Seite_3-26.pdf; s10; (200.00 x 275.00 mm); 18.May 2016 18:33:55; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien MRSA-PATIENTEN Isolierung ist überflüssig und stigmatisierend Der Autor hält die medizinische Zwangsmaßnahme für nicht mehr zeitgemäß, zumal Infektionen mit Methicillin suszeptiblem S. aureus (MSSA) im Vergleich zu MRSA unberücksichtigt bleiben. Ein Diskussionsbeitrag. D damit unbehandelbar – werden könnte. Um die Ausbreitung von MRSA, der vor allem als nosokomialer Erreger auftrat, einzudämmen, wurden deshalb unter anderem folgende Infektionsschutzmaßnahmen eingeführt: ● Isolierung von betroffenen Patienten in Einzelzimmern, ● Kontakt nur mit spezieller Schutzkleidung (Schutzkittel, Handschuhe, Gesichtsmaske), ● Screening auf MRSA. Hierzu sind die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut maßgeblich, die zuletzt 2014 aktualisiert wurden und weiterhin die Isolierung von Personen mit MRSA-Besiedlung oder -Infektion anraten (2). Foto: dpa er Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) gilt als Prototyp eines multiresistenten Erregers, dessen Ausbreitung durch entsprechende Schutzmaßnahmen auf jeden Fall zu vermeiden ist. Kurz nachdem Methicillin (heute gleichzusetzen mit Oxacillin oder Flucloxacillin) als Standardantibiotikum zur Behandlung von S. aureus-Infektionen eingeführt worden war, traten 1961 die ersten MRSA-Fälle auf (1). Die Besonderheit der Methicillin-Resistenz liegt darin, dass sie verknüpft ist mit einem Wirkungsverlust aller ß-Lactam-Antibiotika sowie weiterer Substanzgruppen. Seit den 1960er Jahren standen lange Zeit nur Glykopeptide (Vancomycin) zur sicheren Behandlung von MRSA-Infektionen zur Verfügung. Daher befürchtete man, dass S. aureus dagegen resistent – und 12 Perspektiven der Infektiologie 2016 | Deutsches Ärzteblatt Seite_3-26.pdf; s11; (200.00 x 275.00 mm); 18.May 2016 18:33:55; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien Sonderrolle von MRSA ist nicht mehr begründbar Heute steht Vancomycin nicht mehr als einziges Therapeutikum gegen MRSA zur Verfügung, es gibt mindestens sieben weitere wirksame Substanzen. Die Sonderrolle von MRSA lässt sich also nicht mehr mit kaum vorhandenen Therapiemöglichkeiten begründen. Zum Vergleich: Für viele bakterielle Infektionen stehen derzeit deutlich weniger therapeutische Optionen zur Verfügung, ohne dass dies zu spezifischen Infektionsschutzmaßnahmen Anlass gibt. Ein weiteres Argument für die Sonderbehandlung von MRSA lautet, dass diese Infektionen gefährlicher seien als solche mit Methicillin-suszeptiblem S. aureus (MSSA). Bislang gibt es jedoch keine sicheren Erkenntnisse darüber, dass MRSA pathogener ist als MSSA (3). Dennoch wurde in der Vergangenheit vielfach eine erhöhte Sterblichkeit bei MRSA-Infektionen beschrieben. Diese Studien haben allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass MRSA-Patienten häufiger multimorbide sind als MSSA-Patienten und damit per se ein höheres Sterberisiko aufweisen (4). Neuere Studien mit ausreichend hohen Fallzahlen, die für patientenbezogene Risikofaktoren adjustieren konnten, finden keine höhere Mortalität bei MRSA- als bei MSSA-Blutstrominfektionen (5, 6). Die beobachtete erhöhte Sterblichkeit bei MRSA wird also nicht durch den Erreger selbst, sondern durch patientenbezogene Faktoren hervorgerufen. Die Fokussierung auf die Bedeutung von MRSA (im Gegensatz zu MSSA) birgt noch ein weiteres Problem. In Deutschland werden circa 80–85 % der besonders schwerwiegenden S. aureus-Blutstrominfektionen durch MSSA, aber nur circa 15–20 % durch MRSA verursacht. Beide Erreger sind für den Patienten gleich gefährlich, die Mortalität liegt bei 20–30 %. Wir widmen uns also einem kleinen Ausschnitt des Problems (MRSA), während die Hauptsache unberücksichtigt bleibt (MSSA). Dies wiegt umso schwerer, als durch viele Studien bekannt ist, dass die Einbeziehung von Infektionsspezialisten in die Behandlung die Sterblichkeit von Patienten mit S. aureus-Blutstrominfektionen senken kann (7, 8). Die Weiterbildung und die Beschäftigung von Infektiologen könnten also wesentlich mehr Leben retten als die derzeitigen Maßnahmen zur Eindämmung von MRSA. Ein weiteres Argument zugunsten besonderer Schutzmaßnahmen ist, dass die Isolierung der Patienten die weitere Ausbreitung von MRSA verhindert habe. Belastbare Belege für die Wirksamkeit von Isolierungsmaßnahmen bei MRSA existieren allerdings nicht (9). Der Versuch eines Cochrane Reviews, die Wirksamkeit der Isolierung bei MRSA zu belegen, scheiterte kürzlich daran, dass man keine einzige Studie fand, die eine ausreichende methodische Qualität aufwies (10). Eine andere Begründung für Isolierungsmaßnahmen lautet, dass sie zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und besserem hygienischen Verhalten des Perso- nals führe. Auch hier gibt es jedoch Hinweise, dass das Gegenteil der Fall ist. Gerade die einfachste und vermutlich wirksamste Maßnahme, die strikte Händehygiene, litt am meisten, je mehr isolierte Patienten zu versorgen waren (11). Ist es in dieser Situation wirklich gerechtfertigt, eine medizinische Zwangsmaßnahme damit zu begründen, dass Ärzte sich hygienischer verhalten? Und gilt das Argument auch dann noch, wenn die Maßnahme eine Reihe von negativen Effekten für die Patienten zur Folge hat? Es bestehen wenig Zweifel daran, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtert, wenn ein Patient Isolierungsmaßnahmen unterworfen ist. Hierzu gibt es zahlreiche Studien, die diesen Zusammenhang aufzeigen (12–14). Und die meisten Klinikärzte werden die Erfahrung kennen, dass es häufig schwierig ist, Untersuchungs- oder Nachsorgetermine für einen isolierten MRSA-Patienten zu organisieren. Für den betroffenen Patienten bedeutet dies, dass er nicht nur länger als andere auf eine Untersuchung warten muss, sondern dass er auf dem Weg dorthin durch das Tragen von Schutzkleidung gebrandmarkt ist als eine Person, von der besondere Gefahr ausgeht. Damit tolerieren wir ein Ausmaß an Diskriminierung der Betroffenen, die wir sonst als völlig unzulässig ansehen würden. Zu rechtfertigen wäre diese Maßnahme allenfalls, wenn es klare Belege dafür gäbe, dass dies dem Schutz der Allgemeinheit dient. Da dies nicht der Fall ist, handelt es sich bei der Isolierung von MRSA-Patienten um eine unnütze und stigmatisierende Maßnahme, die sofort beendet werden sollte – zumindest außerhalb von Ausbruchssituationen (15, 16). Inzwischen zeigen auch Beispiele von Kliniken, die diesen Weg gegangen sind, dass dies nicht zu einem Anstieg von MRSA-Infektionen führt (17). Die erheblichen finanziellen Mittel, die für Screening auf MRSA und die Isolierung betroffener Personen ausgegeben werden (18), sollten besser für Maßnahmen verwendet werden, die geeignet sind, die Morbidität und Mortalität von Patienten günstig zu beeinflussen. Das sind an vorderster Stelle: ● eine Verbesserung der allgemeinen Hygiene (insbesondere Händehygiene) sowie ● der Einsatz von umfassend weitergebildeten Infektiologen. Diese Maßnahmen würden die Patientenversorgung unmittelbar verbessern und wären obendrein ▄ sehr kosteneffektiv. DOI: 10.3238/PersInfek.2016.05.27.03 Prof. Dr. med. Gerd Fätkenheuer Klinik I für Innere Medizin, Universitätsklinikum Köln Interessenkonflikt: Die Erklärung lag vor Druckbeginn nicht vor. @ Perspektiven der Infektiologie 2016 | Deutsches Ärzteblatt Literatur im Internet www.arzteblatt.de/lit2116 13 MRSA-PATIENTEN Isolierung ist überflüssig und stigmatisierend Der Autor hält die medizinische Zwangsmaßnahme für nicht mehr zeitgemäß, zumal Infektionen mit Methicillin suszeptiblem S. aureus (MSSA) im Vergleich zu MRSA unberücksichtigt bleiben. Ein Diskussionsbeitrag. LITERATUR 1. Moellering RC Jr: MRSA: the first half century. J Antimicrob Chemother 2012; 67: 4–11. 2. KRINKO: Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillinresistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl 2014, 57: 696–732. 3. 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