Adjustierbare Inkontinenzsysteme Das Remeex®-System Bei der Harninkontinenz als chronischem Leiden tritt häufig nach einer erfolgreichen Ersttherapie ein Rezidiv auf. Jedes Rezidiv bedeutet eine verringerte Erfolgsaussicht im Vergleich zur vorherigen Operation (erstes Rezidiv etwa 50% Erfolg und bei der 3. Operation etwa 20%). Auch bei primär guten Erfolgsraten der operativen first-line- Behandlungen (Schlingen und Kolposuspensionen) gilt zu bedenken, dass diese im Schnitt unter 90% liegt. Ein für die operative Therapie der Rezidivinkontinenz geeignetes Verfahren muss folgende Charakteristika aufweisen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. hohe Effektivität geringe Komplikationsrate gute Verträglichkeit der eingesetzten Materialien. Wirtschaftlichkeit belegte Effektivität (evidence basierte Medizin) jederzeit mögliche Readjustierbarkeit. Die Readjustierbarkeit sollte im Falle einer postoperativen Obstruktion das eingesetzte System optimieren, ohne eine Entfernung des Systems zu erfordern. Adjustierbarkeit bedeutet auch, eine Anpassung des Systems postoperativ vornehmen zu können, am stehenden und sich belastenden Patienten. Der Aspekt der Readjustierbarkeit soll gleichfalls eine postoperative Rezidivinkontinenz durch Optimierung des Systems zum Sistieren bringen ohne das System zu entfernen oder einen anderen Eingriff durchzuführen. Das REMEEX™-System ist eine Prothese, welche als Prototyp erstmals 1996 erfolgreich eingesetzt wurde und bis heute mehr als 5.500 Mal in Spanien, Italien und der Schweiz in der first-line und Rezidivharninkontinenzsituation Anwendung fand (Nach der FDA-Zulassung ist es nun auch in den USA auf dem Markt). Das jederzeit mögliche Nachjustieren wird von den Inauguratoren als besonderer Vorzug dieses Verfahrens beschrieben. Es wird bisher keine Zeitbegrenzung für eine nachträgliche senkende oder elevierende Regulation durch Verkürzen oder Verlängern der fixierenden Fäden mit dem Varitensor angegeben. Nachjustierungen nach 6 Jahren nach der Implantation sind erfolgt. Mehrere Arbeitsgruppen haben die Eigenschaften dieses Verfahrens untersucht und einen Vergleich mit anderen Harninkontinenztherapiemethoden angestellt. Produktbeschreibung und operative Technik Das Remeex®-System besteht aus den in Abbildung 1. gezeigten Systemelementen: nichtresorbierbares Netz (sog. Mitella) einer Größe von 1,25 x 3 cm aus monofilem Polypropylen, mit jeweils an jedem Längsende befindlichen monofilen Zugfäden ebenfalls aus Polypropylen, einer Olive (sog. Varitensor) aus biokompatiblem Polyäthylen mit hoher Dichte, das eine kleine Titanspule enthält, einer Hülse (sog. Manipulator) mit Schrauben und einem Schraubenzieher (Diskonnektor) sowie einem Einführinstrument (Nadel). Die Mitella wird unter den zu unterstützenden Anteil der Urethra-/Blasenhalsregion eingelegt. Die Polypropylenzugfäden binden die Mitella an die Titanspule des Varitensors an und ermöglichen über Drehen des Manipulators und Auf- und Abwickeln der Zugfäden die Elevation und das Absenken des über der Mitella befindlichen Gewebes. Um nach Erreichen einer erwünschten Position der Mitella den Manipulator vom Varitensor zu trennen, wird der Diskonnektor eingesetzt. Die Implantationsschritte werden wie folgend beschrieben durchgeführt: Oberhalb des Schambeins wird ein etwa 3 cm langer Schnitt transversal in der Abdomenmittelinie ausgeführt (Abb 2). Von diesem Schnitt aus wird das Fettgewebe bis zur Rectusfascie incidiert. Die Faszie ist das Widerlager für den Varitensor. Zwei Markierungen an den gewünschten Durchtrittsstellen der Anzugsfäden können über dem Schambein im Abstand von 3 cm vorgenommen werden. Als nächster Schritt wird die vaginale Inzision und die Präparation des Lagers für die Mitella in Steinschnittlage der Patientin durchgeführt (Abb. 3). Folgend wird seitlich der Urethra mit der Nadel für den Durchtritt der Anzugsfäden von der Mitella zum Varitensor das Diaphragma urogenitale perforiert und so das Cavum Retzii eröffnet (Abb. 4) Die Nadel wird entlang der Symphysenhinterkante nach oben geführt, bis sie die Faszie im Bereich der Markierungen für die Durchtrittsstelle der Anzugsfäden durchbohrt und ihre Spitze in der abdomialen Inzisionswunde erscheint. Gleiches Vorgehen beidseits der Urethra. Dann wird zystoskopiert (Abb. 5), um eine Perforation der Blase auszuschließen. Die Mitella wird in der Mittellinie der vagianlen Inzision auf gewünschte Höhe der Urethra positioniert und die Anzugsfäden werden mit Hilfe der Nadel bis über die Rectusfaszie geführt. Die Fäden werden mit einer Klemme angeklemmt. Die Mitella kann nun mit einem Vicrylfaden im Bindegewebe fixiert werden, um ein Verrutschen zu vermeiden (Abb. 6). Die Remeex™-Prothese, welche aus dem Varitensor mit dem Schalter besteht, wird auf dem vorbereiteten abdominalen Lager positioniert. Die Anzugsfäden werden streng symmetrisch durch die Aufnahmeöffnung des Varitensors der korrespondierenden Seite geführt und dann durch die zentrale Öffnung des Varitensors gezogen. Danach hält ein Assistent die Remeex™-Prothese etwa zehn Zentimeter über der Faszie (Abb. 7) und achtet darauf, dass sie mittig zentriert wird. Die Anzugsfäden der rechten Seite werden mit denen der linken Seite mit 6 Knoten verknüpft, je einen in jeder Richtung. Der Manipulator wird nun in Uhrzeigerrichtung gedreht bis der Varitensor auf der Muskelfaszie zum Liegen kommt (Abb. 8). Um die abdominale Naht in Ruhe abheilen zulassen kann auch 0,5 cm oberhalb der Naht in der Mittellinie ein kleiner Kanal präpariet werden, durch den der Varitensor nach außen liegt und bedient werden kann. Anschließend werden die Inzisionswunden abdominal und vaginal verschlossen (Abb. 9). Jetzt beginnt die Grobeinstellung der Fadenhöhe Dabei entspricht die Drehung des Manipulators um 360° nach rechts einen Millimeter Fadeneinzug (Abb. 10) und das Drehen in die Gegenrichtung das Absenken (Abb. 11) der Fäden und somit der Mitella um 1mm. Zur Einstellung kann die Blase mit 300ml steriler Flüssigkeit gefüllt und durch Druck auf das Abdomen die Leaksituation aufgezeigt werden. Die Feinregulierung kann 2—3 Tage nach der Implantation vorgenommen werden. Ziel ist es nun, diese Feinregulation dann auch schnellstmöglich zu beenden, um eine Infektion durch Eindringen von Keimen im Bereich des Manipulators zu vermeiden. Wir gaben bei allen Patientinnen für die Zeit, in der der Manipulator in situ ist, Amoxicillin und Clavulansäure 3x täglich (500mg/125mg). Die Feineinstellung kann unter Belastungssituation bzw. in Situationen vorgenommen werden, die bei der Patientin zum Harnverlust führte, z.B. Husten (Abb.12), aber auch unter perinealsonografischer Kontrolle durch Verändern des Urethrovesikalwinkels (Abb. 13 u.14) erfolgen. Nach Feinjustierung kann mit Hilfe des Diskonnektors der Manipulator vom Varitensor getrennt werden (Abb. 15). Abbildung 1: Instrumentarium bei Remeex®-Implantation Abbildung 2: Incision abdominal — Kleiner transversaler Schnitt an abdominaler Mittellinie über Symphyse Abbildung 3: Präparaton des suburethralen Mitellalagers Abbildung 4: Nadel zum Durchfühen der Zugfäden der Mitella durch das Diaphragnma urogenitale nach abdominal beids. der Urethra Durch die Operation können Schwellungen im Bereich der Urethra bedingt sein. Das erste Ziel der Implantation kann die Vermeidung von Restharn durch eine locker liegende Mitella sein. In einer späteren Sitzung gelingt es dann, die Harninkontinenz zu beheben. Das System bietet auch die spätere Möglichkeit einer Korrektur der Bandhöhe ohne großen operativen Eingriff, wenn sich anatomische und funktionelle Änderungen ergeben haben und die Inkontinenz rezidiviert. Dann kann in Lokalanästhesie oder in Kurznarkose eine kleine Inzision über dem Varitensor vorgenommen werden. Der Manipulator wird an den Varitensor mit Hilfe des Diskonnektors angekoppelt, um eine Rejustierung zu ermöglichen. Behandlungsergebnisse und eigene Erfahrungen Eigene Studien mit einem Kollektiv von 40 Patientinnen in einer Rezidivinkontinenzsituation, zeigen eine Effektivität der Methode bei 75% der Patientinnen im Sinne von ICS Pad Test Kriterien für Kontinenz < 2g im 1 h Test und einer Verbesserung der Inkontinenzsituation bei 40% der Patientinnen (>50% Reduktion des Vorlagenverbrauchs) nach 6 Monaten. Die Grenze der Methode hinsichtlich der Indikation bei Vorderwanddefekten wird, wie auch bei nicht adjustierbaren Schlingensystemen, das mögliche Urethrakinking sein, auch wenn aufgrund einer Absenkung des Bandes diese Gefahr in Grenzbereichen eher vermeidbar erscheint, jedoch auf Kosten der erzielbaren Kontinenz. Aufgrund des Permanentimplantates und der damit verbundenen möglichen Komplikationen (Infektion, Abstoßung, usw.) sowie der hohen Kosten des Systems, sehen wir derzeit nicht die Indikation in der first-lineTherapie, so wie es z.T. bei unseren romanischen Nachbarn (Italien, Spanien) gehandhabt wird. Die Frage, ob ein Justieren an den ersten postoperativen Tagen — wie von einigen Operateuren durchgeführt — aufgrund von Schwellungen im Gewebe Sinn macht, oder ein zu langes Belassen des Manipulators die Infektionsrate erhöht, konnte bei vorliegender Fallzahl nicht abschließend geklärt werden. Solange der Manipulator in situ ist, sollte eine Antibiose gegeben werden. Möglicherweise ist es von Vorteil, nach Ausschluss einer Obstruktion den Manipulator zu entfernen und eine Justierung z.B. erst nach Abschluss der Wundheilung vorzunehmen, wie von anderen Autoren favorisiert. Dies könnte außerdem eine Reduzierung der durchschnittlichen Liegezeit bewirken. Grundsätzlich wäre die Durchführung von Studien mit einem Vergleichskollektiv wünschenswert (prospektivradomisiert), aufgrund fehlender therapeutischer Alternativen in Kollektiven wie dem unseren lässt sich ein solches Projekt nicht umsetzen, solange es keine vergleichbaren alternativen Techniken gibt. Die Kolpourethropexie durch eine suburethrale Schlinge mit einer REMEEX™-Prothese erscheint als eine geeignete minimal-invasive Operationstechnik für Stressinkontinenz aufwändig und stellt an Pflegemanagement und an Operateure größere Anforderungen als die bekannten spannungsfreien Schlingen-Techniken. Sie ermöglicht es, die optimale Schlingenspannung individuell einzustellen. Die Möglichkeit mehrzeitiger kontrollierter Korrekturen bei verändertem Status wäre ein deutlicher Vorteil, lässt sich das Implantat tatsächlich über lange Zeit readjustieren. Unsere bisherigen Erfahrungen was das Aufsuchen des Varitensors angeht, sind gut. Wir bevorzugen, zum Wohle der Patientin, allerdings eher die Kurznarkose vor der Lokalanästhesie. Zur Zeit sollte das Verfahren sicher nur in urogynäkologischen Zentren angewandt werden. Als Zielgruppe der Indikation sollten dort besonders Patientinnen mit komplizierten (zum Beispiel postoperativen) Anomalien im kleinen Becken, Situationen nach Querschnittslähmungen, mit Rezidiven anderer Inkontinenzbehandlungen und Inkontinenzen infolge erheblicher urethraler Hypermobilität sowie „Risikopatientinnen“, also solche mit zu erwartender verminderter Erfolgswahrscheinlichkeit bei anderen Inkontinenz-Operationen, evaluiert werden. nach: Armin Fischer: Praktische Urogynäkologie – spannungsfrei; Verlag Haag & Herchen, Frankfurt 2006; ISBN 3-89846-371-0 Abbildung 6: Positionierung der Mitella und deren Fixaton mit resorbierbaren Fäden Abbildung 5: Zystoskopie Abbildung 7: Platzierung des Varitensors und der Zugfäden Abbildung 8: Einstellung der Schlinge, Positionierung des Varitensors auf der Rektusfaszie Abbildung 9: Verschluss der abdomianlen und vaginalen Inzisionen Abbildung 10: Aufgewickelte Zugfäden Abbildung 11: Abgewickelte Zugfäden Abbildung 13: Einstellung des Urethrovesikalwinkels unter Perinealsonografie Abbildung 12: Einstellung der Mitellahöhe unter Belastungssituation Abbildung 15: Diskonnektion des Manipulators Abbildung 14: Perinealsonografie und Ansicht der Mitella im Werbeseite Remeex Bereich Blasenhals-/Urethra
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