Nichts verstanden, alles gespürt - Katholische Kirche im Kanton Zürich

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Tages-Anzeiger – Montag, 18. Juli 2016
Bellevue
Züritipp
Gute Nachtgeschichten Alex Flach
Ein tatsächlich neuer Club
Kino Lieblingsfilm am Montag
Django
Ein Mann (Franco Nero) schleift durch
den Schlamm einen Sarg hinter sich her.
Wer oder was mag da drin stecken? Das
Rätsel wird gelöst, als der Mann, Django
mit Namen, gegen rassistische Südstaatler antritt. In 90 Minuten kommen in
diesem Western des Italieners Sergio
Corbucci 180 Menschen um. Der Film
aus dem Jahr 1966 war deshalb in man-
chen Ländern verboten. Seine Gewalt­
tätigkeit und die finstere Komik erwiesen sich gleichzeitig aber als stilprägend:
Quentin Tarantino hat von «Reservoir
Dogs» bis «Django Unchained» Corbucci
zitiert, und es gab unzählige Filme mit
«Django» im Titel. Doch nur dieser ist
der wahre. (bod)
Filmpodium, Nüschelerstr. 11, 18.15 Uhr
Nicht nur der
Sport kennt eine
Offseason, auch
das Schweizer
Nachtleben. Damit
sind die Monate
zwischen Ende Mai
und Anfang September gemeint,
wenn die Clubber
ihre Füsse lieber in ein stehendes oder
fliessendes Gewässer halten, anstatt sie
auf eine überdachte Tanzfläche zu
setzen. Clubmacher eröffnen ein neues
Lokal deshalb auch viel lieber im
Herbst als im Juli, da ihnen dann eine
fulminante Lancierung viel eher gelingt. Agron Isaku und seine Basler
Club-Nordstern-Crew zählen zu den
wenigen glücklichen Nightlife-Exponenten, die sich den Luxus leisten
können, auf solche Regeln keine Rücksicht zu nehmen: Am Freitag haben sie
auf dem Rheinschiff Expostar ihren
neuen Club vom Stapel laufen lassen,
und selten hat man gestandene Nachtlebengrössen wie Arnold Meyer oder
Moe Zahowi, den neuen strategischen
Leiter des Härterei-Clubs, ähnlich
beeindruckt aus der Wäsche gucken
sehen. Das Schiff war zwar bereits
früher ein Nachtlebenbetrieb, aber mit
dessen anrührendem 70s-Chic hat der
neue Nordstern nichts am Hut: Die
Firma WSDG, die auch die Akustik des
New Yorker Jazz at Lincoln Center
verantwortet, hat einen Raum im Raum
konzipiert und den Club mit Equipment von L-Acoustics bestückt. Hier hat
man also nicht versucht, als gegeben
angesehene Infrastruktur möglichst gut
zu beschallen, hier wurde der Raum
um die Akustik herum gebaut, und das
mit beeindruckendem Ergebnis.
Der neue Nordstern ist eine Alternative zum State of the Art der musikaffinen Schweizer Clubs. Zur Veranschaulichung eignet sich das Zürcher Haus von
Klaus (ehemals Kinski-Club), das gerade
einen eindrücklichen Hype erlebt. Die
Betreiberschaft um DJ Nici Faerber
und Alain Mehmann (Heaven Club)
durfte bei der Eröffnung Anfang dieses
Jahres nicht eben auf Vorschusslorbeeren bauen – nicht wenige Szeneleute
winkten verächtlich ab und gaben «dem
Laden» ein paar Monate bis zur Aufgabe. Ihr zweigeschossiger LangstrasseClub sieht ein wenig aus, als sei er von
Divine und dem verrückten Hutmacher
aus Alice im Wunderland eingerichtet
worden: Überall, wo man hinschaut,
gibt es witzige und überraschende
Details zu entdecken, alles wirkt zusammengewürfelt und kommt doch zu
einem stimmungsvollen Ganzen zusammen. Das Haus von Klaus ist ein mit viel
Liebe eingerichteter Do-it-yourself-Club,
bei dem man annimmt, die Besitzer
hätten kurz vor Türöffnung die letzte
Glühbirne eingedreht und die Einrichtungsgegenstände nochmals zurechtgerückt. Dieser heimelige Charme ist eine
Gemeinsamkeit vieler Zürcher und
Schweizer Subkulturclubs.
Der Nordstern hingegen wirkt auf
den ersten Blick sehr kühl und sehr
geometrisch, einige fühlen sich bei
seinem Anblick gar an den Film «Tron»
mit Jeff Bridges erinnert. Dennoch
könnte er ein Blick in die Zukunft des
Schweizer Clubbings sein. Vielleicht
werden primär auf die Akustik fokussierende Clubs wie der neue Nordstern
die verspielten Wohnzimmerlokale
nicht ablösen, weil das einfach zu
vielen gefällt. Aber eventuell erweitern
sie das Schweizer Nachtleben dereinst
um eine weitere Facette.
Alex Flach ist auch Clubpromotor, u. a.
für den Nordstern. Mitdiskutieren unter:
blog.tagesanzeiger.ch/stadtblog
Foto: PD
Montag
Kino
Horizontes
Von Eileen Hofer
CH 2015; 70 min.
Stüssihof, Stüssihofstatt 13, 12 Uhr
Tootsie
Von Sydney Pollack
USA 1982; 116 min.
Xenix, Helvetiaplatz, 19.15 Uhr
The Man Who Knew Too Much
Von Alfred Hitchcock
GB 1934; 76 min.
Filmpodium, Nüschelerstr. 11, 20.45 Uhr
Where the Buffalo Roam
Von Art Linson
USA 1980; 95 min.
Xenix, Helvetiaplatz, 21.30 Uhr
A Hologram for the King
Von Tom Tykwer
USA / GB / F / D 2016, 97 min.
Allianz Cinema, Zürichhorn, 21.45 Uhr
Konzerte
Nik Bärtsch’s Ronin,
Joel Gilardini
Zenfunk
Mit Nik Bärtsch, Kaspar Rast,
Thomas Jordi, Sha
Exil, Hardstr. 245, 20 Uhr
ASAP Nast
Hip-Hop. USA
Plaza, Badenerstr. 109, 20 Uhr
Clubs
Familie / Kinder
Molly Monster
Kinderfilm
Von Ted Sieger, Matthias Bruhn u. a.
CH 2016; 70 min.
Ab 4 Jahren
Houdini 2, Kalkbreite, 14.10 Uhr
Heidi
Kinderfilm
Von Alain Gsponer
CH / D 2015; 105 min.
Ab 6 Jahren
Houdini 4, Kalkbreite, 13.50 Uhr
Schellen-Ursli
Kinderfilm
Von Xavier Koller
CH / D 2015; 104 min.
Ab 6 Jahren
Houdini 3, Kalkbreite, 14 Uhr
Bibi und Tina
Kinderfilm
Von Detlev Buck
D 2016; 110 min.
Ab 6 Jahren
Arena 15, Kalanderplatz 8, 14 Uhr
Ferienplausch
Spiel, Sport und Spass für Schulkinder
und Jugendliche
Sportanlage im Birch,
Margrit-Rainer-Str. 5,
Sportanlage Utogrund, Dennlerstr. 34,
10–13 Uhr
Daniel Goetsch
liest aus seinem Buch «Ein Niemand»
Begleitung: Musiker und Komponist
Marcel Vaid
Kaufleuten, Pelikanstr. 18, 20 Uhr
Nichts verstanden, alles gespürt
Keramikwerkstatt
Experimentieren und
Gestalten mit Ton
GZ Loogarten, Salzweg 1, 19–21 Uhr
Anzeige
Gabriella Hofer
Dies & Das
Monday Madness
R ’n’ B
Mit DJ Classic
Vior Club, Löwenstr. 2, 18 Uhr
Wer trägt schon rosa Hemden?
Theater. Von John Graham
Regie: Philippe Roussel
Sommertheater, Stadthausstr. 8,
Winterthur, 20 Uhr
Glaubensfragen (9) Katholische Kirche Guthirt, Zürich-Wipkingen
den Kopf. Hier in der Kirche Guthirt
Die katholische Kirche
spüre ich gelebten Glauben.
sprengt Grenzen. In den
Gottesdiensten der Migranten Auf der Flucht mit Gott
Die Wipkinger Pfarrei lädt zu verschiesind Glaube und Begegnung
denen Gottesdiensten ein: An jedem
ein Synonym. Der Check
Sonntag um 11.15 Uhr gehört die Guthirtunserer Redaktorin.
Krypta den eritreischen Zuwanderern.
Cool Monday
Nu Disco
Mascotte, Theaterstr. 10, 23 Uhr
Bühne
Im Gottesdienst der Eritreer wird eindringlich gebetet, viel und laut gesungen und hingebungsvoll gedankt. Foto: Reto Oeschger
Beau monde
Die Galerie Katz Contemporary freut
sich, eine Ausstellung mit neuen Werken
von Stéphane Zaech zu präsentieren.
Die Ausstellung wird vom Künstler selbst
kuratiert.
Dienstag, 19.07.16, 11.00 Uhr, Ausstellung
dauert bis am 30.07.2016, Katz Contemporary, Talstrasse 83, 8001 Zürich
Es zappelt. Er wackelt. Sie wippt. Ich
kann gar nicht anders. Das Bein, der
Kopf, die Schulter – alles an mir bewegt
sich zu den rhythmischen Lobliedern
des Kirchenchors. Im Gottesdienst der
Eritreer geht es lebhaft zu und her. Zweieinhalb Stunden lang. Es wird viel und
laut gesungen, viel und eindringlich gebetet, viel und hingebungsvoll gedankt.
Nach sechzig Minuten beginnt der
Priester mit der Predigt. Die Performance beeindruckt mich: Der Gottesmann am Altar referiert nicht, er unterhält sich mit seiner Gemeinde, Frauen
und Männer zwischen 20 und 40 Jahren
und Kleinkinder. Er spricht die Zuhörerinnen und Zuhörer direkt an, einmal
mit kräftiger Stimme, dann geheimnisvoll leise. Er erzählt gestikulierend, hin
und wieder stellt er ihnen Fragen. Und
die Erwachsenen antworten mit Zu­
rufen. Oder lächeln, nicken, schütteln
Seelsorger ist Abba Mussie Zerai aus
­Aarau. Die Flüchtlinge vertrauen ihm.
«Er hat schon Tausenden Boots­
flüchtlingen das Leben gerettet», erzählt
mir ein Kirchgänger. Die Handynummer
des «Abba» stehe an den Wänden von
Flüchtlingslagern und -booten. Mussie
Zerai ist der einzige eritreische Priester
in der Schweiz und zelebriert die Messe
einmal monatlich in der Guthirt-Kirche.
Ansonsten leitet ein Laienprediger den
Gottesdienst, oder wenn Hochzeit und
Taufen gefeiert werden, kommt auch
mal ein Priester aus Rom eingeflogen.
Der zürcherischen Eritreer-Gemeinde gehören rund 300 Migranten
an. Präsident ist Bereket Araya aus
Schwamendingen. Der 30-Jährige ist seit
acht Jahren in der Schweiz, inzwischen
mit Niederlassungsbewilligung. «Ohne
Gottes Hilfe wäre ich heute nicht da»,
sagt der junge Mann. Er ist vor staat­
licher Repression aus Eritrea geflüchtet,
ohne Eltern oder Familie. «Alles aufzugeben, und der Weg durch die Sahara,
das war unbeschreiblich hart», erzählt
er in bestem Deutsch. «In dieser Situation habe ich erst so richtig zum Glauben gefunden.» Die Teilnahme an den
eritreischen Gottesdiensten habe ihm
während der Ungewissheit im Asylverfahren enorm geholfen. «Manchmal feiern wir auch zusammen mit den Schweizer Katholiken Gottesdienst. Das ist
schön», sagt Bereket Araya. «Ich möchte
ja auch die Kultur meines Gastlandes
kennen und verstehen lernen.»
Die grosse Mehrheit der in der Schweiz
lebenden Eritreer sind Christen. Für sie
und all die anderen Zuwanderer hat die
katholische Kirche die Migrantenseelsorge eingerichtet. «Wir sind von Herzen
dankbar», sagt der Präsident der eritre­
ischen Gemeinde, «dass wir in der
Schweiz in unserem Glaubensleben
unterstützt werden.» Und Bereket Araya
deponiert eine Einladung an meine Mitbürgerinnen und Mitbürger. «In unseren
Gottesdiensten sind alle herzlich willkommen.» Das stimmt. «Ich war fremd,
und ihr habt mich aufgenommen», heisst
es im Matthäus-Evangelium – und genau
so erlebte ich es in der Guthirt-Krypta.
Bilder Der Gottesdienst der
Eritreer in der Kirche Guthirt
eritreer.tagesanzeiger.ch