. Zudem erscheint auch eine Untersuchung von Importproben auf Ochratoxin A empfehlenswert, um zu verhindern, dass nicht verkehrsfähige Ware nach Deutschland importiert wird. Elisabeth Burgmaier-Thielert, CVUA Sigmaringen 64 2014 42 3 (7,1) 18,1 50,5 1 (2,4) 3 (7,1) 58,7 159 2 (4,8) 2015 29 2 (6,8) 1,4 2,0 0 (0) 2 (6,8) 5,1 8,0 0 (0) 2014 44 13 (29,5) 2,9 5,7 1 (2,3) 15 (34,1) 2,9 21,9 1 (2,3) 2015 48 20 (41,7) 4,1 27,0 6 (12,5) 22 (45,8) 7,0 38,0 6 (12,5) zerkleinerte Haselnüsse * BG = Bestimmungsgrenze kleiner als 0,4 µg/kg ** HG = Höchstgehalt: 5,0 µg/kg Aflatoxin B1 und 10,0µg/kg für Gesamtaflatoxine (Summe Aflatoxin B1 , B2 , G1 und G2 ) In beiden Jahren waren Aflatoxine lediglich in etwa 7 % der untersuchten Proben „ganze Haselnüsse“ nachweisbar. Demgegenüber wiesen die Proben „zerkleinerte Haselnüsse“, wie geröstete, gehackte Haselnüsse oder gemahlene Haselnüsse, im Jahr 2015 eine weitaus höhere Belastungshäufigkeit auf als im Jahr 2014. In 30 % (2014) beziehungsweise 42 % (2015) dieser Proben konnten Aflatoxingehalte gemessen werden. Außerdem war die mittlere Belastung und die Zahl an Höchstmengenüberschreitungen bei diesen Produkten im Jahr 2015 höher als im Jahr 2014. Die 2015 vergleichsweise höhere Anzahl an belasteten Proben könnte auf die Engpässe auf dem Weltmarkt zurückzuführen sein. Die Resultate der Proben „zerkleinerte Haselnüsse“ bestätigen die langjährige Erfahrung, dass diese Produkte häufiger belastet sind als „ganze Haselnüsse“. Die Daten deuten darauf hin, dass für die Herstellung der zerkleinerten Ware Rohstoffe eingesetzt werden, die qualitativ weniger hochwertig sind als ganze Früchte. Elisabeth Burgmaier-Thielert, CVUA Sigmaringen 65 TEIL III UNTERSUCHUNGEN M Y KOTOX I N E U N D B I OTOX I N E Tropanalkaloide Pyrrolizidinalkaloide in Kräutertee Bei Tropanalkaloiden (TA) handelt es sich um eine Gruppe von insgesamt mehr als 200 Verbindungen, die von verschiedenen Pflanzenarten als Fraßschutz gebildet werden. Die bekanntesten und am besten untersuchten Vertreter dieser Stoffgruppe sind Atropin und Scopolamin. Sie kommen insbesondere in verschiedenen Nachtschattengewächsen wie Schwarzes Bilsenkraut, Engelstrompete, Stechapfel oder Schwarze Tollkirsche vor. Wenn Teile dieser Pflanzen, zum Beispiel deren Samen, mitverarbeitet werden, ist eine Kontamination von pflanzlichen Lebensmitteln mit TA nicht auszuschließen. TA können in bereits geringsten Konzentrationen physiologische Wirkungen, wie Erhöhung der Herzfrequenz, Anregung des zentralen Nervensystems und dadurch Benommenheit, Kopfschmerzen oder Übelkeit hervorrufen. Einige dieser Alkaloide, beispielsweise Atropin, werden auch als Arzneimittelwirkstoffe unter anderem in der Notfallmedizin oder der Augenheilkunde eingesetzt. Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind natürliche Pflanzeninhaltsstoffe, die von einer Vielzahl weltweit vorkommender Pflanzenarten zum Schutz vor Fraßfeinden gebildet werden. Das Vorkommen von PA in Pflanzen variiert stark nach Pflanzenart und Pflanzenteil und wird auch von weiteren Faktoren, wie zum Beispiel Klima oder Bodenbeschaffenheit beeinflusst. Aufgrund ihres gesundheitsschädigenden Potenzials sind insbesondere 1,2-ungesättigte PA in Lebens- und Futtermitteln gesundheitlich bedenklich. In hoher Dosierung können sie zu akuten Leberschädigungen führen. Im Tierversuch haben sich bestimmte PA als genotoxische Kanzerogene erwiesen, wie die Stellungnahme 018/2013 des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) vom 05.07.2013 beschreibt. JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Bislang gibt es weder in Deutschland noch in der EU Grenzwerte für die Summe an PA oder einzelne PA. In der oben genannten Stellungnahme weist das BfR aber darauf hin, dass bei längerfristigem Verzehr von Produkten mit hohen PAGehalten insbesondere bei Kindern, Schwangeren und Stillenden ein Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung besteht. Das BfR hat deshalb empfohlen, dass eine Tageszufuhr von 0,007 µg PA/kg Körpergewicht möglichst nicht überschritten werden sollte. Die CVUAs Stuttgart und Karlsruhe haben 2015 insgesamt 93 Proben der beiden beliebtesten Kräuterteesorten Pfefferminze und Kamille sowie Fenchel, Melisse und Brennnessel als Monodroge oder Hauptbestandteil von Kräutertees untersucht. Je 16 Kräuterteeproben aus ökologischer und konventioneller Produktion haben sie als Projekt im Ökomonitoring untersucht – diese Ergebnisse sind im Ökomonitoringbericht 2015 ausführlich dargestellt. Der Bericht ist unter http://oekomonitoring.cvuas.de abrufbar. In 71 der 93 Proben waren PA nachweisbar, 22 Proben waren unbelastet. Die höchsten Gehalte mit einem Spitzenwert von 1.400 µg/kg Teedroge wurden im Kamillentee gemessen. Hirsekörner Buchweizenkörner Tollkirschensamen Das BfR hat in einer Stellungnahme vom November 2013 zu TA in Getreideprodukten die von der EFSA festgelegte akute Referenzdosis (ARfD) in Höhe von 0,016 µg/kg Körpergewicht bezogen auf die Summe von Atropin und Scopolamin als gesundheitsbezogenen Richtwert bestätigt. Im November 2014 wurden erhöhte Rückstände an Atropin und Scopolamin in Babybrei mit Hirse festgestellt (siehe Jahresbericht 2014). Die Hersteller haben die Produkte öffentlich zurückgerufen, die deutschen Behörden haben andere Mitgliedstaaten über das RASFF informiert. Deshalb hat das CVUA 2015 verstärkt Getreideerzeugnisse, insbesondere Hirse- und Buchweizenerzeugnisse, aber auch Maisgrieße und Maismehle auf Tropanalkaloide untersucht. Keine auffälligen Befunde Insgesamt 80 Proben Hirse- und Buchweizenkörner, Flocken und Mehle daraus sowie Maisgrieße und -mehle wurden auf ihre Gehalte an Atropin und Scopolamin untersucht, davon waren 33 Produkte aus ökologischem Anbau und 47 aus konventionellem. Mit Ausnahme von je einer Probe Hirsekörner und Buchweizenmehl aus ökologischem Anbau, bei denen leicht positive TA-Gehalte nachgewiesen wurden, lagen alle anderen Gehalte unterhalb der Nachweisgrenze von 0,5 µg/kg. Die nachgewiesenen Gehalte stellen für einen Erwachsenen kein gesundheitliches Risiko dar, sie waren deshalb nicht zu beanstanden. 66 Bei 6 Kamillentees wurde die maximal empfohlene Tageszufuhr an PA für Erwachsene bereits mit einer Tasse Tee ausgeschöpft oder gar überschritten. Die maximal empfohlene Tageszufuhr für Kinder wurde durch eine Tasse bei 43 % der untersuchten Kräutertees überschritten, davon 15 Kamillentees, 6 Melissentees, 5 Pfefferminztees, 3 Brennnesseltees und 1 Fencheltee mit Anis und Kümmel. Alle Gehalte liegen aber weit unter der Schwelle für akute Gesundheitsbeschwerden oder gar Vergiftungen. ◆ Fazit Die Ergebnisse werden ausführlich im Ökomonitoringbericht 2015 dargestellt, der unter http://oekomonitoring.cvuas.de abrufbar ist. Nachdem im Jahr 2013 das Problem bekannt wurde, hat bereits die Lebensmittelwirtschaft große Anstrengungen unternommen, um PA-Gehalte in Kräutertees zu minimieren. Die Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2015 zeigen, dass PA in Kräutertees trotzdem noch ein ernstzunehmendes Problem darstellen, das auch die Lebensmittelüberwachung weiter verfolgen muss. Die LAV-Arbeitsgruppe „Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, Wein und Kosmetika“ (ALB) hat in ihrer 28. Sitzung am 28. und 29.10.2015 das Thema „Pyrrolizidinalkaloide in Tee und Kräuterteeprodukten“ behandelt. Um einen einheitlichen Vollzug in den Ländern zu gewährleisten, hat die ALB eine abgestimmte Vorgehensweise vorgeschlagen und die Lebensmittelwirtschaft darüber informiert. Barbara Ruf, CVUA Sigmaringen Dr. Winfried Ruge, CVUA Karlsruhe und Thomas Kapp, CVUA Stuttgart 67 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Was ist drin? Allergene in Lebensmitteln Seit Dezember 2014 gilt die Kennzeichnungspflicht für Allergene in loser Ware, das heißt unverpackten Lebensmitteln (siehe hierzu Kapitel II). Bisher erhielten Verbraucherinnen und Verbraucher nur bei verpackten und vollständig etikettierten Lebensmitteln Informationen über allergene Zutaten. Schwerpunktmäßig hat die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung die Umsetzung dieser neuen Regelung kontrolliert. Die CVUAs haben insgesamt 2.058 Untersuchungen auf mögliche allergene Bestandteile an Proben offener Ware aus Gastronomie und Kantinen sowie von Eisdielen, Metzgereien und Bäckereien durchgeführt. Hierbei wurden ausschließlich solche Proben ohne entsprechende Kennzeichnung oder bereitgestellte Informationen untersucht. Das Ergebnis: Verglichen mit verpackten Produkten war der Anteil nachgewiesener, nicht angegebener Allergene deutlich höher. Bei insgesamt 301 von 2.058 Untersuchungen (15 %) waren nicht gekennzeichnete Allergene mit Anteilen über dem jeweiligen Beurteilungswert nachweisbar. Bei verpackten Produkten war dies nur bei 6 % der Fall (102 von 1.703 Untersuchungen). Bei weiteren 210 Tests auf Allergene (10 %) in unverpackten Lebensmitteln waren nicht deklarierte Allergene nachweisbar, allerdings in sehr geringen Spurenanteilen unter dem Beurteilungswert (siehe Infokasten). Dieser Anteil war mit 9 % bei verpackten Produkten in etwa gleich. Vergleich der Allergenbefunde bei verpackter und unverpackter Ware, angegeben als prozentuale Anteile aller Proben. 100 90 6 15 9 80 10 Anteil in % 70 60 2015 – kein gutes Jahr für Olivenöl-Freunde Allergenkennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung Bundesweite Beurteilungswerte der Untersuchungslabors Bei 362 von insgesamt 3.761 Untersuchungen, also knapp 10 %, waren geringe Spuren allergener Bestandteile unter dem sogenannten Beurteilungswert nachweisbar. Bei dem 2014 bundesweit unter den Labors der amtlichen Lebensmittelüberwachung abgestimmten Konzept der Beurteilungswerte handelt es sich um interne Aktionswerte und nicht um Grenzwerte. Das Konzept orientiert sich sowohl an aktuellen Erkenntnissen aus der gesundheitlichen Bewertung als auch am analytisch Machbaren. In den meisten Fällen liegen die gemessenen Werte im Bereich der analytischen Bestimmungsgrenzen der derzeit verwendeten Methoden auf Basis von ELISA und/oder real-time PCR. Wenn Untersuchungsergebnisse die Beurteilungswerte überschreiten, erstellt das Labor hierüber ein Gutachten für die Lebensmittelüberwachungsbehörde. Ob ein Verstoß gegen die Bestimmungen zur Allergenkennzeichnung vorliegt, kann in der Regel nur durch die Lebensmittelüberwachungsbehörde am Ort der Herstellung ermittelt werden: Denn die Kennzeichnungspflicht gilt nur, wenn das nachgewiesene Allergen über eine rezepturmäßig verwendete Zutat in das Lebensmittel gelangt ist. Nach wie vor müssen Allergenspuren, die nachweislich durch eine unbeabsichtigte Verunreinigung in das Lebensmittel eingetragen worden sind, nicht gekennzeichnet werden. Der Ansatz der Beurteilungswerte wurde im Berichtsjahr intensiv auch mit Vertretern nicht-staatlicher Laboratorien, von Verbraucherverbänden sowie der Lebensmittelindustrie erörtert und von diesen ebenfalls als praktikable Vorgehensweise begrüßt. Auch in die aktuelle Diskussion auf EUEbene um mögliche Regelungen zur freiwilligen Kennzeichnung unbeabsichtigter Allergenspuren ist das Konzept eingebracht worden. Kontrollen in Betrieben der Gemeinschaftsverpflegung, wie Restaurants, Kantinen und Imbissen sollten zeigen, ob die neuen Kennzeichnungsregelungen korrekt umgesetzt worden sind. Die angebotenen Gerichte wurden beprobt und auf allergene Bestandteile untersucht. Anschließend wurde mit der Allergen-Kennzeichnung verglichen, die die Kontrolleure im Betrieb angetroffen haben. Die Ergebnisse zeigten, dass häufig noch Verbesserungsbedarf besteht: Bei 40 % der insgesamt 577 untersuchten Proben war die Allergenkennzeichnung noch nicht korrekt vorgenommen worden. Im Jahr 2015 hat das CVUA Stuttgart insgesamt 266 Proben Olivenöl untersucht. Davon musste fast jede dritte Probe beanstandet werden. Wie in den Jahren zuvor waren häufig Mängel in der Aufmachung und Kennzeichnung zu beobachten. 20 % der Proben wiesen aber auch erhebliche Qualitätsmängel auf oder waren verfälscht oder unzulässig behandelt worden. Olivenöl ist ein wichtiger Bestandteil einer „mediterranen Ernährung“ und erfreut sich seit Jahren ständig steigender Beliebtheit. „Natives Olivenöl extra“, das Olivenöl der höchsten Qualitätsstufe, ist in Deutschland besonders begehrt und hat mit sehr großem Abstand den höchsten Marktanteil von allen Olivenölkategorien. Olivenölkategorien ◆ Ergebnisse der Untersuchungen von offen abgegebenen Speisen aus Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung. Anzahl von Proben, bei denen die Allergene korrekt oder nicht korrekt gekennzeichnet waren. 229 348 Allergenkennzeichnung nicht korrekt Allergenkennzeichnung korrekt Olivenöl darf nur unter genau vorgeschriebenen Bezeichnungen verkauft werden. Für die gängigsten Kategorien gibt es folgende gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards: Natives Olivenöl extra: Wird ohne Wärmebehandlung durch Pressen oder Zentrifugieren hergestellt. Es muss erkennbar fruchtig und frei von sensorisch wahrnehmbaren Fehlern sein. Der Gehalt an freien Fettsäuren darf maximal 0,8 % betragen. In Deutschland werden über 90 % aller Olivenöle als „Natives Olivenöl extra“ vermarktet. Natives Olivenöl: Wird ebenfalls ohne Wärmebehandlung durch Pressen oder Zentrifugieren hergestellt. Es muss erkennbar fruchtig sein, geringfügige sensorische Fehler werden aber toleriert. Der Gehalt an freien Fettsäuren darf bis zu 2,0 % betragen. Olivenöl: Eine Mischung aus raffiniertem Olivenöl und nativem Olivenöl, das zur Geschmacksgebung zugegeben wird. 50 40 74 85 Die ausführlichen Berichte zur Kennzeichnung und Kontrolle von Allergenen in Lebensmitteln sowie über das Schwerpunktprogramm zur Allergenkennzeichnung in der Gastronomie sind im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Das dort ebenfalls abrufbare Merkblatt zur Allergenkennzeichnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln fasst die rechtlichen Vorgaben zusammen und gibt Beispiele für die Praxis. 30 20 10 0 verpackt (n = 1.703) unverpackt (offen) (n = 2.058) Allergengehalte über dem Beurteilungswert Allergengehalte in Spuren unter dem Beurteilungswert nachweisbar ◆ Allergene nicht nachweisbar w 68 A L L E RG E N E I N L E B E N S M I T T E L N 2015 – K E I N G U T E S JA H R F Ü R O L I V E N Ö L- F RE U N D E JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Hans-Ulrich Waiblinger und die Sachverständigen für Allergenanalytik der CVUAs 69 TEIL III UNTERSUCHUNGEN Ergebnisse 2015 Insekten – igitt oder lecker? Aufgrund der schlechten Olivenernte 2014/2015 war der Bedarf an qualitativ hochwertigem Olivenöl kaum zu decken. Solche Umstände erhöhen die Gefahr, dass auch alte und fehlerhafte Öle auf den Markt kommen. Aus diesem Grund wurden im Jahr 2015 schwerpunktmäßig Olivenöle untersucht. Von den insgesamt 266 untersuchten Olivenölen – meist Öle der Kategorie „Natives Olivenöl extra“, aber auch aromatisierte Olivenöle – waren 86 zu beanstanden. Die Beanstandungsquote von 32,3 % lag deutlich höher als im Vorjahr (25 %). Bei 33 Proben (12,4 %) waren lediglich Mängel in der Aufmachung und Kennzeichnung festzustellen. 53 Proben (20 %) wiesen neben Kennzeichnungsmängeln auch Mängel in der Qualität auf, waren verfälscht oder unzulässig behandelt. Einige Olivenöle, die als „Natives Olivenöl extra“ oder „Olio extra vergine di Oliva“ angeboten wurden, waren sogar von so schlechter Qualität, dass sie als „Lampantöl“ und damit als ungenießbar eingestuft wurden. Was im ersten Moment noch futuristisch klingen mag, könnte sich vielleicht dennoch bald als Alternative zu den „traditionellen" Speisen etablieren: Immer häufiger werden auch bei uns Lebensmittel-Insekten zum menschlichen Verzehr angeboten, vor allem über das Internet. Pikant oder süß, getrocknet, geröstet oder gegrillt – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Und Käfer, Raupen oder Heuschrecken lassen sich mannigfaltig zubereiten. 12 der untersuchten Olivenöle stammten von OnlineShops. Davon wurde die Hälfte wegen Mängeln in der Aufmachung und Kennzeichnung beanstandet. Oft war gar keine deutschsprachige Kennzeichnung vorhanden. Bei 4 der Öle ließ zudem auch die Qualität zu wünschen übrig, sodass Bezeichnungen wie „nativ extra“ oder „extra vergine“ nicht gerechtfertigt waren. Bei einem Olivenöl ergab sich auch der dringende Verdacht, dass das Öl zur Qualitätsverbesserung einer unzulässigen Wärmebehandlung und einer chemischen Entsäuerung unterzogen worden war. Buffalowürmer (Alphitobius diaperinus) „Falsches“ Olivenöl Ein Tischöl aus einem Ölspender in einer Pizzeria sollte eigentlich Olivenöl sein. Die Analyse ergab aber, dass es sich dabei um ein angefärbtes Sojaöl handelte. Der betroffene Gastwirt war sich keiner Schuld bewusst, hatte er doch die Ölspender direkt aus einem Originalkanister mit nativem Olivenöl extra befüllt. Die weiteren Nachforschungen, auch durch die Staatsanwaltschaft, ergaben, dass in großem Stil angefärbtes Sojaöl und Sonnenblumenöl in 5 Liter-Kanistern vor allem an die Gastronomie als italienisches natives Olivenöl extra verkauft worden war. Glücklicherweise ist die aktuelle Olivenernte wesentlich besser ausgefallen als die letzte, sodass die Verbraucher 2016 wieder mit einem besseres Angebot an qualitativ hochwertigen Olivenölen rechnen können. 70 I N S E K T E N – I G I T T O D E R L E C K E R? W I E KO M M T B I S P H E N O L F I N S E N F ? fallen unter die Verordnung (EG) Nr. 258/97 (Novel FoodVerordnung) und gelten als neuartige Lebensmittel beziehungsweise -zutaten. Ein Inverkehrbringen derartiger Insektenteile als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat ist in der EU ohne Sicherheitsbewertung und Zulassung nicht erlaubt. Insekten als Ganzes fallen dagegen nicht zweifelsfrei in den Anwendungsbereich der aktuell gültigen Novel Food-Verordnung und befinden sich somit lebensmittelrechtlich derzeit in einer Grauzone. Die neue Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 ist am 31. Dezember 2015 in Kraft getreten. Mit dieser Verordnung werden einige Unklarheiten im Hinblick auf den Anwendungsbereich der bisher geltenden Verordnung (EG) Nr. 258/97 beseitigt. Unter anderem sind ganze Tiere wie Insekten nunmehr Teil der Begriffsbestimmung und fallen damit eindeutig in den Anwendungsbereich der Verordnung. Weiter wird auch der Begriff „traditionelles Lebensmittel aus einem Drittland" eingeführt. Für diese traditionellen Lebensmittel gilt ein vereinfachtes Verfahren, wenn der Antragsteller eine mindestens 25-jährige sichere Verwendung als Lebensmittel außerhalb der EU verlässlich belegen kann. Allerdings sind die Vorgaben der „neuen Novel Food-Verordnung“ von 2015 erst ab dem 1. Januar 2018 vollumfänglich gültig. Aufgrund der steigenden Nachfrage haben zwischenzeitlich jedoch bereits einzelne EU-Mitgliedstaaten – so beispielsweise Belgien und die Niederlande – nationale Vorgaben eingeführt und Aufzucht und Vermarktung bestimmter Lebensmittel-Insekten im nationalen Alleingang unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht. Dort werden die entsprechenden Produkte nun teilweise bereits im Supermarkt angeboten. Was macht die Lebensmittelkontrolle? Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) Inspirationen liefern unzählige Rezepturen aus Asien, Afrika, Lateinamerika oder Australien. Insekten zählen dort zu den Grundnahrungsmitteln und ihr Verzehr ist seit langem Normalität. Weit gefehlt, wer glaubt, dies geschehe nur aus Hungersnot: Auf diesen Kontinenten sind Insekten fester Bestandteil der lokalen Ernährungsgewohnheiten, werden vor allem wegen ihres Geschmacks gegessen und gelten dabei häufig als besondere Delikatesse! Die Lebensmittelüberwachung muss sich dieser neuen Herausforderung stellen. Das CVUA Freiburg beschäftigt sich daher seit geraumer Zeit mit dieser Thematik. Neben der ständigen Beobachtung des internationalen Geschehens, der Weiterentwicklung der politisch-strategischen Ausrichtung und von aktuellen Forschungsergebnissen stehen die Sachverständigen im Austausch mit den entsprechenden renommierten Forschungsinstituten. Sie entwickeln parallel die erforderlichen routinetauglichen Untersuchungsmethoden. Ein Schwerpunkt liegt derzeit auf der Artenbestimmung der Insekten in allen Entwicklungsstadien, um bei einer Vielzahl möglicher essbarer Insekten-Spezies und der jeweiligen Abhängigkeit der Gefahrenbewertung eine gesicherte Aussage machen zu können. Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse 2015 sind im Internet veröffentlicht worden: www.ua-bw.de. Sind Insekten „neuartige Lebensmittel”? Der ausführliche Bericht zum Thema Insekten ist im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Dr. Rüdiger Weißhaar, CVUA Stuttgart Insektenteile, die vor dem 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswerten Umfang in der EU verzehrt wurden, Silke Helble, CVUA Freiburg Wie kommt Bisphenol F in Senf? JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW Metallische Behälter für Lebensmittel, wie Konservendosen, Tuben und Getränkebehälter, sind zum Schutz des Lebensmittels vor dem Übergang von Metallen häufig im Inneren beschichtet. Zur Herstellung dieser Beschichtung werden Bisphenole und -derivate eingesetzt. Nachdem Bisphenol A (BPA) in der Öffentlichkeit aufgrund seiner endokrinen Wirkung in die Kritik geriet, suchen die Hersteller nach Ersatzstoffen. Für die dem BPA sehr ähnlichen, also analogen Stoffe, liegen oftmals keine toxikologischen Bewertungen vor. Das CVUA Stuttgart hat 16 Senftuben auf den Übergang von BPA und anderen Bisphenolen beziehungsweise -derivaten untersucht. Die Lebensmittelchemiker sind dabei auf hohe Mengen an Bisphenol F (BPF) gestoßen. Untersuchungsergebnisse Das Labor hat insgesamt 16 Proben Senf aus Tuben untersucht. In den beiden Proben süßer Senf wurde BPF in Gehalten von 850 µg/kg beziehungsweise 1.800 µg/kg und in den 9 Proben mittelscharfer Senf zwischen 1.500 µg/kg und 6.200 µg/kg ermittelt. Auffällig war, dass alle 5 Proben scharfer und extrascharfer Senf keine oder nur geringe 71 BPF-Gehalte von weniger als 35 µg/kg enthielten. Unter den Proben befanden sich auch mittelscharfe und scharfe Senfe vom selben Hersteller. Da davon auszugehen ist, dass in dem Herstellungsbetrieb gleichartige Tuben für die verschiedenen Produkte verwendet werden, sind die unterschiedlichen Befunde in scharfem und mittelscharfem Senf auffallend. BPF entsteht bei der Senfherstellung Die Resultate lassen darauf schließen, dass das BPF nicht aus der Verpackung stammt. Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat in früheren Untersuchungen bereits ähnlich hohe BPF-Gehalte in süßem und mittelscharfem Senf festgestellt. In einer Studie des BLV wurde bestätigt, dass BPF nicht durch die Verpackung verursacht wird, sondern bei der Herstellung des Senfes aus natürlich vorkommenden Glucosinolaten, auch Senfölglycoside genannt, entsteht (www.blv.admin.ch). Laut BLV wird BPF nur bei der Herstellung von süßem und mittelscharfem Senf gebildet, da seine Entstehung in Zusammenhang mit dem in weißem Senf vorkommenden Sinalbin steht. Der genaue Bildungsweg ist noch nicht geklärt. Die Daten des CVUA Stuttgart bestätigen jedoch diese Aussage. Ist BPF gesundheitsschädlich? BPA wird für die Herstellung verschiedener Kunststoffe und Kunstharze verwendet. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) stuft BPA als reproduktionstoxisch ein. Reproduktionstoxische Verbindungen können die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen. BPF ist ein Strukturanalogon von BPA, das heißt: beide Stoffe weisen eine sehr ähnliche chemische Struktur auf. Solche Analoga können auch ähnliche biologische Wirkungen hervorrufen. Für BPF liegen jedoch bisher keine ausreichenden toxikologischen Bewertungen und kein gesetzlicher Grenzwert vor. TEIL III UNTERSUCHUNGEN Non-Food – auch ein Thema der Lebensmittelüberwachung Kinetischer Sand – Sandkuchen backen im Haus Ein neuartiger Spielsand wird für das Kinderzimmer angeboten. Der kinetische Sand, Zaubersand oder Crazy Sand besteht aus feinkörnigem Spielsand, der mittels Bindemittel auf Silikonölbasis spezielle Eigenschaften erlangt. Er staubt nicht, ist formbar wie feuchter Sand und klebt nicht an Händen und Unterlagen. Das CVUA Stuttgart hat bei 6 von 12 Proben jedoch Mängel festgestellt. In 4 Proben eines Herstellers wurde n-Butanol nachgewiesen. Diese Proben hatten in Aufschlämmungen mit Wasser einen pH-Wert im alkalischen Bereich (pH 11). Die übrigen Proben hingegen zeigten unter den gleichen Bedingungen neutrale bis schwach saure Reaktion. Weitere 2 Produkte hatten ebenfalls einen fremdartigen Geruch. Hier wurden Naphthalinderivate und cyclische Alkane identifiziert. Ein pink gefärbter Sand war nicht schweißecht und enthielt den Farbstoff Rhodamin B, der im Verdacht steht, krebserzeugend zu sein. Der kinetische Sand besitzt überraschende Eigenschaften. Teilweise sind jedoch noch qualitative Verbesserungen erforderlich. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten vorsorglich grundsätzlich Spielwaren mit auffälligem Geruch meiden. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse scheint das Sandeln im Freien immer noch die bessere Alternative zu sein. Enthalten Papierverpackungen Anthrachinon? Im Jahr 2013 wurde das krebserregende Anthrachinon aus den Empfehlungen des BfR für die Herstellung von Papier gestrichen. Im Jahr 2014 fanden die Prüfer der Stiftung Warentest Anthrachinon in nicht unerheblichen Mengen in Schwarztee. Neben den im Teeanbau verwendeten Pestiziden kommen auch die Papierfilter als Eintragsquelle für Anthrachinon in Frage. Nanomaterialien in Kosmetika Die EU-Kosmetik-Verordnung (VO (EG) Nr. 1223/2009), die im Juli 2013 vollumfänglich in Kraft getreten ist, hat im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten bereits einige Verfahren zum Einsatz von Nanomaterialien genau reguliert. Diese Anforderungen hat das CVUA Karlsruhe im Rahmen der im Auftrag des MLR durchgeführten Studie „Marktübersicht für Produkte mit Nanotechnologie in Baden-Württemberg“ für kosmetische Mittel überprüft. Das CVUA Stuttgart untersuchte daher in den Jahren 2014 und 2015 Kaffee- und Teefilter zum Selbstbefüllen und bereits mit Tee befüllte Beutel. Zudem wurden weitere Papierverpackungen, wie Butterbrotpapier, Obsttüten, Hamburger- und Pizzaschachteln, diverse Pappteller und -schalen, Bäckerseide und -tüten sowie Muffin- und Cupcake- förmchen geprüft. Überblick über die auf Anthrachinon untersuchten Proben Papiermaterialien mit Lebensmittelkontakt in den Jahren 2014-2015 (Gesamtzahl 110) 11 17 Kaffeefilter 5 Teefilter zum Selbstbefüllen 26 13 Teebeutel befüllt Butterbrotpapiere Süßwarenpackungen 38 Das BfR hat bewertet, ob sich aus dem Vorkommen von BPF in Senf mögliche gesundheitliche Risiken für Verbraucher ergeben könnten. Es kam in seiner Stellungnahme zur Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken durch Bisphenol F in Senf vom 8. Juni 2015 zu dem Schluss, dass eine gesundheitliche Gefährdung des Verbrauchers durch den Verzehr von BPF-haltigem Senf nach jetzigem Kenntnisstand unwahrscheinlich ist (siehe www.bfr.de). Das BfR weist jedoch darauf hin, dass die Datenlage unzureichend ist und weitere toxikologische Studien sowie Abschätzungen zur Exposition für eine abschließende Bewertung erforderlich sind. 72 N O N - F O O D – AU C H E I N T H E M A D E R L E B E N S M I T T E LÜ B E R WAC H U N G JA H R E S B E R I C H T 2015 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW sonstige Papierverpackungen ◆ In keiner der 110 untersuchten Proben war Anthrachinon bestimmbar. Lediglich in 2 bereits befüllten Schwarzteebeuteln waren geringe Spuren von Anthrachinon (< 3 mg/kg) nachweisbar. Als mögliche Quelle kommt hier der mit Pestiziden behandelte Schwarztee in Frage. Die Untersuchungen zeigten insgesamt, dass Anthrachinon in den untersuchten Materialien offensichtlich keine Anwendung fand. Ein ausführlicher Bericht über die Untersuchungen ist im Internet veröffentlicht: www.ua-bw.de. Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse 2015 sind im Internet veröffentlicht worden: www.ua-bw.de. Ulrike Kielmeier, CVUA Stuttgart Iris Eckstein, CVUA Stuttgart Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse sind im Internet veröffentlicht worden: www.ua-bw.de. Sarah Stürenburg, Heike Blank, Susanne Maier und Dr. Natalie Rosenfelder, CVUA Stuttgart Marktcheck 25 der rund 400 im Land ansässigen verantwortlichen Personen im Sinne der VO (EG) 1223/2009, die kosmetische Mittel herstellen, vertreiben oder importieren, haben Produkte mit Nanomaterialien im Sortiment. Dies ergab eine Recherche im Cosmetic Product Notification Portal (CPNP) im März 2015. Insgesamt werden 140 kosmetische Mittel, die Nanomaterialien enthalten, angeboten. Beim überwiegenden Teil handelt es sich um Sonnenschutzmittel (116), weitere Produkte sind kosmetische Mittel zur Lippen- und Zahnpflege, Tagescremes und Mascara. Bei den 140 Produkten wurden 6 verschiedene Nanomaterialien eingesetzt: 73 LEBENSMIT TELÜBERWACHUNG BW TEIL III UNTERSUCHUNGEN JA H R E S B E R I C H T 2015 Teil IV Trinkwasser Trinkwasserüberwachung76 Informationen rund ums Trinkwasser 76 Flüchtlingswelle 2015 – Auswirkungen auf die Trinkwasserüberwachung 77 Umsetzung der umfassenden Untersuchung für dezentrale kleine Wasserwerke 78 Radioaktivität im Trinkwasser 80 ◆ Die meisten Einträge fallen auf Titandioxid (116 Einträge), das als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln verwendet wird. Weitere Nanomaterialien sind n 29-mal Methylene-bis-benzotrazolyl-tetra-methylbutyl- phenol (MBBT), ein organischer Lichtfilter, n 8-mal Zinkoxid, ebenfalls ein UV-Filter, n 4-mal Siliciumdioxid und einmal Hydroxyapatit, die in Zahncremes oder Zahnpflegeprodukten eingesetzt wer den, sowie n 1-mal Carbon black, das als schwarzer Farbstoff zum Beispiel in Mascara oder Kajal verwendet wird. Trinkwasseruntersuchung82 Mikrobiologische Untersuchungen 83 Chemische Untersuchungen 86 Befragung der verantwortlichen Person Von den 25 ermittelten Kosmetikunternehmern in BadenWürttemberg, die kosmetische Mittel mit Nanomaterialien im Sortiment haben, wurden 12 für eine Betriebskontrolle ausgewählt. Die Auswahl wurde so getroffen, dass jede Produktart und jedes Nanomaterial möglichst zweimal, mindestens aber einmal abgedeckt war. Die Kontrollen haben die Sachverständigen des CVUA Karlsruhe gemeinsam mit der jeweils zuständigen unteren Verwaltungsbehörde durchgeführt. Bei den Kontrollen wurden die Produktunterlagen überprüft, insbesondere die Rohstoffspezifikationen der eingesetzten Nanomaterialien, sowie die Rezeptur und die Sicherheitsbewertung des entsprechenden kosmetischen Mittels. Die überprüften Kosmetikunternehmer hielten die gesetzlichen Anforderungen bezüglich Nanomaterialien (Meldungen, Notifizierung, Kennzeichnung) ein. Untersuchung und Beurteilung Von den insgesamt 13 Proben aus den Betriebskontrollen bei Herstellern und 17 Proben von Testkäufen aus dem Internet wurde eine Auswahl von 18 Proben zur chemischen Untersuchung auf Nanomaterialien in einem beauftragten Privatlabor getroffen. 9 der 18 ausgewählten Proben (50 %) wurden beanstandet. Von den Proben aus BadenWürttemberg war eine Probe (5,5 %) zu beanstanden. ◆ Die ausführlichen Ergebnisse sind im Internet veröffentlicht worden: www.ua-bw.de. Zusätzlich hat das CVUA Karlsruhe eine Internet-Recherche zu kosmetischen Mitteln mit Nanomaterialien durchgeführt. Über die SES wurden 17 Produkte als Testkauf aus dem Internet erworben und untersucht. 74 ◆ Claudia Baumung, CVUA Karlsruhe ◆ 75 TEIL IV TRINK WASSER Trinkwasserüberwachung Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Es steht jedem zur Verfügung, in der Regel unbeschränkt und ohne dass Wege für die Beschaffung zurückgelegt werden müssen. Kein Lebensmittel ist besser kontrolliert. Für kein Lebensmittel gelten vergleichbar viele und strenge Grenzwerte. Nach den Vorschriften der Trinkwasserverordnung muss es rein und genusstauglich sein. Es darf keine Krankheitserreger enthalten und keine Stoffe, die die menschliche Gesundheit gefährden können. Informationen rund ums Trinkwasser Trinkwasserverbrauch und -versorgung Es wird zum Genuss im ursprünglichen Zustand oder aufbereitet zu Getränken und Speisen, aber auch zur Körperpflege und Reinigung benötigt. In Baden-Württemberg hat jeder Einwohner im Jahr 2013 täglich im Durchschnitt 116 Liter Trinkwasser verbraucht. Dies erscheint recht viel, zumal 2014 nur rund 4 % für Essen und Trinken verbraucht wurden. Allerdings ist der durchschnittliche tägliche Wasserverbrauch je Einwohner seit dem Maximum Anfang der 1990er Jahre wieder um rund 25 Liter gesunken und stagniert nun schon seit 10 Jahren auf diesem Niveau. Der Pro-Kopf-Verbrauch im Land liegt unter dem Bundesdurchschnitt von 121 Litern. Die Statistik wird alle 3 Jahre erhoben Die Wasserversorgung in Baden-Württemberg basiert auf kommunaler Versorgung, überregionalen Fernwasserversorgungen und für einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung, vor allem in den ländlichen Regionen von Schwarzwald und Oberschwaben, auf dezentralen kleinen Wasserwerken (Eigenwasserversorgungen). Etwa die Hälfte des Wassers wird aus Grundwasser gewonnen, knapp 30 % aus Oberflächenwasser, der Rest vor allem aus Quellwasser. Weitere Informationen zum Wasserverbrauch und der Wassergewinnung sind auf der Internetseite des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg (www.statistik.baden-wuerttemberg.de) und der Internetseite des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (www.bdew.de) veröffentlicht. Trinkwasserkontrolle Für Reinheit und gesundheitliche Unbedenklichkeit des Trinkwassers sind die Wasserversorgungsunternehmen und Inhaber von Wasserversorgungsanlagen verantwortlich. Von der Trinkwasserüberwachung wird erwartet, dass sie die Einhaltung der strengen Qualitätsstandards gewährleistet. In Baden-Württemberg sind die 38 Gesundheitsämter der Land- und Stadtkreise und das Landesgesundheitsamt (LGA) beim Regierungspräsidium Stuttgart für die Überwachung der Trinkwasserqualität zuständig. Zu den zentralen Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes gehört damit die Überwachung und Mitwirkung bei der Sicherstellung einer hygienisch einwandfreien Trinkwasserversorgung der Bürgerinnen und Bürger. Die Gesundheitsämter tragen hier eine wesentliche Mitverantwortung. Nach § 37 Infektionsschutzgesetz muss Wasser für den menschlichen Gebrauch so beschaffen sein, dass für die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Schädigung ihrer Gesundheit zu befürchten ist. Detailliert geregelt sind die Anforderungen an die Beschaffenheit des Trinkwassers in der Trinkwasserverordnung aus dem Jahre 2001, kurz: TrinkwV. Diese Rechtsvorschrift wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert, zuletzt im Jahr 2015. Mit dieser jüngsten Anpassung wurden radiologische Anforderungen an das Trinkwasser sowie die entsprechenden Überwachungsaufgaben konkretisiert. Die Überwachungsaufgaben umfassen routinemäßige und anlassbezogene Überprüfungen der Wasserqualität durch mikrobiologische, chemische und zukünftig radiologische Untersuchungen. Die Anlagen und Wasserschutzzonen sind regelmäßig zu begehen, um sicherzustellen, dass die bestehenden Wassergewinnungs- und Versorgungsanlagen den Anforderungen an den aktuellen Stand der Technik gerecht werden. Einzelne bundesrechtliche Änderungen der Trinkwasserverordnung führten in den letzten Jahren bei der Trinkwasserüberwachung in den unteren Gesundheitsbehörden zu einem Mehraufwand, dem das Land Baden-Württemberg im Berichtsjahr nun dadurch begegnet ist, dass im Nachtragshaushalt für 2015/2016 zusätzliche Finanzmittel für einen erstmaligen Stellenaufwuchs bei den Hygienekontrolleuren bereitgestellt wurden. Martina Bauer, MLR 76 TRINK WASSERÜBERWACHUNG · INFORMATIONEN RUND UMS TRINK WASSER FLÜCHTLINGSWELLE 2015 – AUSWIRKUNGEN AUF DIE TRINK WASSERÜBERWACHUNG Flüchtlingswelle 2015 – Auswirkungen auf die Trinkwasserüberwachung JA H R E S B E R I C H T 2015 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW Eine besondere Situation ergab sich im Jahr 2015 durch den immensen Flüchtlingsstrom nach Deutschland und Baden-Württemberg. Wegen der sich teilweise ergebenden kurzfristigen Nutzung zuvor leerstehender Gebäude für die Unterbringung der Menschen war auch die Trinkwasserüberwachung stark gefordert. Die Ankunft tausender Flüchtlinge innerhalb weniger Monate erforderte Improvisation bei deren Unterbringung. Leerstehende Gebäude jeder Art, zum Beispiel Gasthöfe oder Gewerbehallen, rückten dafür in den Fokus von Landkreisen und Kommunen. Anwesen, deren Trinkwasserinstallationen alt und in schlechtem Zustand oder für die Versorgung überfüllter Gemeinschaftsunterkünfte vielfach nicht ausgelegt waren, mussten kurzfristig für die Unterbringung der Menschen hergerichtet werden. Trotzdem muss auch hier das zur Verfügung gestellte Trinkwasser die strengen Anforderungen der Trinkwasserverordnung erfüllen. Die Trinkwasserüberwachung sah sich einer besonderen Herausforderung gegenüber. Trägt der Eigentümer der Liegenschaft oder der Mieter als Nutzer die Verantwortung? Die Verantwortung für die Reinheit und gesundheitliche Unbedenklichkeit des Trinkwassers sowie gegebenenfalls die Pflicht zur Veranlassung bestimmter Untersuchungen, insbesondere zu Legionellen, liegt nach geltendem Recht beim Unternehmer oder sonstigen Inhaber der Trinkwasserinstallation. Bei der Vielfalt der sich in der Praxis ergebenden Konstellationen ist die Feststellung, wer letztlich verantwortlich ist, oft nicht einfach. Bei der Vermietung von Gebäuden für die Unterbringung der Flüchtlinge handelt es sich um eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne der Trinkwasserverordnung, sofern die unmittelbare oder mittelbare, zielgerichtete Trinkwasserbereitstellung im Rahmen der Vermietung stattfindet. Sind bereits Duschen vorhanden, ist der Eigentümer (Vermieter) verantwortlicher Unternehmer – unabhängig davon, ob vom Mieter weitere Duschen ergänzt werden. Ist eine Großanlage zur Trinkwassererwärmung vorhanden, besteht für ihn die Pflicht zur Untersuchung auf Legionellen. Wenn das angemietete Gebäude keine Duschen und ähnliche Einrichtungen enthält, gibt es keine zielgerichtete Trinkwasserbereitstellung mit Legionellen-Relevanz durch den Vermieter. Durch die Unterbringung von Personen und den Einbau von Duschen agiert der Mieter im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit im Sinne der Trinkwasserverordnung, als sogenannter sonstiger Inhaber, was bei Vorhandensein einer Großanlage zur Trinkwassererwärmung die Pflicht zur Untersuchung auf Legionellen durch den Mieter zur Folge hat. Bei einem angemieteten Ein- oder Zweifamilienhaus besteht keine Untersuchungspflicht. Aspekte der Trinkwasserhygiene Angesichts der möglicherweise wochen- oder sogar monatelangen Stillstandszeiten in den entsprechenden Gebäuden kann es bei Wiederinbetriebnahme der Trinkwasserinstallation zu sensorisch auffälligen oder anderen Beeinträchtigungen des Trinkwassers kommen. Von besonderer Bedeutung ist die mikrobiologische Beschaffenheit des Trinkwassers. Wichtigste Maßnahme ist ausgiebiges Spülen, danach eine erste Beprobung. Wenn die Untersuchungsergebnisse wegen des herrschenden Zeitdrucks nicht abgewartet werden können, kommen unter Beachtung der Bedingungen des Einzelfalls zeitlich befristete Einschränkungen der Verwendung des Trinkwassers, beispielsweise „kein Duschen möglich“, in Betracht. ◆ Martina Bauer, MLR 77 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW TEIL IV TRINK WASSER U M S E T ZU N G D E R U M FA S S E N D E N U N T E R SU C H U N G F Ü R D E Z E N T R A L E K L E I N E WA S S E R W E R K E JA H R E S B E R I C H T 2015 Umsetzung der umfassenden Untersuchung für dezentrale kleine Wasserwerke Die Änderung der Trinkwasserverordnung im Jahr 2011 brachte für Betreiber von Kleinanlagen zur Trinkwasserversorgung mit Wasserabgabe an Dritte im Rahmen einer öffentlichen oder gewerblichen Tätigkeit, zum Beispiel Vermietung, Gastronomie, Herstellung und Vertrieb von Lebensmitteln, erhebliche Änderungen mit sich. Für diese sogenannten dezentralen kleinen Wasserwerke müssen die Betreiber neben den „routinemäßigen Untersuchungen“ jährlich auch „umfassende Untersuchungen“ durchführen. Im Ortenaukreis sind 954 dezentrale kleine Wasserwerke erfasst. Ein Großteil dieser Anlagen gehört zu landwirtschaftlichen Betrieben. Im Jahr 2015 hat das Gesundheitsamt alle Betreiber angeschrieben, um sie auf ihre Pflicht zur Durchführung einer umfassenden Untersuchung hinzuweisen. Von den 954 Einzelwasserversorgern haben bislang 554 Betreiber, also etwas mehr als die Hälfe, Ergebnisse der umfassenden Untersuchung mit 33 Parametern vorgelegt. Davon wiesen 307 Anlagen Grenzwertüberschreitungen auf. Die folgende Tabelle stellt dar, welche Parameter wie oft über den Grenzwerten lagen: Parameter Anzahl der Proben mit Grenzwertüberschreitung 1. aus der umfassenden Untersuchung Aluminium 6 Arsen 20 Bentazoen 1 Benzol 2 Blei Calcitlösekapazität 4 154 Clostridien 4 Eisen 27 Enterokokken 42 Färbung SAK 4 Fluorid 2 Hexazinon 1 Mangan 35 Metolachlor 3 Nickel 4 Nitrat 6 Oxidierbarkeit 1 Summe PSM 2 Uran Summe Anzahl 3 321 2. aus der Routineuntersuchung Ammonium 78 2 coliforme Keime 109 E. Coli 41 Koloniezahl 16 ph-Wert 47 Summe Anzahl 215 Die Grenzwertüberschreitungen betreffen sowohl mikrobiologische Parameter, wie Enterokokken, chemische Parameter, wie Arsen, Eisen oder Mangan, als auch sogenannte Indikatorparameter, wie die Calcitlösekapazität. Indikatorparameter sind in den üblichen Mengen nicht gesundheitsschädlich, können aber beispielsweise zur Korrosion von Rohren führen. Einen großen Anteil von rund 70 % der Grenzwertüberschreitungen haben die geogen bedingten Untersuchungsparameter Arsen, Calcitlösekapazität, Eisen und Mangan. Die bisherigen Ergebnisse der umfassenden Untersuchungen haben ferner gezeigt, dass bei den Anlagen mit Grenzwertüberschreitungen dies durchschnittlich jeweils bei 0,6, gerundet also einem Parameter, aus der umfassenden Untersuchung der Fall ist. Das Gesundheitsamt muss jeweils im Einzelfall entscheiden, welche Konsequenzen die Grenzwertüberschreitungen haben. Dies können Nachbeprobung, Abkochgebot, Verzicht auf Verwendung für Säuglingsnahrung, Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung im Fassungsbereich der Quellen oder Nachrüsten von Filteranlagen sein. terumfang durchgeführt. Erst mit diesen vollständigen Analyseergebnissen besteht eine ausreichende fachliche Grundlage, um die im Einzelfall relevanten Parameter beurteilen zu können. Durch den „Ortenauer Weg“ können der Untersuchungsumfang und damit die Kosten für die Trinkwasseruntersuchungen ab 2016 erheblich reduziert werden. So müssen in den folgenden Jahren neben den auch in den letzten Jahren schon erforderlichen routinemäßigen Untersuchungen nur jeweils noch diejenigen Parameter ergänzend untersucht werden, bei denen es im Jahr 2015 zu Grenzwertüberschreitungen gekommen ist. Erst im Jahre 2019 wird dann wieder eine größere umfassende Untersuchung durchgeführt. Die Parameteranzahl wird jedoch geringer als bei der ersten Untersuchung 2015 sein, da die Trinkwasserkontrolle dann, basierend auf der Datengrundlage der Untersuchungen 2015 bis 2018, in jedem Einzelfall entscheiden kann, welche Parameter aus fachlichen Gründen für die betroffenen Betreiber überhaupt in Frage kommen. Untersuchungsumfang für dezentrale kleine Wasserwerke bis 2019 nach dem „Ortenauer Weg“ Ortenauer Weg 50 Die umfassende Untersuchung stellt für die Betreiber eine große finanzielle Belastung zusätzlich zur routinemäßigen Untersuchung dar, denn jede umfassende Untersuchung kostet etwa 500 bis 900 Euro. Unabhängig davon ist das Trinkwasser ein äußerst wichtiges Gut, das zu Recht gerade auch mit Blick auf den Verbraucherschutz einen hohen Schutzstatus genießt. Der „Ortenauer Weg“ beschreibt eine Vorgehensweise, die vom Landratsamt Ortenaukreis entwickelt wurde und die im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben der Trinkwasserverordnung weitestgehend beiden Interessen gerecht werden soll. Bevor das Gesundheitsamt seinen Ermessensspielraum ausüben und den Untersuchungsumfang gemäß Anlage 4 Teil I Buchstabe b TrinkwV reduzieren kann, muss eine entsprechende Datengrundlage vorhanden sein. Die erste umfassende Untersuchung im Jahr 2015 wurde deshalb aus fachtechnischen Gründen mit vollständigem Parame- 45 Reduzierung möglich, soweit Untersuchungen 2015-2018 unproblematisch 40 Parameteranzahl Ergebnisse 35 30 33 25 Im Durchschnitt 1 Parameter 20 15 10 5 14 14 14 14 14 2015 2016 2017 2018 2019 0 Jahr routinemäßige Untersuchung ggf. Parameter mit Grenzwertüberschreitung umfassende Untersuchung Katinka Mangei, LRA Ortenaukreis 79 TEIL IV TRINK WASSER Radioaktivität im Trinkwasser Seit dem 18. November 2015 gilt die 3. Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung. Diese Verordnung dient der nationalen Umsetzung der Richtlinie 2013/51/EURATOM zur Festlegung von Anforderungen an den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung hinsichtlich radioaktiver Stoffe in Wasser für den menschlichen Gebrauch. Welche Rolle spielt Radioaktivität in unserem Trinkwasser? Im Jahr 2009 hat das BfS in einer Studie 582 Trinkwasserproben untersucht, wobei die Beprobung einen großen Teil des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland erfasst hatte. Zur Untersuchung von Trinkwasser in Ballungsgebieten wurden vorwiegend größere Wasserversorgungsanlagen beprobt. Zusätzlich wurden zur Erfassung der oberen Aktivitätsbereiche gezielt Trink- und Rohwasser von Wasserversorgungsanlagen in Gebieten mit erhöhter natürlicher Radioaktivität beprobt. Hierzu gehörten auch Gebiete in Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Als wesentliches Ergebnis benennt die Studie, dass das Trinkwasser in Deutschland nur geringfügig zur gesamten mittleren jährlichen Strahlenexposition aus natürlichen Quellen beiträgt. Verglichen mit der gesamten natürlichen wie auch mit der zivilisatorischen Strahlenexposition der Bevölkerung ist in Deutschland die durchschnittliche Strahlenbelastung durch Trinkwasser gering. Die effektive Dosis aus dem Trinkwasserkonsum liegt nach dem Bericht des BfS im Mittel für die Altersgruppe der Erwachsenen im Bereich von 0,01 mSv/a (Millisievert pro Jahr). Die gesamte natürliche Strahlenexposition beträgt demgegenüber im Mittel 2,1 mSv/a mit einer örtlich bedingten Spannweite von 1 mSv/a bis 10 mSv/a. Das BfS hat aus seiner Studie Empfehlungen für die zukünftige Überwachung des Trinkwassers abgeleitet. Unter anderem soll die Trinkwasseruntersuchung alle natürlichen Radionuklide berücksichtigen, die einen relevanten Dosisbeitrag liefern könnten. Dazu gehören neben Radon-222 die Radiumisotope Ra-228 und Ra-226, die Uranisotope U-238 und U-234 und die Radonfolgeprodukte Pb-210 und Po-210. Wie geraten radioaktive Stoffe in das Trinkwasser? Während künstliche Radionuklide nur durch Störfälle, zum Beispiel aus kerntechnischen Anlagen, in die Umwelt gelangen, sind natürlich vorkommende Radionuklide aufgrund geologischer und hydrogeologischer Gegebenheiten sehr unterschiedlich und mit großen Schwankungsbreiten in der Konzentration verteilt. Der Konsum von aus Grundwasserleitern gewonnenem Trinkwasser kann daher unter Umständen im Einzelfall zu Strahlenbelastungen führen, die im Sinne eines vorsorglichen gesundheitlichen Verbrau- ◆ 80 cherschutzes nicht akzeptabel sind. Solche nennenswert erhöhten Aktivitätskonzentrationen natürlicher Radionuklide finden sich häufiger in Wässern aus granitisch geprägten Gebieten, wie im Erzgebirge, Vogtland, Fichtelgebirge, Bayerischen Wald, Oberpfälzer Wald, im Harz und im Schwarzwald. Welche rechtlichen Anforderungen gibt es? Die Trinkwasserverordnung sieht vor, dass die Aktivitätskonzentrationen ausgewählter Radionuklide und die sogenannte Richtdosis zur Bewertung von Trinkwasser hinsichtlich radioaktiver Inhaltsstoffe herangezogen werden. R A D I OA K T I V I TÄT I M T RI N K WA S S E R dieser 3 Faktoren berechnet. Dabei sind grundsätzlich die in der TrinkwV aufgeführten Referenz-Aktivitätskonzentrationen für verschiedene Radionuklide zu berücksichtigen. Die Aktivitätskonzentrationen von K-40, Tritium und Radon-222 sowie kurzlebige Radon-Zerfallsprodukte bleiben unberücksichtigt. Wenn Informationen vorliegen, dass andere Radionuklide in dem Trinkwasser vorhanden sein könnten, deren Dosisbeitrag zu einer Überschreitung der Richtdosis führen kann, sind auch diese einzubeziehen. In der Regel kann die Untersuchung künstlicher Radionuklide entfallen, es sei denn, die zuständige Behörde ordnet solche Untersuchungen an. Für die Erstuntersuchung im Hinblick auf die Richtdosis durch natürliche Radionuklide können unterschiedliche Verfahren angewendet werden: Screening-Verfahren mit Bestimmung der Gesamt-Alpha-Aktivitätskonzentration Calpha-ges und Einzelnuklidbestimmung. Kann die Einhaltung des Parameterwertes für die Richtdosis mittels ScreeningVerfahren nicht nachgewiesen werden, sind zur Beurteilung der Richtdosis Einzelnuklidbestimmungen erforderlich. JA H R E S B E R I C H T 2015 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW Wo und wie oft müssen die Untersuchungen zur Radioaktivität durchgeführt werden? Die Untersuchungen sind in der Regel zumindest in Form der Erstuntersuchungen in jedem Wasserversorgungsgebiet, ausgehend von der abgegebenen Menge, jährlich 1bis 10-mal durchzuführen. Nach Abschluss der von den Wasserversorgern veranlassten Erstuntersuchungen (bis spätestens 4 Jahre nach Inkrafttreten der Änderungsverordnung) wird festzulegen sein, wo weitere regelmäßige Untersuchungen zur Radioaktivität im Trinkwasser durchzuführen sind. Eine vom BfS geleitete fachübergreifende Arbeitsgruppe aus Vertretern von Ministerien, Landesmessstellen, analytischen Laboratorien und Trinkwasserverbänden hat zwischen 2009 und 2012 einen Leitfaden zur Untersuchung und Bewertung von Radioaktivität im Trinkwasser erarbeitet, der die bestehenden Anforderungen auf empfehlender Basis konkretisiert. Der Leitfaden ist auf der Internetseite des BfS abrufbar (www.bfs.de). Parameterwerte für Radon-222, Tritium und Richtdosis (Tabelle nach Anlage 3a Teil 1 TrinkwV) ParameterParameterwert Einheit Radon-222100 Tritium Bq/l 100Bq/l Richtdosis100mSv/a Radon-222 In Bezug auf Radon-222 ist eine Erstuntersuchung durchzuführen, um das Ausmaß einer möglichen Exposition durch Radon-222 im Trinkwasser zu bestimmen. Der Parameterwert für Radon-222 gilt als eingehalten, wenn die gemessene Radon-Aktivitätskonzentration gemittelt über 4 unterschiedliche Quartale diesen Wert nicht überschreitet. Tritium Untersuchungen im Hinblick auf Tritium im Trinkwasser sind nicht erforderlich, solange der zuständigen Behörde keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der in Anlage 3a Teil I festgelegte Parameterwert für radioaktive Stoffe überschritten sein könnte. Bei Überschreitung des Parameterwertes für Tritium ist eine Untersuchung des Trinkwassers auf andere künstliche Radionuklide erforderlich, da Tritium als Indikatornuklid für das Vorhandensein künstlicher radioaktiver Stoffe angesehen wird. Richtdosis Die Richtdosis wird anhand der gemessenen Radionuklidkonzentrationen und der im Bundesanzeiger (BAnz. Nr. 160a und Nr. 160b vom 28. August 2001) veröffentlichten Dosiskoeffizienten sowie einer jährlich angenommenen Aufnahme von 730 Litern Trinkwasser durch Multiplikation ◆ Die Ergebnisse der Radioaktivitätsuntersuchungen in Lebensmitteln und Trinkwasser sowie in Futtermitteln insbesondere im Rahmen von IMIS sind in Kapiteln III und Kapitel V beschrieben. Dr. Jens Fleischer, LGA 81 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW TEIL IV TRINK WASSER Trinkwasseruntersuchung T RI N K WA S S E RU N T E R SU C H U N G M I K RO B I O LO G I S C H E U N T E R SU C H U N G E N JA H R E S B E R I C H T 2015 Mikrobiologische Untersuchungen Bakterien in neuen Wasserzählern In den Mitgliedstaaten der EU und insbesondere in Deutschland wird viel dafür getan, um eine hohe Qualität des Trinkwassers sicherzustellen. Hierzu gehören regelmäßige und umfangreiche Untersuchungen des Trinkwassers. Dabei wird zum einen die Belastung des Wassers durch Nitrat, Pflanzenschutzmittel, Schwermetalle und andere chemische Substanzen überprüft, zum anderen werden mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt. In Baden-Württemberg gibt es etwa 8.000 Stellen in der gesamten Wasserversorgung, an denen die Trinkwasserüberwachung regelmäßig Wasserproben entnimmt. Diese werden in den akkreditierten Trinkwasserlaboratorien des Landes, den 4 CVUAs und dem LGA analysiert und ausgewertet. Darüber hinaus sind die Wasserversorger verpflichtet, Eigenkontrolluntersuchungen bei Laboratorien, die auf der Liste der Untersuchungsstellen nach § 15 Absatz 4 TrinkwV (zugelassene Trinkwasserlaboratorien) aufgenommen sein müssen, zu beauftragen. Der Nachweis von Pseudomonas aeruginosa (P. aeruginosa) in einem Kindergartenneubau in Hamburg verhinderte dessen planmäßige Inbetriebnahme. Aus Norddeutschland wurde im Jahr 2014 bekannt, dass Wasserzähler verschiedener Hersteller mit dem Bakterium P. aeruginosa belastet sein können. Die Zähler wurden entweder beim Kalibrieren durch Fachfirmen oder durch falsche Lagerung kontaminiert. Im Berichtsjahr haben die CVUAs im Rahmen der amtlichen Trinkwasserüberwachung 5.585 Proben (Vorjahr: 5.342 Proben) untersucht. 11 % dieser Proben (Vorjahr: 11 %) entsprachen nicht den Normen für Trinkwasser. Dabei handelte es sich weit überwiegend um die Überschreitung mikrobiologischer Grenzwerte, teilweise im noch nicht aufbereiteten Rohwasser, für das die Grenzwerte nicht gelten, sowie um kleine Wasserversorgungsanlagen zur Eigenversorgung. Das LGA hat im Jahr 2015 insgesamt 4.400 Trinkwasserproben gemäß TrinkwV 2001 mikrobiologisch untersucht. Davon entfielen 3.036 auf die Fernwasserversorgungen, 365 auf Ortswasserversorgungen, 41 auf Eigenwasserversorger und 958 Proben auf übrige Einsender, hierzu zählen vermehrt Wasserproben aus Trinkwasserinstallationen oder Dentaleinheiten in Zahnarztpraxen. Insgesamt wurden 126 Proben beanstandet, die Beanstandungsrate lag damit insgesamt bei 3,4 % (ohne Rohwasser). Die Fernwasserversorger zeigten eine Beanstandungsquote von 0,7 %, die Ortswasserversorgungen eine von 14,4 % und die übrigen eine von durchschnittlich 5,2 % für die eingesandten Proben. Die Eigenwasserversorger verzeichneten mit 39,5 % die meisten Beanstandungen. ◆ Hinweis: Die teilweise hohen Beanstandungsraten aus den Trinkwasseruntersuchungen des LGA ergeben sich aus vielfach unterschiedlichen Stichprobengrößen oder auch aus Wiederholungsproben beziehungsweise Mehrfachuntersuchungen einer Entnahmestelle. Sie sind also nicht repräsentativ für die allgemeine Trinkwasserqualität in Baden-Württemberg. Sehr gut schneiden die Fernwasserversorger ab, mit einer nahezu konstanten Beanstandungsrate von < 1 %. Bei P. aeruginosa handelt es sich um einen fakultativ pathogenen Keim, der in medizinischen Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern, aber auch in Pflegeheimen in der Literatur immer wieder als Ursache von Infektionen beschrieben wird. Da der Parameter bei der Untersuchung der Trinkwasserqualität in Trinkwasserinstallationen nach der Trinkwasserverordnung routinemäßig nicht mit erfasst wird, besteht aus infektionsprophylaktischer Sicht aufgrund der berichteten Vorkommnisse Handlungsbedarf. Mittlerweile haben die Trinkwasserüberwachungsbehörden mehrerer Bundesländer Untersuchungen durchgeführt und Maßnahmen eingeleitet. In manchen Städten wurden tausende Wasserzähler in Trinkwasserinstallationen von öffentlichen Gebäuden und Wohnhäusern ausgetauscht. Trinkwasserproben beim LGA inkl. Rohwasser nach Einsendern im Jahr 2015 (n = 4.400) 3.500 3.000 3.036 2.500 2.000 1.500 1.000 848 500 41 0 Fernwasserversorger 82 110 365 Ortswasserversorger Einzelwasserversorger Hausinstallationen Sonstige Baden-Württemberg reagiert mit landesweiten Vorgaben Vor diesem Hintergrund hat das MLR Ende des Jahres 2014 Vorgaben erlassen, welche Maßnahmen die Gesundheitsämter durchführen sollen, um die von P. aeruginosa ausgehenden Gefahren zu erforschen und abzuwehren: Für einen ersten Überblick sollte jedes Gesundheitsamt Untersuchungen des Trinkwassers in 5 Einrichtungen veranlassen, in denen sich immungeschwächte Personen aufhalten, insbesondere Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen, in denen im Jahr 2014 ein neuer Wasserzähler eingebaut wurde, sofern keine Befunde aus den letzten 3 Monaten nach Einbau vorlagen. Hatten sich bei dieser ersten Untersuchungsserie signifikante Hinweise auf eine Kontamination des Trinkwassers mit P. aeruginosa durch verunreinigte Wasserzähler ergeben, waren weitere Untersuchungen notwendig. 83 TEIL IV TRINK WASSER Das LGA sollte zentral die Untersuchungen durchführen und die Ergebnisse der amtlichen oder vom Inhaber der Trinkwasserinstallation veranlassten Untersuchungen in einem Bericht zusammenfassen. Die Hersteller der Wasserzähler sollten den Wasserversorgern künftig die mikrobiologische Unbedenklichkeit des Wasserzählers sowie die Einhaltung des Hygienekonzepts bei Herstellung und Prüfung schriftlich bestätigen. Die Wasserversorger sollten Wasserzähler im Lagerbestand stichprobenartig auf P. aeruginosa untersuchen lassen, und zwar 1 % der jeweiligen Charge, mindestens jedoch 10 Wasserzähler einer Charge. Gleichzeitig sollen die Gesundheitsämter den Wasserversorgungsunternehmen den Einbau von neuen Wasserzählern nach den Vorschriften von Infektionsschutzgesetz und Trinkwasserverordnung untersagen, wenn nicht sichergestellt ist, dass diese Wasserzähler nicht mit P. aeruginosa verunreinigt sind. Werden im Trinkwasser in Einrichtungen, in denen sich immungeschwächte Personen aufhalten, P. aeruginosa nachgewiesen, müssen die Betreiber unverzüglich Gefahrenabwehrmaßnahmen, wie Nutzungseinschränkungen, Spül- und Desinfektionsmaßnahmen ergreifen und den Austausch der kontaminierten Wasserzähler veranlassen. Ergebnisse der Studie des LGA für 2015 n n n n Von den 361 gemeldeten Wasserproben waren 10 positiv (2,8 %) für P. aeruginosa. Gemeldete Zahlen zu Wasserzählern ergaben 4 positive (7 %) von 60 überprüften. Datenbankabfragen beim LGA für die Jahre 2013 bis 2015 (siehe Tabelle) haben ein Untersuchungsvolumen von 883 Proben aus verschiedenen Trinkwasserinstallationen (Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen, Kindergärten usw.) ergeben. Hiervon waren 29 Proben positiv (3,3 %), davon allein 9 aus einem Gebäude. Einzelnen Berichten von Wasserversorgern zufolge waren nach eigenen Untersuchungen von Wasserzählern aus dem Lagerbestand etwa 15 bis 25 % der überprüften Zähler positiv für P. aeruginosa. M I K RO B I O LO G I S C H E U N T E R SU C H U N G E N JA H R E S B E R I C H T 2015 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW Untersuchung von Trinkwasserinstallationen auf Legionellen Beim LGA wurden im Berichtsjahr 2.001 Proben aus Trinkwasserinstallationen auf Legionellen untersucht. In 287 Fällen (14,3 %) konnten in 1 ml Probe, in 605 Fällen (30,2 %) in 100 ml Probe Legionella sp. nachgewiesen werden. Die Beanstandungsraten entsprechen damit weitestgehend den Ergebnissen aus den Vorjahren. Aus den positiv getesteten Wasserproben wurden in 232 Fällen Legionella pneumophila der Serogruppe 1 isoliert, in 349 Fällen Legionella pneumophila der Serogruppen 2-14, in 34 Fällen wurden Gemenge der Serogruppen 1 und 2-14 sowie andere Legionella species isoliert. Grundlage für die Beurteilung der Konzentrationenvon Legionella sp. sind der in der TrinkwV festgelegte Maßnahmewert (> 100 KBE/100 ml), die im DVGW-Arbeitsblatt W551 (April 2004) aufgeführten Bewertungen von Legionellenbefunden in Trinkwassererwärmungs- und Leitungsanlagen sowie die Empfehlungen des Umweltbundesamtes von 2006 und 2015 zur Probennahme und zum Untersuchungsgang. ◆ Anzahl der für Legionella sp. positiv getesteten Wasserproben 2015 (Gesamtzahl 2.100, positive Proben 615) Ergebnisse der Datenbankabfrage beim LGA zu Untersuchungen aus Trinkwasserinstallationen auf den Parameter P. aeruginosa Einrichtung Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime 328 P. aeruginosa - positive Proben Anzahl der untersuchten Proben Anzahl 1-10 KBE/100 ml 10-100 KBE/100 ml > 10 KBE/100 ml Anzahl Proben L. sp. negativ Prozentualer Anteil (%) 736 17 6 2 9 2,3 Schulen und Kindergärten 63 2 0 0 2 3,2 Sonstige Hausinstallationen 695 30 2 7,2 Anzahl Proben L. sp. positiv in 1 ml 277 Anzahl Proben L. sp. positiv in 1 und in 100 ml 10 1.386 Anzahl Proben L. sp. positiv in 100 ml Lebensmittelverarbeitende Betriebe 155 01 4 3,3 Insgesamt 883 29 9 3 17 3,3 Fazit n Die Verkeimung von Wasserzählern stellt nach heutigem Wissenstand keine neue Situation, sondern eine zusätzliche Erkenntnis dar. n Breit angelegte Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Verkeimung des Wasserkörpers beziehungsweise der Trinkwasserinstallationen nur in wenigen Fällen die Folge war. n Wasserversorger und Hersteller haben jeweils schnell reagiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen. n Epidemiologische Betrachtungen des Erkrankungsgeschehens zeigen keine Auffälligkeiten. n Die rasche Einbindung der Öffentlichkeit und die Kommunikation mit den Gesundheitsbehörden haben eine durchweg konstruktive Diskussion ermöglicht. Weiteres Vorgehen n Weiterführung der Untersuchungen auf P. aeruginosa in sensiblen Einrichtungen gemäß Empfehlungen des Umweltbundesamts n Implementierung neuer technischer Regeln beziehungsweise Standards vom Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft e. V (BDEW) und vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) n Anpassung und Konkretisierung der Anweisungen an die Hersteller von Wasserzählern und an die Wasserversorger (HACCP) n Bereitstellen von Informationsmaterial für die Öffentlichkeit Dr. Jens Fleischer, LGA 84 Verteilung der ermittelten Legionella pneumophila Serogruppen 2015 gemessen an der Gesamtzahl der positiven Proben (615) L. species 9 L. pneumophilia S2-S14 + L. species 2 L. pneumophilia S2-S14 349 L. pneumophilia S1+S2-S14 23 L. pneumophilia S1 232 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Dr. Jens Fleischer, LGA 85 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW TEIL IV TRINK WASSER C H E M I S C H E U N T E R SU C H U N G E N JA H R E S B E R I C H T 2015 Chemische Untersuchungen Chlorat in Trinkwasser – Ein Update Einen ersten Beitrag zu Untersuchungen zum Chlorat-Gehalt in Trinkwasser enthielt der Jahresbericht 2014. Zum damaligen Zeitpunkt war eine gutachterliche Bewertung der Chlorat-Gehalte aufgrund eines fehlenden Grenzwertes für Trinkwasser und mangels Daten zur Toxikologie nur schwer möglich. Was gibt es Neues? Am 24. Juni 2015 hat die EFSA eine Stellungnahme zur toxikologischen Bewertung von Chlorat in Lebensmitteln und Trinkwasser veröffentlicht (siehe www.efsa.europa.eu). Darin wird aufgrund der möglichen Hemmung der Jodaufnahme eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 3 Mikrogramm Chlorat pro kg Körpergewicht pro Tag (µg/kg KG/Tag) festgelegt. Auch eine hohe Chlorat-Aufnahme an einem einzigen Tag könnte für den Menschen toxikologisch bedenklich sein, da die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff aufzunehmen, eingeschränkt wird beziehungsweise es zu Nierenversagen kommen könnte. Die EFSA hat daher auch eine sichere Höchstmenge für eine Tagesaufnahme von Chlorat, die sogenannte ARfD, von 36 µg/kg KG/Tag empfohlen. Nach Angaben der EFSA trägt Trinkwasser hauptsächlich zur chronischen Aufnahme von Chlorat bei. Wie sind die gemessenen Gehalte in Trinkwasser zu bewerten? Für verschiedene in Trinkwasser gemessene Chlorat-Gehalte wurde die Ausschöpfung des TDI und der ARfD sowohl für einen Erwachsenen mit einem durchschnittlichen Tagesverzehr von 2 Liter Trinkwasser als auch für ein Kleinkind (Alter ca. 12 bis 18 Monate) mit einem durchschnittlichen Verzehr von 1 Liter Trinkwasser am Tag berechnet. Ausschöpfung von TDI und ARfD in % bei Erwachsenen und Kleinkindern Chlorat-Gehalt Trinkwasser [mg/l] 0,01 Erwachsener 60 kg, 2 l Wasser/Tag ARfD [%] TDI [%] 1 Kleinkind 10 kg 1 l Wasser/Tag ARfD [%] TDI [%] 11 3 33 56 14 167 0,05 5 0,10 9 11128 333 0,20 19 22256 667 Aus der Tabelle ergibt sich, dass bei Kleinkindern der TDI bereits ab einem Gehalt von 0,03 mg Chlorat pro Liter Trinkwasser überschritten wird, bei Erwachsenen ab einem Gehalt von 0,09 mg/l. Der ARfD wird ab einem Gehalt von 0,36 mg/l Chlorat (bei Kleinkindern) beziehungsweise 1,1 mg/l (bei Erwachsenen) überschritten. Legt man jedoch den bisherigen Leitwert der WHO von 0,7 mg/l Chlorat in Trinkwasser zugrunde, würde der TDI von Kleinkindern und Erwachsenen deutlich überschritten werden, bei Kleinkindern sogar der ARfD. Chlorat-Gehalte in Trinkwasserproben aus dem Regierungsbezirk Stuttgart aus den Jahren 2014 und 2015 (Zahl der untersuchten Proben: 141); höchste gemessene Gehalte: 0,39 mg/l und 1,15 mg/l 9 28 19 < 0,002 mg/l 0,002 - 0,03 mg/l > 0,03 - 0,09 mg/l > 0,09 mg/l 85 Die Grafik zeigt, dass die Chlorat-Gehalte in den meisten der untersuchten Trinkwasserproben aus dem Regierungsbezirk Stuttgart unter dem TDI für Kleinkinder von 0,03 mg/l lagen (113 Proben, 80 %). Nur bei einem geringen Anteil der Proben lag der Chlorat-Gehalt über 0,03 mg/l (19 Proben, 13 %) beziehungsweise über dem TDI für Erwachsene von 0,09 mg/l (9 Proben, 6 %). Bei den 2 Proben mit den höchsten gemessenen Chlorat-Werten war die ARfD für Kleinkinder überschritten (0,39 mg/l und 1,15 mg/l). 86 ◆ Wie lässt sich der Chlorat-Gehalt in Trinkwasser beeinflussen? Die Untersuchungen am CVUA Stuttgart ergaben, dass der Chlorat-Gehalt im Trinkwasser vom verwendeten Desinfektionsmittel abhängt (siehe Internetbericht Beitrag vom 10.12.2014 auf www.ua-bw.de). Bei der Verwendung von Chlorgas entstehen deutlich niedrigere Chlorat-Gehalte im behandelten Wasser als bei der Verwendung von Chlordioxid oder Chlorbleichlauge (Natriumhypochloritlösung). Ferner können in Chlorbleichlauge bei der Lagerung sehr hohe Gehalte an Chlorat entstehen. Der Einfluss der Lagerbedingungen, insbesondere der Temperatur- und der Lichtverhältnisse, wurde bei Untersuchungen aus dem Jahr 2004 zur Belastung von Schwimmbeckenwasser erkannt (Gabrio, T., Bertsch, A., Karcher, C., Nordschild, S. & Sacré, C.: Belastung von Schwimmbeckenwasser mit anorganischen Desinfektionsnebenprodukten. AB Archiv des Badewesens 3/04, S. 158-163). Es zeigte sich, dass bei kühler und dunkler Lagerung der Natriumhypochloritlösung deutlich weniger Chlorat gebildet wird. Auch bei dem Trinkwasser mit dem höchsten gemessenen Gehalt von 1,15 mg/l konnte durch Verwendung einer frischen Chlorbleichlauge der Chlorat-Gehalt des Wassers deutlich gesenkt werden. Wie geht es weiter? Aktuell wird beim UBA diskutiert, einen Chlorat-Grenzwert in die Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 TrinkwV aufzunehmen. Fazit Auch wenn der Chlorat-Gehalt in den meisten Trinkwasserproben unterhalb des TDI liegt, gibt es in Einzelfällen doch deutliche Überschreitungen. Wenn der Wasserversorger geeignete Minimierungsmaßnahmen ergreift, zum Beispiel das Desinfektionsmittel oder dessen sachgerechte Lagerung überprüft, können die Chlorat-Gehalte im Trinkwasser gesenkt werden. Dr. Carmen Breitling-Utzmann, CVUA Stuttgart 87 TRINK WASSERÜBERWACHUNG BW TEIL IV TRINK WASSER JA H R E S B E R I C H T 2015 Teil V Futtermittel Vorkommen und Bewertung von Chrom-VI im Trinkwasser Eine Studie der amerikanischen Umweltorganisation Environmental Working Group (EWG) hat über das Vorkommen von sechswertigem Chrom (Chrom-VI) in US-amerikanischem Trinkwasser berichtet. Bisher ist man davon ausgegangen, dass Chrom in Wasser fast ausschließlich als dreiwertiges Chrom (Chrom-III) vorliegt, welches als essenzielles Spurenelement für den Zuckerstoffwechsel benötigt wird und eine relativ geringe toxische Wirkung aufweist. Für Chrom im Trinkwasser gibt die Trinkwasserverordnung einen Grenzwert in Höhe von 50 µg/l vor. Dieser gilt unabhängig davon, in welcher Form das Chrom im Trinkwasser vorliegt. Der Grenzwert wird in Deutschland praktisch nie überschritten. Ausgehend von einer toxikologischen Neubewertung von Chrom-VI durch die US-amerikanische Umweltbehörde (EPA) werden Chrom-VI-Gehalte in Trinkwasser mittlerweile wesentlich kritischer bewertet. Chrom-VI gilt als erbgutschädigend und krebserregend, weshalb das UBA in Übereinstimmung mit der EPA zu dem Schluss kommt, dass Chrom-VI auch über den Trinkwasserpfad als krebserregend angesehen werden muss. Aufgrund des Ergebnisses eines vom UBA in Auftrag gegebenen Sondergutachtens zur potenziellen Schädlichkeit von Chrom in Trinkwasser empfiehlt das UBA zunächst einen lebenslang (70 Jahre) akzeptablen Leitwert (LW70) von 0,3 µg/l für Chrom-VI in Trinkwasser. Eine Überschreitung des toxikologischen Leitwertes bedeutet noch keine konkrete Gesundheitsgefahr, jedoch steigt das Gesundheitsrisiko von Krebserkrankungen statistisch leicht an. Wäre das gesamte Trinkwasser in Deutschland überall mit 0,3 µg/l Chrom-VI belastet und würde jeder Einwohner 2 Liter pro Tag davon trinken, würde dies für die in Deutschland lebende Bevölkerung von rund 80 Millionen Menschen nach Angaben des UBA rechnerisch ungefähr eine zusätzliche Krebserkrankung pro Jahr – unter den insgesamt 477.000 neuen Krebsfällen jährlich in Deutschland – bedeuten. Konzentration und Krebsrisiko hängen linear zusammen, daher würde beispielsweise eine Konzentration von 3 µg/l für ganz Deutschland zu knapp 10 zusätzlichen Krebserkrankungen pro Jahr führen. Das UBA weist zum Verständnis des vorgeschlagenen Leitwertes explizit darauf hin, dass von wissenschaftlicher Seite derzeit kein „wahres“ Risiko und daher auch kein „wahrer“ Grenzwert für Chrom-VI ermittelt werden kann. Aufgrund dieser neuen Bewertungssituation von Chrom-VI in Trinkwasser hat das MLR ein Monitoring-Programm zur Untersuchung von Chrom-VI in baden-württembergischen Trinkwasserproben initiiert, da bisher nur sehr wenige Untersuchungsdaten zu Chrom-VI-Gehalten im Trinkwasser vorlagen. Zunächst mussten die CVUAs geeignete Analysenverfahren etablieren, um Chrom-VI im Spurenbereich ab etwa 0,1 µg/l Trinkwasser untersuchen zu können. Die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Chrom entgegen früherer Annahmen im Trinkwasser überwiegend als Chrom-VI vorliegt und dass durch oxidative Aufbereitungsverfahren, wie zum Beispiel die Zugabe von Chlor oder Ozon zu Trinkwasser, die Chrom-VI-Gehalte meist nicht mehr nennenswert verändert werden. Im Berichtsjahr wurden landesweit 260 TrinkwasserChrom-VI-Gehalte in baden-württembergischen Wasserversorgungsproben aus 219 verschieden Trinkwasserversorgungsgebieten (Untersuchungen aus 2015) gebieten auf Chrom-VI untersucht. In 63 (29 %) dieser < BG (0,05 bzw. 0,1 µg/l) Trinkwasserversorgungsgebiete wurde der eingeführte 3 Leitwert des UBA in Höhe von 0,3 µg/l Chrom-VI über43 ≥ BG bis ≤ 0,3 µg/l schritten. Der Höchstwert eines Trinkwassers lag bei 60 2,15 µg/l. > 0,3 bis ≤ 1,6 µg/l Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau hat eine hydrogeochemische Karte von Baden-Württemberg > 1,6 µg/l zur geogenen Beschaffenheit des oberflächennahen 113 Grundwassers für Gesamtchrom erstellt. Diese zeigt eine gute Übereinstimmung mit den im Rahmen des Monitoringprogrammes bisher vorliegenden Daten von ChromVI im Trinkwasser. Danach weist insbesondere Trinkwasser aus den Gebieten von Oberschwaben sowie aus den Bereichen entlang des Rheins häufiger Gehalte über dem vom UBA empfohlenen Leitwert von 0,3 µg/l auf. Anthropogene Ursachen spielen nach derzeitigem Kenntnisstand für erhöhte Chrom-VI-Gehalte im Trinkwasser praktisch keine Rolle. Problematisch ist, dass alle derzeitigen Verfahren zur Entfernung von Chrom-VI aus Wasser bei einem Aufbereitungsziel von Chrom-VI-Gehalten < 0,3 µg/l technisch aufwendig und/oder kaum wirtschaftlich betreibbar sind. Die Untersuchungen werden im Jahr 2016 fortgesetzt, um ein möglichst vollständiges Bild über die Belastungssituation des Trinkwassers in Baden-Württemberg durch Chrom-VI zu erhalten. Futtermittelüberwachung 89 Übersicht90 Cross-Compliance-Kontrollen Futtermittelsicherheit 91 Wenn es schnell gehen muss: RASFF 91 Untersuchungen auf unerwünschte Stoffe 93 Höchstgehaltsüberschreitungen von Pflanzenschutzmitteln 94 Dioxine und PCB 95 Futtermittelkontrollen als Hilfe zur Aufklärung von Belastungen in Lebensmittel 97 Pharmakologisch wirksame Stoffe 97 Gentechnisch veränderte Futtermittel 99 Radiochemische Untersuchungen 100 Rätselhafte Todesfälle bei Weiderindern 100 Veränderungen in der Laborlandschaft in Baden-Württemberg – Eine Ära geht zu Ende 101 Zusammenfassung102 ◆ Hermann Brezger, CVUA Sigmaringen 88 89 TEIL V FUT TERMIT TEL Futtermittelüberwachung Cross-Compliance-Kontrollen Futtermittelsicherheit Übersicht Zur Überprüfung, ob die Vorschriften für die Futtermittelsicherheit eingehalten werden, haben die Kontrollbehörden des Landes im Jahr 2015 insgesamt 428 Cross-Compliance-Kontrollen auf landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt, die EU-Direktzahlungen erhalten. Dabei wurden bei 17 Betrieben Mängel beanstandet. „Sichere Futtermittel für gesunde Tiere und sichere Lebensmittel“ – entsprechend diesem Grundsatz dürfen Futtermittel keine Stoffe enthalten, die die Gesundheit des Menschen oder der Tiere schädigen können. Ebensowenig dürfen sie die Umwelt schädigen. Diesen sogenannten unerwünschten oder verbotenen Stoffen gilt das besondere Interesse der amtlichen Futtermittelkontrolle. ◆ Alle Betriebe, die Futtermittel herstellen, lagern, transportieren oder behandeln, müssen sich nach der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 bei den Regierungspräsidien als für die Futtermittelkontrolle zuständigen Behörden registrieren lassen. Aktuell sind in Baden-Württemberg neben den 40.057 landwirtschaftlichen Betrieben (Primärproduzenten) 3.028 sonstige „gewerbliche“ Betriebe, wie Hersteller, Händler, Lagerhalter und Transporteure registriert. Betriebe, die zum Beispiel mit „kritischen“ Zusatzstoffen umgehen, oder Betriebe, die Futtermittel unter direkter Einwirkung der Verbrennungsgase trocknen, müssen bei der zuständigen Behörde eine Zulassung beantragen, die erst nach einer Vor-Ort-Kontrolle erteilt werden kann. 73 solche Betriebe sind derzeit zugelassen. Umsetzung des Kontrollprogramms Die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen, die auch die Futtermittelkontrolle einschließt, verlangt regelmäßige Kontrollen auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit, um eine hohe Sicherheit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (EU-Basisverordnung) zu erreichen. Deren Vorschriften zur Futtermittelsicherheit werden durch die Verordnung (EG) Nr. 183/2005 (Futtermittelhygiene-Verordnung) präzisiert. Diese richtet sich an alle Betriebe, die mit Futtermitteln umgehen. Sie stellt umfangreiche Anforderungen an die Betriebshygiene und Buchführung sowie an die Einrichtungen und Ausrüstungen des Betriebes, an das Personal und dessen Qualifikation, die Sicherheit und Herstellung der Produkte sowie hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit von Futtermitteln. Rückverfolgbarkeit Die Futtermittelunternehmer müssen in der Lage sein, jede Person festzustellen, von der sie ein Futtermittel oder einen Stoff, der dazu bestimmt ist, dass er in einem Futtermittel verarbeitet wird, erhalten haben. Außerdem müssen sie jederzeit feststellen können, an welche anderen Unternehmen sie selbst ein Erzeugnis geliefert haben. Wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass ein Futtermittel, das sich im Verkehr befindet, nicht sicher ist, kann somit schnell ermittelt werden, wo sich betroffene Ware noch befinden könnte, und notwendige Maßnahmen können gezielt ergriffen werden. 90 F U T T E R M I T T E LÜ B E R WAC H U N G · Ü B E R S I C H T CROSS-COMPLIANCE-KONTROLLEN FUTTERMITTELSICHERHEIT · WENN ES SCHNELL GEHEN MUSS: RASFF Das von den Ländern gemeinsam mit dem Bund erarbeitete „Kontrollprogramm Futtermittel 2012 bis 2016“ legt als Orientierung die Zahl der zu ziehenden Proben und der Untersuchungen fest. Die Aufteilung auf die Bundesländer erfolgt insbesondere entsprechend der Bedeutung der dort betriebenen Mischfuttermittelproduktion und des Aufkommens an Einzelfuttermitteln. Risikoorientierte Auswahl der Betriebe Die zu kontrollierenden Betriebe werden risikoorientiert durch die Regierungspräsidien auf Basis der länderübergreifenden Risikobewertung ausgewählt. Damit soll das individuelle betriebsspezifische Risiko nach einheitlichen Kriterien bewertet werden. Häufigkeit und Intensität der Kontrolle richten sich nach den möglichen Risiken der zu kontrollierenden Betriebe und nach den eventuell gegebenen Risiken der eingesetzten Komponenten sowie der hergestellten Produkte. Die Auswahl der zu kontrollierenden landwirtschaftlichen Betriebe erfolgte 2015 EDV-gestützt und ebenfalls risikoorientiert aus der Gesamtheit aller Betriebe, die einen Antrag auf EU-Direktzahlungen gestellt haben (Cross-Compliance-Kontrollen). Auswahl der Proben Die Futtermittelkontrolle entnimmt amtliche Proben entweder als Stichprobe im Rahmen einer Inspektion in Betrieben oder gezielt infolge von Erkenntnissen, Hinweisen oder Auffälligkeiten. JA H R E S B E R I C H T 2015 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW n In 8 Fällen lagen die vorgeschriebenen Dokumente über den Ein- oder Verkauf von Futtermitteln nicht vor. Diese müssen aufbewahrt werden, damit die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist. n 2 Betriebe haben den Einsatz von Bioziden nicht ausreichend dokumentiert. n In 2 weiteren Fällen wurden Futtermittel von nicht registrierten Betrieben bezogen. n In 3 Fällen wurde beanstandet, dass Futtermittel und gefährliche Stoffe nicht ausreichend getrennt gelagert wurden. n In einem Fall wurden Arzneimittel enthaltende Futtermittel nicht getrennt von Futtermitteln ohne Arzneimittel eingesetzt. Eine Trennung ist notwendig, um eine Kontamination zu verhindern. n Bei einem Betrieb war das Heu von so schlechter Qualität, dass das Futtermittel als nicht ausreichend sicher einzustufen war. Eine Beanstandung führt in der Regel zu einer Kürzung der Direktzahlung um 1 % bei einem leichten Verstoß und um 3 % bei einem mittleren Verstoß. Außerdem veranlasst die Futtermittelkontrollbehörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der futtermittelrechtlichen Verstöße. Wenn es schnell gehen muss: RASFF Über das Europäische Schnellwarnsystem RASFF tauschen die Behörden grenzüberschreitend Informationen über auffällige Lebensmittel, Futtermittel und Lebensmittelbedarfsgegenstände aus. Gemeldet werden Produkte immer dann, wenn von ihnen ein unmittelbares oder mittelbares Risiko für die Gesundheit ausgeht. Sie teilen auch mit, welche Maßnahmen von den Unternehmen oder durch die Behörden getroffen wurden, um die Gefahr zu beseitigen, wie zum Beispiel Beschränkungen des Inverkehrbringens („Sperren“), Rückruf oder unschädliche Beseitigung der betroffenen Ware. Das BVL ist die nationale Kontaktstelle in Deutschland. Es nimmt Meldungen der Bundesländer entgegen und leitet diese nach einer Prüfung an die Europäische Kommission weiter. Die Kommission wertet die Meldungen aller Mitgliedstaaten aus und notifiziert sie im Schnellwarnsystem. Sobald die Behörde im Land über das RASFF informiert worden ist, ergreift sie weitere Maßnahmen. Sie prüft beispielsweise, ob noch Ware vorhanden ist, ob diese an weitere Empfänger geliefert wurde und wenn ja, wie viel und wohin, ob und wie sie weiterverarbeitet wurde oder ob Rückrufe ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Gegebenenfalls ordnet sie weitere Untersuchungen, die unschädliche Beseitigung oder Rücksendung an. Ohne das RASFF wäre ein Informationsaustausch zwischen den betroffenen Behörden erheblich komplizierter und weniger verlässlich. Doch nicht nur Behörden können das System für ihre Zwecke nutzen. Jeder Interessierte kann sich auf den Internetseiten der EU-Kommission oder des BVL selbst über aktuelle Vorgänge informieren, die dort anonymisiert, das heißt ohne Nennung der betroffenen Produkte, Chargen und Unternehmen, veröffentlicht werden: n https://webgate.ec.europa.eu/rasff-window/portal (RASFF Portal) und n www.BVL.bund.de > Futtermittel > Aufgaben im Bereich Futtermittel > Meldungen im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel RASFF-Meldungen über Futtermittel Im Jahr 2015 wurden über das RASFF 3.049 Originalmeldungen übermittelt, 206 davon betrafen Futtermittel. Zwei der Meldungen wurden von Baden-Württemberg erstellt. Bei einer Eigenkontrolle hatte ein Unternehmer erhöhte Werte an dem giftigen und krebserregenden Schimmelpilzgift Aflatoxin in Mais festgestellt und dies der zuständigen Futtermittelüberwachungsbehörde gemeldet. Er hatte die Ware von einem Händler mit Sitz in Baden-Württemberg direkt von Italien nach Bayern gehandelt. Im zweiten Fall hat die Futtermittelkontrolle bei einer amtlichen Probenahme direkt beim Hersteller in einer Ladung Rapsextraktionsschrot Salmonellen nachgewiesen. Der Futtermittelunternehmer hat bereits ausgelieferte Ware zurückgerufen. Bei 12 weiteren Meldungen, die von anderen Bundesländern oder Mitgliedstaaten kamen, waren Unternehmen in Baden91 TEIL V FUT TERMIT TEL Württemberg als Hersteller, Lieferant, Händler oder Empfänger entsprechender Ware mit betroffen. Häufigster Anlass war der Nachweis von Salmonellen. In je 3 Fällen waren Hühnerfleischprodukte für die Herstellung von Heimtierfutter und Sojabohnenprodukte belastet, in einem Fall waren es Mariendistelsamen. Unternehmer in Baden-Württemberg waren außerdem Empfänger von Hundefutter mit zu hohem Gehalt an dem Schwermetall Cadmium, von Sojaextraktionsschrot mit zu hohem Gehalt an dem Pflanzenschutzmittel Deltamethrin, von einem dioxinhaltigen Zusatzstoff (Zinkoxid) und von Sonnenblumensamen, die als Verunreinigung zu viele Samen der Ambrosia-Pflanze enthielten. Pollen von Ambrosia können schwere Allergien auslösen. Ein weiterer Fall, von dem ein Händler aus Baden-Württemberg betroffen war, ist im nachfolgenden Abschnitt ausführlich beschrieben (Fremdkörper in Bio-Sonnenblumenkuchen aus China). Fremdkörper in Bio-Sonnenblumenkuchen aus China Bei einer Inspektion während des Öffnens und Entladens von Containern in Dänemark stellte die dortige Überwachungsbehörde fest, dass in dem eingeführten Futtermittel Fremdkörper enthalten waren. Gefunden wurden ein großes Knochenstück, Kunststoff, Papier, Holzsplitter, Büromaterial, Metallteile und vieles mehr. Bei dem Futtermittel in den Containern handelte es sich um Bio-Sonnenblumenkuchen aus China, ein Nebenprodukt aus der Lebensmittelherstellung. Da ein Händler aus Baden-Württemberg beteiligt war, erfolgte von Dänemark aus über das Europäische Schnellwarnsystem RASFF eine Aufforderung an die hier zuständige Futtermittelüberwachungsbehörde, Hintergründe und Einzelheiten zu dieser Lieferung zu ermitteln und diese der dänischen Überwachungsbehörde zur Verfügung zu stellen. Die Ermittlungen ergaben, dass die verwendeten Container in China vor der Beladung auf ihre Sauberkeit und das Freisein von Fremdbestandteilen kontrolliert worden waren. Die Container waren während des Schiffstransports ordnungsgemäß verschlossen und versiegelt und das Siegel war bis zur Inspektion in Dänemark unbeschädigt. Die Fremdkörper mussten also während der 4 Tage zwischen der Reinigungskontrolle und dem Auslaufen des Schiffs in China in das Futtermittel geraten sein. Tatsächlich hatte sich im Containerlager des betreffenden chinesischen Hafens (Tianjin) direkt nach der Reinigungskontrolle ein gewaltiges Explosionsunglück ereignet. Berichte über die Katastrophe gingen im August 2015 um die Welt. Zahlreiche Menschen kamen dabei zu Schaden. Unter den zerstörten Gebäuden waren auch die von Logistikunternehmen. Die Beladung fand in den Tagen unmittelbar nach dem Explosionsunglück statt. Da sämtliche Mitarbeiter des beauftragten Logistikunternehmens getötet worden waren, mussten Aushilfskräfte für das Beladen eingesetzt werden. Dies könnte eine Erklärung für die festgestellten Fremdbestandteile im Futtermittel sein. Vor diesem tragischen Hintergrund erscheint die Verunreinigung einer Futtermittelladung als eher unbedeutende Randerscheinung. Sie führt jedoch die globalen Zusammenhänge drastisch vor Augen. W E N N E S S C H N E L L G E H E N M U S S: R A S F F U N T E R SU C H U N G E N AU F U N E R W Ü N S C H T E S TO F F E Untersuchungen auf unerwünschte Stoffe JA H R E S B E R I C H T 2015 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW Für die Sicherheit der Futtermittel ist der Unternehmer zuständig. Die amtliche Kontrolle dient der Überprüfung seiner Eigenkontrollmaßnahmen. Das Kontrollprogramm Futtermittel legt dabei einen Schwerpunkt auf die Untersuchung auf unerwünschte Stoffe in Futtermitteln. Die Gesundheit der Nutz- und Heimtiere sowie die Sicherheit der Lebensmittel tierischer Herkunft für die Verbraucher sind die wesentlichen Ziele der amtlichen Futtermittelkontrolle. Unerwünschte Stoffe, wie Schwermetalle oder Mykotoxine (Pilzgifte), können direkt zu gesundheitlichen Auswirkungen beim Tier führen. Auch Stoffe, die in Futtermitteln für bestimmte Tierarten oder bestimmte Lebensphasen, zum Beispiel für sehr junge Tiere zugelassen sind, können dann, wenn sie in andere Futtermittel verschleppt werden, in diesen „unerwünscht“ sein. Die genannten Stoffe, aber auch andere, insbesondere Dioxine und weitere beständige organische Verbindungen, können sich im Tier anreichern und in Milch, Fleisch oder Eier übergehen. Die Beanstandungsraten waren in den letzten Jahren allerdings sehr gering. ◆ Höchstgehalte für unerwünschte Stoffe in Futtermitteln sind in der Richtlinie 2002/32/EG europaweit einheitlich festgelegt. Übersicht Die Zusammenstellung der Ergebnisse der letzten Jahre (siehe Tabelle) zeigt, dass die Anzahl der Höchstgehaltsüberschreitungen für unerwünschte Stoffen sich auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt. Die rechtlichen Vorgaben und die Maßnahmen der Betriebe zur Vermeidung hoher Belastungen scheinen zu greifen. Eine dauerhafte Beobachtung und somit regelmäßige Untersuchungen auf diese Stoffe werden dennoch als weiter notwendig erachtet. Entscheidend für eine hohe Qualität der Futtermittel sind die Eigenkontrollen der Unternehmen, die in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung der betriebsspezifischen Risiken erfolgen müssen. Hierzu muss ein HACCP-System vorliegen, also ein Verfahren zur Identifizierung und Beherrschung von kritischen Punkten eines Betriebes. Untersuchungen auf unerwünschte Stoffe Containerlager Jahr Gesamtzahl der Untersuchungen Höchstgehalt überschritten Anzahl Anteil (%) 20121.769 5 20133.428 5 0,3 0,1 20143.792 10 0,3 20153.035 7 0,2 Fälle 2015 In einem Ergänzungsfutter für Wiederkäuer wurden erhöhte Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) festgestellt. Solche Stoffe können zum Beispiel bei Verbrennungsvorgängen entstehen. Ursache war eine belastete Einzelkomponente des Mischfutters. In den ebenfalls untersuchten Lebensmitteln, die von den hiermit gefütterten Tieren gewonnen wurden, konnten PAK nicht nachgewiesen werden. Alle weiteren Höchstwertüberschreitungen gingen auf natürliche Kontaminationen auf dem Feld und bei der Ernte oder Lagerung zurück. In je einem Einzelfuttermittel und einem Mischfuttermittel für Vögel waren mehr Samen der AmbrosiaPflanze enthalten als gesetzlich erlaubt. ◆ ◆ 92 Die Orientierungswerte für die Schimmelpilzgifte Deoxynivalenol und Ochratoxin A waren in jeweils einer Getreideprobe, der für Deoxynivalenol außerdem in je einem Mischfuttermittel für Schweine und für Pferde überschritten. Gesetzliche Höchstwerte für diese Stoffe wurden bisher nicht festgelegt. 93 TEIL V FUT TERMIT TEL Höchstgehaltsüberschreitungen von Pflanzenschutzmitteln in Futtermitteln 2015 Im Berichtsjahr hat das LTZ Augustenberg 96 Futtermittel entsprechend den Vorgaben des Kontrollprogramms auf Pflanzenschutzmittelwirkstoffe (PSM) untersucht. Es handelte sich um 52 Getreidekörnerproben, 31 Ölsaaten, 2 Körnerleguminosen und 11 be- und verarbeitete Futtermittel. In insgesamt 26 (27,1 %) Futtermitteln wurden dabei ein oder mehrere PSM nachgewiesen, allerdings sind diese analytischen Nachweise hinsichtlich der festgelegten Höchstgehalte zu relativieren. 2014 gab es in 26,5 % der Futtermittel für PSM positive Befunde. Somit ist die prozentuale Anzahl der Befunde gegenüber dem letzten Berichtszeitraum nahezu unverändert. Ebenfalls gleich zum Vorjahr wurde in nur einer Probe der Rückstandshöchstgehalt (RHG) überschritten. Die untersuchten Proben wurden zudem nicht repräsentativ, sondern risikoorientiert gezogen. Zur Übersicht sind die positiven Befunde mit den entsprechenden RHG tabellarisch zusammengefasst. Positive Befunde von PSM in Futtermitteln Probengruppe [Anzahl] Getreidekörner 52 Ölsaaten 31 be- und verarbeitete Futtermittel 11 Wirkstoff positive Befunde höchster gemessener Probenart des Rückstandshöchst[Anzahl (Anteil in %)]* höchsten Gehaltes gehalt (RHG) [mg/kg]** Gehalt [mg/kg] Deltamethrin 3 (5,8) 0,320 Hafer 2,00 Pirimiphosmethyl 5 (9,6) 0,610 Weizen 5,00 Spiroxamin 1 (1,9) 0,008 Gerste 0,30 0,50 0,05 Azoxystrobin 1 (3,2) 0,006 Rapssaat Chlorpyriphosmethyl 2 (6,5) 0,140 Rapssaat Dithiocarbamat als CS2 1 (3,2) 0,130 Glyphosat 2 (6,5) 1,080 Leinsaat 10,00 Pirimiphosmethyl 3 (9,7) 0,017 Rapssaat 0,05 Propyzamid 1 (3,2) 0,006 Raps 0,01 Trifloxystrobin 1 (3,2) 0,006 Soja 0,01 Dithiocarbamat als CS2 1 (9,1) 0,190 Rapsextraktionsschrot Glyphosat 9 (81,8) 3,730 Leinexpeller Trifloxystrobin 1 (9,1) 0,024 Leinextraktionsschrot Sonnenblumenkerne 0,10 keine RHG * Die Prozentangaben beziehen sich auf die jeweilige Probengruppe und nicht auf die Gesamtprobenzahl ** gemäß Verordnung (EG) Nr. 396/2005 und Folgeverordnungen für den Berichtszeitraum Bei den untersuchten Getreidekörnern wurde in 3 (5,8 %) Proben Deltamethrin, in 5 (9,6 %) Proben Pirimiphosmethyl und in einer (1,9 %) Probe Spiroxamin gefunden. Sämtliche Befunde in Getreide lagen unter den entsprechenden RHG. In der Probengruppe „Ölsaaten“ wurde in 2 (6,5 %) Proben Chlorpyriphosmethyl gefunden. Bei einer Probe Rapssaat wurde der Gehalt an Chlorpyriphosmethyl mit 0,14 mg/kg ermittelt. Auch bei Berücksichtigung der Messunsicherheit wurde in diesem Fall der RHG von 0,05 mg/kg überschritten. In einer (3,2 %) Probe Sonnenblumenkerne ergab die Analyse einen Gehalt an Dithiocarbamat von 0,13 mg/kg. Unter Berücksichtigung der Messunsicherheit wurde in diesem Fall der RHG nicht überschritten. An PSM-Gehalten deutlich unter den festgelegten Höchstmengen wurden in dieser Probengruppe außerdem noch in jeweils einer (jeweils 3,2 %) Probe Rückstände von Azoxystrobin, Propyzamid und Trifloxystrobin gefunden, in 2 (6,5 %) Proben wurden Rückstände an Glyphosat und in 3 (9,7 %) Proben Rückstände an Pirimiphosmethyl nachgewiesen. In den untersuchten Körnerleguminosen waren keine PSM nachweisbar. Von den auf PSM geprüften be- und verarbeiteten Futtermitteln enthielten 9 (81,8 %) Proben den Wirkstoff Glyphosat und jeweils eine (jeweils 9,1 %) Probe geringe Mengen an Dithiocarbamat und Trifloxystrobin. Für diese Futtermittel können wegen fehlender Verarbeitungsfaktoren keine RHG abgeleitet werden. Unter Berücksichtigung des entsprechenden RHG für den Ausgangsstoff Leinsaat von 10,0 mg/kg relativiert sich allerdings der höchste gemessene Glyphosat-Gehalt von 3,73 mg/kg in einem Leinexpeller. 94 HÖCHSTGEH A LTSÜBERSCHREI T UNGEN VON PFL ANZENSCHUT ZMI T TELN IN FUT TERMI T TELN 2015 D I OX I N E U N D P C B Dioxine und PCB JA H R E S B E R I C H T 2015 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW Dioxine und PCB werden als lipophile Verbindungen über die Nahrung als Hauptexpositionspfad, vorwiegend durch den Verzehr von Lebensmitteln tierischer Herkunft, aufgenommen und im Körper angereichert. Für die Belastung landwirtschaftlicher Nutztiere können neben den Haltungsbedingungen insbesondere Futtermittel ursächlich sein. Aus diesem Grund kommt der stetigen Überwachung der Gehalte an Dioxinen und PCB in Futtermitteln eine besondere Bedeutung zu. Die Richtlinie 2002/32/EG über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung untersagt die Verwendung und das Inverkehrbringen von zur Tierernährung bestimmten Erzeugnissen, deren Gehalt an Dioxinen und PCB die in Anhang I festgelegten Höchstgehalte überschreitet. Als weitere Maßnahme zur Reduzierung von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln wurden in der Richtlinie 2002/32/EG Aktionsgrenzwerte für Futtermittel festgesetzt, bei deren Überschreitung die zuständigen Behörden Untersuchungen zur Ermittlung der Kontaminationsquelle einleiten. ◆ Im Jahr 2015 wurden im CVUA Freiburg insgesamt 129 amtlich erhobene Futtermittelproben auf Dioxine untersucht, davon 112 zusätzlich auf dioxinähnliche PCB (dl-PCB) und Indikator-PCB. Die Futtermittelproben wiesen mittlere Gehalte an Dioxinen von 0,02 ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Produkt, an dl-PCB von 0,01 ng WHO-PCB-TEQ/kg Produkt und an Indikator-PCB von 0,11 µg/kg Produkt jeweils bezogen auf 88 % Trockenmasse auf. In der Tabelle sind die Untersuchungsergebnisse verschiedener Futtermittelkategorien den gültigen Höchstgehalten und Aktionsgrenzwerten gegenübergestellt. Die Gehalte an Dioxinen, dl-PCB und Indikator-PCB lagen in sämtlichen untersuchten amtlichen Futtermittelproben unterhalb der jeweils gültigen Höchstgehalte und Aktionsgrenzwerte. Gehalte an Dioxinen, dl-PCB, Summengehalt (Summe aus Dioxinen und dl-PCB) (in ng WHO-TEQ/kg Produkt [88 % Trockenmasse]) und Indikator-PCB (in µg/kg Produkt [88 % Trockenmasse]) verschiedener Futtermittelkategorien Futtermittelgruppe FuttermittelAusgangserzeugnisse pflanzlichen Ursprungs Pflanzliche Öle FuttermittelAusgangserzeugnisse mineralischen Ursprungs Erzeugnisse von Landtieren Zusatzstoffe der Funktionsgruppe Bindemittel und Trennmittel Zusatzstoffe der Funktionsgruppe Spurenelemente Anzahl Median (Wertebereich) Höchstgehalt Aktionsgrenzwert Dioxine 50 0,02 (0,002-0,12) 0,75 0,5 dl-PCB 43 0,03 (0,001-0,16) - 0,35 - Summengehalt 43 0,06 (0,003-0,19) 1,25 Indikator-PCB 43 0,18 (0,02-1,3) 10 - Dioxine 22 0,07 (0,004-0,28) 0,75 0,5 dl-PCB 21 0,01 (0,003-0,10) - 0,5 Summengehalt 21 0,09 (0,01-0,29) 1,5 - Indikator-PCB 21 0,16 (0,02-1,5) 10 - Dioxine 6 0,02 (0,002-0,19) 0,75 0,5 dl-PCB 6 0,002 (0,001-0,07) - 0,35 Summengehalt 6 0,02 (0,003-0,26) 1,0 - Indikator-PCB 6 0,02 (0,01-0,77) 10 - Dioxine1 0,02 0,75 0,5 dl-PCB1 0,001 - 0,35 Summengehalt1 0,02 1,25 - Indikator-PCB1 0,05 10 Dioxine 4 0,01 (0,01-0,28) - 0,75 0,5 dl-PCB 4 0,002 (0,001-0,003) - 0,5 Summengehalt 4 0,01 (0,01-0,28) 1,5 - Indikator-PCB 4 0,02 (0,02-0,02) 10 - Dioxine1 0,01 1,0 0,5 dl-PCB1 0,002 - 0,35 Summengehalt1 0,01 1,5 - Indikator-PCB1 0,01 10 - 95 TEIL V FUT TERMIT TEL Gehalte an Dioxinen, dl-PCB, Summengehalt (Summe aus Dioxinen und dl-PCB) (in ng WHO-TEQ/kg Produkt [88 % Trockenmasse]) und Indikator-PCB (in µg/kg Produkt [88 % Trockenmasse]) verschiedener Futtermittelkategorien Futtermittelgruppe Vormischungen Mischfuttermittel Fischfutter Heimtierfutter Sonstige (z.B. Vitamine, Aminosäuren) Anzahl Median (Wertebereich) Höchstgehalt Aktionsgrenzwert Dioxine 3 0,004 (0,003-0,02) 1,0 0,5 dl-PCB 3 0,001 (0,0004-0,001) - 0,35 Summengehalt 3 0,01 (0,004-0,02) 1,5 - Indikator-PCB 3 0,02 (0,004-0,02) 10 - Dioxine 27 0,01 (0,004-0,29) 0,75 0,5 dl-PCB 20 0,01 (0,001-0,37) - 0,5 Summengehalt 20 0,02 (0,01-0,66) 1,5 - Indikator-PCB 20 0,08 (0,02-3,1) 10 - Dioxine 8 0,07 (0,05-0,35) 1,75 1,25 dl-PCB 8 0,16 (0,09-0,73) - 2,5 Summengehalt 8 0,23 (0,14-1,1) 5,5 - Indikator-PCB 8 1,7 (0,75-9,2) 40 - Dioxine 7 0,004 (0,002-0,01) - - dl-PCB 5 0,001 (0,0004-0,001) - - Summengehalt 5 0,005 (0,003-0,01) - - Indikator-PCB 5 0,01 (0,004-0,03) - - Untersuchung von Verdachts- und Verfolgsproben D I OX I N E U N D P C B · FUTTERMITTELKONTROLLEN ALS HILFE ZUR AUFKLÄRUNG VON BELASTUNGEN IN LEBENSMITTELN · P H A R M A KO LO G I S C H W I R K S A M E S TO F F E Futtermittelkontrollen als Hilfe zur Aufklärung von Belastungen in Lebensmitteln JA H R E S B E R I C H T 2015 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW In einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben hat die amtliche Lebensmitteluntersuchung Rückstände und Kontaminanten in Lebensmitteln nachgewiesen, die möglicherweise auf belastetes Futtermittel zurückzuführen waren. Daher hat die Futtermittelkontrolle in diesen Betrieben Proben von Futtermitteln gezogen. Es handelte sich dabei um erhöhte Gehalte von Kupfer in Rinderleber und von Quecksilber in Schweineleber. In beiden Fällen waren in den beprobten Futtermitteln jedoch keine auffälligen Werte zu finden. In einer Probe Rindfleisch wurde ein Gehalt an dl-PCB festgestellt, der über dem Auslösewert lag. Hier wurden das auf dem Betrieb vorhandene Heu sowie Grünfutter beprobt. Die festgestellten Gehalte an Dioxinen und PCB lagen auch hier unter den festgesetzten Höchstgehalten und auch unter den Aktionsgrenzwerten. Bei einer Untersuchung von Hühnereiern durch die Lebensmittelüberwachung wurde der Höchstgehalt für Dioxine und PCB überschritten. Im Rahmen der Ursachenermittlung wurden auch die vorhandenen Futtermittel überprüft. Die Untersuchungsergebnisse waren unauffällig. Die weiteren Ermittlungen der Lebensmittelüberwachung ergaben erhöhte Werte in einem Bereich des Auslaufs, sodass entsprechende Maßnahmen veranlasst wurden (siehe auch unter Kapitel Dioxine und PCB). Pharmakologisch wirksame Stoffe Die amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung in Baden-Württemberg hat im Jahr 2015 in 6 Betrieben Futtermittelproben als Verdachts- oder Verfolgsproben erhoben. Die nachfolgende Tabelle stellt die Ergebnisse der insgesamt 11 untersuchten Proben zusammen. Am CVUA Karlsruhe werden Futtermittel gemäß dem „Kontrollprogramm Futtermittel für die Jahre 2012 bis 2016“ auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe untersucht. Hierbei wird zwischen sogenannten unerwünschten und unzulässigen Stoffen unterschieden. Ergebnisse für Dioxine, dl-PCB und Indikator-PCB in Verdachts- und Verfolgsproben dl-PCB Dioxine Betrieb Anzahl Indikator-PCB [ng WHO-TEQ/kg Produkt (88 % TM)] [µg/kg Produkt (88% TM)] 1 3 0,02 | 0,02 | 0,03 0,11 | 0,04 | 0,07 0,54 | 0,24 | 0,35 2 2 0,004 | 0,01 0,004 | 0,005 0,05 | 0,03 3 1 4 2 0,19 | 0,13 5 2 0,42 | 0,05* 6 1 0,01 0,01 ◆ 0,004 0,07 | 0,04 0,07 0,77 | 0,21 0,003 0,10 0,01 0,06 In den Betrieben 1 bis 3 erfolgte die Erhebung von Verfolgsproben im Rahmen der Ursachenermittlung, da bei Routineuntersuchungen von Lebensmittelproben auffällige Gehalte an Dioxinen beziehungsweise PCB festgestellt worden waren. Betroffen waren Rindfleisch und Eier. In diesen Fällen konnten Futtermittel, zumindest anhand der erhobenen und untersuchten Proben, als Kontaminationsquelle ausgeschlossen werden. Sämtliche Proben wiesen futtermittelrechtlich nicht zu beanstandende Gehalte an Dioxinen, dl-PCB und Indikator-PCB auf (siehe auch Kapitel Futtermittelkontrollen als Hilfe zur Aufklärung von Belastungen in Lebensmitteln). In den Betrieben 4 bis 6 lagen einzelfallbezogene Gründe für die Erhebung von Verdachtsproben vor. In einem Fall war beispielsweise eine im Rahmen der Eigenkontrolle festgestellte numerische Überschreitung des Dioxin-Höchstgehaltes Anlass für die Probenerhebung. Weitere außerplanmäßige Probenahmen wurden im Rahmen der Betriebskontrolle entsprechend den vor Ort vorliegenden Erkenntnissen, zum Beispiel Lagerung von Futtermitteln in Silos mit Altanstrichen, durchgeführt. Auch in diesen Proben lag keine Überschreitung der geltenden Grenzwerte vor. Zu den „unerwünschten“ Stoffen zählen verschleppte Kokzidiostatika in Futtermitteln für Nichtzieltierarten. Kokzidiostatika sind unter festgelegten Bedingungen als Futtermittelzusatzstoffe für bestimmte Tierarten zugelassen. So dürfen sie zum Beispiel bei Masthühnern, Puten und Kaninchen vorbeugend zur Verhütung der Kokzidiose eingesetzt werden, jedoch ist der Zusatz von Kokzidiostatika beispielsweise bei Futtermitteln für Legegeflügel nicht zulässig. Bei der Herstellung von Futtermitteln für verschiedene Verwendungszwecke im selben Betrieb kann es jedoch zu Verschleppungen von Kokzidiostatika in Futtermittel für Nichtzieltierarten kommen. Hierfür sind in der Richtlinie 2002/32/EG Höchstgehalte festgelegt, deren Einhaltung im Rahmen der Untersuchung von Futtermitteln auf pharmakologisch wirksame Stoffe überprüft wird. Die „unzulässigen“ pharmakologisch wirksamen Stoffe lassen sich in 3 Stoffgruppen untergliedern: n zugelassene Futtermittelzusatzstoffe, die nicht bestimmungsgemäß verwendet werden n ehemals zugelassene Zusatzstoffe, die nicht mehr verwendet werden dürfen n verbotene beziehungsweise verschleppte Tierarzneimittelwirkstoffe Tierarzneimittel werden häufig in Form von Fertigarzneimitteln eingesetzt, die vom Tierhalter selbst beziehungsweise durch fahrbare Mahl- und Mischanlagen in die Futtermittel eingemischt werden. Auch hier kann es beispielsweise aufgrund einer mangelhaften Reinigung zu Verschleppungen von Arzneimittelwirkstoffen in andere Futtermittel kommen. Das CVUA Karlsruhe hat im Berichtsjahr 208 Futtermittelproben auf pharmakologisch wirksame Stoffe untersucht, wobei 1.335 Einzeluntersuchungen durchgeführt wurden. Bei 80 % der zur Untersuchung eingesandten Proben handelte es sich um Mischfuttermittel, außerdem wurden auch Vormischungen (13 %), Einzelfuttermittel (3 %) und Zusatzstoffe (4 %) untersucht. Die Futtermittelkontrolle hat die Proben größtenteils bei Herstellern oder Tierhaltern entnommen, aber auch bei Händlern und fahrbaren Mahl- und Mischanlagen. Verschleppte Kokzidiostatika wurden in insgesamt 12 Futtermittelproben nachgewiesen. In 11 Ergänzungs- beziehungsweise Alleinfuttermitteln für Milchkühe, Legehennen, Hühnerküken, Kaninchen, Kälber und Ferkel waren Kokzidiostatika im Spurenbereich unterhalb der gemäß Richtlinie 2002/32/EG zulässigen Höchstgehalte enthalten. In 5 Fällen war das Kokzidiostatikum Lasalocid-A-Natrium, in 4 Fällen Monensin-Natrium, in jeweils 2 Fällen Katharina Djuchin, CVUA Freiburg 96 97 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW TEIL V FUT TERMIT TEL P H A R M A KO LO G I S C H W I R K S A M E S TO F F E GENTECHNISCH VERÄNDERTE FUT TERMIT TEL In einem Alleinfuttermittel für tragende Sauen wurde das Anthelminthikum Flubendazol mit einem Gehalt von 1,91 mg/kg nachgewiesen. Weiterhin wurde in einem Alleinfuttermittel für Aufzuchtferkel das Antibiotikum Amoxicillin mit einem Gehalt von 4,11 mg/kg festgestellt. Die ermittelten Gehalte der beiden pharmakologisch wirksamen Stoffe lagen im Verschleppungsbereich. Bei beiden Alleinfuttermitteln handelte es sich um Proben, die bei Tierhaltern aus dem Trog beziehungsweise Silo entnommen wurden. JA H R E S B E R I C H T 2015 Gentechnisch veränderte Futtermittel Salinomycin-Natrium beziehungsweise Robenidin-Hydrochlorid und in jeweils einem Fall Maduramicin-Ammonium, Narasin beziehungsweise Nicarbazin nachweisbar. In 4 Futtermittelproben wurden mehrere Stoffe pro Probe festgestellt. In einem Ergänzungsfuttermittel für Milchkühe war der Höchstgehalt für Monensin-Natrium statistisch nicht gesichert überschritten. 2015 hat das LTZ Augustenberg 134 amtlich gezogene Futtermittelproben auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO) untersucht. Bei 3 Proben hat die Untersuchung ergeben, dass die Futtermittel nicht vorschriftsmäßig deklariert waren. In der EU nicht zugelassene GVO wurden jedoch nicht gefunden. In nahezu 60 % der nicht als GVO deklarierten untersuchten Chargen wurden keinerlei Spuren von GVO nachgewiesen. Gegenüber den Vorjahren haben somit die Proben ganz ohne GVO-Nachweis signifikant zugenommen. ◆◆ ◆ Die Untersuchung dient insbesondere zur Klärung der Frage, ob die Deklarationspflicht erfüllt wird, das heißt, ob ein gentechnisch veränderter Futtermittelbestandteil entsprechend den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 ausgewiesen ist. Für die GVO-Kennzeichnung gilt ein Schwellenwert für in der EU als Futtermittel zugelassene GVO von 0,9 %. Eine zusätzliche Vorgabe bei Befunden unterhalb dieses Schwellenwertes ist, dass der GVO-Eintrag zufällig oder technisch unvermeidbar ist. Dafür muss der Unternehmer darlegen, dass bei der Produktion des Futtermittels ausreichende Maßnahmen zur Verhinderung einer GVO-Verschleppung getroffen worden sind. Sonderprojekt Chloramphenicol RASFF-Meldungen haben in den Jahren 2011 bis 2014 mehrfach über den Nachweis des Antibiotikums Chloramphenicol in Futtermittelzusatzstoffen (Vitamine, Enzyme) und in Vormischungen mit diesen Zusatzstoffen berichtet. Chloramphenicol ist ein bakteriostatisch wirkendes Antibiotikum, das beim Menschen in seltenen Fällen eine aplastische Anämie auslösen kann. Es darf Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, nicht verabreicht werden. Aufgrund unsachgemäßer Handhabung bei der Herstellung beziehungsweise Lagerung von Futtermittelzusatzstoffen kam es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Kontaminationen von Futtermittelzusatzstoffen mit Chloramphenicol. Auch in Vormischungen, die die kontaminierten Zusatzstoffe enthielten, war Chloramphenicol nachweisbar. Häufig stammten die betroffenen Produkte aus Indien oder China. Vor diesem Hintergrund hat das CVUA Karlsruhe 2015 im Rahmen eines Sonderprojektes verschiedene Futtermittelzusatzstoffe und Vormischungen auf Chloramphenicol untersucht. Insgesamt wurden 7 Futtermittelzusatzstoffe (2 Enzyme, 5 Vitamine), 8 Vormischungen mit Vitaminen und eine Vormischung mit Vitaminen und Enzymen für die Untersuchung auf Chloramphenicol beprobt. Die Zusatzstoffe beziehungsweise Vormischungen stammten aus Deutschland, den Niederlanden und China. In keiner der Proben wurde Chloramphenicol nachgewiesen (Nachweisvermögen der Methode: 0,3 µg/kg). Tabea Pflaum und Sabrina Müntnich, CVUA Karlsruhe 98 Im Berichtsjahr wurden insgesamt 134 Futtermittelproben auf GVO untersucht. Darunter waren 66 Mischfuttermittel, von denen 8 mit der Deklaration „Hergestellt aus gentechnisch veränderten Sojabohnen“ gekennzeichnet waren. Bei einer dieser Proben wurde zusätzlich ein als zufällig oder technisch unvermeidbar eingestufter Anteil von gentechnisch verändertem Mais (NK603, TC1507 und MON810) nachgewiesen, welcher nicht deklariert war. Zwei Mischfuttermittel waren nicht vorschriftsmäßig gekennzeichnet. Im Bereich zwischen der Bestimmungsgrenze von 0,1 % und dem Schwellenwert von 0,9 % GVO-Anteil lagen 23 Untersuchungsergebnisse. In 6 weiteren Proben wurden Spuren von in der EU zugelassenen GVO unter der Bestimmungsgrenze von 0,1 % nachgewiesen. Dabei war immer das Event GTS 40-3-2 (Roundup-Ready) vertreten, 2-mal wurde zusätzlich A2704-21 (Liberty Link Soja) nachgewiesen, 8-mal zusätzlich das Sojaevent MON89788 (Roundup-Ready 2) und ebenso oft das Event MON87701. Die beiden zuletzt genann- ten GVO werden häufig als sogenannte Stacked-Events (kombinierte GVO) produziert. Von den 28 untersuchten Einzelfuttermittelproben aus Sojabohnen waren 3 als gentechnisch verändert deklariert. 12-mal wurden als zufällig oder technisch unvermeidbar eingestufte Anteile von gentechnisch verändertem Soja nachgewiesen. 9 Proben hatten einen GVO-Anteil unter der Bestimmungsgrenze von 0,1 %. Bei allen positiven Proben war das Event GTS 40-3-2 (Roundup-Ready) vertreten, einmal wurde zusätzlich A2704-21 (Liberty Link Soja) nachgewiesen, 9-mal zusätzlich das Sojaevent MON89788 (Roundup-Ready 2) und 3-mal das Event MON87701. Ein Einzelfuttermittel war nicht vorschriftsmäßig deklariert. Nur in 3 Proben waren keine GVO nachweisbar. In keinem der 40 untersuchten Mais-, Raps- und LeinEinzelfutter waren gentechnisch veränderte Anteile nachweisbar. Etwa 30 % der insgesamt untersuchten Futtermittelproben hatten einen bestimmbaren GVO-Anteil, der jedoch unter dem Schwellenwert von 0,9 % lag. Sowohl in den Mischfuttermitteln wie auch in den Ölsaaten wurden wie im vergangenen Jahr vorrangig die zugelassenen SojaEvents MON40-3-2 (Roundup-Ready-Soja 1), MON89788 (Roundup-Ready-Soja 2), A2704-12 (Liberty-Link-Soja) und MON87701 nachgewiesen. In keiner Probe waren nicht zugelassene GVO nachweisbar. Sogenannte botanische Verunreinigungen konnten auch in diesem Jahr in keiner der untersuchten amtlichen Futtermittelproben festgestellt werden. 99 TEIL V FUT TERMIT TEL R A D I O C H E M I S C H E U N T E R SU C H U N G E N · R ÄT S E L H A F T E TO D E S FÄ L L E B E I W E I D E RI N D E RN V E R Ä N D E RU N G E N I N D E R L A B O R L A N D S C H A F T I N B A D E N -W Ü R T T E M B E RG – E I N E Ä R A G E H T ZU E N D E Veränderungen in der Laborlandschaft in Baden-Württemberg – Eine Ära geht zu Ende Radiochemische Untersuchungen Im Jahr 2015 haben die CVUAs Stuttgart und Freiburg insgesamt 89 (Vorjahr: 61) Proben aus dem landwirtschaftlichen Bereich untersucht. Bei Futtermitteln sind die gemessenen Aktivitäten mit denen der Lebensmittel vergleichbar (siehe Kapitel III). Sie nehmen langsam, aber stetig von Jahr zu Jahr weiter ab. JA H R E S B E R I C H T 2015 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW Amtliche Futtermittelproben werden in Baden-Württemberg vom Futtermittelkontrollpersonal der 4 Regierungspräsidien bei Herstellern, Händlern, Lagerbetrieben, Spediteuren oder auch bei Landwirten gezogen und zur Untersuchung in die amtlichen Labore geschickt. Die Untersuchung von 68 Futtermittelproben ergab nur geringe Gehalte an künstlicher Radioaktivität: Die Maximalgehalte für Cs-137 beziehungsweise Sr-90 betrugen jeweils 3 Bq/kg Trockenmasse. Bei den 21 untersuchten Bodenproben ergaben sich Maximalgehalte für Cs-137 von 67 Bq/kg, für Sr-90 von ca. 3 Bq/kg. Dr. Martin Metschies, CVUA Freiburg Rätselhafte Todesfälle bei Weiderindern Auf einem landwirtschaftlichen Betrieb verendeten zunächst 3 Rinder und kurz danach 2 weitere auf einer hofeigenen Weide. Trotz Autopsie der toten Tiere konnte die Todesursache nicht abschließend geklärt werden. Die Pathologen vermuteten lediglich, dass ein allergisches Geschehen als Ursache infrage käme. Auch war nicht auszuschließen, dass Giftpflanzen im Weideaufwuchs eine Rolle gespielt haben könnten. Die Futtermittelkontrolle wurde über das zuständige Veterinäramt eingebunden. Alle Beteiligten, nicht zuletzt die betroffene Landwirtsfamilie, waren schockiert, als sich der Vorgang im folgenden Frühjahr wiederholte. Erneut verendeten ohne erkennbaren Grund mehrere bis dahin gesunde Rinder auf der Weide, ohne dass die Todesursache geklärt werden konnte. In solchen schwierigen Fällen ist es besonders wichtig, dass die beteiligten Behörden und Untersuchungseinrichtungen die vorhandenen Informationen austauschen, laufend intensiven Kontakt halten, in der Ursachenforschung nicht nachlassen und beharrlich zusammenarbeiten. Die Futtermittelkontrolle hat zunächst den Weideaufwuchs, insbesondere auch einzelne Pflanzenarten und Sträucher, identifiziert und beprobt. In Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie der Universität Hohenheim konnte ausgeschlossen werden, dass örtliche Giftpflanzen ursächlich waren. Eine Literaturrecherche an der Universität – auch in der älteren Literatur – erbrachte letztendlich einen Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang mit einem Weißdornstrauch am Rande der Rinderweide. Die Raupen des Weißdornspinners, der auf Weißdornsträuchern beheimatet ist, können bei Rindern hochaggressive Allergien, auch mit tödlichem Ausgang, auslösen. Umgehend entfernte der betroffene Landwirt sämtliche Weißdornsträucher im Umfeld seiner Weiden. Das Rindersterben wiederholte sich nicht mehr. Dieser ungewöhnliche Einzelfall ist ein Beispiel für eine erfolgreiche fachübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Behörden und Sachverständiger. ■ Die Untersuchung der amtlichen Futtermittelproben findet in mehreren Laboren statt. Proben aus den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen wurden bis Ende 2015 an der LA Chemie der Universität Hohenheim, die aus den Regierungsbezirken Karlsruhe und Freiburg am LTZ Augustenberg in Karlsruhe untersucht. Die Analyse auf einige Parameter erfolgte jedoch jeweils nur in einem der Labore für Proben aus dem ganzen Land. Die Labore haben diese analytischen Schwerpunkte gebildet, damit bestimmte Laboreinrichtungen und spezialisiertes Personal nicht mehrfach im Land vorgehalten werden müssen. So wurden beispielsweise mikrobiologische und molekularbiologische Untersuchungen nur am LTZ, Analysen von Aminosäuren und bestimmten Vitaminen nur an der LA Chemie durchgeführt. Für weitere spezielle Untersuchungen stehen das CVUA Freiburg (Dioxine und PCB sowie Radioaktivität), das CVUA Karlsruhe (pharmakologisch wirksame Substanzen) und das CVUA Stuttgart (Radioaktivität) zur Verfügung. Die LA Chemie ist eine Einrichtung der Universität Hohenheim. Diese hat beschlossen, die Analytik der Universität zukünftig in einer zentralen „Core Facility“ zu bündeln und neu auszurichten. Die bisherige LA Chemie wird ein Teil dieser zentralen Einrichtung, an der Analysen im Auftrag der Universitätsinstitute durchgeführt werden sollen. Die neue Einheit soll damit einen wesentlichen Beitrag zu den Forschungsprojekten der Universität leisten. Dies war auch bisher schon eine wichtige Aufgabe der LA Chemie. Die LA Chemie kann darüber hinaus bestehende Aufgaben im Bereich der amtlichen Futtermitteluntersuchung nach der Neuausrichtung nicht mehr wahrnehmen. Sie endeten zum 31. Dezember 2015. Diese und weitere bisher von der LA Chemie wahrgenommenen Landesaufgaben, wie die amtliche Düngemitteluntersuchung, hat mit Beginn des Jahres 2016 das LTZ übernommen. Die damit verbundene weitgehende Konzentration der Futtermitteluntersuchungen an einer Stelle soll nach einer Übergangszeit zu einer verbesserten Koordinierung und auch wirtschaftlicheren Probenbearbeitung beitragen. ◆ 100 Die Regierungspräsidien und das MLR bedanken sich für die jahrzehntelange erfolgreiche Zusammenarbeit mit der LA Chemie. Als Brücke zwischen Wissenschaft, Verwaltung und landwirtschaftlicher Praxis stand sie dem Land als wertvoller Berater sowohl bei analytischen als auch bei wissenschaftlichen Fragen, in nationalen und internationalen Gremien und bei der Beurteilung von Gesetzesvorhaben zur Verfügung. Immer wieder war sie auch gefragt bei der Aufklärung von Schadensfällen (siehe Beitrag: Rätselhafte Todesfälle bei Weiderindern). 101 TEIL V FUT TERMIT TEL Zusammenfassung Abkürzungsverzeichnis Die Futtermittelüberwachung Baden-Württemberg hat im Berichtsjahr 1.265 (Vorjahr: 1.303) Betriebe kontrolliert, in denen Futtermittel hergestellt, gehandelt, eingeführt oder verfüttert wurden. Sie führte dazu teilweise mehrfach im selben Betrieb Betriebsprüfungen (Kontrollen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Schwerpunkt der Dokumentenkontrolle und der Sauberkeit und Hygiene) und Buchprüfungen (Dokumentenkontrolle über einen festgelegten Zeitraum vor der Prüfung) durch. Insgesamt hat sie 1.826 (Vorjahr: 1.529) Inspektionen durchgeführt und dabei insgesamt 226 Verstöße festgestellt. 39 (43) Unternehmen, das sind 3,1 % (Vorjahr: 3,3 %) der kontrollierten Betriebe, wurden mit Verfahren belegt. In den vorgenannten Zahlen enthalten sind 753 (Vorjahr: 612) Inspektionen auf 580 (Vorjahr: 552) landwirtschaftlichen Betrieben mit einer Beanstandungsquote von 5,4 % (Vorjahr: 8,3 %). Das Futtermittelkontrollpersonal hat 1.041 (Vorjahr: 1.031) Futtermittelproben gezogen, von denen 121 (Vorjahr: 99) nicht den Vorschriften entsprachen. Dies entspricht einer Beanstandungsquote von 11,6 % (Vorjahr: 9,6 %). Die Untersuchungsergebnisse der verschiedenen Futtermittelgruppen sind in der Tabelle aufgeführt. Einzelfuttermittel Mischfuttermittel Vormischungen und Zusatzstoffe Gesamt Die wichtigsten in diesem Jahresbericht verwendeten Abkürzungen sollen in nachfolgender Tabelle erläutert werden: 3-MCPD 3-Monochlorpropandiol (3-Chlor-1,2-propandiol) AkadVet Landesakademie Baden-Württemberg für Veterinär- und Lebensmittelwesen ARfD akute Referenzdosis AVV Allgemeine Verwaltungsvorschrift BfR Bundesinstitut für Risikobewertung BfS Bundesamt für Strahlenschutz BGBestimmungsgrenze BLL Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMG Bundesministerium für Gesundheit BqBecquerel BVL Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit CVUA Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Dioxine PCDD und PCDF dl-PCB dioxinähnliche PCB 7,6 (5,1) E. coli Escherichia coli 80 (71) 15,4(13,2) EFSA Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority) (62) 6 (6) 10,0 (9,7) EFSA-PRIMo EFSA-Berechnungsmodell für Pestizidrückstände (Pesticide Residue Intake Modell - PRIMo) 1.041(1.031) 121(99) 11,6 (9,6) ELISA Enzyme Linked Immunosorbent Assay (antikörperbasiertes Nachweisverfahren) Futtermitteluntersuchungen und Beanstandungen nach Futtermittelgruppen (Zahlen in Klammern: Vorjahr) Futtermittelgruppe ZU S A M M E N FA S SU N G A B K Ü R ZU N G S V E R Z E I C H N I S · G LO S S A R JA H R E S B E R I C H T 2015 FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW UntersuchungenBeanstandungen Anzahl Anzahl Anteil % 462 (430) 519 (539) 60 35 (22) GC-MSgaschromatografisch-massenspektrometrisch Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Zahl der durchgeführten Untersuchungen, wobei je Probe in der Regel mehrere Untersuchungen durchgeführt wurden. Da Ergebnisse auch aus der Untersuchung von Verdachts- und Verfolgsproben stammen können, sind die Beanstandungszahlen nach Art und Häufigkeit nicht geeignet, um die Qualität der Futtermittel insgesamt zu beschreiben. Futtermitteluntersuchungen und Beanstandungen nach Futtermittelgruppen (Zahlen in Klammern: Vorjahr) Futtermittelgruppe Inhaltsstoffe (ohne Wasser) Zusatzstoffe (Gehalte in Mischfuttermitteln) unerwünschte Stoffe unzulässige Anwendung/verbotene Stoffe davon „tierische Bestandteile“ GVO Schädlingsbekämpfungsmittel (Wirkstoffe) mikrobiologische Qualität (z.B. Verderb) Salmonellenuntersuchungen formale Kennzeichnungsvorschriften UntersuchungenBeanstandungen Anzahl Anzahl Anteil % 927 (1.064) 351 (516) 3.035 (3.792) 50 (80) 36* (50)* 7 (10) 5,4 10,3 0,2 GV gentechnisch verändert HACCP Hazard Analysis and Critical Control Point (zu deutsch: Gefahrenanalyse und kritische Lenkungspunkte) IMIS integriertes Mess- und Informationssystem für die Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt KbE Koloniebildende Einheit LA Chemie Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie der Universität Hohenheim LAV Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz LFGB Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch LGALandesgesundheitsamt (7,5) LIMS Laborinformations- und -managementsystem (9,7) LKL-BW Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit Baden-Württemberg (0,3) LMHV Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittel-Hygieneverordnung) 6 (11) 0,4 (0,7) LRALandratsamt 72 (162) 2 (0) 2,8 (0,0) LTZ Landwirtschaftliches Technologiezentrum 134 (147) 3 (3) 2,2 (2,0) LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg 6.040 (6.062) 1 (1) MLR Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz 6 (3) MRL Maximum Residue Limits 10,0(12,2) MRPL-Wert Minimum Required Performance Standard (zu deutsch: Mindestanforderung an international verwendete Analysenmethoden) 47,5 (48,6) NGNachweisgrenze 1.439 (1.682) 131 40 583 (136) (41) (514) 4 (5) 277 (250) 0,02 (0,02) 4,6 (2,2) * in 5 (18) Fällen Überschreitung des gesetzlichen Höchstwertes für das jeweilige Futtermittel Aus den Beanstandungen ergaben sich folgende Maßnahmen: n In 327 (Vorjahr: 320) leichten Fällen wurden die Betroffenen durch Hinweise belehrt. n 4 (Vorjahr: 3) Verwarnungen mussten ausgesprochen werden. n In 19 (Vorjahr: 11) Fällen wurde eine weitere Behandlung des Futtermittels, dessen anderweitige Verwendung (nicht zur Verfütterung) oder die unschädliche Beseitigung angeordnet. n 39 (Vorjahr: 43) Bußgeldverfahren zur Ahndung von 72 (Vorjahr: 68) Beanstandungen wurden eingeleitet, 28 (Vorjahr: 22) Bußgeldverfahren zur Ahndung von 56 (Vorjahr: 37) Beanstandungen wurden abgeschlossen. Dabei wurden Bußgelder in Höhe von 6.400 (Vorjahr: 4.950) Euro vereinnahmt. n Insgesamt wurden Gebühren und Auslagen in Höhe von 8.505,98 (Vorjahr: 2.746,27) Euro erhoben. n Strafverfahren mussten nicht eingeleitet werden. NMR Kernresonanzspektroskopie (von engl. nuclear magnetic resonance = Kernmagnetische Resonanz) NOAEL No observed adverse effect level NRKP Nationaler Rückstandskontrollplan ÖGD Öffentlicher Gesundheitsdienst PAPyrrolizidinalkaloide PAK polyzyklische (= polycyclische) aromatische Kohlenwasserstoffe PCB polychlorierte Biphenyle PCDDDibenzo-p-dioxine PCDF POPs 102 persistent organic pollutants (dt. langlebige organische Schadstoffe) PSMPflanzenschutzmittelwirkstoffe RKI Hildegard Assfalg, RP Stuttgart · Horst Kraus, RP Tübingen · Dr. Jürgen Looser, RP Karlsruhe · Brigitte Speck, LTZ Dr. Moritz Bauer, LTZ · Dr. Regina Modi, MLR · Dr. Bernhard Eckstein, MLR polychlorierte Dibenzofurane PCRPolymerase-Ketten-Reaktion Robert Koch-Institut RPRegierungspräsidium SES Stabsstelle für Ernährungssicherheit 103 LEBENSMIT TEL-, TRINK WASSER,- FUT TERMIT TELÜBERWACHUNG BW GLOSSAR N OT I Z E N 0 STEC Shiga-Toxin-bildende E. coli STUA Staatliche Tierärztliche Untersuchungsamt Aulendorf – Diagnosezentrum JA H R E S B E R I C H T 2015 ................................................................................................................................................................................................ Staph. aureus Staphylococcus aureus ................................................................................................................................................................................................ TATropanalkaloide ................................................................................................................................................................................................ TEQToxizitätsäquivalente Tier-LMHV Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung) ................................................................................................................................................................................................ TMTrockenmasse TrinkwV Trinkwasserverordnung (aus dem Jahr 2001) ................................................................................................................................................................................................ UBAUmweltbundesamt UNEP United Nations Environment Programme ................................................................................................................................................................................................ VOVerordnung VTEC Verotoxinbildende E. coli ................................................................................................................................................................................................ WHOWeltgesundheitsorganisation ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ Größenvergleich von Konzentrationsangaben Die im Jahresbericht angegebenen Ergebnisse der Gehalte verschiedener Stoffe werden in den verschiedensten Konzentrationen angegeben. Die nachfolgende Tabelle erläutert diese Angaben. ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ Verhältnis in Worten Verhältnis in Zahlen Potenz Erläuterung 1 Prozent 10 g/kg 10 Gramm pro Kilogramm 1 Teil von hundert Teilen 1:100 10-2 Prozent = % 1 Promille 1 g/kg 1 Gramm pro Kilogramm 1 Teil von tausend Teilen 1:1.000 10-3 Promille = ‰ 1 ppm 1 mg/kg 1 Milligramm pro Kilogramm 1 Teil von einer Million Teilen 1:1.000.000 10-6 ppm = part per million 1 ppb 1 μg/kg 1 Mikrogramm pro Kilogramm 1 Teil von einer Milliarde Teilen 1:1.000.000.000 10-9 ppb = part per billion 1 ppt* 1 ng/kg 1 Nanogramm pro Kilogramm 1 Teil von einer Billion Teilen 1:1.000.000.000.000 10-12 ppt = part per trillion ................................................................................................................................................................................................ 1 ppq 1 pg/kg 1 Picogramm pro Kilogramm 1 Teil von einer Billiarde Teilen 1:1.000.000.000.000.000 10-15 ppq = part per quadrillion ................................................................................................................................................................................................ Bezeichnung entspricht entspricht in Worten ................................................................................................................................................................................................ * 1 ppt entspricht einem Stück Würfelzucker (2,5 g) im Starnberger See (2,5 Billionen Liter Wasser) oder 20 Stück Würfelzucker im Bodensee (50 Billionen Liter Wasser). ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ 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................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ 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Herausgeber: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) Abteilung Verbraucherschutz und Ernährung Kernerplatz 10, 70182 Stuttgart Telefon: 0711.126 - 0 [email protected] www.mlr.baden-wuerttemberg.de Redaktion: Birgit Bienzle, MLR Lektorat: Beate Wörner, Fellbach www.beatewoerner.de Grafik Design + Prepress: Friedrich Don BDG - Don Design, Waiblingen www.don-design.de Druck: Firma Offizin Scheufele Druck und Medien GmbH + Co. KG, Stuttgart www.scheufele.de Bezugsquelle: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung Baden-Württemberg herausgegeben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landes-, Bundestags-, Kommunal- und Europawahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, ................................................................................................................................................................................................ Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne ................................................................................................................................................................................................ zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zu Gunsten einzelner politischer Gruppen verstanden wird. ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ Fotos: Wir danken allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lebensmittel-, Trinkwasser- und Futtermittelüberwachung des Landes Baden-Württemberg für das zur Verfügung gestellte Bildmaterial. Weiteres markiertes Bildmaterial von ◆ shutterstock · ■ MLR/Joachim E. Röttgers · w Don Design ................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................ 106 © 2016 Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg Drucknummer: MLR 11-2016-36 107 ◆ Herausgeber Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) Kernerplatz 10 70182 Stuttgart Für eventuelle Rückfragen Telefon:0711.126 - 0 www.mlr.baden-wuerttemberg.de ◆ ◆
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