V23 - DGZfP

9. Fachtagung
ZfP im Eisenbahnwesen – Vortrag 23
Erste Einblicke in die menschlichen Faktoren
bei der Wellenprüfung im Eisenbahnwesen
1
Marija BERTOVIC 1, Christina MÜLLER 1, Ralf HOLSTEIN 2
BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin
2
DGZfP Ausbildung und Training GmbH, Berlin
Kontakt: [email protected]
Kurzfassung
Für eine ganzheitliche Betrachtung der Sicherheit bei der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP)
ist es unvermeidlich neben der Technik auch den Prüfer und die Prüforganisation
einzubeziehen. Die menschlichen und organisatorischen Faktoren müssen zukünftig
stärkere Beachtung finden.
In Rahmen der Ausbildung von UT-Prüfern bei der DGZfP wurde eine
Untersuchung durchgeführt, wie zuverlässig die Prüfaussage an Radsatzwellen mit
Längsbohrungen ist. Das Ziel bestand darin, die Einflussgrößen auf die Zuverlässigkeit der
Wellenprüfung zu analysieren und insbesondere bzgl. der Ausbildung zu optimieren. Dabei
wurden erstmals auch die menschlichen Einflussfaktoren betrachtet. Dabei wurde versucht,
die möglichen Einflüsse auf die Handprüfer sowohl bei der Qualifizierungsprüfung, als
auch bei der täglichen Arbeit zu identifizieren. Das übergeordnete Ziel bestand darin, die
menschliche Seite der Ultraschallprüfung von Radsatzwellen besser zu verstehen und die
Erkenntnisse sowohl für die Verbesserung der Ausbildung, als auch für die Erstellung
weitergehender Forschungsfragen zu nutzen. Zu diesem Zweck wurde u.a. ein Fragebogen
verwendet, der Daten zu Ausbildung, Arbeitssituation und anderen Einflüssen erfasste.
Diese Daten wurden dann in Hinblick auf die Ergebnisse der UT-Prüfung analysiert.
1
Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/
9. Fachtagung Zerstörungsfreie Prüfung im Eisenbahnwesen, 15-17.03.2016
ERSTE EINBLICKE IN DIE MENSCHLICHEN
FAKTOREN BEI DER WELLENPRÜFUNG IM
EISENBAHNWESEN
Dr. Marija Bertovic, BAM
Dr. Christina Müller, BAM
Dr. Ralf Holstein, DGZfP Ausbildung und Training GmbH
Gliederung
Vorstellung des Projektes und den Hauptergebnissen……………..………………….3
Fragestellung………………………………………………………………………………………………….9
Methodik……………………………………………………………………………………………………….11
Ergebnisse: Deskriptive Statistik…………………………………………………………………16
Ergebnisse: Korrelation mit dem Prüfergebnis……………………………………………24
Aus der Literatur……………………………………………………………………………………………28
Zusammenfassung und Ausblick………………………………………………………………….32
2
PROJEKT
Zuverlässigkeit manueller Radsatzwellen UTPrüfung bei der Ausbildung
3
Überblick über die vorhandenen Daten
Ringversuch
Erneuerungsprüfung
Erstprüfung
1
34
14
45°
10
26
10
70°
7
11
2
26
731
19
272
5011
112
JR/Formecho
97
2203
40
nicht nutzbar
1
26
1
Anzahl
Wellen
Prüfköpfe
Protokolle
Messwerte
insgesamt
relevant
174
(+0)
2782
(+1383)
71
(+5)
4
Überblick über die vorhandenen Daten
Ringversuch
Erneuerungsprüfung
Erstprüfung
1
34
14
45°
10
26
10
70°
7
11
2
26
731
19
272
5011
112
JR/Formecho
97
2203
40
nicht nutzbar
1
26
1
174
2782
71
Anzahl
Wellen
Prüfköpfe
Protokolle
Messwerte
insgesamt
relevant
gute
Datengrundlage
5
Erneuerungsprüfung - Auffindraten (POD)
Gesamtübersicht
Gesamt-POD - Erneuerungsprüfung
100%
95,0%
86,5%
90%
80%
91,1%
69,3%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
ÜBERGANGSBEREICH
SITZ
SCHAFT
61 Fehler
2033 Messungen
15 Fehler
188 Messungen
39 Fehler
1016 Messungen
GESAMT
Gesamtanzahl der Fehler: 116
Gesamtanzahl der Messungen: 3237
6
7
CIVA – Modellierung 45° außen
Abbildung: Dr. M. Pavlovic, 2016
8
Fragestellung
9
Forschungsfragen
Die Ergebnisse der Prüfer unterscheiden sich!

Welche Faktoren führen zu diesem Unterschied?

Wie kann man die Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöhen?
Was können wir über die Ausbildung lernen?
Kann man die Erkenntnisse auf die Praxis verallgemeinern?
10
Methodik
11
Methodik
Fragebogen zur Ausbildung und
anderen Einflussfaktoren
Fragen
‒ zur Person und Berufserfahrung
‒ zur Qualifikation und Prüfung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
‒ Psychische Arbeitsbeanspruchung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
12
Methodik
Fragebogen zur Ausbildung und
anderen Einflussfaktoren
Fragen
‒ zur Person und Berufserfahrung
‒ zur Qualifikation und Prüfung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
‒ Psychische Arbeitsbeanspruchung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
13
Methodik
Fragebogen zur Ausbildung und
anderen Einflussfaktoren
Fragen
‒ zur Person und Berufserfahrung
‒ zur Qualifikation und Prüfung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
‒ Psychische Arbeitsbeanspruchung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
14
Methodik
Fragebogen zur Ausbildung und
anderen Einflussfaktoren
Fragen
‒ zur Person und Berufserfahrung
‒ zur Qualifikation und Prüfung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
‒ Psychische Arbeitsbeanspruchung
‒ Prüfungssituation
‒ berufliche Tätigkeit
15
Ergebnisse: Deskriptive Statistik
Erneuerungsprüfung (Fragebögen bei der Übung ausgefüllt)
25 Radsatzwellen mit Längsbohrung
N = 160
Alter: M = 41.34 Jahre; SD = 9,9
145 männlich, 5 weiblich, 10 nicht eingegeben
16
Häufigkeit manueller Prüfung in der Praxis
Häufigkeit manueller Radsatzwellen Prüfungen
60
Anzahl Teilnehmer
50
48
40
30
17
20
18
14
14
0
10
9
10
5
3
1
garnicht
2
3
4
5
6
7
8
9
7
10
ständig
17
Ausbildung
Vorbereitung für den Alltag durch die Ausbildung
60
55
Anzahl Teilnehmer
50
41
40
27
30
20
12
10
0
1
0
1
2
nicht hilfreich
3
3
3
4
11
7
5
6
7
8
9
10
hilfreich
18
Verständlichkeit
Bei der Prüfung
19
Zufriedenheit
Bei der beruflichen Tätigkeit
20
Psychische Arbeitsbeanspruchung
DEF: Belastung, die eine Person auf sich nimmt, um ein bestimmtes
Niveau von Leistung zu erreichen (Hart & Steveland, 1988).
21
Beispiel – Inspektionsgenauigkeit*
Hypothese: mit hoher psychischer Arbeitsbeanspruchung steigt die Streuung
(Inspektionsgenauigkeit nimmt ab)
niedrig
hoch
25
20
15
10
5
0
niedrig
hoch
2]
Streuung
derdes
Tiefenlage
Streuung
z_max[mm]
[mm
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
2
length
Streuung
der y-Position
[mm]
Streuung
des y_max
2] [dB]
Streuung der Amplitude
Error bars: 95% CI
70
60
50
40
30
20
10
0
niedrig
hoch
Psychische Arbeitsbeanspruchung
*Abbildung von Bertovic, M., Gaal, M., Müller, C., & Fahlbruch, B. (2011). Investigating human factors in manual ultrasonic testing: testing the human factors model. Insight, 53(12), 673–676.
doi:10.1784/insi.2011.53.12.673
22
Psychische Arbeitsbeanspruchung
Bei der Prüfung und bei der beruflichen Tätigkeit
Psychische Arbeitsbeanspruchung
Prüfung: M = 5.4, SD = 1,5
Beruf: M = 5.5, SD = 1,4
10
Bewertung
8
6
4
2
0
6,82
5,50
Geistige
Anforderungen
6,28
4,23
3,56 3,49
Körperliche
Anforderungen
Zeitliche
Unzufriedenheit
Anforderungen
mit eigener
Leistung
Prüfung
Error bars: standard error
6,71 6,29
5,89 6,14
Eigene
Anstrengung
5,12 5,02
Frustration
tägliche Berufstätigkeit
23
Ergebnisse: Korrelation mit dem Prüfergebnis
Korrelation: Beziehung zwischen zwei oder mehreren Variablen,
aber KEINE Ursache-Wirkungs-Beziehung
24
Detektionsrate
25
Korrelation
Signifikante, aber niedrige, negative Korrelation
zwischen der Detektionsrate (Mittelwert) und
der Unzufriedenheit mit eigener Leistung bei
der Prüfung (r = -.19*, p < .05, N = 151).
⇨ Die Detektionsrate nimmt ab mit der
steigender Unzufriedenheit.
*Korrelationskoeffiziente (Field, 2009):
r = ± .10 small
r = ± .30 medium
r = ± .80 large
26
Diskussion der Ergebnisse
Qualitative (explorative) Studie
 kein Design des Experiments
Die gemessene Faktoren
 Indirekt beitragende Faktoren
Weitere Einflussfaktoren?
• Nur 50% der Variabilität wurde durch die
gemessenen Faktoren erklärt
 Unterschiedliche Schwierigkeiten der
einzelnen Reflektoren (z.B. geometrische
Lage, Größe)
Erste Einblicke in die menschlichen
Faktoren bei der Ausbildung
 Verständlichkeit der Prüfunterlagen bei
der Ausbildung
 Zufriedenheit mit der Ausbildung
Erste Einblicke in die menschlichen
Faktoren in der Praxis
 Verbesserungsmöglichkeiten: Einweisung,
Prüfaufsicht, Arbeitsbedingungen
 Detektionsrate Welle vs. Reflektor
27
Aus der Literatur
28
Menschliche Faktoren bei der Wellenprüfung
Menschliche
Faktoren im
Schienenverkehr
Menschliche
Faktoren in der
Instandhaltung
Menschliche
Faktoren bei der
ZfP/Wellenprüfung
29
Einflussfaktoren und Fehlerarten*
Leistungsbeeinflussende Faktoren
Interne Fehlerarten
Wahrnehmung
Gedächtnis
Entscheidungsvermögen
Handlung
Kommunikation
Prüfunterlagen
Training, Erfahrung
Mensch-Maschine-Schnittstelle
Physische und Soziale Umgebung bzw. Team
Persönlichkeit
Organisation
Externe Fehlerarten
Guter Plan, falsche Handlung
Falscher Plan, entsprechende
Handlung
z.B. Omission Fehler, Commission Fehler
Ergebnisse der Fehleranalyse
Organisation (Planung, Durchführung,
Gerätschaften, usw.)
Justierung
Aufschrauben der Druckkappe
Wechsel zwischen Prüfaufgaben und Wellen
Fehlerbeseitigung
*Gibson, H. (2012). Research
into the effects of human factors
in axle inspection. Scoping study
report. London: Rail Safety and
Standards Board.
nicht vorhanden
zu spät
nicht möglich
Das Vertrauen auf Gedächtnis während des
Prüfprozesses
Prüfkopfbewegung
Signaldetektion
Entscheidungsprozess
30
Human Error Probability (HEP)*
Menschlicher Fehlerauftrittswahrscheinlichkeit
Interne Fehlerarten
Wahrnehmung
Gedächtnis
Entscheidungsvermögen
Handlung
Leistungsbeeinflussende Faktoren
Kommunikation
Prüfunterlagen
Training, Erfahrung
Mensch-Maschine-Schnittstelle
Physische und Soziale Umgebung bzw. Team
Persönlichkeit
Organisation
Externe Fehlerarten
Guter Plan, falsche Handlung
Falscher Plan, entsprechende
Handlung
z.B. Omission Fehler, Commission Fehler
Ergebnisse der Fehleranalyse
Organisation (Planung, Durchführung,
Gerätschaften, usw.)
Justierung
Aufschrauben der Druckkappe
1/1250
Wechsel zwischen Prüfaufgaben und Wellen
Fehlerbeseitigung
*Gibson, H. (2012). Research
into the effects of human factors
in axle inspection. Scoping study
report. London: Rail Safety and
Standards Board.
nicht vorhanden
zu spät
nicht möglich
Das Vertrauen auf Gedächtnis während des
Prüfprozesses
Prüfkopfbewegung
1/50
Signaldetektion
Entscheidungsprozess
1/2
31
Zusammenfassung und Ausblick
32
Zusammenfassung und Ausblick
 Die (manuelle) Ultraschallprüfung ist eine komplexe Aufgabe, bei der eine Vielzahl
an Faktoren einen Einfluss auf das Ergebnis haben kann (Mensch, Technik,
Organisation)
Ausblick
 Identifizierung weiterer möglichen Einflussfaktoren
 Neuer Fragebogen
 Wechsel von indirekten auf direkte Einflussfaktoren
 Experimentelle Studien
 Eine systematische Untersuchung der Einflussfaktoren – z.B. anhand der FMEA
(Fehlzustandsart- und -auswirkungsanalyse) oder HRA (Human Reliability Analysis)
33
DANKSAGUNG
DGZfP Ausbildung und Training GmbH, Wittenberge
Fred Sondermann
Volker Muhs
BAM
Christopher Borko
Martina Rosenthal
Ludwig Bartsch
34