Geschichte der Station - Natur- und Vogelschutzverein Steinmaur

Ein Überblick der Geschichte, um die Greifvogel Station Berg am Irchel
Die Gründerin, Spinnereitochter Veronika von Stockar, hat 1956 mit viel Herzblut,
einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe und später in enger Zusammenarbeit mit
dem Tierspital der Universität Zürich eine Anlaufstelle für Greifvogelpflege geschaffen, die in der Schweiz einzigartig ist.
Aufgebaut wurde die Station im eigenen Park nahe dem Schloss Berg, wo sie heute
noch steht und nach umfassender Modernisierung aktuellen professionellen
Ansprüchen genügt.
Die altertümliche Voliere neben ihrem Wohnhaus – einem Riegelhaus mit Türmchen
– wird immer noch benutzt. Doch hat die Station in den letzten Jahren eine neue
kleine Flughalle errichtet, in der sich die gesundenden in Vögel für eine Woche auf
die Auswilderung vorbereiten können.
Veronika von Stockar, begann sehr einfach mit dem Aufpäppeln von Greifvögeln bei
sich zu Hause. Über die Jahre hinweg baute die Tochter des Spinnereifabrikanten
Hans Eduard Bühler die Station aus.
Bis kurz vor ihrem Tod 2010 kümmerte sie sich mit akribischer Sorgfalt um die
Wildtiere, wofür sie 2007 mit dem Ehrendoktortitel der Universität Zürich
ausgezeichnet wurde.
Ende 2008 hat von Stockar, die Leitung der Station altershalber, an ihre Tochter
abgegeben. Ihr Engagement für den Schutz der Natur, wird nun von ihrer Tochter
Regina Frey weitergeführt, welche die Naturschutzorganisation PanEco, mit Sitz in
Berg am Irchel gegründet hat. Zu der heute auch die Greifvogelstation und das
Naturzentrum Thurauen in Flaach gehören. PanEco engagiert sich in Indonesien
mit Projekten für den Regenwald und den Schutz des Orang Utan. Die Greifvogelstation in Berg am Irchel wird durch selbst erwirtschaftete Mittel und Spenden
finanziert.
Die Stiftung PanEco und die Greifvogelstation arbeitet auch eng mit dem Zürcher
Tierspital zusammen, das als Akutspital die schweren Verletzungen behandelt und
die Greifer dann zur Rehabilitation in die Greifvogelstation abgibt.
Es ist denn auch Jean-Michel Hatt persönlich, Direktor der Klinik für Zoo-, Heimund Wildtiere, der mit seinem Team den Studierenden bei den Übungen zur Hand
geht.
2008 übernahm der Ornithologe Kaspar Hitz die Greifvogelstation unter der
Stiftung PanEco.
Seit 2010 führt sie der gebürtige Deutsche Biologe & Ornithologe Andreas
Lischke, der mit seiner Partnerin Juliane Riechert unweit der Station in einem alten
Bauernhaus wohnt.
Dass Andreas Lischke im Weinland landete, war ein glücklicher Zufall. Er ist mit
seinem Vorgänger, Kaspar Hitz, befreundet und übernahm für ihn 2009 eine
vierwöchige Ferienvertretung. Es hat ihm so gefallen, dass er ein Jahr später gleich
das Angebot annahm hier zu arbeiten. Auf der Greifvogelstation hat er nun seine
Berufung gefunden. «Ich war schon immer von Vögeln Sie sind einfach wunderbare
Tiere», schwärmt der Biologe. Dann fügt er an: «Ohne Leidenschaft ist dieser Job
nicht machbar. Ich bin 365 Tage im Jahr erreichbar. Den Patienten ist es egal, ob
gerade Weihnachten oder Ostern ist.»
Pro Tag beschäftigt sich Lischke mit einem Tier maximal 15 Minuten, also nur fürs
Nötigste. Denn: «Die Vögel haben Angst, Stress und Schmerzen. Sie merken nicht,
dass wir ihnen helfen wollen.» Der Rest seines 100% Pensums besteht aus
Reinigungs- und Büroarbeiten so wie Führungen. Unterstützung erhält Lischke von
freiwilligen Mitarbeitern.
«Unsere moderne Ausstattung ist ein wichtiger Faktor. Dazu bin ich einer der
wenigen, der fest angestellt diese Arbeit verrichtet», begründet der engagierte
Andreas Lischke diese Entwicklung. Er hat viel dafür getan, dass die Anlage den
neusten Ansprüchen gerecht wird. Die Pflegeeinrichtung umfasst dreizehn
Intensivpflegeboxen und vier Flugkammern, sowie eine Voliere, ein grosses
Vogelgehege als Freiflugraum die natürlich alle den aktuellen Tierhaltungsnormen
angepasst wurden.
Vogelfreunde können auch für 300.00 Fr., Gotti oder Götti eines Patienten werden
und diesen, wenn es so weit ist, auf der eigenen Hand in die Freiheit entlassen – ein
atemraubendes Erlebnis!
Greifvogel oder Mauersegler gefunden – was tun?
,
Greifvogelstation, Andreas Lischke, 052/ 318 14 27 // Mauersegler, Silvia Volpi, Rümlang 079/ 663 71 84 // Tierrettungsdienst, Tierheim Pfötli , Tel. 044/ 864 44 00.
Generell gilt hier:
Einem Vogel, der nicht wegfliegt, wenn ein Mensch sich ihm nähert,
fehlt etwas. «Diese Vögel haben ein ernstes Problem und müssen
gerettet werden».
Wie soll man sich verhalten, wenn man einen aus dem Nest gefallenen Greifvogel
oder Mauersegler findet?
«Sofort aufnehmen!» Lischke (Greifvogel) und Volpi (Mauersegler) sagen das mit
Ausrufezeichen. Denn sonst würden sie sehr bald von Füchsen oder Katzen
gefressen. Bei diesen Vogelarten versorgen die Eltern die Jungen nicht mehr, wenn
sie das Nest verlassen haben. «Man wirft am besten ein Tuch über sie, nimmt sie mit
und legt sie in eine Kartonschachtel», sagt Lischke. Nicht füttern, und auf keinen Fall
dürfe man ihnen Wasser einflössen, weil sie sich schnell verschlucken und dann
ersticken. Volpi rät, mit einer Pipette Wasser an den Schnabel zu halten. «Vielleicht
schlucken sie dann von selbst.» Und schliesslich: «Mit uns Kontakt aufnehmen!»
Wiederum mit Ausrufezeichen und mit einem Seufzer.
Findet man allerdings ein Käuzchen am Boden sitzend, sollte man es auf einem
nahen Ast platzieren. Sie gehören zu den Ästlingen und verlassen ihr Nest, bevor sie
flügge sind. Dann sitzen sie in den Bäumen, werden von den Eltern verpflegt und
machen Flugübungen.
Wie man einen lahmen Vogel mit Handschuh und Tuch fängt
Verletzte oder kranke Greifvögel fasst man nach Möglichkeit nur mit Handschuhen
an. Am besten nähert man sich ihnen von hinten und wirft ein Tuch über sie. Dann
packt man sie über die Flügel an den Füssen und legt sie in eine Kartonschachtel.
Wenn möglich bringt man sie direkt in die Greifvogelstation in Berg am Irchel. Oder
man ruft dort an, und der Transport mit dem Tierrettungsdienst Pfötli wird organisiert.
Auch die Vogelwarte Sempach kümmert sich um verletzte Vögel.
Wichtig:
Jungeulen verlassen die Nester freiwillig und werden von den Eltern weiter gefüttert.
Sie können ohne Bedenken auf einem erhöhten Ast sitzen gelassen werden.
Warum steigt die Zahl der aufgenommenen Tiere kontinuierlich an, sodass 2015
bereits über 200 Greifvögel auf der Station gepflegt wurden?
Andreas Lischke sieht den Grund darin, dass die Station immer bekannter wird durch
Medienberichte, fachlichen Austausch und Veranstaltungsbesucher.
Leider nimmt aber auch die Gefährdung von Jahr zu Jahr zu: Der Lebensraum wird
kleiner durch Bautätigkeit und Freizeitverhalten der Menschen, Greifvögel erleiden
Unfälle mit Lastwagen, sie verhungern in strengen Wintern, weil der Schnee wie
Beton über den Monokulturen liegt und die Vögel deshalb nur schwer an die Beutetiere kommen, und im Sommer leiden sie unter der Trockenheit.
Manche Vögel fliegen in Glasscheiben von Gebäuden und verletzen sich dabei.
Und, kaum zu glauben aber wahr: Es gibt Taubenzüchter, die Greifvögel absichtlich
töten, indem sie ihnen Tauben mit vergifteten Federn als Beute entgegen werfen,
worauf die Greifvögel in Kürze sterben.
Da kann dann auch Andreas Lischke nichts mehr tun. Meist aber ist er in der Lage,
den kranken oder verletzten Vogel wieder flug- und damit lebenstüchtig zu machen,
und das ist sein grosses Alltags- und Arbeitsglück. Und so sieht er denn auch keinen
Grund, seine lebenslange Faszination für die Greifvögel in Berg am Irchel hinter dem
Berg zu halten – ganz im Gegenteil.
Auf die Frage, warum er sich für die Vögel einsetze und sie nicht dem Lauf der Natur
überlasse, antwortet der Saarländer: «Einerseits ist es sicher Empathie den Tieren
gegenüber. Auf der anderen Seite wage ich zu behaupten, dass 99 Prozent der
Vögel durch menschliche Eingriffe zu Schaden kommen. Deshalb sind wir verpflichtet
zu helfen.» Dazu seien viele Greifvogelarten, wie zum Beispiel der Steinkauz, vom
Aussterben bedroht. Ihr Bestand sei so klein, dass es auf jedes Leben ankomme.
Das oberste Ziel der Station ist die Wiederauswilderung der Tiere. Dem
entsprechend haben die Patienten wenig Menschenkontakt. «Wir sind kein Streichelzoo. Die Vögel kommen zur Pflege zu uns und sollen dann zurück in die Natur.»
Bei der Rettung verletzter Tiere wird die Institution vom Tierspital Zürich und dem
Tierrettungsdienst aus Winkel ZH unterstützt. Alle Operationen und grösseren
medizinischen Untersuchungen werden im Tierspital durchgeführt. Die Ambulanz des
Tierheims Pfötli aus dem Zürcher Unterland holt die Vögel ab und bringt sie zur
Greifvogelstation. Zwischen den drei Institutionen fliesst kein Geld. «Alle leisten
ihren Anteil zum Wohle der Wildtiere.»
Eben hat Lischke einen lebendigen Mäusebussard aus einem Korb geholt. Er packt
ihn energisch an den Krallen; der grosse Vogel schlägt mit den Flügeln und stösst mit
seinem gekrümmten Schnabel in Richtung des Fängers. Da hat dieser ihm schon ein
grünes Tuch über den Kopf geworfen. Wie vom Donner gerührt, erstarrt der Bussard.
Er macht keinen Mucks, als Lischke ihn auf die Waage legt und die Flügel spreizt.
800 Gramm, 110 Zentimeter Spannweite. «Er hat immer noch Krämpfe von der
Bleivergiftung, die man im Tierspital medikamentös behandelt hat», sagt Lischke.
«Aber den bringen wir wieder zum Fliegen.»
Menschliche und Wettereinflüsse
Im stark riechenden Pflegeraum, der «Untersuchungsstation», wird einem anderen
Mäusebussard von Lischke und einer freiwilligen Helferin – an anderen Tagen sind es
Zivildienst leistende – mit einer Kropfkanüle ein flüssiges Aufbaupräparat gefüttert.
Auch schiebt er dem schwächelnden Vogel einen Brocken Hühnerfleisch in die
Speiseröhre. «Vermutlich hat er eine vergiftete Ratte oder Maus gefressen»,
mutmasst Lischke.
Das Tier ist ein Beispiel dafür, wie der Mensch in die Umgebung der Vögel eingreift.
Und nach dem Kälteeinbruch Ende des Jahres sind die Vögel anfälliger für Unfälle
die oft auch die Menschen involvieren. So werden viele Tiere, die flügellahm und
schwach geworden sind oder tief über Autobahnen nach Futter suchen, angefahren.
«Solche Unfälle schwächen die Tiere mehr, als die Natur das tut», so Lischke.
Durch die Intensivlandwirtschaft sei auch die Nahrung rarer geworden. Auf der
anderen Seite kam der Klimawandel den Tieren sozusagen entgegen, da die Winter
milder werden. «Aber ein strenger Winter kann alles wieder rückgängig machen»,
sagt Lischke.
So sieht er in seiner Tätigkeit einen moralischen Aspekt: «Der Mensch sollte
wiedergutmachen, was er verbrochen hat.» Je kälter es wird, desto mehr Energie
brauchen die Vögel. «Und mehr Energie bedeutet mehr Futter. Doch genau dann ist
das Futter nicht erreichbar», erklärt er den Lauf der Natur. Greifvögel können sich
kaum Fett anfressen und nur wenige Tage vom Flugmuskel zehren. Vor allem wegen
des Kälteeinbruchs Ende Dezember sind daher die 13 dunklen Pflegeboxen der
«Intensivstation» voll belegt. Total sind derzeit 22 Greifvögel in der Station untergebracht, werden gefüttert und auf ihren Flug zurück in die Natur vorbereitet. «Wenn es
warm bleibt, wird sich die Situation aber sicher beruhigen», sagt Lischke.
Ganz anders im rauen Winter 2012. Da sind bis zu 30 Mäusebussarde täglich an
der Futterstation im Aussenbereich gelandet.
Häufig sei das Verständnis von Greifvögeln mythisch verklärt. So werde oft von
«Raubvögeln» gesprochen – der negative Begriff verschweige deren ökologischen
Nutzen.
So habe etwa der Habicht, der auch grössere Tiere wie Hasen verspeist, ein Auge
dafür, welche Beute geschwächt oder krank sei. Als «krank» betrachtet er etwa das
vom Menschen gezüchtete flugunfähige Huhn. «Kaum ist ein Tier in einem
funktionierenden Ökosystem krank, wird es weggefressen», erklärt Lischke. «Die
Natur hat den Habicht dafür geschaffen, kranke Tiere zu fressen – das ist sein Job.»
Und würden die Greifvögel als Endprädatoren verschwinden, «gäbe es keine
Regulatoren mehr».
Ich möchte die Leute für die Vögel begeistern und aufklären. Daher ist er allergisch
auf Geschichten über Greifvögel die immer noch in vielen Köpfen verankert sind, wie
jene dass ein Rotmilan ein Meerschwein gefressen habe und dass Bussarde
Kaninchen jagen.
Im Winter und vor allem nach dem ersten richtigen Schnee herrscht in Berg am
Irchel Hochbetrieb: Jedes Jahr werden in der kalten Jahreszeit viele Greifvögel und
Eulen geschwächt und ausgehungert in die Station eingeliefert.
Sieben Mäusebussarde, drei Waldkäuze, je zwei Rotmilane und Turmfalken, ein
Sperber sowie eine Schleiereule hat die Station in den letzten drei Wochen
aufgenommen – im Ganzen 22 Hungervögel. Die Gründe dafür sind Kälte und
Schnee und der daraus folgende Nahrungsmangel.
«Im Frühling pflanzen sich die Vögel fort. Sie müssen dann besonders fit sein» Ab
Mitte Mai werden dann die ersten Jungvögel eingeliefert. In den frühen Sommermonaten sind dann bis zu 60 Tiere gleichzeitig in Pflege. Im Herbst folgt meistens
eine ruhigere Phase, während im Winter wieder vermehrt Vögel Hilfe brauchen. Vor
allem Mäusebussarde finden im Schnee nicht genügend Nahrung.
Greifvögel werden zuhauf beim Beuteflug entlang von Autobahnen von Lastwagen
erfasst. Oder sie fallen vom Himmel, weil eine Bleivergiftung sie lähmt. Diese holen
sich die Aasfresser, wenn sie die Bleikugeln der von Jägern erlegten Tiere schlucken.
Die Magensäure löst die Munition auf, das Blei wird ins Blut geschwemmt. Zu retten
sind sie nur, wenn sie schnell medikamentös behandelt werden.
Die Greifvogelstation wird von Spenden finanziert. So können etwa für Vögel
Patenschaften abgeschlossen werden zu je 300 Franken. Die «Patenonkel und
Tanten» können die Vögel dann eigenhändig in die Freiheit entlassen, sobald sie
gesund sind.
Viele Greifvögel sind auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, besonders Vögel
wie der Rotmilan, obwohl sich dessen Population mit über 3000 Exemplaren
schweizweit jüngst erholt hat. Im letzten Jahr wurden in der Greifvogelstation 26
Rotmilane, die meistens Symptome der Unterfütterung oder Verletzungen aufwiesen,
gepflegt. Mäusebussarde, Turmfalken und Schleiereulen trifft es oft besonders hart.
Sie sind während des ganzen Jahres auf die Jagd nach Mäusen angewiesen.
Aufgrund der Schneedecke ist dies im Winter oft nicht möglich.
Zudem ist der Energiebedarf der Vögel aufgrund der tiefen Temperaturen höher als
sonst, und sie wären gerade jetzt besonders auf ausreichende Nahrungsquellen
angewiesen.
Ein Rotmilan benötigt pro Tag normalerweise drei bis vier, eine Schleiereule etwa
drei Mäuse – diese unter der Schneedecke zu finden, ist trotz scharfen Augen und
gutem Gehör auch für die Vögel schwierig.
Im Gegensatz zu Säugetieren, wie beispielsweise Nager, können sich Greifvögel
auch kaum Fettpolster anfressen, um so den Winter besser zu überstehen.
Im letzten Jahr konnten gar von 224 Vögeln 82 Prozent gesund gepflegt werden:
Rotmilane, Mäusebussarde, Wanderfalken, Habichte, Waldkäuze und Schleiereulen.
Pflege & Genesungsbox
Der Greifvogelstationsleiter öffnet eine von den neu Pflegeboxen, die noch heute
nach dem klugen Prinzip der Gründerin der Station, Veronika von Stockar, und nur
leicht von Andreas Lischke umkonstruiert wurden und setzt den Vogel hinein.
Die dreizehn Boxen sind mit Milchglasscheiben ausgestattet, damit der Vogel nicht
in Panik gerät und mit den Flügeln schlägt, wenn ein Mensch sich nähert. Die Box
beherbergt den kranken oder verletzten Vogel, wenn er auf die Station zur Pflege
kommt, meist nach einem Aufenthalt im Zürcher Tierspital, mit dem die Station eng
zusammenarbeitet.
In diesen Boxen bleiben die Patienten drei Wochen, damit sie sich erholen und
Knochenbrüche verheilen.
Die Fütterung finde ohne menschlichen Kontakt statt, denn die Tiere sollen sich
nicht an die Menschen gewöhnen. Eine Ausnahme bildet lediglich die regelmässige
Physiotherapie, in der ihre Gelenke einige Minuten lang passiv bewegt werden, damit
sie nicht versteifen. «Damit haben wir erst vor kurzem angefangen», sagt Lischke.
Verletzte und schwer erkrankte Vögel erhalten dort die Akutbehandlung und werden
anschliessend in Buch am Irchel von Andreas Lischke, ab und zu unter stützt von
Freiwilligen, gesund gepflegt.
Sobald die Patienten nach einer professionellen tiermedizinischen Betreuung wieder
gesund sind, werden sie, nachdem sie ihre Flugkünste in der grossen Volière
bewiesen haben und nach dem sie eine Beringung zur Wiedererkennung in
Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach bekommen haben, wieder in die
Freiheit entlassen.
Die langjährige Erfahrung der Station ermöglicht es der Greifvogelstation Berg am
Irchel, über 80 Prozent der Patienten wieder in die Freiheit zu begleiten
Auch Mauersegler & Turmfalken
Geradezu überflutet mit pflegebedürftigen Vögeln wird auch Silvia Volpi, die in
Rümlang eine auf Mauer- und Alpensegler spezialisierte Station betreibt. Sie hat an
die 300 Vögel zu versorgen. «Ich komme derzeit zu knapp zwei Stunden Schlaf pro
Tag», sagt sie. Ohne freiwillige Helferinnen wäre es gar nicht zu schaffen. Lischke
und Volpi sagen: «Die Situation ist dramatisch.»
Der Grund für den überdurchschnittlichen Andrang erschöpfter und verletzter Vögel
ist die lang andauernde grosse Hitze. Sie kam für die Segler und Greifvögel im
dümmsten Moment, denn es ist die Zeit, in der die Jungen geschlüpft sind und rund
um die Uhr Futter brauchen. Wenn die Vögel ihren Brutplatz an sonnenexponierter
Lage haben, wird es in den Nestern so heiss, dass die noch nicht flugfähigen
Vögelchen gestresst raushüpfen. «Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, wenn sie
nicht gegart werden wollen», sagt Silvia Volpi.
Mauersegler und Turmfalken gehören in der Schweiz zu den potenziell gefährdeten
Arten. Sie sind von dieser Hitze besonders betroffen, weil sie auch in städtischen
Gebieten brüten, wo die Temperaturen noch einige Grade höher klettern als auf dem
Land. Mauersegler nisten zudem oft direkt unter Ziegeldächern, wo es glühend heiss
wird.
Und auch die Turmfalken gehören zu den Felsbrütern. In diesen Unterschlüpfen
kommt es zu regelrechten Hitzestaus. Lischke sagt: «Nisthilfen sollten daher
möglichst nur an Ostwänden angebracht werden. Und unter weit hervorragenden
Dächern, welche die Brutkästen beschatten.» So wurden manche Turmfalkenküken
von ihren Geschwistern aus dem Nest geschubst, was aufzeigt, wie gross der Stress
ist, dem sie im Moment ausgesetzt sind.
Falken sind in der Regel untereinander kaum aggressiv. Doch kommt zur Hitze bei
den Greifvögeln nun auch noch der Hunger. Ihre Hauptbeute, die Mäuse, meiden
nämlich die Oberfläche, weil es ihnen zu heiss ist. Zudem ist es so trocken, dass die
Nager sich kaum vermehren, weil es ihnen an Futter fehlt. Die jungen Mäuse
wiederum wären leichte Beute für Greifvögel. Die Vogeleltern müssen daher länger
und weiter fliegen, bis sie Beute finden, und können trotzdem oft nicht genug Futter
für den Nachwuchs auftreiben. «In Extremfällen kann es sein, dass sie ihre Brut
aufgeben», sagt Lischke.
Er streift sich einen Handschuh über und holt vorsichtig einen kleinen Turmfalken
aus der Pflegebox. Der piepst «tititi» –, sperrt dann den Schnabel auf und spreizt die
Flügel. Er sieht uralt und «verhuderet» aus, sein Gefieder ist von grauen Daunen
durchsetzt. «Als er vor ein paar Tagen zu uns kam, war er noch ein graues
Wollknäuel», sagt Lischke.
Der Kleine dürfte in der vierten Lebenswoche sein und ist einer von jenen, die aus
dem Nest gefallen sind. Er blieb unverletzt – im Unterschied zu den meisten
Mauerseglern, die bei Silvia Volpi aufgepäppelt werden. «Manche haben einen Sturz
aus 30 Metern hinter sich», sagt sie. «Die müssen wir zuerst wieder
zusammenflicken.»
Lischke inspiziert seinen Pflegling: Er hat sich gut erholt. Bald kann er in das
grössere Gehege gebracht werden, wo er das Fliegen und Jagen erlernen wird.
Dort befinden sich bereits neun etwa acht Wochen alte Artgenossen, und in einer
grossen Voliere sitzen zwei Mäusebussarde. Auch sie sind Hitzeopfer, können aber
bald entlassen werden. «Ihre Schwungfedern sind schon gut ausgebildet», sagt
Lischke. Allerdings habe der eine den Jugendruf noch nicht abgelegt, der andere
müsse noch ein bisschen Muskeln ansetzen.
Der kleine Waldkauz in der Pflegebox muss noch einige Zeit in der Station
verweilen. Er hat sich beim Neststurz einen Flügel gebrochen, der ihm im Tierspital
geschient wurde.
Jede Hilfe zu spät, kam für die junge Schleiereule, die aus dem Nest gedrängt
wurde. Sie wurde flugs von einer Katze gepackt und tödlich verletzt.
Zum Glück ist jetzt Regen angesagt. Aber Lischke schüttelt den Kopf: «Das
verschärft die Situation möglicherweise noch.» Wenn schwere Gewitter nieder gehen,
ertrinken viele Mäuse. Ihre Gänge werden überflutet, da der trockene Boden das
Wasser nicht so schnell aufnehmen kann. «Das bedeutet: Noch weniger Beute für
meine Greifer.» Und dazu kommt noch, wenn die Jungvögel durchnässt und dadurch
unterkühlt sind, haben sie in dem jämmerlichen Zustand, in dem sich viele von ihnen
befinden, kaum Überlebenschancen.
Wieder fasst Andreas Lischke, ein junges Mäusebussard Weibchen geschickt um
beide Füsse und hält den Vogel so, dass er ruhig auf seinem Unterarm sitzt.
«Täuschen Sie sich nicht», sagt Lischke, «Ein Wildvogel will nicht beim Menschen
sein, auch dann nicht, wenn er ihn gesund pflegt. Er will in jeder Sekunde seines
Lebens nur eines: frei sein und fliegen».
Die Mäusebussardin ist seit einigen Tagen Patientin in der Greifvogelstation in Berg
am Irchel. Der Vogel hat sich beim Zusammenprall mit einem Auto das Auge verletzt,
nun bekommt er Schmerzmittel und die nötige Pflege, bis er sich in einigen Tagen
wieder in die Lüfte schwingen wird, sanft angestossen von seinem Retter. «Das»,
sagt Lischke, «ist der beste Augenblick von allen, das und nichts anderes ist der Lohn
für meine Arbeit.»
Jetzt aber zieht der Ornithologe dem Vogel ein grünes Tuch über Kopf und Körper
und legt das Tier auf die Waage, wo es für kurze Zeit mucksmäuschenstill liegt und
sich ohne Widerstand beringen lässt, damit man es wiedererkennt, falls es erneut von
Menschenhand gepflegt werden muss. Ist die Bussardin flug- und jagdbereit, wird sie
sich, wie schon Hunderte ihrer Vorgänger, über den Park des Landhauses beim
Schloss Berg am Irchel erheben, in dem die Greifvogelstation steht. Sie wird die
Dörfer des Weinlandes und die Thurebene weit hinter und unter sich lassen und
hoffentlich niemals wiederkehren, so, wie es sein soll für einen gesunden und
unverletzten Greifvogel.
Nach der Pflegebox die Flugkammer:
Berg am Irchel hat mehrere davon. Noch immer in Gebrauch, wenn auch
modernisiert, ist die grosse Volière der Stationsgründerin Veronika von Stockar.
Derzeit bereiten sich hier zwei Turmfalken auf ihre Freilassung vor, der männliche
Vogel, erlitt einen Flügelbruch, das Weibchen heilt eine gebrochene Schulter aus.
In weiteren Flugkammern wohnen derzeit zwei Wanderfalken, der eine davon hat
einen Schulterbruch überlebt. Ausserdem lebt hier eine wunderschöne junge
Schleiereule, die flügellahm und ausgehungert gefunden wurde. Den Besuchern zeigt
sie ihre typische Drohgebärde mit ruckenden Halsdrehungen und bekundet damit ihr
Missfallen.
Gestern hat Andreas Lischke an die 20 gesundete Greifer ausgewildert. Ein
Mäusebussard und zwei Turmfalken drehen gerade ihre Kreise hoch über Berg am
Irchel. «Sie brauchen vielleicht noch etwas Zeit, bis sie sich von uns trennen
können», sagt Lischke lächelnd.
Der Habichtskauz - Lischke's spezieller Vogel in der Station
Runde, schwarze Augen blicken aus nicht weniger runden, hellen Köpfen auf den
eintretenden Besucher herab. Sie bleiben ruhig, und wenn sie genug gesehen haben,
drehen sie den Kopf um bis zu 260 Grad.
Die Habichtskäuze – die drittgrösste Eulenart - sitzen auf einem Ast in einer Voliere
der Greifvogelstation in Berg am Irchel. Und das fast den ganzen Tag: «Wenn ich den
Futternapf an diesen Ast montieren würde, würden sie sich wohl gar nicht mehr
bewegen», sagt Andreas Lischke, Leiter der Greifvogelstation. Nicht, weil sie nicht
können, sondern weil sie sich von Natur aus nur so viel bewegen wie nötig. Fliegen
sei ein Kraftakt wie etwa ein Sprint für einen Menschen.
Die Grösse, die Sichtbarkeit und die Regungslosigkeit haben es einfach gemacht,
den Vogel praktisch auszurotten, sagt Andreas Lischke: «Sie waren ein leichtes Ziel.»
Die Habichtskäuze wurden illegal abgeschossen und verschwanden deshalb fast
völlig von der Bildfläche. Verschiedene Projekte wollen die Tiere an der Alpennordseite wieder ansiedeln. Unter anderem wurde in Österreich ein Wiederansiedlungsprojekt lanciert. Ein Teil davon soll das federprächtige Pärchen mit Wohnsitz Berg am
Irchel werden.
Andreas Lischke wurde auf das Projekt aufmerksam, weil er Besuchern der
Greifvogelstation ganzjährig Tiere zeigen wollte; manchmal hat er keine GreifvogelPatienten auf der Station. Eine Attraktion mit Artenschutz zu verbinden, schien ihm
ideal. Er nahm Kontakt mit den Projektleitern in Österreich auf und rannte offene
Türen ein.
Im Frühling kamen das Männchen aus dem Zoo Magdeburg, dessen Partnerin
verstorben war, und das Weibchen aus einer österreichischen Zuchtstation nach Berg
am Irchel.
Bei der Zollüberfahrt in die Schweiz war Andreas Lischke dabei und stellte sich
einem Papierkrieg. Nach den Export- die Importformalitäten («das dauerte einen
Vormittag») und dann noch dazu die Cites-Artenschutz-Kontrolle.
Die Haltung der beiden Habichtskäuze ist einfacher: Gefüttert werden sie wie
Wildtiere mit Mäusen, Ratten und so weiter. Sie fressen, was sie brauchen, und
trinken kaum etwas, da sie mit dem Fleisch genügend Flüssigkeit aufnehmen.
Ungefähr im April dürften sie brüten, drei bis fünf Junge können sie bekommen. Die
Jungtiere, die im zarten Alter von etwa 75 Tagen, noch bevor sie flügge sind, abgeholt werden, sollen aber möglichst wild bleiben. Denn in Österreich werden sie in sehr
grosse Volieren eingesetzt und eine Zeit lang weitergefüttert.
Dann wird im Gehege Lebendfutter ausgesetzt, und schliesslich werden die Vögel
ganz freigelassen. Schön, wenn sich der Habichtskauz längerfristig auf der
Alpennordseite wieder wohlfühlt. 222 Habichtskäuze wurden so bereits in Österreich
angesiedelt, die ihrerseits schon wieder 60 Jungtiere in der freien Natur aufgezogen
haben. Die Alttiere bleiben in ihren jeweiligen Zuchtstationen.