Fundamente Windenergie Einfach umgefallen Lange Zeit waren Fundamente Nebensache – bis die ersten Probleme an Vestas-Anlagen auftauchten. Betroffen von schlechter Beton ausführung und konstruktiven Mängeln sind aber alle Betreiber. E ine Windgeschwindigkeit von 16 m/s entspricht Windstärke 7 in der bekannten Beaufort-Skala. Phänomenologisch betrachtet bedeutet dies: Bäume schwanken, deutlicher Widerstand beim Gehen gegen den Wind – und die ersten Windenergieanlagen fallen um. So war es jedenfalls im Herbst 2008 in einem ostdeutschen Windpark, als sich eine 80-kW-Turbine mitsamt dem Turm verabschiedete. „Einfach umgefallen“, zeigt sich der Versicherungsmakler Christian Schlösser immer noch fassungslos. „Ich kann Ihnen noch mehr Anlagen zeigen, die umgefallen sind, einfach durchgerostet.“ Gemeint ist die Bewehrung des Flachfundaments. Risse im Beton lassen Wasser einsickern, das die Bewehrungseisen angreift. An einigen Stellen kommt es sogar durch die dynamischen Bewegungen des ganzen Bauwerks zu einem „Ansaugen“ des Ober flächenwassers in den Riss hinein. Die Eisen korrodieren und verlieren die Bindung an den umgebenden Beton. Damit ist die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet. Ein typischer Ausführungsfehler, meint Schlösser. Anders als der Hersteller Enercon, der die Fundamente seiner Windenergieanlagen nicht nur konstruiert, sondern auch baut, überlassen es die meisten Hersteller den Bauherren, für ein sachgerechtes Fundament zu sorgen. Der unsachgemäßen Ausführung ist damit Tür und Tor geöffnet. Ein Beispiel: Der Umgang mit Bewehrung und Beton ist nicht trivial. Festigt sich der Beton des Fundaments zu schnell, sind Feinrisse die Folge, die sich durch die dynamische Belastung des Fundaments verbreitern. Bis vor wenigen Jahren noch, so Schlösser, seien die Fundamente so gut wie nie in die Kontrollen mit einbezogen worden. „Keineswegs alle Betreiber wohnen in der Nähe des Windparks, sondern manchmal dreihundert Kilometer entfernt. Dann wird das Fundament gar nicht beobachtet.“ Diese Praxis hat sich nach seinen Angaben aber grundlegend geändert. Zur Aufnahme von Kräften werden in Betonfundamente Stahlstreben eingebracht. Diese Bewehrung des Fundaments sorgt für die Standfestigkeit einer Windenergieanlage, kann aber auch zum wunden Foto: dpa Punkt werden. Photovoltaikprojekte und mehr Wir stehen für eine transparente Projektentwicklung, individuelle Finanzierungskonzepte und eine professionelle Betriebsführung bei Windenergie-, Photovoltaik- und Biogasprojekten. Windwärts Energie GmbH Hanomaghof 1, 30449 Hannover, Tel.: 0511/123 573-0, www.windwaerts.de WWE_Image_PV_190x60mm_4c.indd 1 PROJEKTE MIT ERNEUERBAREN ENERGIEN 27.12.11 10:45 Sonne Wind & Wärme 2/2012 53 Windenergie Fundamente Fachkenntnis gefragt Schwierig zu diagnostizieren sind auch Versäumnisse beim Schütten des Betons. Damit Bewehrung und Beton eine einwandfreie Bindung eingehen, müssen die Betonwerker den Beton sorgfältig verdichten. „Wenn ich das von Gärtnern machen lasse, muss ich mich über Schäden am Beton nicht wundern“, formuliert es drastisch Gregor Prass, Geschäftsführer der Timbertower GmbH. Er weist darauf hin, dass schon die Verwendung von nicht einwandfreiem Wasser die Qualität einer Mörtelfuge beeinträchtigt. Gefahr fürs Fundament droht auch von unten. Versicherungsmakler Schlösser kennt auch Fälle aus eigener Anschauung, bei denen die Bauherren vor dem Fundamentbau auf ein Bodengutachten verzichtet haben. Bei einem Test mit Notabschaltung „wackelte das Fundament“, konnte Schlösser beobachten. „Das heißt“, erklärt er, „das Fundament war tadellos, aber der Untergrund nicht.“ Die Sanierung geschädigter Fundamente ist aufwendig und teuer. Eine Instandsetzungsrichtlinie legt bei Fundamentschäden an Windkraftanlagen ein bestimmtes Vorgehen fest: Begutachtung, Schadens erfassung, Analyse, Sanierungskonzept. Das Unternehmen Get Project GmbH & Co. KG hat in Zusammenarbeit mit der KTW Umweltschutztechnik GmbH eine dauerelastische Abdichtung entwickelt. Dabei werden nach der Sanierung der freigelegten Bewehrung die verbleibenden Risse ausgespritzt. Dieses Implantat verbindet sich mit einer auf den Mantel aufgebrachten hochelastischen Beschichtung. Mehr Aufwand erfordert die Reparatur von Schäden, die beim Schütten des Fundaments oder durch mangelnde Eignung des Untergrundes verursacht wurden. In dem von Schlösser geschilderten Fall des wackelnden Kreuzbalkenfundaments kofferten die Das Fundament einer E 40 „wackelte“ – offenbar hatten sich Hohlräume unter dem Kreuzbalkenfundament gebildet. Die Sanierung ist aufwendig. Zuerst wird der Boden unter dem Fundament großzügig entfernt. Bis zu 1 m tief unter dem Fundament koffert der Bagger aus. 54 Sonne Wind & Wärme 2/2012 Sanierungsspezialisten das Erdreich bis zu einem Meter unter den Kreuzbalken aus. Gleichzeitig verbreiterten sie die Balken. Die so entstandenen, neu eingeschalten Löcher verfüllten sie mit einem Spezialbeton, der relativ hohe Zugkräfte aufnehmen kann – eine Disziplin, die jedem Beton Schwierig keiten bereitet. Größeren Aufwand erfordert auch die Feststellung, dass sich der Boden an dem vorgesehenen Standort nicht dafür eignet, eine mehrere hundert Tonnen schwere Windenergieanlage zu tragen. „Dann muss man sich einen neuen Standort suchen oder den Untergrund ertüchtigen“, zählt Schlösser die Alter nativen auf. Ganz andere Phänomene bewegen Matthias Andres, Geschäftsführer und Gesellschafter der Krätzig und Partner Ingenieursgesellschaft. In einem Forschungsprojekt interessierte ihn die Frage: Was passiert nach der Rissbildung im Bezug auf die Eigenfrequenz eines Betonturmes? „Die Eigenfrequenz wird geringer und kann in den Resonanzbereich der Rotorblätter kommen“, fasst er ein Ergebnis der Studien zusammen. Unter Umständen wirkt sich das gravierender aus als die eigentliche Rissbildung. Andres betont: „Beton kann durchaus begrenzt Risse vertragen – ähnlich wie Holz.“ Vorspannung verhindert Risse Ein probates Mittel gegen Rissbildung ist die Vorspannung der Betonstruktur. Bei einem Turm übernehmen das Seile, die im Turm selbst oder auch in Führungshülsen der Betonteile in vertikaler Richtung Spannung aufbauen. Zugspannung im Turm, die immer auf der Luv-Seite einer Windenergieanlage auftritt, sollte so klein wie möglich gehalten werden. Denn, weiß Andres: „Risse entstehen durch Zugspannung, im Druckbereich gibt es keine Risse.“ Allerdings, so gibt er zu bedenken, könne man nicht im Hinblick auf extreme Windverhältnisse die Vorspannung beliebig erhöhen, ohne irgendwann die Betonstruktur zu schädigen. Timbertower-Chef Prass spricht sich für eine „frequenzorientierte Konstruktion“ des Turmes und gleichzeitig größere Fundamente aus. Das erhöhe nicht nur die Standfestigkeit, sondern zahle sich auch wirtschaftlich aus. Es gibt häufig Bereiche, in denen die Bewehrung für hohe Lasten ausgelegt ist. Dann gibt es Bereiche, die nach den Erfordernissen der Betontechnik ausgelegt sind. „Der Trick ist nun, das Fundament geometrisch so auszulegen, dass die Mindestbewehrung auch die optimale Bewehrung ist“, sagt Prass. Er denkt darüber hinaus an völlig andere Fundamentkonzepte. „Wir arbeiten an einem begehbaren Hohlkörper als Fundament“, kündigt er seine Innovation an. „Mitte des Jahres werden wir die Lösung vorstellen.“ Für die ersten fünf Prototypen sucht Prass noch Standorte. „Wir wollen dort eine 1,5-MW-Maschine mit 77 m Rotordurchmesser und 100 m Nabenhöhe betreiben.“ Einen Beitrag zur Standfestigkeit von Windenergieanlagen können die Zertifizierer leisten. Sie prüfen Das kritische Auge des Zertifizierers Ein Spezialbeton, der relativ hohe Zugkräfte aufnehmen kann, verfüllt die so entstandenen, neu eingeschalten Löcher. Fotos (2): Schlösser, Enser Versicherungskontor nach eigenen und öffentlichen Regelwerken. Maßgeblich für Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsaufgaben ist in Deutschland das Deutsche Institut für Bautechnik – DIBT, eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Länder. Für Betonbauten gibt es eine entsprechende Richtlinie. Die Projektierer in Deutschland müssen sich auf eine Novellierung der DIBT-Richtlinie, die auch für das Fundament gilt, einstellen. Zurzeit durchläuft die Neufassung die fachliche Abstimmung zwischen den beteiligten Parteien und Verbänden. Stefan Baars, Gruppenleiter Beton-Bautechnik bei GL Renewables Certification, kündigt an: „Die neue Richtlinie ist durch die Fachgremien fertig erarbeitet. Sie tritt voraussichtlich im Sommer 2012 in Kraft.” Die Zertifizierung des Fundaments nach DIBTRichtlinie umfasst eine umfangreiche Prüfung der Berechnungen und Ausführungszeichnungen. In der Regel rechnen die Zertifizierer – GL, Noske Veritas oder andere – die gesamte Auslegung noch einmal nach. Ein erfolgreicher Abschluss dieser „Papierprüfung” wird mit dem Typenprüfbescheid dokumentiert. Für die Installation in Deutschland ist diese Typenprüfung ausreichend. Liegt der Installationsort außerhalb Deutschlands, schließt sich an die Prüfungen der Berechnungen und Zeichnungen – das Design Assessment – eine Fertigungs- und Bauüberwachung an, die das Typenzertifikat bescheinigt. Eine noch umfangreichere Prüfung und Überwachung enthält schließlich das Projektzertifikat. Es umfasst außer dem Betonbau für das Fundament noch andere wichtige Komponenten einer Windenergieanlage. Die DIBT-Richtlinie basiert bislang auf der deutschen DIN 1045. Die Neufassung nähere sich aber weitgehend dem Eurocode 2 an, sagt GL-Gruppenleiter Baars, der in der entsprechenden Arbeitsgruppe mitarbeitet. „Es gibt dann nur noch im Detail Unterschiede zwischen Eurocode und DIBT-Richtlinie.” Viele Zertifizierer – wie auch GL – arbeiten mit eigenen Richtlinien, die über die Anforderungen der Norm hinausgehen. So enthält auch das GL-Typen zertifikat die Bauüberwachung. „Wir prüfen dann beispielsweise, ob und wie die Ausführungsfirma den Beton verdichtet hat”, erklärt Baars. „Schließlich ist die richtige Verdichtung extrem wichtig für die Kraftübertragung zwischen den Flanschen und den Bewehrungsstäben des Fundaments.” Er weiß auch, dass die meisten schadhaften Fundamente auf Fehler in der Bauausführung beruhen. Die Konstrukteure hingegen sind sich weitgehend der Bedeutung des Themas bewusst und nur noch in Einzelfällen für Schäden am Fundament verantwortlich zu machen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass sowohl Berechnungen als auch Ausführungszeichnungen in jedem Fall Gnade vor den kritischen Augen des Zertifizierers finden müssen, die Fertigungsausführung jedoch oft nur auf Bestellung. Eine mögliche Fehlerquelle, meint Baars. Die oberste Bauaufsicht liege bei den lokalen Behörden, ob in Deutschland oder anderswo. Letztendlich sind sie und die finanzierenden Banken neben den Bauherren diejenigen, die den Prüf- und Zertifizierungsumfang bestimmen, auch ob Jörn Iken der Bau beaufsichtigt wird oder nicht. Anzeige e d . e s s a l k W M 3 r e d 1931_Sound2012_de_SSP_190x60.indd 1 müssen. 09.01.12 14:32 Sonne Wind & Wärme 2/2012 55
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