UPDATE Energie Wasser Infrastruktur | Juli 2016

UPDATE Energie Wasser Infrastruktur | Juli 2016
Infrastrukturrecht
Mängel eines Lärmschutzkonzeptes für die Bauphase
BVerwG, Beschluss v. 01.04.2016 – 3 VR 2.15
Bekanntermaßen verursachen große Infrastrukturprojekte, wie z.B. Schienenwege, Fernstraßen oder Flughäfen, durch ihren Betrieb Lärmimmissionen bei den
betroffenen Anwohnern, die im Rahmen der für die
Zulassung erforderlichen Planfeststellung nach Maßgabe der einschlägigen Regelwerke nicht selten ein
ausschlaggebendes Entscheidungskriterium darstellen. Nicht zu vernachlässigen sind aber auch baubedingte Lärmimmissionen, die in der Bauphase durch
den Einsatz von Baumaschinen hervorgerufen werden.
Sie entstehen unabhängig vom späteren Betrieb einer
Infrastrukturanlage, sodass mit ihnen etwa auch bei
der Planfeststellung für Gasleitungen oder Hochspannungs-Erdverkabelungen umzugehen ist.
Mit dem Problem etwaiger Mängel eines Lärmschutzkonzeptes für die Bauphase der Ertüchtigung einer
Schienenstrecke hatte sich jüngst das BVerwG zu
beschäftigen. Der Anlass war das einstweilige Rechtsschutzbegehren betroffener Anwohner gegen einen
Planfeststellungsbeschluss (PFB) des Eisenbahnbundesamtes. Das BVerwG verweist insoweit auf seine
ständige Rechtsprechung, wonach Mängel von Lärmund Erschütterungskonzepten nicht zur Aufhebung
eines PFB oder zu seiner Außervollzugsetzung führen.
Betroffene können demnach vielmehr nur die Anordnung realer Schutzvorkehrungen oder die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs im Wege der
Planergänzung verlangen. Unter Umständen kann zur
Sicherung dieses Anspruchs im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch ein Baustopp beansprucht
werden. Ein Aufhebungs- oder Außervollzugsetzungsanspruch besteht nach der Rechtsprechung nur dann,
wenn aufgrund einer unbewältigten Lärm- oder Erschütterungsbelastung die fachplanerische Abwägung
insgesamt keinen Bestand mehr haben kann, weil sich
konzeptionell eine andere Planung aufgedrängt hätte,
was nur ausnahmsweise der Fall sein dürfte.
Diese Rechtsprechung für Schall und Erschütterungen
im Allgemeinen hat das BVerwG nunmehr auch auf
den Lärm in der Bauphase angewandt. Im konkreten
Fall konnten die betroffenen Anwohner aus Gründen
der Zumutbarkeit nicht einmal Schutzvorkehrungen
oder Entschädigungen im Wege der Planergänzung
verlangen. Bemerkenswert ist, dass das BVerwG weiterhin die Allgemeine Verwaltungsvorschrift Baulärm
(AAV Baulärm) aus dem Jahre 1970 anwendet, obwohl
diese häufig als nicht mehr zeitgemäß gilt. Ausdrücklich stellt das BVerwG dazu fest, dass, sofern sich die
Planfeststellungsbehörde auf ein bestimmtes Lärmschutzniveau festgelegt habe, welches sich auch aus
den Immissionsrichtwerten der AAV Baulärm ergeben
könne, Betroffene keinen Anspruch auf darüber hinausgehende Schutzvorkehrungen haben.
Praxishinweis:
Im Rahmen der Planung von Infrastrukturvorhaben
sollte baubedingter Lärm in den Planunterlagen hinreichend berücksichtigt werden. Dazu gehört auch ein
Lärmschutzkonzept für die Bauphase, das ggf. Schutzvorkehrungen für die betroffenen Anwohner vorsieht.
Eine Orientierung an der AAV Baulärm ist insoweit
ausreichend, aber wohl auch erforderlich. Ist das
Lärmschutzkonzept fehlerhaft, kann ein kosten- und
zeitintensiver (vorübergehender) Baustopp drohen.
Energie
Anforderungen an ein transparentes und nicht diskriminierendes Konzessionsvergabeverfahren
OLG Celle, Urteil v. 17.03.2016 – 13 U 141/15 (Kart)
Unterliegt ein Bewerber aus seiner Sicht zu Unrecht im
Konzessionsvergabeverfahren, versucht er häufig, den
Vertragsschluss zwischen der Gemeinde und dem
ausgewählten Bewerber durch einen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Die Gerichte geben den unterlegenen Bewerbern dabei nicht
selten Recht, da die komplexen Konzessionsvergabeverfahren häufig nicht transparent und diskriminierungsfrei durchgeführt worden sind. Vor diesem Hintergrund wirkt die jüngste Entscheidung des OLG Celle
fast ein wenig „exotisch“, da in dieser erstmals durch
ein OLG eine Konzessionsvergabe und die darauf
beruhende Auswahlentscheidung bestätigt wurden.
Das OLG Celle hat sich in seinem Urteil umfassend mit
der Konzessionsvergabe und der Auswahl/Gewichtung
von Bewertungskriterien auseinandergesetzt. Es ist
dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Gewichtung der Ziele des § 1 EnWG mit 65 % nicht zu beanstanden sei. Zudem hat das OLG Celle festgestellt,
dass gegen eine dem Musterkriterienkatalog der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg entsprechende
Gewichtung der Ziele des § 1 EnWG keine Bedenken
bestünden. Zur Beschreibung von Auswahlkriterien
vertritt das OLG Celle die Ansicht, dass detaillierte
Vorgaben nicht erforderlich seien, da durch eine zu
starke Konkretisierung der Kriterien die Möglichkeiten
zur Berücksichtigung innovativer Angebotsinhalte und
konzeptioneller Darstellungen eingeschränkt würden.
Streitgegenständlich war im Verfahren auch die von
der Gemeinde angewandte sog. relative Bewertungsmethode, bei der das am besten bewertete Angebot
die Höchstpunktzahl erhält, während die anderen An-
gebote daran gemessen und mit einem Abschlag versehen werden. Das OLG Celle hat entschieden, dass
die relative Bewertungsmethode weder intransparent
noch diskriminierend sei. Begründet hat das Gericht
dies u.a. damit, dass die Methode auch in Vergabeverfahren gemäß §§ 97 ff. GWB nicht beanstandet und
insbesondere dem bei der Konzessionsvergabe zu
fordernden Ideenwettbewerb gerecht werde.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat sich das OLG
Celle in seiner Entscheidung detailliert mit einer Vielzahl von Kriterien/Unterkriterien und ihrer Gewichtung
beschäftigt und umfangreiche Ausführungen zur Bewertung gemacht. Im Ergebnis konnte das Gericht
dabei keinen Verstoß gegen die Grundsätze der
Transparenz und Nichtdiskriminierung feststellen. Das
OLG Celle hat das erstinstanzliche Urteil daher abgeändert und den Antrag des unterlegenen Bewerbers
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.
Praxishinweis:
Die Auswahl und Gewichtung der Bewertungskriterien
sowie die transparente Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens stellen die Gemeinden vor große Herausforderungen. Angesichts der im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 18/8184) vorgesehenen Verankerung von Rügepflichten in den §§ 46 ff.
EnWG müssen sich aber auch die Bewerber über den
korrekten Ablauf des Verfahrens im Klaren sein. Vor
diesem Hintergrund stellt das Urteil des OLG Celle
eine gute Orientierungshilfe für die Gestaltung künftiger sowie Bewertung laufender Verfahren dar – auch
wenn abzuwarten bleibt, ob sich andere Gerichte der
Rechtsauffassung des OLG Celle anschließen.
Energie
Konzentrationsflächenplanung – substanzieller Raum für die Windenergie
BVerwG, Beschluss v. 12.05.2016 – 4 BN 49.15
Trotz sinkender Förderquoten werden weiterhin Windenergieanlagen (WEA) zugebaut oder im Wege des
Repowering ertüchtigt. Um eine sog. „Verspargelung
der Landschaft“ zu verhindern, verfügen die Gemeinden über entsprechende Planungsinstrumente. So
werden idR. gemäß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB durch
Flächennutzungsplanänderung eine oder mehrere
Konzentrationszonen für die Windenergie festgesetzt
und zugleich für die übrigen Flächen des Gemeindegebiets die Errichtung von WEA ausgeschlossen (sog.
Ausschlusswirkung). Da mit der Anordnung der Ausschlusswirkung ein nicht unerheblicher Eingriff in die
Eigentumsnutzung derjenigen Grundstücke verbunden
ist, die nicht in einer Konzentrationszone liegen, bedarf
es insoweit einer tragfähigen Rechtfertigung. Nach
ständiger Rechtsprechung des BVerwG ist dazu einer-
seits ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept erforderlich. Andererseits muss der Windenergie
substanziell Raum verschafft werden – es darf sich
also nicht um eine sog. „Feigenblattplanung“ handeln.
Mit der Voraussetzung, dass der Windenergie substanziell Raum verschafft werden muss, hat sich das
BVerwG kürzlich befasst. Es hat dabei zunächst bekräftigt, dass für die Beurteilung, ob durch die Planung
genügend Raum für die Windenergie vorgesehen ist,
keine allgemeingültigen Maßstäbe gelten. Vielmehr
handelt es sich um eine von den Tatsachengerichten
zu treffende Entscheidung. Jedenfalls aber richtet sich
die Beantwortung der Frage nach dem Maßstab für
das substanzielle Raumgeben nicht ausschließlich
nach dem Verhältnis zwischen der Größe der im Flä-
chennutzungsplan tatsächlich dargestellten Konzentrationsflächen und der Größe der Potenzialflächen sowie
einem sich aus diesem Verhältnis ergebenden prozentualen Anteil, der für eine zulässige Planung zu erreichen ist. Dem Verhältnis dieser Flächen zueinander
kommt vielmehr ausschließlich Indizwirkung zu, die
durch weitere Kriterien ergänzt werden muss. Im konkreten Fall hat das BVerwG als ein solches zusätzliches Kriterium die durch die realisierbaren WEA erzeugte Energiemenge im Vergleich zum Gesamtenergiebedarf der betroffenen Gemeinde zugelassen.
Praxishinweis:
Bei der Planung von Windenergie-Konzentrationszonen existiert eine Vielzahl von potenziellen Fehlerquellen, die nur durch strikte Beachtung der sich ständig weiter entwickelnden Rechtsprechung umgangen
werden können. Speziell mit Blick auf das Verschaffen
substanziellen Raumes für die Windenergie bietet sich
ausgehend vom Flächenmaßstab die Erarbeitung eines ganzen „Begründungsbündels“ mit verschiedenen
tragfähigen und sich gegenseitig ergänzenden Kriterien an.
Telekommunikation
Oberirdische Verlegung von Telekommunikationslinien
OVG NRW, Urteil v. 02.02.2016 – 20 A 1878/14
Der Auf- und Ausbau von Telekommunikationsnetzen
bedarf der Inanspruchnahme von Grundstücken. Das
Telekommunikationsgesetz (TKG) kennt nur zwei
Grundstückskategorien: Verkehrswege im Sinne des
§ 68 Abs. 1 TKG und Grundstücke, die keine solchen
Verkehrswege darstellen und oft als „Privatgrundstücke“ bezeichnet und in § 76 TKG behandelt werden.
Die Inanspruchnahme von Verkehrswegen für die Verlegung oder Änderung von Telekommunikationslinien
(TK-Linie) bedarf gem. § 68 Abs. 3 S. 1 TKG der
schriftlichen Zustimmung des betroffenen Wegebaulastträgers. In einem vor wenigen Monaten ergangenen Urteil des OVG NRW ging es um die Frage, ob der
Telekommunikationsnetzbetreiber einen Anspruch auf
Zustimmung zur oberirdischen Verlegung einer TKLinie hat. Konkret ging es um einen Leitungsabschnitt
mit einer Länge von 300 m, für den die Errichtung von
13 Masten erforderlich war. Die betroffene Gemeinde
als Straßenbaulastträger hatte den entsprechenden
Zustimmungsantrag des TK-Unternehmens insbesondere mit Blick auf die Stadt- und Straßengestaltung
abgelehnt und mitgeteilt, dass eine Aufstellung von
Masten für eine Freileitung grundsätzlich nicht gestattet werde. Das VG Minden hatte der Gemeinde Recht
gegeben und die auf Erteilung der Zustimmung gerichtete Klage des TK-Unternehmens abgewiesen (Urt. v.
14.08.2014 – Az. 9 K 1977/13). Das OVG NRW hat
dieses Urteil in der Berufungsinstanz aufgehoben und
die Gemeinde verpflichtet, über den Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des OVG neu zu
entscheiden. Für diese erneute Entscheidung hat es
dem VG Minden die im Folgenden kurz zusammengefassten Wertungen ins Stammbuch geschrieben.
Das OVG weist zunächst darauf hin, dass im Ausgangspunkt die (übliche) unterirdische und die oberirdische Errichtung einer TK-Linie gleichberechtigt nebeneinander stehen. Anders als bei der Zustimmung
zur unterirdischen Verlegung einer TK-Linie stelle die
Entscheidung des Straßenbaulastträgers bei einer
oberirdischen Errichtung allerdings keine gebundene
behördliche Entscheidung dar. Vielmehr seien bei einer oberirdischen Verlegung gemäß § 68 Abs. 3 S. 2
TKG die Interessen des Wegebaulastträgers, des TKUnternehmens sowie städtebauliche Belange gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung habe die Gemeinde bei Erlass ihres Ablehnungsbescheides fehlerhaft durchgeführt. So habe die Gemeinde verkannt,
dass mit der Errichtung der 13 Masten keine Beschränkung des Widmungszwecks der Gehwege der
beiden betroffenen Straßen eintrete. Durch die Aufstellung der Masten am Rand der Gehwege würde die
dem Fußgängerverkehr zur Verfügung stehende Breite
kaum reduziert. Es verbleibe eine begehbare Fläche
von mehr als einem Meter. Solchen kleinen Engpässen würden Fußgänger auch bei einer Begehung mit
z.B. Rollstühlen oder Kinderwagen ausgesetzt, ohne in
solchen Fällen auf die Straße ausweichen zu müssen.
Im Rahmen der Vereinbarkeit einer oberirdischen TKLinie mit städtebaulichen Belangen sei eine einzelfallbezogene Gegenüberstellung erforderlich und keine
abstrakte bzw. generelle Versagung der Zustimmung
wegen städtebaulicher Belange zulässig. Das OVG
NRW prüft im Weiteren die beiden von der TK-Linie
berührten Bebauungspläne sowie die einschlägigen
Vorschriften der BauNVO und gelangt zu dem Ergebnis, dass auch daraus kein Grund zur Versagung der
Zustimmung zu generieren, insbesondere keine unvertretbare Abweichung durch die beabsichtigte oberirdische TK-Linie festzustellen war.
Praxishinweis:
Auf Grundlage der Entscheidung des OVG NRW bleibt
die Errichtung oberirdischer TK-Linien ein gangbarer
Weg. Der Straßenbaulastträger kann einen entsprechenden Zustimmungsantrag nicht mit bloßem Hinweis
auf gestalterische Vorstellungen ablehnen; er muss
vielmehr prüfen und darlegen, welche verbindlichen
Festsetzungen im konkret betroffenen Bebauungsplan
bzw. welche Regelungen aus sonstigen baurechtlichen
Vorschriften eine oberirdische Errichtung unzulässig
machen. TK-Unternehmen sollten eine entsprechende
Prüfung vor Einreichung des Zustimmungsantrags vornehmen und wegen der konkreten Beschreibung der
Gestaltung der TK-Linie die für sie günstigen Aspekte
für die Abwägung anführen.
Aufgrund der Aktualität können die angesprochenen Themen nur schlagwortartig und in gedrängter Kürze dargestellt werden. Die
Lektüre ersetzt also in keinem Fall eine Rechtsberatung.
Nähere Informationen erhalten Sie bei den Rechtsanwälten unserer Praxisgruppe Energie Wasser Infrastruktur:
Dr. Christian Stenneken
[email protected]
Dr. Andreas Lotze
[email protected]
Dr. Stefan Mager
[email protected]
Stephanie Feurstein
[email protected]
Janosch Neumann
[email protected]
Dr. Nicola Ohrtmann
[email protected]
Büro Bochum
Büro Essen
AULINGER Rechtsanwälte I Notare
Josef-Neuberger-Straße 4, 44787 Bochum
Telefon +49 (0)234 68 77 9-0
Telefax +49 (0)234 68 06 42
AULINGER Rechtsanwälte I Notare
Frankenstraße 348, 45133 Essen
Telefon +49 (0)201 95 98 6-0
Telefax +49 (0)201 95 98 6-99
www.aulinger.eu