1. Leseprobe - STARK Verlag

22 r Das Modell des Wirtschaftskreislaufs
2 Die Ableitung des komplexen Kreislaufmodells
vom einfachen Kreislauf
Um das komplexe Kreislaufmodell, das einen wichtigen Grundstein zum Begreifen gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge und später auch der Wirtschaftspolitik bildet, verständlicher zu machen, wird das komplexe Modell aus
dem einfachen Kreislauf entwickelt. Dabei werden bei einzelnen Schritten
wichtige Grundbegriffe erläutert.
2.1 Das Kreislaufmodell in der stationären Wirtschaft
Der Kreislauf der stationären Wirtschaft wird auch als Zwei-SektorenModell bezeichnet, weil er nur die Sektoren private Haushalte (H) und Unternehmen (U) berücksichtigt. Die Konsumausgaben (CH), die vom Sektor H
zum Sektor U fließen, stellen den Geldstrom dar, der den Gegenstrom zu den
Konsumgüterkäufen des Sektors H vom Sektor U bildet. Das Volkseinkommen wird mit der international gebräuchlichen Abkürzung Y (engl. yield
„Ertrag, Gewinn“) versehen. Es entsteht durch die Bereitstellung von Produktionsfaktoren des Sektors H und setzt sich somit aus Einkommen aus unselbstständiger Arbeit (Löhne, Gehälter), Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit
(entnommene Gewinne von Einzelunternehmern oder Personengesellschaften,
Dividenden) sowie Vermögenseinkommen (Zinsen, Miete, Pacht) zusammen.
In einer stationären Wirtschaft wird kein Geldvermögen gebildet, die Haushalte sparen nicht, sondern geben ihr gesamtes Einkommen für Konsumgüter
aus. Die Unternehmen tätigen keine Investitionsausgaben, d. h., der Kapitalstock dieser Volkswirtschaft bleibt gleich. Da der Kapitalstock nicht erweitert
wird, kann die Konsumgüterproduktion nicht erhöht werden. Der Status quo
bleibt erhalten. Damit der vorhandene Kapitalstock fortbestehen kann, müssen
allerdings Ersatzinvestitionen (Ie) in Höhe der Abschreibungen (Wertverlust durch Verschleiß der Anlagen bei der Produktion) getätigt werden.
Abschreibungen werden im
Modell mit der Abkürzung D
(engl. depreciation „Abschreibung“) erfasst. Der Strom D enthält also jenen Teil der Einnahmen des Sektors U, der nicht als
Einkommen an die Haushalte
fließt und dem Konsum dient.
Das Modell des Wirtschaftskreislaufs r 23
Die Abschreibungsbeträge bleiben im Sektor U, um den Kapitalschwund durch
den Verschleiß der Anlagen auszugleichen und entsprechende Ersatzinvestitionen vornehmen zu können. Weil der Kapitalstock stets konstant bleibt und
sich auch die Stromgrößen nicht verändern, spricht man vom Kreislauf einer
stationären Wirtschaft.
2.2 Das Kreislaufmodell einer evolutorischen Volkswirtschaft
In die Modellbetrachtung wird nun als dritter Sektor die Vermögensveränderung (VV) eingeführt. Vereinfacht gesehen könnte man den Sektor VV
als Bankensektor betrachten.
Im Drei-Sektoren-Modell erfolgt eine Aufhebung der realitätsfremden
Annahme, dass weder Geld- noch Sachvermögensbildung stattfindet. Die
Haushalte sparen einen Teil des Volkseinkommens und verzichten auf Konsum in Höhe des Sparbetrags. Die Ersparnisse (SH) gehen als Zustrom an den
Sektor VV. Er stellt diese Geldbeträge in Form von Krediten zur Verfügung, die
der Sachvermögensbildung dienen. Der Strom In (Nettoinvestitionen) erfasst diesen Vorgang im Modell. Nettoinvestitionen (Neuinvestitionen, Erweiterungsinvestitionen) erhöhen den Kapitalstock (Sachvermögensbestand)
einer Volkswirtschaft.
Ersatzinvestitionen (Ie) und Nettoinvestitionen (In) ergeben die Bruttoinvestitionen (Ib), wobei alleine die Höhe der Nettoinvestitionen das Tempo des
Wirtschaftswachstums bestimmt. Wenn lediglich Ersatzinvestitionen in Höhe
der Abschreibungen getätigt werden, stagniert die Wirtschaft wie im Modell
der stationären Wirtschaft.
Rationalisierungsinvestitionen
beziehungsweise Umstrukturierungsinvestitionen können sowohl Ersatzinvestitionen als auch
Nettoinvestitionen sein, wenn sie
veraltete Anlagen ersetzen und
durch größere technische Effizienz eine höhere Produktionsmenge ermöglichen. Rationalisierungsinvestitionen gehen oft
einher mit der Sorge um den Erhalt von Arbeitsplätzen.