Patrick Dahlemann: Pfusch im Lebenslauf

Nordkurier - Haff-Zeitung vom 25.07.2016
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Seitentitel:
J. Mladek und J. Foetzke
15 bis 15
Haff-Zeitung
HZ
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Reichweite:
Tageszeitung
2016
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Patrick Dahlemann: Pfusch im Lebenslauf
Häme und Sticheleien gab es schon lange in den Fluren des Schweriner Landtags, wenn es um
den SPD-Jungstar Patrick Dahlemann und sein nicht enden wollendes Studium ging. 16
Semester, kein Abschluss in Sicht! Eigentlich nicht schlimm, solange jemand seinen Job als
Abgeordneter vernünftig macht – und doch: Wo so viel Wert auf Titel und Ämter gelegt wird, hält
man das für einen Makel. Und nun legen Dahlemanns Gegner mit einer ganz anderen StudienAffäre nach.
uecke-randow. Patrick Dahlemann soll
im offiziellen Handbuch des Landtages
falsche Angaben in seinem Lebenslauf
gemacht haben. Direkt danach befragt,
räumt er das auch selber ein. Nachlesen
kann man in dem Handbuch, dass Dahlemann als Student in Greifswald eingeschrieben ist, und so konnte man es auch
bis vor wenigen Tagen auf seiner Homepage lesen. Beides falsch. Schon 2014
beendete Dahlemann sein Studium der
Politologie in Greifswald ohne
Abschluss und schrieb sich an der
Fernuniversität in Hagen ein.
Eigentlich eine Kleinigkeit, könnte man
meinen, da haben Politiker mit ihren
akademischen Weihen schon ganz anderen Schindluder getrieben. Abschlüsse
einfach ausgedacht, wie jetzt gerade bei
Dahlemanns Parteifreundin, der SPDBundestagsabgeordneten Hinz, die für
ihren erlogenen Jura-Abschluss gleich
noch das dazugehörige Abitur miterfand. Dann die vielen Affären um
Mogeleien in Doktorarbeiten.
Und Dahlemann erklärt die Sache denn
auch mit einem Versehen. Als er 2014
in den Landtag nachgerückt sei, habe er
korrekte Angaben für das Handbuch
gemacht. Damals sei er noch in Greifswald eingeschrieben gewesen. 2015, als
das neue Handbuch erstellt wurde, habe
er einfach die alten Angaben übernommen, der Wechsel des Studienorts sei
ihm nicht so wichtig vorgekommen.
Dahlemann kam dem Rauswurf aus der
Uni zuvor
Wörter:
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646
Das allerdings klingt nur plausibel,
wenn man Dahlemanns ewiges Ringen
mit den akademischen Mühen nicht
kennt. Das Studium und der fehlende
Abschluss sind auch für ihn selbst neuralgische Punkte. Schon 2011/2012 hatte
er den drohenden Rauswurf in Greifswald vor Augen, weil er nicht alle Prüfungen rechtzeitig abgelegt hatte –
Überlastung durch die politische Arbeit,
wie er erklärt. Nur durch eine Ausnahmeregelung in der Studienordnung, die
er geschickt nutzte, konnte er in Greifswald bleiben. 2014 drohte dann der
erneute Rauswurf aus der Uni – diesmal
endgültig. Wieder, weil er einfach nicht
das ganze Pensum schaffte. Dahlemann
entging dem Rauswurf durch den Wechsel an die Fernuniversität Hagen.
In der Öffentlichkeit verlor er darüber
nie ein Wort, ließ sein politisches
Umfeld und auch die Medien im Glauben, dass er noch in Greifswald sei.
Klang ja irgendwie auch so weltläufig
und trotzdem heimatverbunden, was er
dazu auf seiner Homepage schrieb: „Ich
pendele also zwischen Parlament und
Hörsaal.“ Ein öffentliches Eingeständnis, dass er nicht mehr in Greifswald
studiert, hätte auch ein Eingeständnis
seines Scheiterns an dieser Uni bedeutet.
Und da er stets betont hatte, unbedingt
seinen Abschluss machen zu wollen,
wäre das ein sicher nicht leichter Schritt
gewesen.
Und warum hat er uns das nicht gleich
gesagt?
Und mit dieser ganzen Vorgeschichte
will er also quasi aus Versehen den
Lebenslauf im Abgeordnetenhandbuch
und auch auf seiner Homepage falsch
verfasst haben? Bei einem jungen Abgeordneten, der sich selbst immer als Politiker neuen Typs stilisierte – komplett
offen, transparent und auch bereit, zu
sagen, wenn etwas nicht geht – schwer
vorstellbar. Andererseits: Nicht einmal
seine Gegner leugnen, dass Dahlemann
mit immensem Zeitaufwand seiner politischen Arbeit nachgeht; da kann man
Schwierigkeiten im Studium womöglich ebenso nachsehen wie schlampige
Angaben. Noch dazu, wenn die Wahrheit offenbar so schmerzhaft ist.
Gelegenheiten, die auf den Tisch zu
legen, gab es genug. Zuletzt hatte der
Nordkurier vor gut zwei Wochen mit
Dahlemann über sein Studium gesprochen. Dabei hatte Dahlemann erklärt,
dass lediglich noch die Abschlussprüfung fehle. Kein Wort über den Weggang aus Greifswald. Dahlemann, der
als mutiger Jungpolitiker bundesweit
Anerkennung fand, weil er auf einer
NPD-Demo auf offener Bühne klare
Worte gegen Rechts fand – als es um
ihn selbst und seinen schwächsten Punkt
ging, entschied er sich fast zwei Jahre
lang lieber für das Schweigen.
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