28/2016 Liebe Leserin, lieber Leser! Ihre pro

28/2016
Das pdf-Magazin des Christlichen Medienmagazins pro | pro-medienmagazin.de
Liebe Leserin, lieber Leser!
Das ZDF hat Ärger mit der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die linke Organisation verlangt
vom Mainzer Sender, ein kurzes Satirestück aus seiner Mediathek zu entfernen, in
dem sich Reporter Achim Winter über das Vorgehen der Stiftung gegen „Hass“ im Internet lustig macht. Die Stiftung berät Facebook beim Löschen von „Hasspostings“
und hat jüngst einen Leitfaden herausgebracht, der Bürger zum Melden und Anzeigen
von „Hasskommentaren“ aufruft. Dies vergleicht Winter in seinem Beitrag mit Methoden der Stasi und spielt darauf an, dass die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Anetta
Kahane, einst Inoffizielle Mitarbeiterin bei der Stasi war. Die Stiftung zeigte sich daraufhin „schwer getroffen“ und hat sich an den Fernsehrat des ZDF gewandt.
Dass Hass im Netz bekämpft werden muss, steht außer Frage. Bei einem bundesweiten Aktionstag hat die Polizei am Mittwoch die Wohnungen von 60 Verdächtigen durchsucht, 40 von ihnen sollen den Nationalsozialismus verherrlicht haben. In diesen Fällen liegt ein Straftatbestand vor – gut, wenn jemand den Tätern die Tastatur aus der
Hand nimmt.
„Hass“ allerdings ist kein Straftatbestand, und so liegt dessen Definition wohl im Auge
des Betrachters. So verwundert es nicht, dass die Jagd auf „hasserfüllte“ Postings und
deren Urheber denunziatorische Züge annimmt. Besagte Amadeu-Antonio-Stiftung
betreibt, gefördert aus Steuermitteln, das „Wiki Neue Rechte“, wo Personen, Medien
und Vereine und deren Querverbindungen gelistet werden. „Gabriele Kuby schrieb für
kath.net“, eine katholische Nachrichtenplattform, wird dort zum Beispiel als wichtige
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Information erachtet. Ferner bedauert die Stiftung, dass die von Christen organisierten „Demos für alle“ und die „Initiative Familienschutz“ nicht vom Verfassungsschutz
beobachtet werden. Soviel zum weltanschaulichen Horizont derer, die in Deutschland
maßgeblich an der Deutungshoheit über „Hass“ beteiligt sind.
Die aktuelle Handreichung „Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Medien“ der AmadeuAntonio-Stiftung lässt tief blicken, wie die einflussreiche Organisation ihre Mission versteht. Auf einer Liste für Beispiele zu „rassistischer Hetze“ finden sich die „Gegenüberstellung ‚Wir‘ und ‚Die‘“, oder die Verwendung des Wortes „Wirtschaftsflüchtling“.
Auch der Satz „Wo ist meine Meinungsfreiheit, wenn ihr meine Kommentare löscht?“
steht auf dem Index.
Genau über jene breite Definition von „rassistischer Hetze“ hat sich der ZDF-Beitrag
lustig gemacht. Dass die Stiftung diesen Beitrag löschen lassen will, zeigt ihr ungenügendes Demokratieverständnis. Vielleicht handelte man aber auch nur nach dem eigenen Leitfaden: „Oft wird rassistische Hetze auch als Satire oder Humor getarnt“, heißt
es dort. In Zukunft sollte also jeder zweimal überlegen, worüber er lacht – sonst landet
er noch im „Wiki Neue Rechte“.
MORITZ BRECKNER
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2
„ ... “
„Er hilft, vieles zu relativieren, dass es Schlimmeres gibt, als eine
Wahl zu verlieren. Oder das manches einen Sinn hat, auch wenn
ich nicht immer gleich weiß, welchen.“
Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, im Interview des Focus über ihren Glauben
„Ich bin ein gläubiger Mensch.
Der Glaube gibt mir Kraft,
Gott macht mich stark.“
Moderatorin und Schauspielerin Miriam Pielhau
(†41) 2008 im Interview mit der Bild am Sonntag
darüber, welche Kraft ihr der Glaube gibt
„Weiter entfernt von prägenden christlichen
Grundorientierungen wie Nächstenliebe,
Empathie oder Eintreten für Schwache als
diese Gruppierungen kann man kaum sein.“
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm beim jährlichen
Empfang der Bischöfe von Baden und Freiburg über Pegida
„Gott hat uns geholfen. […]
Wir danken Gott dafür.“
Portugals Abwehrchef Pepe nach dem EM-Triumph
seiner Mannschaft gegen Frankreich
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Verlag Herder übernimmt Mehrheit an Thalia
Der katholische Herder-Verlag übernimmt die Mehrheit an der Buchhandelskette Thalia. Das Bundeskartellamt muss aber
noch zustimmen.
Foto: joho345, Wikipedia
Michael Welker erhält Karl-Barth-Preis
Die Union Evangelischer Kirchen (UEK) hat dem Heidelberger Theologen Michael Welker den Karl-Barth-Preis verliehen. Mit
der Auszeichnung würdigt die UEK das theologische Gesamtwerk des 68-Jährigen.
Foto: Deutsche Bundespost
Sorge vor Rassismus eint Erzbischof und Linke
Sie könnten kaum unterschiedlicher sein: der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, und die Parteivorsitzende der Linken,
Katja Kipping. Im Gespräch mit „Christ und Welt“ erklären sie, an was sie glauben, was sie gerecht finden und warum die
Kirche nicht alle gesellschaftlichen Forderungen erfüllen muss.
Foto: Martin Rulsch, Wikipedia | CC BY-SA 3.0
Papst bekommt neuen Sprecher
Papst Franziskus ernennt einen neuen Sprecher. Der amerikanische Journalist Greg Burke ist Mitglied in der konservativen
Bewegung Opus Dei und wird in Zukunft das Presseamt des Vatikan leiten.
Foto: Catholic Church England and Wales
| CC BY-NC-SA 2.0
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Schuldig im Dienste der Ausgewogenheit
Die ZDF-Nachrichtensendung „Heute+“ berichtet nach dem Mord an einer 13-jährigen Israelin über palästinensische Hetze. Wenige Tage später folgt ein Beitrag,
der auch nach Hetze bei Israelis sucht – und vorgibt, diese gefunden zu haben. EINE ANALYSE VON DANIEL FRICK
W
er über den israelisch-palästinensischen Konflikt berichtet, begibt
sich schnell auf dünnes Eis. Diese
Erfahrung hat die Redaktion der Nachrichtensendung „Heute+“ in den vergangenen
Tagen gemacht, wie die Reaktionen auf Facebook erahnen lassen. Die Studioleiterin in
Tel Aviv, Nicola Albrecht, berichtete zunächst
über den Mord an einer 13-jährigen Israelin
durch einen 17-jährigen Palästinenser
am
30. Juni. Dabei verwies sie anhand von Beispielen auf palästinensische Hetze als Ursache der Gewalt.
Auf Facebook fand der Beitrag außerordentlich viel Verbreitung. Allerdings warfen Nutzer dem ZDF vor, „pro-israelisch“ berichtet
zu haben. Vielleicht sah sich die Redaktion
deshalb veranlasst, wenige Tage später, am
5. Juli, einen Bericht nachzuliefern , der
sich eigens dem Thema Propaganda in der
Region widmet. Denn dieser zweite Beitrag
hatte das offenkundige Ziel, die israelische
Seite als genauso schlimm darzustellen wie
die palästinensische. Dieser Ansatz, „Ausgewogenheit“ zu demonstrieren, verzerrt
die Wirklichkeit vor Ort und ist journalistisch
fragwürdig.
Dachzeile als Fehlgriff
Problematisch ist zunächst die Dachzeile,
mit der der Beitrag vom 5. Juli auf Facebook
beworben wurde. Sie lautet: „Erzogen zum
Hass. Wie israelische und palästinensische
Kinder dazu gebracht werden sollen, sich gegenseitig zu verachten – und zu töten.“ Mit
Dachzeilen werben Redaktionen für ihre Artikel, um möglichst viel Verbreitung zu finden. Oft geht es darum, den Beitrag mehr
oder weniger keck auf den Punkt zu bringen.
Es ist dementsprechend auch diese Dachzeile, die als Kerninformation bei den Nutzern
hängenbleibt.
Was die Verbreitung angeht, war die Dachzeile erfolgreich. Mehr als 2.100 Mal haben
Nicola Albrecht berichtet für das ZDF aus Tel
Aviv. Über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ausgewogen und fair zu berichten,
gelingt nicht immer, wie aktuelle Beispiele der
Sendung „Heute+” zeigen.
Foto: ZDF/Bildschirmfoto pro
Nutzer den Artikel geteilt, fast 600 Mal bewertet. Das ist auch für „Heute+“ sehr viel
Aufmerksamkeit. Inhaltlich war die Dachzeile jedoch ein Fehlgriff: Sie setzt das palästinensische Bildungssystem, das Hetze vielfach genehmigt und fördert – wie der Film
eindrücklich zeigt –, mit dem israelischen
Bildungssystem gleich. Dort aber kommen
weder Hetze geschweige denn Aufrufe zum
Mord vor. Inzwischen hat das ZDF diese Zeile verändert
und den Zusatz „und zu töten“ herausgenommen. Der weitaus größte
Teil der Leserschaft hat freilich die ursprüngliche Formulierung gelesen.
Fragwürdige Einschätzung
Wer nicht glaubt, dass im israelischen Bildungssystem keine Hetze stattfindet, muss
sich den Beitrag selbst ansehen. Er zeigt im
ersten Teil Grundschulkinder im Gazastreifen, die in Theaterstücken Angriffe auf Israel nachspielen; offizielle Kindersendungen,
die Tel Aviv zu besetztem Gebiet erklären
und dann gewissermaßen dessen „Befreiung“ verheißen; und Propaganda in Familien, wenn ein Vater seine kleine Tochter vor
laufender Kamera zum Mord an Juden aufrufen lässt. Palästinensische Gesprächspartner verstärken dabei den Eindruck, dass Israel an allem schuld sei.
Mit der ursprünglichen Dachzeile im Hinterkopf liegt nun die Annahme nahe, dass ähnliche Beispiele kommen, wenn der Beitrag „die
israelische Seite“ beleuchtet. Der einzige Kritikpunkt ist hier aber die stereotype Darstellung von Palästinensern in Schulbüchern.
Die Jerusalemer Sprachwissenschaftlerin
und Menschenrechtsaktivisten Nurit PeledElhanan erhebt diesen Vorwurf und nennt dies
„anti-palästinensische Propaganda“: Palästinenser würden „nicht gezeigt, sondern nur
beschrieben“ – und zwar als Problem (Terrorist, Flüchtling, primitiver Bauer) oder als Stereotyp (im Arabergewand auf einem Kamel).
Dass derartige Verkürzungen über Palästinenser oder Minderheiten in Israel vorkommen,
ist sicherlich ein Missstand. Dies aber mit der
Gehirnwäsche von Grundschulkindern und
dem expliziten Aufruf zum Mord gleichzusetzen, ist abwegig und journalistisch fragwürdig. Auf Facebook haben Nutzer die „Heute+“Redaktion dafür auch kritisiert. Diese antwortet darauf, man habe „eine Expertin zu Wort
kommen lassen“. Das ist zunächst ein guter Weg, um über eine Situation aufzuklären.
Dennoch ist es in diesem Fall nicht viel mehr
als eine Ausrede. Denn es bleibt Aufgabe der
Journalisten, auch die Worte der Experten angemessen einzuordnen.
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VON: DF
proKOMPAKT 28| 2016
5
Mutter des Fußballstars:
„Ich wollte Ronaldo abtreiben lassen“
Cristiano Ronaldo ist der Superstar des europäischen Fußballs. Seine Mutter berichtet in einem Buch über ihr schweres
Leben – mitsamt Abtreibungsversuch. EIN GASTBEITRAG VON WOLFRAM WEIMER
Cristiano Ronaldo feiert den Sieg
Portugals bei der EM 2016. Seine
Mutter war ebenfalls im Stadion.
Foto: Kieran McManus |
Alle Rechte vorbehalten
I
ch bin der beste, zweitbeste und drittbeste Spieler der Welt.“ Cristiano Ronaldo sagt manchmal Dinge, die so arrogant
klingen, das sie schon wieder lustig sind.
Nach dem Europameistertitel ist der portugiesische Superstar ohnedies in einer Sphäre des Unwirklichen, die ihm jede Affektiertheit, jede alberne Eitelkeit als stimmig schillernde Paillette in seinem glitzernden Heldenhemd erscheinen lässt.
Dabei ist Ronaldo nicht nur im Endspiel verwundbar und sentimental gewesen. Er ist
es sein Leben lang. In Portugal nannten die
Mitspieler ihn lange „Heulsuse“, weil er
Dieser Beitrag erschien zuerst auf
n-tv.de.
selbst bei vergebenen Torchancen schon mal
feuchte Augen bekam. Seine Mutter erzählt
in ihrem Buch „Mutter Courage“, das soeben
auf den spanischen Markt gekommen ist, die
Geschichte eines zerbrechlichen Jungen, der
den Helden nur spielt, weil das Leben ihm so
vieles bereits zerbrochen hat.
Danach wuchs Ronaldo in bitterer Armut auf
der Atlantikinsel Madeira auf. Seine Mutter
musste nach dem frühen Tod ihrer Mama
(und um dem schieren Hunger zu entkommen) ins Waisenhaus, mit 13 ging sie von der
Schule, um mit dem Flechten von Erntekörben Geld zu verdienen. Vater Dinis war Fischereigehilfe, wurde zur Armee eingezogen
und kämpfte in Afrika für Portugals Kolonien. Er kehrte als gebrochener Mann zurück,
wurde Platzwart eines Fußballclubs und ver-
fiel dem Alkohol. Der kleine Cristiano musste seinen betrunkenen Vater immer wieder
voller Scham in der Bar abholen; zuhause
schlief die ganze Familie in einem Zimmer,
getrennt durch einen Vorhang.
Arzt redet Dolores ins Gewissen
„Ich konnte meinen Vater nicht kennenlernen, wir haben nie ein ernstes Gespräch geführt. Er war fast jeden Tag betrunken“, erzählte Ronaldo später. Er habe sich immer gewünscht, sein Vater wäre ein anderer gewesen. 2005 verlor er ihn endgültig. Der 53-Jährige starb an Leber- und Nierenversagen.
Sein Vater hinterließ ihm eine unerfüllte Liebessehnsucht und den Namen: Ronaldo,
ausgerechnet benannt nach dem damaligen
US-Präsidenten Ronald Reagan.
In dem Buch berichtet Maria Dolores aber
nicht nur von trostloser Armut und Verzweiflung. Sie erzählt auch, dass Ronaldo ein ungeplantes Kind gewesen sei, das vierte von
Dinis und Dolores. Ein Kind, das sie glaubt,
sich einfach nicht mehr leisten zu können.
Und so denkt die Mutter – obwohl katholisch
und religiös – vor der Geburt im Februar 1985
aus finanziellen Gründen an Abtreibung. „Er
war ein Kind, das ich abtreiben wollte. Gott
wollte nicht, dass das geschieht, und ich war
gesegnet deswegen, denn deswegen hat
Gott mich nicht bestraft.“
In ungewöhnlicher Offenheit berichtet sie
aber auch über die genauen Umstände der
erwogenen Abtreibung. Demnach sei sie
zum Arzt gegangen und habe aus schierer
Not darum gebeten. Der jedoch habe ihr gesagt: „Das kommt gar nicht in Frage. Sie sind
30 und haben keinen physischen Grund, dieses Kind nicht zu bekommen. Sie werden
schon noch sehen, dass das Kind die Freude
Ihres Hauses wird!“
Ronaldo scherzt manchmal über
Abtreibungsversuch
Daraufhin unternahm die Mutter Ronaldos
einen Abtreibungsversuch auf eigene Faust.
Eine Nachbarin erzählte ihr, sie müsse Dunkelbier kochen, kräftig davon trinken und in
diesem Zustand einen stundenlangen Gewaltmarsch antreten, dann würde es von alleine zu einer Fehlgeburt kommen. Sie habe
das dann tatsächlich vergeblich versucht.
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proKOMPAKT 28| 2016
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Russland: Evangelisieren
nur mit Erlaubnis
Der russische Präsident Wladimir
Putin hat am 6. Juli ein Paket von
Anti-Terror-Gesetzen unterzeichnet.
Diese treffen in hohem Maße auch
Christen und religiöse Gruppen. Demnächst ist es etwa verboten, außerhalb
einer Kirche zu evangelisieren.
D
as Gesetzespaket, das der russische
Präsident Vladimir Putin Anfang Juli
unterzeichnete, soll dem Kampf gegen Terrorismus dienen. Zuvor hatte es das
Parlament (Duma) und der Föderationsrat
verabschiedet. Dazu gehört auch ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, demzufolge der Staat Telefonate, E-Mails oder
Chats für sechs Monate speichern darf, die
Verbindungsdaten drei Jahre. Edward Snowden, der ehemalige Mitarbeiter des USGeheimdienstes NSA, kritisierte vorab das
russische „Big-Brother-Gesetz“ als eine
„nicht umsetzbare, nicht zu rechtfertigende
Verletzung der Rechte“.
Im Paket enthalten ist auch ein Gesetz, das
die Religionsausübung einschränkt. Das Gesetz verbietet das Evangelisieren außerhalb
von Kirchengebäuden. Zudem benötigt jeder, der an einer religiösen Veranstaltung
teilnimmt oder öffentlich den Glauben bezeugen möchte, eine Erlaubnis, die er über
eine registrierte religiöse Organisation be-
In Russland gelten ab
20. Juli schärfere Gesetze
für Christen und andere
religiöse Gruppen
Foto: Blue Skyz Studios |
CC BY-NC-ND 2.0
kommt. Das Verbot, über den Glauben zu
sprechen, gilt auf privaten Grundstücken
und im Internet. Ausländer, die gegen das
Gesetz verstoßen, sollen ausgewiesen werden. Das Gesetz wird voraussichtlich am 20.
Juli in Kraft treten.
Russisch-Orthodoxe Kirche
als „Bollwerk des russischen
Nationalismus“
Wie Christianity Today anmerkt , dürften
dann Christen nicht einmal mehr Freunde
per E-Mail zu Gottesdiensten einladen oder
in ihren eigenen Wohnungen vom Glauben
erzählen. Die Situation für religiöse Menschen in Russland werde durch das Gesetz
sehr viel komplizierter, und viele Gläubige würden benachteiligt wegen ihres Glaubens, schrieb Oleg Goncharov, Sprecher
der Siebenten-Tags-Adventisten im EuroAsiatischen Raum, in einem offenen Brief.
Irina Yarovaya, Anwältin von der Partei „Einiges Russland“, sieht in dem Gesetz den
Versuch, den christlichen Kirchen außerhalb
der Russisch-Orthodoxen Kirche zu schaden.
David Aikman, Professor für Geschichte und
Russland-Experte, sagte gegenüber Christianity Today: „Die Russisch-Orthodoxe Kirche
ist Teil eines Bollwerks des russischen Nationalismus, den Wladimir Putin aufgebaut
hat. Alles, was das untergräbt, ist eine Gefahr, seien es nun protestantische Missionare oder jemand anderes.“
Sergei Ryakhovsky, Ko-Vorsitzender im Beirat der Protestantischen Kirchen von Russland, und andere christliche Leiter schrieben einen offenen Brief an Putin. Darin heißt
es: „Die Verpflichtung für jeden Gläubigen,
eine besondere Erlaubnis zu haben, um seinen Glauben mitzuteilen oder religiöse Literatur außerhalb der religiösen Stätten zu
verteilen, ist nicht nur absurd, sondern auch
beleidigend, und es schafft die Grundlage
für eine massenhafte Verfolgung von Gläubigen.“ Das Gesetz erinnere ihn an die Zeiten
der Sowjetunion. Weiter heißt es: „Das Ge-
setz wird uns nicht davon abhalten, zu beten
und den Glauben zu teilen.“
„Gesetz mit religiösen Gruppen
nicht abgesprochen“
Von den rund 142 Millionen Russen gehören die meisten Gläubigen der RussischOrthodoxen Kirche an, genaue Zahlen gibt
es aber nicht, da die Mitglieder von Kirchen
und Gemeinden in Russland nicht registriert
werden und keine Kirchensteuer erhoben
wird. Rund zwei Prozent der Bevölkerung gehören den anderen christlichen Kirchen an.
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VON: JS
proKOMPAKT 28| 2016
7
Mansour: „Linke wollen
kritische Muslime
mundtot machen“
Ahmad Mansour hat für
sein Engagement gegen
Antisemitismus, für Demokratie und Integration bereits mehrere Auszeichnungen bekommen. In diesem Jahr ist
er einer der „Botschafter
für Demokratie und Toleranz”.
Foto: pro
Der arabische Israeli Ahmad Mansour lebt seit zwölf Jahren in Deutschland. In
einem Essay der Tageszeitung taz kritisiert er, dass Linksliberale die Muslime vor
Islam-Kritikern wie ihm schützen wollen. Er fordert eine offene Debatte über die
Probleme in muslimischen Gemeinschaften.
A
hmad Mansour versteht die Linken
nicht: Sie wollten progressiv sein,
aber „beschützten“ die Mehrheit der
Muslime vor der Minderheit der Kritiker, die
auf problematische Strukturen, Lebensweisen und Wertvorstellungen im Islam und in
muslimischen Gemeinschaften hinweisen.
Das thematisiert Mansour in einem Essay in
der Tageszeitung taz. Der arabische Israeli
ist Psychologe und lebt seit 2004 in Deutschland. Er setzt sich für eine Reform des Islam
ein und engagiert sich unter anderem im Jugendprojekt „Heroes“ in Berlin gegen Gewalt
im Namen der Ehre.
Seiner Beobachtung zufolge stoßen Migranten und Muslime bei Menschen des linksliberalen Spektrums auf besondere Sympathien. Sobald aber Kritik am Islam geübt werde, reagierten die Linken ablehnend darauf.
So habe es Mansour selbst erlebt. Er setze
sich für innerreligiöse und gesellschaftliche
Reformen ein und spreche öffentlich darü-
ber, „dass vieles schiefläuft in den Familien,
an den Schulen, in der Gesellschaft, im Umgang mit religiösem Fundamentalismus und
islamischem Radikalismus“. Das komme bei
Linken nicht gut an. Das links-grüne Lager tue
im Grunde das gleiche wie Salafisten, nur unter anderen Vorzeichen: „Sie wollen kritische
Muslime mundtot machen. Die einen entmündigen Muslime im Namen eines patriarchalischen Gottes, die anderen, weil sie meinen,
Kritik an unserer Religion sei zu kränkend für
uns, wir Muslime seien nicht fähig, kritisch zu
denken und uns von verkrusteten Traditionen
zu lösen.“
„Der Islam hat Probleme“
Kritischen Muslimen werde die Debatte in
Deutschland über Probleme der muslimischen Gemeinschaften von den offiziellen
muslimischen Verbänden und von linken,
grünen Milieus verweigert. Jedoch sei Kritik
an Religion etwas originär Linkes. Mansour
fragt, warum diese kritische Haltung, die das
Judentum ebenso wie die christlichen Konfessionen vorangebracht habe, nicht für den Islam gelte. Er vermisse die Solidarität der Linken für islamische Reformen.
Als drängende Probleme sieht Mansour einen
wachsenden religiösen Fundamentalismus
unter Muslimen, der immer mehr junge Menschen zur Terrorgrupe Islamischer Staat ziehe.
Aber auch die Stellung der Frau als Mensch
zweiten Ranges und eine Angstpädagogik gegenüber Kindern prangert er an. Eine buchstabengetreue Auslegung des Koran, die die Texte nicht im historischen Kontext deutet, hält
der Islamismus-Experte für problematisch.
„Tabus in der Debatte spielen
Rechten in die Hände“
Ebenso fördere ein traditionelles Islamverständnis sexuelle Gewalt. „Was in der Kölner
Silvesternacht passiert ist, hat sein Vorbild
auf dem Kairoer Tahrirpatz und anderswo“,
schreibt Mansour . Es sei nicht rassistisch,
zu sagen, dass junge Muslime, die durch ihre
Religion zu sexueller Enthaltsamkeit verpflichtet seien, in der Öffentlichkeit auf Frauen zugriffen.
Darüber müsse eine offene Debatte geführt
werden. Solange muslimische Verbände, Grüne und Linke leugneten, „dass ein traditionell
patriarchalisches Verständnis des Islam den
fundamentalistischen Muslimen in die Hände spielt“, würden diese Themen von Pegida,
der AfD und rechten Kräften besetzt. Muslimische Mitbürger müssten genauso bürgerliche Rechte und Pflichten wahrnehmen wie
alle anderen. Um die innerislamischen Kritikund Reformbemühungen voranzubringen,
brauche es die Solidarität und Unterstützung
der Demokraten. Eine tabufreie Debatte werde auch zu Lösungen führen.
VON: JST
proKOMPAKT 28| 2016
8
Kirchen: „Minderheiten in
Flüchtlingsheimen schützen“
In einer gemeinsamen Erklärung fordern die führenden Repräsentanten der beiden Großkirchen, Reinhard Kardinal Marx
und Heinrich Bedford-Strohm, die Bedingungen für Minderheiten in Asylbewerberheimen zu verbessern. Eine nach Religionen getrennte Unterbringung sei jedoch keine Lösung.
M
it einer gemeinsamen Stellungnahme zur Situation von christlichen
Flüchtlingen und Angehörigen religiöser Minderheiten in deutschen Asylbewerberunterkünften haben sich am Dienstag
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, und der
Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich BedfordStrohm, an die Öffentlichkeit gewandt. Darin drücken sie ihre Solidarität mit ihnen aus,
wenn diese Opfer von Übergriffen und Diskriminierung geworden sind.
Zu solchen Vorfällen haben die DBK und die
EKD in den zurückliegenden Monaten nach
eigenen Angaben Umfragen unter den Diözesen und Landeskirchen sowie bei den
kirchlichen Organisationen, die mit der Unterbringung von Flüchtlingen betraut sind,
durchgeführt.
„Religiöse Aversionen als
Ursache sind Einzelfälle“
Nach der Untersuchung sei eine „flächendeckende und systematische Diskriminierung von Christen und anderen religiösen
Minderheiten in Asylbewerberunterkünften“ nicht festzustellen. Die Stellungnahme
konstatiert, dass das Zusammenleben von
Menschen unterschiedlicher Religionen und
Kulturen vielerorts gelinge. In den Asylbewerberunterkünften vermische sich ein den
Umständen geschuldetes erhöhtes Konfliktund Gewaltpotenzial „im Einzelfall auch mit
religiösen Aversionen“.
Marx und Bedford-Strohm raten, „nicht jede
Auseinandersetzung zwischen Menschen
unterschiedlicher
Religionszugehörigkeit
sollte deshalb als religiös motivierter Konflikt klassifiziert werden“. Den Kirchen lägen
auch Berichte vor, „wonach Christen und
andere religiöse Minderheiten aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Ablehnung, Einschüchterung, Benachteiligung oder sogar
Gewalt erfahren“ hätten. Dies gelte insbesondere für Berlin. Niemand sei derzeit in
der Lage, genaue Zahlen vorzulegen. „Jeder
Fall ist ein Fall zu viel“, erklärten Marx und
Bedford-Strohm und sprachen sich gegen einen Bagatellisierung der Vorfälle aus.
Die Stellungnahme sieht „Anlass zu einer differenzierten Betrachtung“, macht jedoch keine konkreten Angaben über die Anzahl der
Befragungen in Diözesen, Landeskirchen und
kirchlichen Einrichtungen in Deutschland.
Kritik an Open Doors bleibt
Im Mai hatte die christliche Hilfsorganisation Open Doors eine Dokumentation veröffentlicht, die zu dem Ergebnis gekommen
war, dass Übergriffe und Repressalien seiDer Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, hat sich zur Diskriminierung von Minderheiten in
Flüchtlingsheimen geäußert
Foto: ELKB/vonwegener.de
tens Muslimen gegen Christen und andere
Minderheiten in den Flüchtlingsunterkünften vornehmlich religiös motiviert sind. Diese Dokumentation war wegen sachlicher
Unschärfe, aber auch wegen des darin versteckten Vorwurfes an die Kirchen, sich nicht
genügend solidarisch mit den verfolgten
Glaubensgeschwistern zu zeigen, kritisiert
worden.
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VON: NOB
Mehr zum Thema:
»» Bedford-Strohm: Übergriffen gegen
Christen in Flüchtlingsheimen
nachgehen
proKOMPAKT 28| 2016
9
Ramadan:
Brutale Attacke auf Christen in Flüchtlingsheim
Flüchtlinge, die sich während des Fastenmonats Ramadan nicht an islamische Traditionen gehalten haben,
wurden in deutschen Flüchtlingsheimen teils massiv angegriffen. Das
ARD-Magazin Report München hat
sich auf Spurensuche begeben.
Bei Zusammenleben auf engstem Raum kommt
es bei Flüchtlingen auch zu religiösen Konflikten. Was im Fastenmonat Ramadan passiert
ist, hat ein Bericht des Bayerischen Rundfunks
jetzt recherchiert.
Foto: ARD/Bayerischer Rundfunk
ter auch mit einem Heimleiter, der Christen
vor dem Beginn des Fastenmonats auf eigene Faust in Sicherheit brachte.
D
as ARD-Politmagazin Report München
hat einen Vorfall in einer Flüchtlingsunterkunft in Bayern zum Anlass
genommen, um über religiöse Konflikte zu recherchieren. In Rottach-Egern war es Anfang
Juni zu einem brutalen Überfall gekommen.
Ein Christ hatte sich über zu lautes Beten am
frühen Morgen beschwert. Er war daraufhin
mit seinen Zimmergenossen von mehreren
Muslimen angegriffen worden, mehrere Männer wurden teils schwer verletzt.
Laut Report München handele es sich um einen gezielten und religiös begründeten Angriff. Die ARD-Journalisten haben herausgefunden, dass sich in der Unterkunft eine
Struktur intoleranter Muslime gebildet habe.
Der Anführer der etwa 30-köpfigen Gruppe,
Mohammed M., bezeichnete sich selbst als
Imam. Einem internen Behördenbericht zufolge seien die Mitglieder der Gruppe Mohammed M. gegenüber „absolut hörig“ gewesen.
Menschen bringen
Konflikterfahrungen mit
Staatsanwaltschaft ermittelt
Birger Nemitz, Pressesprecher des zuständigen Landratsamts Miesbach, bestätigt
auf Anfrage von Report München die „Bildung einer intoleranten Struktur“. Die Gruppe sei gegen andere Glaubensrichtungen
wie Christen und Jesiden vorgegangen, aber
auch gegen andere Muslime, die ihrer Meinung nach nicht strenggläubig genug waren.
Die Polizei verteilte den Anführer Mohammed M. und seine sechs engsten Gefolgsleute auf andere Unterkünfte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Opfer des Angriffs
wurden ebenfalls umquartiert. In der Traglufthalle, die als Flüchtlingsunterkunft dient,
wurde das Sicherheitspersonal verstärkt
und eine Kameraüberwachung installiert.
Report München hat weitere Vorfälle recherchiert, in denen junge, syrische Christen vor
Beginn des Ramadan aus ihrer Asylunterkunft geflohen sind, weil sie von Muslimen
angefeindet wurden. Die Muslime seien gegenüber den Christen „dann noch aggressiver, besonders gegenüber denjenigen, die
nicht fasten“. Gesprochen haben die Repor-
Belastbare Zahlen zu Übergriffen während
des Ramadan gibt es nicht. Für Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg sind die religiösen Konflikte in Heimen vorprogrammiert.
„Menschen bringen ihre Konflikterfahrungen
mit“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk.
In vielen Ländern herrsche Hass gegen die
Christen. Die jesidische Studentin Güler Coknez findet, dass die Behörden das religiöse
Motiv der Attacken häufig übersähen. „Vor
allem während der Ramadan-Zeit hat sich
das Ganze verstärkt. Die Anzahl der Übergriffe lässt uns darauf schließen, dass die Strukturen, die radikalen Strukturen, noch größer
werden“, folgert sie.
VON: JW
proKOMPAKT 28| 2016
10
Keine Minute ohne
Smartphone warten
Wie lange dauert es, bis wartende Männer und Frauen auf ihr Smartphone schauen? Eine Studie an den Universitäten Würzburg und Nottingham ergab: Die meisten halten es keine Minute aus. Dabei sind Männer
besonders ungeduldig.
Die Menschen greifen in der Wartezeit
schneller nach dem Smartphone als
gedacht. Dies hat eine gemeinsame
Studie der Universitäten Würzburg und
Nottingham herausgefunden.
Foto: Japanexperterna.se | CC BY-SA 2.0
D
er Griff zum Smartphone hängt laut
Wissenschaftlern mit der Angst zusammen, etwas zu verpassen. Die
95 Probanden einer Studie der Universitäten Würzburg und Nottingham schauten bereits nach kurzer Wartezeit auf ihr Handy:
Männer im Durchschnitt nach 21, Frauen
nach 57 Sekunden.
Die 19- bis 56-jährigen Teilnehmer der
Studie – 59 von ihnen kamen aus Deutschland und 36 aus Großbritannien – sollten in
einem Experiment zehn Minuten alleine in
einem Warteraum Platz nehmen. Die Psycho-
logen wollten herausfinden, wann die Leute während der Wartezeit zum ersten Mal ihr
Smartphone aus der Tasche holen und wie
lange sie es bedienen. Der Durchschnittswert lag insgesamt bei 44 Sekunden bis zum
ersten Smartphonekontakt.
Die ständige Angst, etwas zu
verpassen
Große Diskrepanzen gab es zwischen der Eigenwahrnehmung und dem tatsächlichen
Wert. Die Teilnehmer gingen davon aus, sie
hätten zwei bis drei Minuten ohne Smartphone ausgehalten. „Das Experiment belegt, dass uns viel mehr an diesen Geräten
liegt, als wir glauben“, erklärte Jens Binder
von der Nottingham-Trent-Universität (NTU).
„Wer heute alleine warten muss, greift ganz
automatisch zum Smartphone.“ Den Zugang
zu Information und Interaktion empfänden
die Menschen als digitalen Begleiter und Tor
zur Welt.
Insgesamt nutzten knapp drei Viertel aller
Teilnehmer während der Untersuchung ihr
Gerät, im Schnitt knapp fünf Minuten lang.
Die Studie belegt auch einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Griffs zum
Smartphone und der Angst, etwas zu verpassen. „Je mehr die Probanden ihr Smartphone nutzen, desto stärker verspüren sie
Angst, etwas zu verpassen, wenn sie nicht
online sind. Es ist aber schwierig zu sagen,
wo hier Ursache und Wirkung liegen“, sagte
Astrid Carolus von der Universität Würzburg.
Der Stressfaktor Smartphone habe aber keinen Einfluss auf das subjektive Wohlbefinden der Probanden.
Die Studie wurde von dem Softwareunternehmen Kaspersky Lab in Auftrag gegeben.
In vorherigen Untersuchungen hatte es bereits herausgefunden, dass mobile Geräte
inzwischen die Funktion eines erweiterten
Gedächtnisses haben. Die Neigung, auf einem digitalen Gerät gespeicherte und jederzeit abrufbare Informationen vergessen zu
können, führe zu einem Phänomen, das die
Sicherheitsexperten als „digitale Amnesie“
bezeichnen.
VON: JW
proKOMPAKT 28| 2016
11
Deutschland in Angst
Die Deutschen haben so viel Angst wie lange nicht. Vor allem die Angst vor Terrorismus ist stark gestiegen. Das ergab eine Langzeitstudie der R+V-Versicherung.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch amerikanische Forscher.
S
o viel Angst war lange nicht: „Nie
zuvor im Laufe unserer Umfragen
sind die Ängste innerhalb eines Jahres so drastisch in die Höhe geschnellt wie
2016“, sagte Brigitte Römstedt, Leiterin des
Infocenters der R+V Versicherung, bei der
Vorstellung der aktuellen Ergebnisse einer
Langzeitstudie des Unternehmens. Der Terrorismus macht den Menschen in Deutschland am meisten Angst: Fast drei Viertel der
Bevölkerung sorgen sich deswegen. Damit
stieg dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr –
da waren es noch 52 Prozent – auf 73 Prozent an. Das ist der höchste Wert in den ver-
Die Ängste der Deutschen
73%
68%
67%
66%
Die Deutschen haben so viel Angst, wie lange nicht mehr. Vor allem davor, dass das
Land aus den Fugen gerät. Insgesamt wurden in der Studie 20 Ängste ermittelt.
Foto: pro; Daten: R+V
55%
52%
38%
igk
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be
Ar
Z
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ro
r
21%
Te
r
gangenen zwei Jahrzehnten, in denen diese
Studie durchgeführt wurde. Zum ersten Mal
führt Terror damit die Angst-Skala der Deutschen an.
Auch andere Ängste, die in gewisser Weise
mit den Flüchtlingsbewegungen nach Europa zusammenhängen, sind seit dem vergangenen Jahr deutlich gestiegen: Die Sorge, dass Behörden mit der Bewältigung der
Flüchtlingssituation und Politiker mit ihren
Aufgaben überfordert sind, die Angst vor
Spannungen in der Gesellschaft wegen des
Zuzugs von Ausländern sowie die vor politischem Extremismus sind um 13 bis 19 Pro-
zentpunkte angewachsen. Diese Themen dominieren die Angstskala und rücken persönliche Sorgen, etwa eine schwere Erkrankung
(55 Prozent) oder das Zerbrechen einer Partnerschaft (21 Prozent), in den Hintergrund.
Aber im Vergleich zum Vorjahr sind auch diese Ängste größer geworden.
„Flüchtlinge sind eine
Last für unser Land, weil
sie Arbeitsplätze und
Sozialleistungen wegnehmen.“
82%
50%
„Flüchtlinge vergrößern
die Wahrscheinlichkeit von
Terrorismus in unserem Land.“
31%
76%
59%
61%
Mittelwert
40%
Mittelwert
Deutschland
Ungarn
Spanien
Etwa sechs von zehn Europäern befürchten, dass
die Wahrscheinlichkeit für Terroranschläge wegen
der Flüchtlingsbewegungen steigt. Am größten ist
diese Angst in Ungarn, am niedrigsten in Spanien.
Quellen: pro; Daten: Pew Research
Angst-Index hat fast Rekordwert
Die Rangfolge der sechs größten Ängste ist
in Ost- und Westdeutschland gleich, auch
werden die Ängste hier wie da ähnlich stark
wahrgenommen. Die einzige Sorge, die zurückgegangen ist – um einen Prozentpunkt
– ist die vor Naturkatastrophen.
Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler
an der Universität Heidelberg, der R+V bei
Deutschland
Ungarn
Jeder zweite Europäer hält Flüchtlinge für eine
Last für sein jeweiliges Land. In Deutschland ist
der Anteil derjenigen mit dieser Meinung am geringsten, in Ungarn am höchsten.
der Durchführung der Studie beriet, sagte zu den Ergebnissen laut einer Pressemitteilung: „Die große Mehrheit der Deutschen
ängstigt der Kontrollverlust des Staates in
der Flüchtlingskrise und die Überforderung
der Politiker – ein katastrophales Urteil für
die politische Klasse.“
Für die Studie
wurden 2.400 Bürger nach
ihren größten Ängsten befragt. Der Angstindex, der aus dem Durchschnitt von 16 mit
„großer Angst“ angegebenen Ängste gebildet wurde, liegt bei 49 Prozent. Das ist ein
Anstieg um zehn Prozentpunkte seit dem
vergangenen Jahr und einer der höchsten
Werte seit 24 Jahren.
Lesen Sie hier weiter ...
VON: JST
proKOMPAKT 28| 2016
12
Philistergrab in Israel
entdeckt
„Freispruch für alle“
bei der Allianzkonferenz
Archäologen in Israel haben nach eigenen Angaben erstmals einen großen
Friedhof in den Überresten einer Philister-Stadt entdeckt. Die Grabstätte am
Rande der heutigen Küstenstadt Aschkelon geht bis ins zehnte Jahrhundert
vor Christi zurück. Überraschend sei der
Fund jedoch nicht, meinen Experten.
Die diesjährige Konferenz der Deutschen Evangelischen Allianz möchte
mit dem Motto „Freispruch für alle“
zentrale Gedanken der Reformation in
den Blick nehmen. Bis zu 2.500 Gäste
werden dazu in der letzten Juliwoche
im thüringischen Bad Blankenburg erwartet.
E
inen Friedhof mit 145 kompletten
Skeletten haben Archäologen der privaten Leon-Levy-Expedition in Israel ausgegraben. Laut Archäologe und Grabungsleiter Daniel Master könne der Fund helfen, viele
Fragen über die Philister zu beantworten, meldete die Deutsche Presse-Agentur. Es sei der
erste Friedhof, bei dem sich die Archäologen
sicher seien, dass er von Philistern ist. Früher
gefundene Friedhöfe hätten nicht in direkter
Umgebung einer Philister-Stadt gelegen.
Die Philister werden in der Bibel als Erzfeinde der Israeliten beschrieben. Sie siedelten
von 1.200 bis 600 vor Christus im Küstengebiet zwischen Gaza und dem heutigen Tel Aviv.
Die Kultur wurde vom Heer des BabylonierKönigs Nebukadnezar ausgelöscht. Die bekannteste Geschichte aus der Bibel ist der
Kampf zwischen David und Goliath, der laut
diesem Bericht Philister war.
Einige der Fundstücke werden seit Sonntag im
archäologischen Rockefeller-Museum in Jerusalem gezeigt. Die Forscher graben in der Region seit 30 Jahren. Sie erhoffen sich durch
die Funde neue Erkenntnisse über Ursprung
und Lebensweise der Philister. Laut Focus
werden die Skelettfunde jetzt einer DNAAnalyse unterzogen, um ihr Radiokarbonalter
zu bestimmen.
Die ersten Gräber waren 2013 auf dem Hügel
über dem altertümlichen Philisterhafen Aschkelon entdeckt worden. Alexander Schick,
Wissenschaftspublizist im Bereich biblischer
Archäologie, relativiert im Gespräch mit pro
den Fund: „Ein Philister-Friedhof in Israel ist
nichts Ungewöhnliches. Der gesamte Gazastreifen war in der Hand der Philister.“ Er
wundert sich über die aktuelle Vermarktung
dieses Friedhofs, habe es doch die ersten Erkenntnisse darüber schon bei Grabungen vor
vier Jahren gegeben. Zu den eindrucksvollsten Funden der Philister in Aschkelon gehört
für Schick das silberne Kalb, das normalerweise im Israelmuseum ausgestellt wird.
VON: JW
In Aschkelon (hier: Archäologischer Park) haben
Forscher bei Grabungen einen Philister-Friedhof
entdeckt
Foto: Bukvoed, Wikipedia | CC BY 3.0
F
reispruch für alle“ lautet das Motto der
diesjährigen Allianzkonferenz, die vom
27. bis 31. Juli 2016 in Bad Blankenburg
stattfindet. Das Thema bezieht sich auf die
zentralen Aussagen des biblischen Briefes
von Paulus an die Gemeinde in Rom. Darin
fand Martin Luther die wesentlichen Erkenntnisse, die schließlich zur Reformation führen. In diesem Sinne versteht die Deutsche
Evangelische Allianz (DEA) als Ausrichter die
Konferenz auch „als Vorgeschmack auf Reformationsgedenken“, erklärte Hartmut Steeb,
DEA-Generalsekretär und Gesamtleiter der
Konferenz.
Es sei seit jeher ein Kennzeichen der Allianzkonferenz, dass sie sich mit zusammenhängenden Texten aus der Bibel beschäftigt,
sagte Steeb: „Wir wollen bewusst das biblische Wort nehmen und gezielt fragen: Was
sagt es uns in unserer konkreten Situation
heute?“ Die Konferenz lade dazu ein, die biblischen Aussagen ernst zu nehmen und auf
das eigene Leben anzuwenden.
Die Deutsche Evangelische Allianz veranstaltet
jedes Jahr eine Konferenz im thüringischen Bad
Blankenburg. Die Halle, in der die täglichen Bibelarbeiten stattfinden, ist 110 Jahre alt, die Originalbestuhlung wird noch genutzt. Foto: pro
An den Vormittagen gibt es jeweils Bibelarbeiten zu Abschnitten des Römerbriefes.
Kulturveranstaltungen und Seminare bieten
neben geistlichen Themen auch Informationen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen.
So beschäftigen sich mehrere Angebote mit
Fragen zu Flüchtlingen, dem Islam sowie zur
derzeitigen Situation im Nahen Osten. Auch
moderne Sklaverei und Menschenhandel
werden thematisiert und Möglichkeiten des
politischen Engagements diskutiert – neben
verschiedenen Seminaren, die sich mit Fragen des persönlichen Glaubens und der Bibel befassen. Volker Kauder, Vorsitzender
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und mehrmaliger Gast bei der Allianzkonferenz, wird
über „Religionsfreiheit in unserem eigenen
Land“ sprechen.
Lesen Sie hier weiter ...
proKOMPAKT 28| 2016
13
Evangelische
Ehrendoktorwürde
für Heribert Prantl
Der Journalist Heribert Prantl wurde am Dienstagabend mit der Ehrendoktorwürde der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) geehrt. Damit
zeichnete der Fachbereich Theologie den Journalisten für seine Leitartikel in der
Süddeutschen Zeitung zu christlichen Feiertagen aus.
H
eribert Prantl habe mit seinen Leitartikeln eigentlich eine eigene Gattung begründet, sagte Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg (FAU), in ihrer Laudatio
auf den Journalisten. „Bei Prantls Leitartikeln handelt es sich um Zeitungspredigten.
In ihnen kommt eine persönliche Haltung
zum Ausdruck, die in der christlichen Ethik
gründet“, erklärte Haberer.
Die Leitartikel, die auch in Büchern veröffentlicht wurden, seien essentielle Publikationen für den theologischen Diskurs. In Haberers Augen nimmt der Katholik Prantl das
von Luther betonte „Priestertum aller Gläubigen“ als mündiger Christ in Anspruch.
„Das Grundgesetz und die Bibel sind seine
ethischen Navigationsgeräte“, sagte sie.
Bedford-Strohm lobt Prantl:
„Bibelfester Protestant“
Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD), Heinrich BedfordStrohm, gratulierte Prantl per Videobotschaft. Er gab zu, wenn er die Süddeutsche Zeitung aufschlage, stets zuerst
Heribert Prantl (links) erhielt die Urkunde
von Fachbereichsleiter Wolfgang Schoberth
(rechts)
Foto: Salome E. Mayer
Prantls Kommentar zu lesen. „Prantl hat eine
klare Grundorientierung, die von der christlichen Soziallehre geprägt ist. Und er ist ein bibelfester Protestant“, spielte Bedford-Strohm
auf das profunde Bibelwissen des Ressortchefs für Innenpolitik an. Er sei dankbar, dass
es Prantl gebe und dieser seine Leser immer
wieder ins Nachdenken bringe.
Dieses Talent, pointiert auf Grundlegendes
hinzuweisen, hob auch Wolfgang Schoberth,
Sprecher des Fachbereichs Theologie, hervor. Prantl zeige mit seinen Kommentaren,
dass Theologie eine grundlegende Bedeutung für das Gemeinwesen habe. Zudem
habe die Gesellschaft stets eine moralische
Reflektion nötig. Prantl mache immer wieder
in Alltagsdebatten darauf aufmerksam – und
das in einem Umfeld, das nicht unbedingt religionsfreundlich sei, so Schoberth.
Was Prantl aus dem Jakobusbrief
herausliest
Heribert Prantl ging in seinem Festvortrag
auf Gemeinsamkeiten von Journalismus und
Theologie ein. So sei die Suche nach der
Wahrheit ein verbindendes Element. Der
62-Jährige knüpfte an Pilatus‘ Frage an Jesus
an: „Was ist Wahrheit?“ Für Journalisten sei
dies, ähnlich wie für Pilatus, das Aufdeckende, das Investigative. „Die Panama Papers
waren eine Sternstunde des Journalismus“,
sagte der studierte Jurist. Dagegen stünden
die Worte Jesu: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Jesu Welt gründe nicht auf diese
Panama-Welt, sondern auf Treue, Zuverlässigkeit und Vertrauen.
All dies stecke im hebräischen Wort für Wahrheit, Emet. „Journalisten brauchen Emet“,
forderte Prantl. Maßstab sei dafür das Grundgesetz, für Theologen die Bibel. In seinem
Vortrag kam sein entschiedenes Eintreten
für den demokratischen Sozialstaat zum Ausdruck. Er legte einen Teil des zweiten Kapitels
des Jakobusbriefs aus, wo es heißt, die Gläubigen sollten keine Unterschiede zwischen
armen und reichen Gläubigen machen.
„Bei der Frage von Reichtum und Armut
geht’s ans Eingemachte der Bibel und des
Sozialstaats“, sagte Prantl. Er betonte,
dass Gott in der ganzen Bibel immer Partei
für die Schwachen ergreift, sie auserwählt.
„Sie sind Gottes Elite – weil sie seine Liebe
notwendig haben.“ Journalisten und Theologen wüssten, dass Menschen Rechte haben und brauchen. Wo Unrecht geschieht,
müssten beide ihre Stimme erheben. „Auch
ein Flüchtling muss ein Mensch sein können. Man wird die christlichen Kirchen daran messen, was sie getan haben.“ Der Vers
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder
getan habt, das habt ihr mir getan“, ist in
Prantls Augen der zentrale Satz eines christlichen Abendlandes. Deshalb werde er als
Kommentator des tagesaktuellen Geschehens weiterhin beharrlich der Gerechtigkeit
das Wort reden.
Heribert Prantl ist seit 2011 Mitglied der
Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung.
Die Verleihung der Ehrendoktorwürde fand
im Rahmen einer Jubiläumstagung der Abteilung für Christliche Publizistik der FAU statt.
Sie feiert ihr 50-jähriges Bestehen.
VON: SALOME E. MAYER
proKOMPAKT 28| 2016
14
Bruchlandungen sind
Sternstunden des Lebens
Aus einer persönlichen Glaubenskrise hat die Autorin des Buches „Leben am reich gedeckten Tisch“ neue Kraft gezogen
und will diese weitergeben. Für sie sind Bruchlandungen die eigentlichen Sternstunden im Leben eines jeden Christen.
EINE REZENSION VON MICHAEL MÜLLER
D
as Pfarrhaus war wegen der Arbeit
ihres Mannes als Pastor eine Zeitlang ein regelmäßiger Anlass für Migräne, Streit in der Familie und tränenreiche
Nächte. Das erzählt die Autorin Nicola Vollkommer im Buch „Leben am reich gedeckten Tisch“. Mit ihrer Bibel-Exegese, deren
Titel auf Psalm 23 zurückgeht, will sie Leser
wieder zu einem leidenschaftlichen Glauben
einladen, gerade wenn es ihnen nicht so gut
geht. Die private Krise der Mutter von vier
Kindern war dabei ausschlaggebend für das
Buchprojekt gewesen.
Im Buch beschreibt Vollkommer, wie sie das
Wort Gottes nicht wie eine akademische
Übung zur Information, sondern mit einer
hungrigen Seele im Zwiegespräch mit Gott
lesen will. Motivisch ist die Auswahl der Kapitel deshalb grob an biblische Speisen angelehnt, die als Oberthemen dienen. In Bibelstellen zu Petrus, Hiob oder Jesus sucht
und findet sie Andockstellen zu ihrem Alltag.
Ihre Gedanken sollen zweifelnden Menschen
neue Kraft spenden, zu den christlichen Wurzeln zurückzufinden. Sie durchfühlt Bibelstellen mit heutigen Motivationen und will
sie greifbarer und verständlicher machen.
Innere Starre und
Dauermüdigkeit
Die private Krise der Autorin wuchs sich damals nämlich zu einer Glaubenskrise aus:
„Wenn ich es mit einem intakten Glauben
bis zur Schlusslinie schaffe, dann eher stolpernd auf allen Vieren, mit einem ‚Hoch auf
die Gnade Gottes‘ auf den Lippen“, schreibt
sie. Schrammen und Blessuren des Lebens
seien auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Ein steiler Sinkflug sämtlicher Lebensträume, eine innere Starre und Dauermüdigkeit seien die Symptome gewesen.
Als Ehefrau eines Pastors erschien ihr eine
Zeitlang der Ausspruch „Wir wollen zum
Haus des Herrn gehen!“ (Psalm 122,1) nicht
als Freude, sondern als Grauen. Schon das
Klingeln des Telefons löste Panikgefühle
aus. Alles sei ins Haus hinein gedonnert,
weil private und berufliche Anrufe über einen Apparat abgewickelt wurden. Vollkommer wünschte sich einen klarer abgegrenzten Beruf ihres Mannes mit familienfreundlichen Arbeitszeiten.
Diese Glaubenskrise fand sie in den vergangenen Jahren ebenfalls in Teilen ihres Um-
felds, bei ehemaligen Jugendleitern und Kirchengemeinderäten oder Missionaren wieder. Menschen, die Scheidungen hinter sich
hatten oder Eltern mit Kindern, die von der
Kirche nichts wissen wollen. Die Stichworte lauteten „Burnout“, „Gemeindekrise“ und
„Überforderung der Familie“.
Aus Reutlinger Hauskreis wurde
christliche Gemeinde
Geboren ist Vollkommer in der britischen
Stadt Leicester. Sie lebte dann fast 20 Jahre in Nigeria, wo ihr Vater als Finanzdirektor
bei einem Stromunternehmen arbeitete. Ihre
Erfahrungen hat sie in dem früheren Roman
„Unter dem Flammenbaum“ niedergeschrieben. Nach England zurückgekehrt, studierte sie in Cambridge. Ihren deutschen Mann
Helmut lernte sie bei einem Auslandsjahr ihres Germanistik-Studiums kennen. Gemeinsam bauten sie in Reutlingen aus einem kleinen Hauskreis heraus die „Christliche Gemeinde Reutlingen“ auf.
In der Krise fand Vollkommer einen neue Zugang zur Bibel. Sie las ganze Bücher der Heiligen Schrift in einem Zug durch: „Es war, als
ob ich die Worte zum ersten Mal wahrnahm.“
Das Buch „Leben am reich gedeckten Tisch“
lädt auf eine
Rundreise durch
die Bibel ein
Foto: SCM
Verlag
Nicola Vollkommer: „Leben am reich
gedeckten Tisch. Von Glaubensenttäuschung zu ganzer Hingabe“,
256 Seiten, SCM R. Brockhaus,
16,95 Euro, ISBN 9783417267822
Texte, die sie als Kind für einen Stempel in
der Sonntagsschule brav auswendig gelernt
hatte, fesselten sie auf einmal: „Einheitlich
war ihre Fähigkeit, sich in meine Seele einzunisten und mir meine eigene Geschichte
zu erzählen.“ Als Christ sind in ihren Augen
die Bruchlandungen die „eigentlichen Sternstunden“ im Leben, weil sie demütig machten. Man lerne, sich weniger mit dem zu beschäftigen, was man für Gott tun könne, und
verliere sich stattdessen im Staunen darüber, was er für die Menschen getan habe.
Es sind teils sehr persönliche Geschichten,
die Vollkommer auch jenseits der eigenen
Biografie als Beispiele anführt. Besonders
in Erinnerung bleibt die Krebserkrankung einer Freundin, die sie in Beziehung zur HiobGeschichte setzt.
Lesen Sie hier weiter ...
proKOMPAKT 28| 2016
15
„Würden Sie Außerirdische taufen?“
Zwei schlaue Menschen unterhalten sich über Gott und die Welt. So könnte man das Buch zusammenfassen, das zwei
Jesuiten von der vatikanischen Sternwarte in Rom gemeinsam verfasst haben. Das unterhaltsame und lehrreiche Buch
„Wo war Gott, als das Universum geschaffen wurde?“ klärt unter anderem die Frage, ob man Außerirdische taufen sollte.
EINE REZENSION VON JÖRN SCHUMACHER
G
uy Consolmagno und Paul Mueller
sind Naturwissenschaftler und gläubige Katholiken. Consolmagno ist Spezialist für planetare Physik und Geologie und
vor allem für Asteroiden und Meteoriten, er
hat aber auch Philosophie studiert. Muellers
Spezialgebiet ist die Geschichte und Philosophie der Naturwissenschaften, vor allem der
Physik und Astronomie. Beide sind Jesuiten,
also Mitglieder der größten Ordensgemeinschaft in der römisch-katholischen Kirche.
Mueller ist zudem Priester. Ihr Buch „Wo war
Gott, als das Universum geschaffen wurde?“
ist vor kurzem im Herder-Verlag erschienen
und stellt einen Dialog der beiden Forscher
dar, der sich hauptsächlich um die Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft dreht.
Die amerikanische Originalausgabe von
2014 trägt einen weitaus originelleren Titel,
nämlich „Would you Baptize an Extraterrestrial?“ (Würden Sie einen Außerirdischen taufen?). Dies ist eine der Fragen, die den Autoren bei ihrer Arbeit im Vatikanischen Observatorium gestellt wurde.
„Wir bekommen viele E-Mails“, sagt Mueller,
der im Buch im ständigen Dialog mit seinem
Kollegen steht. Der Leser lauscht den Gelehrten, wie sie die Fragen beantworten, die
von Besuchern am häufigsten gestellt werden. „Sie stammen alle von Leuten, die Naturwissenschaft und Glauben ernst nehmen
wollen.“ So handelt das Buch von der Frage nach möglichen Widersprüchen zwischen
Genesis und Urknalltheorie, zwischen Bibel
und Physikbuch, zwischen Naturgesetzen
und Wundern.
„Viele Naturwissenschaftler sind
religiös“
„Gott offenbart sich in den Dingen, die er
gemacht hat“, ist sich Consolmagno sicher.
Daraus werde deutlich, „dass nichts ‚einfach so‘ passiert. Das Handeln, das wir im
Universum beobachten können, entspringt
nicht der zufälligen Laune irgendeiner heidnischen Gottheit. Die erstaunliche Komplexität der physikalischen Welt ergibt sich aus
logischen, vernünftigen Regeln, die im Grunde genommen ganz einfach sind“. Der Physiker erklärt: „Naturwissenschaft und Religion haben gemeinsame historische Wurzeln,
der Krieg zwischen ihnen – wenn es ihn denn
gibt – ist also keine Sache der Ewigkeit. Und
zweitens: Viele Naturwissenschaftler sind
religiös.“
Im Buch „Wo war
Gott, als das Universum geschaffen
wurde?“ unterhalten sich zwei Angestellte der Sternwarte des Vatikan
in Rom
Foto: Verlag Herder
Guy Consolmagno und Paul Mueller:
„Wo war Gott, als das Universum geschaffen wurde?“, 256 Seiten, Herder, 19,99 Euro, ISBN 9783451342653
Die beiden Wissenschaftler unterhalten sich
zunächst einmal erstaunlich viel über Kunst.
Das macht aber beim genaueren Hinsehen
Sinn: Man kann ein Gemälde als eine Ansammlung von farbigen Punkten sehen, und
diese dann für sich untersuchen. So wie die
Physik die Atome und Quarks untersucht. Das
große Ganze sieht man dann aber nicht. Somit bedarf es zum detaillierten Forschen am
Kleinsten auch der Gesamtsicht auf das Universum. Wozu ist es überhaupt da? Mueller:
„Aristoteles sagt, um etwas wirklich zu verstehen, muss man wissen, woraus es gemacht ist, was für ein Ding es ist, wer es gemacht hat, warum er es gemacht hat und
welchen Wert, welche Bedeutung es besitzt. Solche Fragen machen für ihn die Wissenschaft aus.“ Es gibt also keinen Krieg
zwischen Glauben und Wissenschaft, vielmehr ergänzen sie sich für einen forschenden Menschen. „Nur weil Fragen über Wert,
Bedeutung oder Zweck in der modernen Naturwissenschaft nicht gestellt werden, heißt
das nicht, dass diese Fragen nicht wichtig
sind“, fügt Mueller hinzu.
Und immer wieder „Per Anhalter
durch die Galaxis“
Der Leser erfährt manche interessante Details aus der Welt der Wissenschaft. So etwa
die Tatsache, dass Georges Lemaître, der
die Urknalltheorie entwickelte, nicht nur Astrophysiker war, sondern auch katholischer
Priester. Dennoch bat er Papst Pius XII. damals, seine revolutionäre Erkenntnis vom
Anfang des Universums auf keinen Fall als
Beweis für die Genesis zu propagieren. „Und
tatsächlich ließ der Papst das dann auch klugerweise sein. Wer kann schließlich wissen,
wie die kosmologischen Theorien in tausend
Jahren aussehen werden?“ Ob das Buch für
die Frage „Was war der Stern von Bethlehem?“ ein ganzes Kapitel enthalten muss,
oder für Pluto, der nun einmal nicht mehr
„Planet“ genannt wird, sei dahingestellt.
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proKOMPAKT 28| 2016
16
USA: Singlebörse für Christen muss
Homosexuelle aufnehmen
Auf der Online-Singlebörse ChristianMingle.com sollen zukünftig Homosexuelle gezielt nach gleichgeschlechtlichen
Partnern suchen können. Das ergab ein gerichtlicher Vergleich, nachdem ein schwuler Nutzer geklagt hatte.
I
ch bin ein Mann und suche eine Frau“
oder „Ich bin eine Frau und suche einen
Mann“ – das sind bei der amerikanischen
Online-Singlebörse ChristianMingle.com, einer der größten für Christen, bisher die einzigen möglichen Optionen für die Suche nach
einem Partner gewesen. Dagegen hatte 2013
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Für alle
Vorwärtsdenker
pro-medienmagazin.de
ein schwuler Nutzer geklagt: Die Betreiberfirma Spark Networks mit Sitz in Los Angeles
diskriminiere homosexuelle Singles, da diese
bei der Suche nach einem gleichgeschlechtlichen Partner auf ChristianMingle.com und
anderen Plattformen ausgeschlossen würden, meldete das Wall Street Journal .
Dieses Paar hat sich wahrscheinlich
nicht über die Singlebörse ChristianMingle.com gefunden, denn die ist
auf die Suche nach heterosexuellen
Partnern ausgerichtet.
Foto: thaths, flickr | CC BY-NC 2.0
Spark Networks unterhält mehrere soziale
Nischen-Netzwerke vor allem im religiösen
Bereich, etwa auch Singlebörsen für Katholiken, Adventisten, Juden oder Mormonen, sowie Plattformen mit geistlichen Inhalten wie
believe.com oder den Bibelvers für den Tag.
Im Zuge eines gerichtlichen Vergleiches auf
Grundlage des kalifornischen Antidiskriminierungsgesetzes gestand nun Sparks Networks zu, die Single-Plattformen technisch
so zu überarbeiten, dass auch Homosexuelle gezielt nach einem Partner des gleichen
Geschlechts suchen können. Zunächst soll
nur noch nach dem Geschlecht der Nutzer
gefragt werden, nicht nach dem der gesuchten Person. Binnen zwei Jahren will Spark
Networks noch weitere Einstellungen bei
der Suche anpassen, damit Homosexuelle
besser zu einem passenden Partner kommen. Bis dahin seien die Freitextsuche und
die individuelle Gestaltung des Profils aber
auch schon Möglichkeiten, andere Nutzer
mit gleichgeschlechtlicher Orientierung zu
finden, heißt es in dem Vergleich. Spark Networks muss außerdem die Gerichtskosten
übernehmen und eine Entschädigung an den
Kläger zahlen.
VON: JST
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proKOMPAKT 28| 2016
17
IMPULS
VÖLKERMEER
D
„Zitat.“
ie Welt ist aus den Fugen. Das schrieb
bereits vor Jahren der Nahost-Experte
Peter Scholl-Latour. Von Algerien bis Afghanistan brennen und zerfallen Staaten. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Rings um
den Globus zeigt sich bisher nicht bekannter
Terror. Angst macht sich breit. Sportveranstaltungen werden militärisch gesichert. Die
Bibel prägt das Bild vom „Völkermeer“: „Ein
Brausen vieler Völker, wie das Meer brausen
sie, und ein Getümmel mächtiger Nationen,
wie große Wasser tosen sie.“ (Jesaja 17,12).
Für die Menschen der Bibel war die Wüste
der vertraute Lebensraum. Dort waren sie
zu Hause. Aber am Ende der Wüste schäumte das Meer. Welle um Welle kam es aus der
Ferne wie ein Tier und fraß sich ins Land. Das
Meer wurde zum Begriff für Chaos und Untergang. Mit ihren endlosen Kämpfen und Kriegen bringen die Völker immer wieder neu
Not und Tod, bis heute. Und so setzen Menschen andererseits ihre Hoffnung auf Gottes Macht und dessen Hilfe. Im Lobgesang
der Maria heißt es: „Er stößt die Gewaltigen
vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die
Hungrigen füllt er mit Gütern, die Reichen
lässt er leer ausgehen.“ (Lukas 1,52). Im
Gottvertrauen wachsen Friedensinseln mitten im Völkerkampf. Jesus verkörpert diesen
Frieden Gottes. Doch bis zur Stunde tobt das
Völkermeer und verschlingt Leben. Weltweiter Friede leuchtet am Ende der Zeiten auf.
Von der neuen Welt heißt es schlicht: „Und
das Meer ist nicht mehr da.“ (Offenbarung
21,1). Dann soll es nur noch lebendiges Wasser geben.
Gesegnete Zeit, Egmond Prill
proKOMPAKT 28| 2016
18
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DER GEMEINDEBRIEF
DAS LEITMEDIUM DER
GEMEINDE
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