18. Juli 2016 Wie Strombörsen funktionieren Andreas Sautter, Thüga AG Beim Stichwort Börse denken die meisten Menschen an Wertpapierbörsen in Frankfurt oder New-York. Weit weniger bekannt ist, dass es seit dem Jahr 2000, mit der Liberalisierung der Strommärkte, auch Strombörsen gibt. Die für Deutschland maßgebenden Strombörsen sind die EEX (European-Energy-Exchange) mit Sitz in Leipzig und die EPEX (European-PowerExchange) mit Sitz in Paris. Die beiden Börsen decken jeweils unterschiedliche Märkte ab. Der kurzfristige Handel, d. h. wenn zwischen dem Kauf und der Lieferung nicht mehr als ein Tag liegt, findet auf dem Spotmarkt der EPEX statt. Am Spotmarkt können die Marktteilnehmer kurzfristig benötigte Mengen kaufen oder nicht mehr benötigte Mengen verkaufen. Der Spotmarkt besteht aus dem Teilmarkt „Day-Ahead“ und dem Teilmarkt „Intraday“. Beide Begriffe werden im nachfolgenden Text ausführlicher beschrieben. An der EEX wird dagegen auf Termin gehandelt, d. h. der Erfüllungszeitpunkt der getätigten Geschäfte liegt in der ferneren Zukunft. Börse Spotmarkt Erfüllung erfolgt am selben oder am nächsten Tag Terminmarkt Erfüllung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt bzw. Zeitraum Wofür werden Strombörsen benötigt? Strombörsen bieten eine Handelsplattform auf der die Marktteilnehmer Gebote für den Kauf und Verkauf von Strom abgeben. Strombörsen organisieren anonyme Märkte, die für jeden zugänglich sind, der die Zugangsbedingungen erfüllt. Transparente Preisbildung Der Hauptzweck von Strombörsen liegt darin, einen transparenten und zuverlässigen Preisbildungsmechanismus für den Großhandelsmarkt sicherzustellen. Dies geschieht dadurch, indem Angebot und Nachfrage bei einem fairen Preis zusammengeführt und die an der Börse getätigten Transaktionen tatsächlich geliefert und beglichen werden. Wie kommt nun der Preis an der Börse zustande? Hierfür gibt es zwei Mechanismen: Die Auktion und den kontinuierlichen Handel. Auktion im Day-Ahead-Markt Auf dem Day-Ahead-Markt wird am Vortag die Stromlieferung für jede Stunde des folgenden Tages auktioniert. Dazu geben Verkäufer und Käufer ihre Gebote für die entsprechenden Stunden jeweils am Vortag bis 12 Uhr ab. Nachdem alle Gebote abgegeben wurden betrachtet man, welche Strommenge von den Verkäufern zu welchem Preis zum Verkauf angeboten wurde. Indem der angebotene Preis über die angebotene Menge aufgetragen wird, erhält man für die betreffende Stunde die Angebotskurve. Die Angebotskurve ist ansteigend, da mit steigendem Preis die angebotene Menge zunimmt (siehe blaue Kurve in der unten stehenden Grafik). Im nächsten Schritt betrachtet man, zu welchen Preisen die Käufer bereit sind Strom zu kaufen. Auf diese Weise erhält man die Nachfragekurve. Die Nachfragekurve ist fallend, da umso mehr Strom nachgefragt wird, je niedriger der Preis ist (siehe gelbe Kurve in der unten stehenden Grafik). Der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve entspricht dem Marktpreis in der betreffenden Stunde. Am Strommarkt kommen zuerst die Erzeugungsanlagen mit den geringsten variablen Kosten zum Zug („Merit-Order“). So werden die Kosten der Stromversorgung minimiert. In der Regel entspricht der Börsenpreis für Strom den variablen Kosten der teuersten Erzeugungsanlage im Einsatz. Diese Anlage wird als „Grenzkraftwerk“ bezeichnet. Der Börsenpreis wird dann auch Grenzkostenpreis genannt. Da Angebot und Nachfrage sich ständig ändern variieren auch die Preise von Stunde zu Stunde. In 2015 ist das Handelsvolumen am Day-Ahead-Markt in der gemeinsamen deutschösterreichischen Preiszone auf rund 264 Milliarden Kilowattstunden anstiegen was rund der Hälfte des deutschen Stromverbrauchs entspricht. Kontinuierlicher Handel im Intraday-Markt Je näher der Zeitpunkt der vereinbarten Stromlieferung heranrückt, umso besser können die Marktteilnehmer die tatsächliche Einspeisung und den realen Verbrauch abschätzen. Um Fehlmengen oder Überschüsse so gering wie möglich zu halten und die verfügbaren Erzeugungsanlagen kosteneffizient einzusetzen, können die Marktteilnehmer daher nach Abschluss der Day-Ahead-Auktion auf dem Intraday-Markt sehr kurzfristig bis 30 Minuten vor Lieferbeginn mit Strommengen für Zeitspannen von Viertelstunden bis Stundenblöcken handeln. Hier findet jedoch keine Auktion statt. Vielmehr läuft der Handel kontinuierlich. Darunter ist zu verstehen, dass ein Geschäft und damit ein Preis immer dann zustande kommt, wenn - ein Käufer der Börse einen Kaufpreis nennt, der mindestens so hoch ist wie ein der Börse vorliegendes Verkaufsangebot oder - ein Verkäufer der Börse einen Preis nennt, der nicht höher ist als ein der Börse vorliegendes Kaufangebot. Preisabsicherung Die zweite wichtige Funktion von Strombörsen ist, es den Marktteilnehmern zu ermöglichen sich gegen Preisänderungen abzusichern. Käufer sichern sich dabei gegen steigende und Verkäufer gegen fallende Preise ab. Zum Beispiel kann ein Kraftwerksbetreiber seine geplante Stromproduktion frühzeitig verkaufen und sich damit seine Marge sichern. Genauso erhöht ein Stromvertrieb seine Kalkulationssicherheit, wenn er frühzeitig seine Beschaffungskosten fixiert. Zur Preisabsicherung dienen die Terminmärkte. So werden auf Terminmärkten Preisabsicherungsgeschäfte für längerfristige Stromlieferungen getätigt. Die wichtigsten am Terminmarkt gehandelten Produkte sind: • Wochenprodukte: • Monatsprodukte: • Quartalsprodukte: • Jahresprodukte: Gehandelt wird die aktuelle und die nächsten 4 Wochen (Week-Futures) Gehandelt wird der aktuelle und die nächsten 9 Monate (Month-Futures) Gehandelt werden die nächsten 11 vollen Quartale (Quarter-Futures) Gehandelt werden die nächsten 6 vollen Jahre Der Terminhandel ist als kontinuierlicher Handel organisiert. Sobald der Börse ein Verkaufsangebot vorliegt, das nicht höher als ein vorliegendes Kaufgebot ist, kommen ein Preis und damit ein Geschäft zustande. Gleiches gilt auch umgekehrt. Das Geschäft verpflichtet den Käufer zu dem in der Zukunft liegenden Lieferzeitpunkt den Kaufpreis an die Börse zu bezahlen. Der Verkäufer erhält von der Börse zum Lieferzeitpunkt den vereinbarten Kaufpreis. Am Terminmarkt werden ausschließlich standardisierte Stromprodukte gehandelt. Die entsprechenden Produkte heißen an der Börse „Futures“. Unterschieden wird zwischen Base-Produkten und Peak-Produkten. Das Produkt Jahres-Baseload ist dabei eine über das ganze Jahr gleichmäßig verteilte Stromlieferung. Ein Jahres-Peakload ist eine Stromlieferung bei der montags bis freitags jeweils von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr Strom in konstanter Höhe geliefert wird. Übernahme des Kontrahentenausfallrisikos Die dritte wichtige Aufgabe der Strombörsen ist es, das so genannte Kontrahentenausfallrisiko zu übernehmen. Damit ist gemeint, dass die Strombörse dafür garantiert, dass die getätigten Geschäfte unter allen Umständen erfüllt werden. Dies geschieht dadurch, dass bei einem Börsengeschäft das Geschäft nicht zwischen den Marktteilnehmern unmittelbar geschlossen wird. Vielmehr verkauft der Verkäufer an die Börse und der Käufer kauft von der Börse. Da sowohl Käufer als auch Verkäufer bei der Börse ausreichend hohe Sicherheiten hinterlegen müssen ist sichergestellt, dass auch bei Insolvenz des Käufers oder des Verkäufers das Geschäft trotzdem erfüllt wird. Ermöglicht jederzeit einen Kauf und einen Verkauf Eine weitere wichtige Aufgabe der Strombörse ist es sicherzustellen, dass zu jedem Zeitpunkt ein Verkäufer einen Käufer bzw. ein Käufer einen Verkäufer findet und das zu einem marktüblichen Preis. Dies gewährleisten die so genannten „Marketmaker“, die zu jedem Zeitpunkt gleichzeitig ein marktpreisnahes Angebot zum Verkauf und Kauf einstellen. 18.Juli 2016 Andreas Sautter, Thüga AG
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