Hundekur im Pool. DANIEL RICKENBACHER hilft Tieren durch

Bellen &
Wellen
Hundstage Im Therapiezentrum in
Effretikon ZH behandelt Daniel
Rickenbacher Terrier Boogie. Dessen
operierte Glieder werden beim
Schwimmen wieder locker und kräftig.
Hundekur im Pool. DANIEL RICKENBACHER hilft Tieren
durch Hydrotherapie wieder auf die Beine. Alte, kranke
und operierte Patienten schwimmen sich bei ihm gesund.
Aqua-Reha für Hunde: Tierisch gut – oder für die Katz?
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Hundemüde Nach der anstrengenden Warmwassertherapie
döst Schäfer-Mix Pascha in der
Ruhebox unter einer Wärmelampe.
Abhängen Nach der Therapie sind
die Vorderbeine des russischen
Terriers Umbra wieder locker, seine
Verkrampfungen weg.
Knabberspass Terrierhündchen
Mia wärmt sich im «Whirlpool»
auf und liebkost Therapeutin Sarah
Hartmanns Ohr.
Zungenakrobat Hündin Dési geniesst
den Heimvorteil. Der Boxer gehört
Daniel Rickenbacher und wartet brav,
während das Herrchen arbeitet.
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Wie ein nasser Sack Pascha am
Hebelift. Hängt der Hund in der
Luft, kann der Therapeut genau
sehen, wo sich das Tier verkrampft.
Gib Gummi Jedem Patienten sein
Schwimmspielzeug. Am begehrtesten sind die quietschenden
Hühner, die Kuh und das Säuli.
Total ausgepumpt und
Hundeschwumm Malix paddelt
im Wassertank, die Gegenstromanlage fordert ihn. Rickenbacher
ködert mit dem Gummihummer.
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relaxed
nach der strapaziösen
Wasserschlacht
1 Augenblicke
Pekinese Puppy
(Kreuzbandriss
an beiden Knien)
wurde operiert
und trainiert jetzt
im Wasserbad.
2
3
2 Küsschen eins
Puppymutti 1, Amanda Odeh, bedankt
sich bei Therapeutin
Hartmann, die Puppy in der Tasche ins
Freie trägt.
4
5
3 Küsschen zwei
Frauchen herzt ihr
«Kampfhündli».
4 Medizin für alle
Puppymutti 2, Vreni
Vogel, lässt sich die
«Hunde-Augentropfen» verabreichen.
Der Mann links, ein
Taxifahrer, wird die
Damen wieder nach
Hause chauffieren.
5 Pflege danach
Sarah Hartmann
träufelt Tropfen in
Puppys Augen.
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TEXT MARCEL HUWYLER
FOTOS REMO NÄGELI
H
Haarig Rickenbacher trocknet mit
einem Spezialfön Hündin Sabas
Fell; der Luftstrahl massiert gleichzeitig die Haut des Tiers.
Knochenjob Vor der Therapie
werden Röntgenbilder studiert.
Rickenbacher lernte die Hydrotherapie in Belgien und Deutschland.
unde, die wellen,
beissen nicht. Sie
sind viel zu erschöpft, wenn sie
hier im Wassertank mit allen vier Pfoten paddeln, schwimmen, Wellen schlagen und gegen die Gegenstromanlage ankämpfen.
Malik, Boxer, männlich, 6-jährig. Kreuzbandriss (Knie), OP im
November 2015. Belastet das operierte Bein nicht richtig.
Jeder Patient erhält ein Gummispielzeug und eine Therapiemelodie. Den Quietschhahn, die
Latexkuh und das dämlich grinsende Säuli mögen die meisten
Hunde, andere sind wählerischer:
Boxer Malik etwa, der grimmig
glotzend im Wasser treibt, lässt
sich nur mit dem orangen Gummihummer ködern.
Dazu gibts Musik, Pfeifkonzert.
Für jeden Patienten wählt der
Therapeut eine andere Melodie,
er pfeift Schlager, Opern, Operetten und Landeshymnen. «Jedem
Hund seinen Song», sagt Daniel
Rickenbacher, wischt sich mit
dem Ellbogen Salzwasser aus dem
Gesicht, korrigiert mit der rechten Hand die Hinterläufe des wild
paddelnden Malik und schwenkt
mit der linken den Hummer. Die
Gegenstromanlage stöhnt, Malik
hechelt, Rickenbacher pfeift den
«Vogelfänger» aus Mozarts «Zauberflöte».
Neun Hunde sind heute zur
Wassertherapie angemeldet, die
meisten vom Tierarzt überwiesen.
Im Lauf des Tages wird noch
ein Notfall dazukommen, Hündin
Mia, die sich unablässig in den
eigenen Hintern beisst («wohl
etwas mit einem Rückennerv»,
wird Rickenbacher vermuten).
Hydro- und Physiotherapie
für Hunde bietet Rickenbacher,
58, an. 2003 gründete er Kynofit.
Mit seiner Idee, alte, kranke und
rekonvaleszente Hunde in Warmwasser zu behandeln, wagte er damals den Sprung ins kalte Wasser.
Für die Schweiz eine Novität.
Prompt wurde gestänkert, er zelebriere Luxuswellness für verhätschelte Fiffi, das Hundemassagezeug sei für die Katz. Heute hat
Rickenbacher Patienten aus der
ganzen Schweiz, Hunderte Hunde, Hunderte glückliche Hündeler. Er ist in der Szene bekannt –
wie ein bunter Hund.
Das Therapiezentrum liegt
mitten in Effretikon, in einer ehemaligen Druckerei. Die Atmosphäre ist ein Mix aus Hallenbad, Zoohandlung und Kinderkrippe. Tropische Wärme, Palmen,
Schwimmspielzeug. Da sind Hundeduschen, Ruheboxen, Snacks
(geräucherte Rinderohren, Pferdesehnen, Schweinsohren) und
Wäscheleinen voller Hundebademänteli – und zwei Edelstahlwannen, 6 Meter lang, 1 Meter 30
breit, mit 7000 Liter keimfreiem,
31 Grad warmem Salzwasser.
Die Idee der Hydrotherapie:
Ein Hund, der beim Gehen
Schmerzen hat, nimmt automatisch Schonhaltung ein, welche
seinen Körper einseitig, falsch belastet. Zu wenig gebrauchte Muskeln verkümmern sieben Mal
schneller als beim Menschen.
Erst im Wasser, wenn ihm das
Eigengewicht fehlt, entkrampft
sich der Hund. Beim Schwimmen
macht er Bewegungen, die er sonst
wegen der Schmerzen vermeidet.
Bänder und Sehnen werden gestärkt, Muskeln aufgebaut, Herz
und Kreislauf angeregt.
Es ist 9 Uhr morgens. Geschäftsführer Rickenbacher und
Therapeutin Sarah Hartmann, 38,
Pfotenzonenreflexmassage
Liegen die Hunde im «Whirlpool», werden
ihnen die harten
Pfoten massiert.
stehen an den zwei Wassertanks,
kontrollieren und korrigieren die
Schwimmbewegungen der Hunde. Rickenbacher trainiert noch
immer mit Malik. Sobald der Boxer den Gummihummer zu erhaschen glaubt, stellt der Therapeut
die Gegenstromanlage noch stärker ein. Hundsgemein.
Im Becken nebenan kümmert
sich Sarah Hartmann derweil um
ihre prustende Kundin Lindy.
Lindy, Tervueren, weiblich,
9-jährig. Arthrotische Schmerzen.
Therapie seit Dezember 2014 , jetzt
schmerz- und medikamentefrei.
Lindys Frauchen schaut der
Therapie zu. Sie sei anfangs skeptisch gewesen, «doch innert zwei
Monaten hat Lindy dank der Wassertherapie riesige Fortschritte
gemacht und hinkt nicht mehr».
Die Prozedur. Jeder Hund
wird geduscht, in ein stoffiges
­Gschtältli gepackt und mit einem
umgebauten Hebelift für behinderte Menschen herumgehievt.
Zuerst in den «Whirlpool», 38
Grad warm, Hundekörpertemperatur. Hier lockert das Tier seine
verkrampften Glieder, während
der Therapeut es nach Verspannungen, Verkürzungen, Verhärtungen abtastet, die er später taktil behandelt. Nach ein paar Minuten Wellness «schwebt» der
Hund in den Schwimmkanal.
Auftritt Puppy. Was für eine
Diva! Was für ein Schauspiel!
Puppy, Pekinese-Mix, 6-jährig.
Kreuzbandriss, Kniescheibe operiert. Therapie seit Juni 2015.
Puppy, im rosa Mänteli, transportiert in einer Tragtasche, begleitet von ihren zwei Muttis. Reifere
Damen, eine Frau Amanda und ihre Mutter Vreni aus Zürich, die beide in Sachen schillernder Auftritt,
Extravaganz und Augenrolltechnik
ihrem Schosshündchen in nichts
nachstehen. Puppy schwimmt u
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Rickenbacher ist unter den
u gegen den Strom, die Glotz­
äuglein quellen hervor. «Nicht so
wild, Schätzimüüsli-Kampfhündli», mahnen die Puppymuttis.
Nach der Therapie bekommt
Puppy Augentropfen, Mutti Vreni
nutzt die Chance und lässt sich
von Therapeutin Hartmann ebenfalls «es paar Tröpfli för mini
trochne Äugli» hineinträufeln.
Ende der Vorstellung. Küssli gibts
von Frau Amanda zuerst für die
tapfere Puppy und dann für die
Therapeutin. Rickenbacher ist
­zufrieden, seine Hydrotherapie
wärmt Hundegelenke und Hündelerseelen gleichermassen. Er
pfeift den Operettenohrwurm
«Zwei Herzen im Dreivierteltakt».
7,6 Millionen Haustiere leben
in der Schweiz. Ihre Tierliebe lassen sich die Besitzer viel kosten:
1,5 Milliarden Franken für Pflege,
Futter, Tierarzt und Operationen.
Die Beinbruch-OP eines Hundes
kostet 3000 Franken, ein künst­
liches Hüftgelenk 5000 Franken.
Haarige Summen. Wer bereit ist,
so viel Geld für eine OP auszugeben, investiert logischerweise
auch in die Reha, eine Stunde
Kyno­fit kostet 124 Franken.
Wird das Haustier vermenschlicht? Der Hund sei heute ein Familienmitglied, für manche wie ein Partner oder wie ein
Kind, sagt Rickenbacher, «da tut
man alles, um den Liebling zu retten». Seine Devise ist: Befund ist
nicht Befinden. Er erklärt es, indem er provoziert: «Soll man jeden Senior mit Rollator zu Exit
schicken?» Massgebend sei die
Lebensqualität. Es gäbe Hunde,
die seien laut Befund am Ende,
mit Hydrotherapie aber könnten
sie anständig weiterleben. Entscheidend sei die Biografie: Wenn
ein gehbehindertes Schosshündchen herumgetragen werden
muss, kann das funktionieren, für
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Hündelern
bekannt wie ein bunter Hund
einen kranken, ehemals quirligen
Jagdhund hingegen ist das kein lebenswertes Dasein mehr.
Umbra, russischer Terrier, weiblich, 7-jährig. Von klein an defekte
Ellbogen, schlechte Hüften.
Umbra ist heute zum 121. Mal
hier. Ein spezieller, ein trauriger
Fall. Das Tier wuchs in einem ausländischen Tierheim unter miesen Bedingungen auf; schon als
Welpe verkümmerte sein Körper.
Während Rickenbacher sich um
den Riesenhund kümmert (und
die französische Nationalhymne
zwitschert), sorgt sich Sarah
Hartmann um Hündin Mia (den
Notfall, der sich selber in den Hintern beisst). Ein Terrier, herzig,
winzig, «grad einmal eine Zahnfüllung gross», kaspert die Therapeutin – und beginnt Mias Rückennerven zu stimulieren.
Rickenbacher war früher
Kunstschmied von Beruf. Als sein
Hund operiert wurde und eine
Reha brauchte, empfahl der Tierarzt Hydrotherapie – die es in der
Schweiz nicht gab. Rickenbacher
erfasste das als Chance und liess
sich in Belgien und Deutschland
eineinhalb Jahre lang ausbilden.
Auch Sarah Hartmann stieg quer
ein, sie war Automechanikerin.
20 Minuten schwimmen Umbra und Mia; das trainiert den
Hundekörper so intensiv wie eine Stunde Traben. Mit dem Hebelift werden die Tiere aus dem
Wasser gehievt, hängen wie nasse
Säcke in der Luft, total abgespannt, total entspannt. Die vorher verkrampften Glieder baumeln locker. Für ein paar Minu-
ten gehts nochmals in den Whirlpool, dann wird geduscht, gefönt,
und ab gehts in die Ruhebox, unter eine Wärmelampe.
Die Therapeuten ziehen sich
um. Nach jeder Behandlung triefen Shorts und T-Shirts vor Salzwasser, «das spart uns Ferien am
Meer», meint Rickenbacher.
Halina. Vielleicht der spektakulärste Fall von Kynofit. «Ihre
Geschichte ist unglaublich, und
für mich ist es ein grosser Erfolg»,
sagt Rickenbacher und führt die
Hündin an der Leine in die Halle.
Halina, Labrador, weiblich,
11-jährig. Rückenmarksinfarkt an
Weihnachten 2015, Vorder-/Hinterbeine ohne Reflexe, total gelähmt. Nach intensiver Wassertherapie läuft sie seit 14 Tagen wieder.
Halina tappt herein, schwankt,
schwächelt in den Hinterläufen.
Wohlverstanden, gibt Rickenbacher zu bedenken, das Tier sei vor
drei Monaten noch total gelähmt
gewesen, lag nur apathisch da.
Einschläfern? Halinas Besitzerin
hatte eben erst einen Todesfall in
der Familie erlebt und wollte nun
nicht noch ihren Hund verlieren.
Rickenbacher begann mit Halina zu arbeiten, stimulierte die
gelähm­
ten Glieder, liess den
Hund schwimmen, immer etwas
mehr, ein bisschen weiter, härter,
vier Monate lang.
Später an diesem Tag spaziert
­Halina munter wie ein Rehlein
aus der Reha heraus. Daniel
Ricken­
bacher schaut ihr nach,
sagt nichts. Pfeift stattdessen.
Den «Triumphmarsch» aus Verdis «Aida». 
Der Nächste, bitte! Tamara Massari
und Boogie im Wartezimmer.
Blaue Schuhüberzieher sind aus
hygienischen Gründen Pflicht.
Mit felligen Grüssen Hunderte
Hündeler sind begeistert, weil ihr
Liebling wieder schmerzfrei ist, und
schicken Kynofit Dankeskarten.