Kultur hat Bauarbeitern Platz gemacht

25.7.2016
Neue Luzerner Zeitung Online - Kultur hat Bauarbeitern Platz gemacht
Neue Luzerner Zeitung Online, 23. Juli 2016, 05:00
Kultur hat Bauarbeitern Platz gemacht
Die Böden des grossen und kleinen Casinosaals sind verdeckt, der Teppich auf der Empore wird entfernt.
(Bilder Werner Schelbert)
ZUG ⋅ Jetzt sind die Bauarbeiten in vollem Gange – das Theater Casino wird auf
Vordermann gebracht. Und es hat bereits Überraschungen gegeben. Ein Augenschein
vor Ort.
Andreas Faessler
Andreas Faessler
Statt lieblicher Musik und Engelsgesang erfüllen Gehämmer und Bohrlärm das altehrwürdige Theater
Casino. Beim Betreten herrscht Helmpflicht – ein Hinweis, dass Abbrucharbeiten stattfinden. Das Haus steht
bereits mitten im Umbau respektive in der Renovation. Wandapplikationen, Vorhänge und weitere
bewegliche Elemente sind demontiert – das Restaurant dient vielem als Depot –, die Kristalllüster
eingepackt, Treppe, Geländer und Böden in den Sälen zum Schutz abgedeckt. Löcher klaffen in Wänden und
Decken, überall hat sich durch die Arbeiten bereits eine dicke Staubschicht abgesetzt.
Blinde Türen wieder öffnen
Das reiche Kulturgeschehen ist ausquartiert für diese Übergangszeit, welche voraussichtlich ein Jahr und
zwei Monate dauert. Und bis die Theater- und Musikgesellschaft Zug (TMGZ) ihr auf Vordermann
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gebrachtes Quartier neu beziehen kann, werden noch viele Hammerschläge verhallen. Dafür dürfen die
Erwartungen zu Recht hoch sein: «Der Jugendstil des historischen Gebäudes wird in Zusammenarbeit mit
der Denkmalpflege so weit in den originalen Urzustand zurückversetzt wie möglich. Alles Historische wird
so gut wie es geht erhalten», erklärt Marcel Beerle. Der stellvertretende Leiter Hochbau der Stadt Zug
erläutert die Bauarbeiten bei einem Rundgang durch die Baustelle und erwähnt sogleich eine überraschende
Entdeckung: Bei der Inspektion kamen auf den seitlichen Emporen Verbindungstüren zum Vorschein, welche
jeweils in die angrenzende Wandelhalle führen. Sie waren Jahrzehnte hinter der Wand verborgen gewesen.
«Die Rahmen weisen noch die originale Bemalung aus der Erbauungszeit auf», erklärt Beerle. Zwei der
Türen waren sogar zugemauert worden. Sie alle werden ebenfalls restauriert und künftig wieder ihren Zweck
erfüllen. Der unansehnliche Teppich auf den Emporen wird entfernt und durch Parkett ersetzt, das Geländer
indes den heutigen Sicherheitsvorschriften angepasst, indem es erhöht wird. Das historische Parkett im
grossen Saal wird fixiert und wo nötig ausgebessert, sodass es nicht mehr knarren wird wie bisher. Der
Bühnenvorhang wird ebenfalls ersetzt.
Zurück zur ursprünglichen Farbe
Der Casinosaal als Ganzes sowie die seitlichen Promenierräume, welche teils eine qualitätvolle Vertäfelung
aufweisen, sollen den Glanz alter Zeiten zurückerhalten: «Gemeinsam mit dem Denkmalamt versuchen wir
unter anderem zu eruieren, welche Farbe Wände und Decke einst hatten, um sie entsprechend zu verputzen»,
erklärt Marcel Beerle. Ebensolches gilt für die Aussenwände des Gebäudes, das in den Jahren 1907 bis 1909
von Dagobert Keiser und Richard Bracher erbaut worden ist. «Es wird nicht nur eine Instandsetzung der
Infrastruktur, sondern das Haus erhält somit auch eine deutliche optische Aufwertung.» Überdies werden alle
Fenster und Rollos ersetzt, welche insbesondere auf der Seeseite wetterbedingt einen reichlich desolaten
Eindruck machen. Eine gründliche Auffrischung erfährt ferner der einstige Haupteingang des KeiserBracher-Baus. Die Türen mit originalen Klinken und Türschliessern werden frisch bemalt. Das
dahinterliegende Vestibül mit einstigem Kassenhäuschen behält seinen alten Charme respektive erhält ihn
ebenfalls zurück.
Fumoir kommt weg
Im Untergeschoss rumpelts heftig. Die Toilettenanlagen werden dieser Tage komplett erneuert.
Schubkarrenweise befördern Arbeiter die abgeschlagenen Fliesen aus den 1980er-Jahren ins Freie. Mulden
vor dem Haus füllen sich mit Tonnen von Schutt, denn Ähnliches geht in der Smoking Lounge des
Restaurants vor sich. Diese ist in einem kubischen Annexbau an der südwestlichen Ecke untergebracht,
welcher ebenfalls aus den 1980er-Jahren stammt und vom See her optisch eher als Störfaktor
wahrgenommen wird denn als für das Gesamtbild Gewinn bringend. Er wird abgetragen. Dasselbe gilt für
den schmalen Trakt, welcher den neueren Theatersaalkomplex mit dem historischen Casinogebäude
verbindet und mit dessen seeseitiger Schaufront bündig ist. Er wird durch einen diskreten, vom See her
zurückversetzten Verbindungsbau ersetzt, der den alten vom neuen Teil klar abtrennt und in seiner Funktion
als Bindeglied auch als solches erkennbar wird. In der Folge wird der anmutige Jugendstilbau von der
Seeseite her als alleinstehender historischer, in seiner Architektur homogener Baukörper wahrgenommen –
eine weitere deutliche Aufwertung des äusseren Erscheinungsbildes. Einzige moderne Komponente wird eine
elegante externe Stahlwendeltreppe sein, welche da platziert wird, wo der Annexbau des Fumoirs jetzt noch
steht, aber in Kürze Geschichte sein wird. Die Konstruktion soll einen formschönen Kontrast zur historischen
Fassade setzen. Hier wird sich zudem weiterhin der Zugang zum Restaurant befinden für die Öffnungszeiten
ausserhalb des Kulturbetriebes. Auch dieser Zugang wird neu und vor allem einladender gestaltet, als er
bisher gewesen ist.
Arbeiten am Theatersaal ab Herbst
Der angrenzende Bau mit dem Theatersaal und dem glasüberdachten Foyer harrt ebenfalls seiner baldigen
Überholung, die Arbeiten hier beginnen diesen Herbst – voraussichtlich noch im September. Der gesamte
Foyerboden und die Treppe sind bereits dick mit Pappe bedeckt, Mobiliar und Kunstgegenstände sicher
verstaut. Wo zuvor die Garderoben waren, ist ein «improvisiertes Baubüro», wie es Marcel Beerle nennt,
eingerichtet.
Die Sommersonne brennt unerbittlich auf das Glasdach und erhitzt das derzeit unklimatisierte Foyer auf
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gefühlte 40 Grad. Bald wird das Dach mit getönten, sonnenabweisenden Scheiben versehen. Der neue,
zentrale Empfangsbereich wird da installiert, wo bisher der Durchgang zum alten Teil war – also
hauptsächlich im oben erwähnten neuen Verbindungstrakt.
Feinarbeit mit grobem Werkzeug
Unter dem Strich finden im Theater Casino keine Arbeiten statt, die einen substanziellen Eingriff in die
bestehende Architektur bedeuten. «Eigentlich ist es viel Feinarbeit, wenn auch teils mit grobem Werkzeug»,
umschreibt es Marcel Beerle. Kurzum: Sehr umsichtig und mit Sorgfalt kriegt der Komplex sein Facelifting
verpasst. Dies ist nicht zuletzt – oder insbesondere – der Zuger Bevölkerung geschuldet, ist und war das
Haus doch seit jeher ein unverzichtbarer Teil des Zuger Kulturlebens genauso wie des gesellschaftlichen
Geschehens.
Theater Casino: Weitere Bilder von der Sanierung auf www.zugerzeitung.ch/bilder
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