1 MENSCHENRECHTE IM ALLTAG Seminar ETC Graz zu

MENSCHENRECHTE IM ALLTAG
Seminar ETC Graz zu Menschenrechtsbildung
Stefania Kregel, Brigitte Kukovetz
Anzahl der TeilnehmerInnen: 15 (auch mit 9-20TN möglich)
Dauer: 4 Stunden
Einführung
Das Ziel der Einheit wird erklärt: Die Frage stellen, wie die TeilnehmerInnen im Alltag
dazu beitragen können, eine Kultur der Menschenrechte in ihrer Umgebung zu
entwickeln, das heisst auf der Basis der Anerkennung des gleichen Rechts auf freie
Entfaltung zu handeln.
Tanz/Bewegungsübungen
Die Einheit fängt an mit einigen einfachen Übungen und Spielen um den Körper mit
Musik in Bewegung zu bringen. Es folgen Übungen, die in Paaren durchgeführt werden:
1. TeilnehmerIn A gibt TeilnehmerIn B verschiedene Bewegungsimpulse, und B
lässt sich erst passiv bewegen, dann gibt B gezielt Wiederstand, und schließlich
lassen A und B aus dem Impuls und der Reaktion eine neue Bewegung entstehen,
die zu einen neuen Tanz führt.
2. Die Rollen werden getauscht und die gleichen drei Schritte werden wiederholt,
wobei beide TeilnehmerInnen aufmerksam sind, was für innere Reaktionen und
Gefühle dabei ausgelöst werden.
3. Die ganze Gruppe sitzt dann in einem Kreis zusammen und kommentiert die
Erfahrung. Jede Person erzählt wie sie innerlich auf die Impulse reagiert hat. Aus
den verschiedenen Kommentaren über Empfindungen entwickelt sich ein
Schema über Toleranz und verschiedene Möglichkeiten, mit Konflikten und
Unterschieden umzugehen (aus: Achtung! Das ist Toleranz! Übung 10, S.96 Verlag
Bertelsmann Stiftung)
Toleranzschema und Definitionen
Manche TeilnehmerInnen fanden es angenehm, bewegt zu werden und die Impulse zu
folgen: das stellt die Situation dar, in der man auf einen äußeren Impuls mit Interesse
und Zustimmung oder auch Gleichgültigkeit reagiert. Das heisst, dass kein Konflikt
ensteht.
Andere TeilnehmerInnen fanden es unangenehm, und wollten den Impulsen nicht
folgen. Dies stellt die Situation dar, in der man auf einen äußeren Impuls im täglichen
Leben mit Ablehnung reagiert, was zu einem Konflikt führt.
Die Definition von Konflikt von Morton Deutsch wird hier verwendet: „eine Situation
zwischen zwei oder mehr Menschen, die miteinander zu tun haben und unvereinbare
Unterschiede zwischen sich oder Bedrohungen ihrer Mittel, Bedürfnisse oder Werte
wahrnehmen“
Wenn ein Konflikt entsteht, hat man die Möglichkeit ihn auszuhalten oder zu regeln.
Den Konflikt aushalten heißt, ihn zu dulden/erdulden, wenn der Nutzen, den Konflikt
auszuhalten größer ist als das Risiko.
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Der Konflikt wird geregelt, oder man lässt den anderen / die andere aus Einsicht
gewähren, wenn man Verständnis für die Bedürfnisse/Interessen des anderen / der
anderen hat.
Die TeilnehmerInnen, welche die Impulse als unangenehm empfanden, berichten
darüber, wie sie auf dem Konflikt reagiert haben.
Die Möglichkeiten, den Konflikt zu regeln werden dann angeschaut: man kann Gewalt
anwenden, was im zweiten Teil der Tanzübung durch aktiven Widerstand dargestellt
worden ist, wobei vorrangig die eigenen Interessen durchgesetzt werden und die Werte,
Normen oder Bedürfnisse anderer verneint werden.
Oder man kann den Konflikt gewaltlos allein oder miteinander regeln, was im dritten
Teil der Tanzübung passiert ist, wo die TeilnehmerInnen eine kreative Veränderung der
Situation hervorgebracht haben, welche die Bedürfnisse aller berücksichtigt.
(Mehr zu möglichen Wegen, gewaltfrei mit Konflikten umzugehen wird beim Rollenspiel
am Ende der Einheit angeboten.)
Das enstandene Schema führt zu einer Definition von Toleranz, die für die
Bildungsarbeit in Deutschland auf der Basis der Menschenrechte entwickelt worden ist:
• Wird in einem Konfliktfall auf der Basis der Anerkennung des gleichen Rechts auf
freie Entfaltung gewaltfrei agiert, handelt es sich um TOLERANZ (Konflikt aus
Einsicht gewähren lassen oder gewaltlos regeln)
• Wird zur Durchsetzung eigener Interessen Gewalt angewendet, handelt es sich
um INTOLERANZ.
• Wird der Impuls geduldet/erduldet, weil dies mit den eigenen Interessen am
besten übereinstimmt, handelt es sich um SCHEINBARE TOLERANZ.
5-10 Minuten Pause
Bilderdiskussion: Was toleriere ich? Was nicht?
(In Adaption der Übung 7: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ aus „Achtung! Das ist
Toleranz!“, hg. von der Bertelsmann Stiftung)
1. Erklärung der Übung
2. Gruppenbildung: In drei Ecken werden Bilder oder Symbole zum Thema Toleranz
aufgehängt. Den TeilnehmerInnen werden je eines der Bilder in kleinem Format
ausgeteilt und sie werden aufgefordert, sich den großen Bildern zuzuordnen.
Vorzubereiten: 3 große Bilder und je 5 entsprechende kleine Bilder
3. Diskussion über Toleranzbilder: Jede Gruppe bekommt 3 bis 5 Photos. Auf den
Photos sind gesellschaftlich umstrittene Themen dargestellt. Die
TeilnehmerInnen sollen in den Gruppen für jedes Bild folgende 3 Fragen
diskutieren (Die Fragen auf einem Flip aufschreiben):
a. Welche Wirkung hat das Bild auf mich? Welche Aussage hat es für mich?
b. Wo soll das Bild eingeordnet werden?
i. Das finde ich gut / Das interessiert mich / Das ist mir egal
ii. Das lehne ich ab, aber ich toleriere es
iii. Das kann ich nicht tolerieren. / Das stellt für ich die Grenze der
Toleranz dar.
c. Warum soll es hier eingeordnet werden?
Vorzubereiten: Die Fragen auf einen bis drei Flips aufschreiben (für jeden zur
Verfügung stehenden Gruppenraum ein Flip)
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4. Die Gruppen stellen die Bilder im Plenum vor und kleben sie auf die Pinnwand
entsprechend den Kategorien.
Vorzubereiten: Eine große Pinnwand mit vier Kärtchen auf denen jeweils eine der
Positionen stehen (siehe Punkte 3.b.i bis 3.b.iii)
5. Gemeinsame Reflexion: Hat jemand mit der Platzierung bestimmter Bilder
Schwiergikeiten? Gibt es Nachfragen?
Erfahrungen mit der Übung:
Die TeilnehmerInnen diskutierten sehr engagiert. Die Auswahl der Bilder stellte sich als
gelungen heraus. Als Zeitspanne waren ca. 45 Minuten einkalkuliert. Das war zu kurz, da
schon bei Punkt 4, der Vorstellung im Plenum, sehr viel Diskussionsbedarf in der Gruppe
war und dafür eigentlich die Zeit fehlte. Die gemeinsame Reflexion (Punkt 5) wurde zum
Großteil schon während der Vorstellung der einzelnen Bilder durchgeführt.
Als Übergang zum Rollenspiel wurde gemeinsam mit den TeilnehmerInnen entschieden
welches gesellschaftliche Konfliktfeld im Rollenspiel exemplarisch behandelt werden
soll. Die TeilnehmerInnen sollten ein Bild aus der Bilderdiskussion auswählen. Da sich
die TeilnehmerInnen schwer einigen konnten, wurde abgestimmt.
5-10 Minuten Pause
Rollenspiel
1. Ausgewählt wurde das Thema „Kopftuchträgerin“. Eine vorbereitete fingierte
Konfliktsituation wurde erklärt. Zwei freiwillige Teilnehmerinnen bekamen
Rollen zugewiesen.
Vorzubereiten: Für jedes der Bilder eine fingierte Konfliktsituation
2. Vorstellung der drei Schritte des „notwendigen Distanzierens“ zur
Konfliktlösung:
a. Mit eigenen Worten das Gesagte des anderen wiederholen
b. Die eigenen Gefühle, die das Gesagte in mir auslösen, äußern
c. Mich von den Äußerungen distanzieren und sagen, was ich mir stattdessen
wünsche.
Vorzubereiten: Flipchart mit Kurzfassung der drei Schritte
3. Bitzlichtrunde:
a. Beteiligte: Gefühle während der Simulation?
b. Beobachtende: Feedback (siehe 2.c)
Erfahrungen mit der Übung:
Die Übung wurde durchgeführt, obwohl nur noch max. 30 Minuten zur Verfügung
standen, statt geplanten 45 Minuten. Daher wurde auch eine vereinfachte Variante der
Übung durchgeführt. Ursprünglich sollten die Freiwilligen zuerst selbst versuchen, wie
sie die Konfliktisituation lösen wollen. Auch sollten die anderen
SeminarteilnehmerInnen im Detail instruiert werden. Sie sollten:
a. Beobachten.
b. Wer will, kann hingehen und eine der Personen ablösen
c. Im Anschluß Feedback geben: Wie wirksam waren die Handlungen? Was
bewirkten einzelne Aussagen/Handlungen?
Die drei Schritte des „notwendigen Distanzierens“ sollten erst nach zwei oder drei
Beispielen durch die TeilnehmerInnen selbst vorgestellt werden und danach sollte noch
ein letzter – durch den theoretischen Input angeleiteter – Versuch gemacht werden. Das
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hätte den TeilnehmerInnen die Möglichkeit gegeben, eigene Lösungsmöglichkeiten mit
der Methode des „notwendigen Distanzierens“ zu vergleichen.
Aus Zeitmangel wurde die vereinfachte Variante durchgeführt. Dennoch war das
Rollenspiel sowohl für die Spielerinnen als auch die Beobachterinnen interessant. – Es
zeigte, wie gesellschaftlich verfestigte Klischeebilder auf individueller Ebene etwas
aufgebrochen werden können.
Ein Vorschlag aus der Feedbackrunde könnte aufgegriffen werden, und den
Rollendarstellerinnen Identitätskärtchen aufgeklebt werden.
Abschluss
1. Zusammenfassung des Workshops durch die Workshopleiterinnen. Es wurde der
Bogen vom Tanzimpuls und dem theoretischen Input zur Toleranz über die
Bilderdiskussion bis zum Rollenspiel gespannt, und die Verbindung zum Thema
der Menschenrechte in Erinnerung gerufen.
2. Reflexionsrunde aller TeilnehmerInnen zu folgenden Fragen:
a. Kann diese Definition von Toleranz für euch im Alltag nützlich sein?
b. Inwiefern kann diese Toleranzdefinition und Konfliktregelung zur
größeren Respektierung der Menschenrechte beitragen?
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