AktStR 2016 Teil II Ergänzungen zum Erbschaft

AKTUELLES STEUERRECHT 2016
Mit Prof. Dr. Herbert Grögler | Steuerberater
TEIL II – ERGÄNZUNG
Aus dem Inhalt

Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz:
Die Hängepartie geht weiter!
Seminarreihe
AKTUELLES STEUERRECHT 2016
TEIL II
Verfasser:
Prof. Dr. Herbert Grögler | Steuerberater
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A.
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Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz:
Die Hängepartie geht weiter!
1.
Vorgeschichte
Schon unmittelbar nachdem sich die an der gegenwärtigen Bundesregierung beteiligten Parteien auf einen Kompromiss zur Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer geeinigt
hatten, war es bereits fraglich, ob der Bundesrat, in welchem die sog. Große Koalition über
keine eigene Mehrheit verfügt, der vom Bundestag am 24.06.2016 beschlossenen Fassung
des Gesetzes überhaupt zustimmen wird. Dies galt zunächst vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Partei „Die Grünen“ an immerhin 10 von 16 Landesregierungen beteiligt ist.
Hinzu kommt, dass auch aus der SPD sehr bald kritische Stimmen zu hören waren.
Demgemäß kam die Entscheidung des Bundesrats vom 08.07.2016256 nicht wirklich überraschend: Dieser hat nämlich beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 24.06.2016
verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des
Vermittlungsausschusses mit dem Ziel einer „grundlegenden Überarbeitung“ zu verlangen.
2.
2.1
Die Konsequenzen der Überweisung des Gesetzes in den Vermittlungsausschuss
Aufgrund des Beschlusses des Bundesrats vom 08.07.2016 steht fest, dass es vor der sog.
„parlamentarischen Sommerpause“ zu keinem In-Kraft-Treten des „reformierten“ Erbschaftund Schenkungsteuergesetzes mehr kommen kann. Hierdurch wird es in jedem Fall zu einer
(erheblichen) Überschreitung der vom Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung
vom 17.12.2014257 gesetzten Frist „30.06.2016“ kommen.
Zwar weist die Bundesregierung im Zusammenhang mit der vom Bundestag beschlossenen
Fassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (wohl durchaus zu Recht) darauf hin,
dass eine rückwirkende In-Kraft-Setzung der beabsichtigten Neuregelungen per 01.07.2016
insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich sein dürfte, als es die im 24.06.2016 erteilte Zustimmung des Bundestages verhindert hat, dass ein schützenwertes Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Regelungen entstehen konnte. Dies ist aber doch gar nicht die wirklich
bedeutsame Frage: Diese lautet vielmehr, ob ein Gesetz, für welches das Bundesverfassungsgericht eine zeitlich klar begrenzte Weiteranwendung gestattet hat, nach Ablauf
dieser Frist und vor der Zustimmung aller hieran beteiligten Verfassungsorgane überhaupt
noch angewendet werden darf.
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257
BR-Drucksache 344/16
1 BvL 21/12 vom 17.12.2014, Tz. 5 in Aktuelles Steuerrecht I/2015
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2.2
Dies wäre schon dann fraglich gewesen, wenn der Bundesrat dem Gesetz am 08.07.2016
seine Zustimmung erteilt hätte. Da er dies aber gerade nicht getan hat und weil die nächste
(reguläre) Plenarsitzung des Bundesrats erst für den 23.09.2016 terminiert ist, wird dies
den „gesetzlosen“ Zeitraum erheblich verlängern und die Zweifel daran vergrößern, ob nach
dem 30.06.2016 und vor der Zustimmung des Bundesrats zu einem neuen Gesetz in
Deutschland Erbschaft- und Schenkungsteuer überhaupt erhoben werden darf. Hierauf
hatte ich schon unter der Tz. 42.2 im Manuskript zu den Veranstaltungen des II. Quartals
2016 hingewiesen. Dies gilt nunmehr deshalb umso mehr, als wegen der Überweisung des
Gesetzes an den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer „grundlegenden Überarbeitung“
zudem auch noch mit inhaltlichen Änderungen des vom Bundestag am 24.06.2016 beschlossenen Gesetzes zu rechnen ist.
2.3
Hieraus wird die Beratungspraxis ihre Konsequenzen zu ziehen haben. Insbesondere wird es
unumgänglich sein, zumindest hinsichtlich solcher Erbfälle, die nach dem 30.06.2016, aber
vor der Zustimmung des Bundesrats zu einem „reformierten“ Gesetz stattgefunden haben
oder nach stattfinden werden, den Einwand der fehlenden Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Erbschaft- und Schenkungsteuer zu erheben.
2.4
Auf einem ganz anderen Blatt steht allerdings die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht
nicht bereit und auch berechtigt sein könnte, die in seiner Entscheidung vom 17.12.2014258
enthaltene Weitergeltungsanordnung auch der verfassungswidrigen Teile des Erbschaftund Schenkungsteuergesetzes über den 30.06.2016 hinaus zu verlängern. Hierzu hat das
Gericht am 14.07.2016 erstmals Stellung genommen:
 Per Pressemitteilung259 weist das Bundesverfassungsgericht zunächst darauf hin, dass die
ja von ihm selbst eingeforderte Gesetzesänderung „bis heute“ nicht erfolgt ist.
 Weiter wird in dieser Mitteilung ausgeführt, dass der Vorsitzende des zuständigen Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts die Bundesregierung, den Bundestag und den
Bundesrat mit Schreiben vom 12.07.2016 darüber informiert hat, dass sich das Gericht
nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz „befassen“ wird.
Welches Ergebnis diese erneute „Befassung“ haben wird, ist gegenwärtig nicht absehbar,
auch wenn eine dem Gesetzgeber gewährte Fristverlängerung insbesondere mit Rücksicht
auf die Staatsfinanzen durchaus vorstellbar ist. Dies kann aber an der oben skizzierten Geltendmachung der fehlenden gesetzlichen Grundlage durch die Beratungspraxis zunächst
nichts ändern.
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1 BvL 21/12 vom 17.12.2014, Tz. 5 in Aktuelles Steuerrecht I/2015
Nr. 41/2016
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3.
3.1
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„Nachrichtlich“: Die Inhalte des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes
Vorbemerkung
Festzuhalten bleibt es somit, dass es momentan einerseits in Deutschland kein verfassungskonformes Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz gibt und dass sich andererseits
ein vom Vermittlungsausschuss verabschiedetes Gesetz inhaltlich von demjenigen Gesetz unterscheiden wird, das der Bundestag am 24.06.2016 verabschiedet hat. Die diesbezügliche Vorlage des Finanzausschusses des Bundesrats vom 30.06.2016260 lässt die wesentlichen Forderungen derjenigen Parteien erkennen, die die Länderkammer gegenwärtig dominieren:
 Die vorgesehene Privilegierung der Übertragungsmöglichkeiten bei Familienunternehmen ist zu prüfen. Jedenfalls die Erweiterung auf Mitgesellschafter ist zu streichen.
 Die Gewährung der Optionsverschonung soll weiterhin an die Voraussetzung von
max. 10 v.H. Verwaltungsvermögen zu knüpfen sein.
 Die vorgesehene Begünstigung bei Beteiligungen an gewerblich geprägten Personengesellschaften (sowie Kapitalgesellschaften analog) wird abgelehnt.
 Eine Überdotierung des Altersvorsorgevermögens wird abgelehnt.
 Eine Wiederbelebung der sog. „Bargeld-GmbH“ wird abgelehnt.
 Die Abschmelzzone für den Verschonungsabschlag soll bei einem geringeren Betrag
als 90 Mio.  auslaufen und „stufenlos“ – also ohne die 750.000 -Stufen – ausgestaltet werden.
 Die Möglichkeit einer zinslosen Stundung der Steuer bis zu 10 Jahren wird als „nicht
akzeptabel“ abgelehnt.
 Die Änderung des Bewertungsgesetzes wird abgelehnt.
Aus diesem Grund habe ich nachfolgend die in dem vom Bundestag am 24.06.2016 beschlossenen Gesetz enthaltenen Lösungen des Gesetzgebers lediglich „nachrichtlich“ und
mit dem ausdrücklichen Hinweis dargestellt, dass diese allenfalls die Grundlage der kommenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss darstellen.
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BR-Drucksache 344/1/16
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3.2
Problembereich „Erhalt der Arbeitsplätze“
3.2.1
Der Befund des Bundesverfassungsgerichts
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Wie das Bundesverfassungsgericht261 unmissverständlich herausgestellt hat, sind besondere Begünstigungen für den Erwerb speziell betrieblichen Vermögens durch Erbschaft
oder Schenkung zwar nicht per se verfassungswidrig, sie müssen aber den Interessen
des Gemeinwohls dienen. Mit Blick hierauf muss sichergestellt sein, dass nach einem
insoweit begünstigten Erwerb die betrieblichen Arbeitsplätze erhalten bleiben. Dem genügt das Gesetz (Lohnsummenregelung gem. § 13a Abs. 1, § 13a Abs. 8 Ziff. 1, § 13a
Abs. 1 Satz 4 ErbStG) in seiner bisherigen Fassung aber nicht. Die Regelung, wonach bei
Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern der an der Lohnsumme gemessene Erhalt der
Arbeitsplätze nicht überprüft wird, ist verfassungswidrig; Ausnahmen von dieser
Nachweis- und Prüfungspflicht sind nach Auffassung des Gerichts nur bei Betrieben
mit „ganz wenigen“ Mitarbeitern zulässig. Mit Blick auf eine mögliche Nachbesserung
hat es das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber überlassen, ob dieser an der Lohnsummenregelung festhält und ob auch zukünftig (alleine) die Anzahl der Mitarbeiter für
die Steuerbefreiung maßgebend ist.
3.2.2
Die Lösung des Gesetzgebers
Nach langem Hin und Her hat sich die gegenwärtige Bundesregierung insoweit darauf
geeinigt, dass die Lohnsummenkontrolle (§ 13a Abs. 3 ErbStG-E) unter Geltung des
geänderten Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes nur noch dann komplett entfällt,
wenn der Betrieb nicht mehr als fünf Beschäftigte hat. Daneben soll es für Betriebe mit
mehr als fünf, aber mit nicht mehr als zehn Beschäftigten eine Reduzierung der einzuhaltenden Lohnsumme geben; für diese soll die für den Zugang zur Regelverschonung von 85 v.H. gem. § 13a Abs. 1 ErbStG-E einzuhaltende und nachzuweisende Lohnsumme nicht bei 400 v.H. der Ausgangslohnsumme, sondern bei lediglich 250 v.H. dieser
Summe innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb liegen.
Zur Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmer enthält der nunmehr von der Regierungskoalition vorgelegte Gesetzestext Klarstellungen. Hierbei sollen nämlich ausdrücklich solche
Arbeitnehmer unberücksichtigt bleiben, die sich im Mutterschutz oder in einem Ausbildungsverhältnis befinden, die Kranken- oder Elterngeld beziehen oder die nicht
ausschließlich oder überwiegend in dem betreffenden Betrieb tätig sind (Saisonarbeiter).
261
1 BvL 21/12 vom 17.12.2014, Tz. 5 in Aktuelles Steuerrecht I/2015
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3.3
Problembereich „Begünstigung nur des produktiven Vermögens“
3.3.1
Befund des Bundesverfassungsgerichts
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Grundgesetzwidrig sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts262 auch die
bisherigen Regelungen zum Umfang des zulässigen Verwaltungsvermögens gem.
§ 13b Abs. 2, § 13a Abs. 8 Ziff. 3 ErbStG insoweit, wie ein Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 v.H. grundsätzlich unschädlich ist.
Diese Sichtweise hat das Gericht damit begründet, dass es sich hierbei ja quasi um eine
Aufforderung an die Betroffenen handelt, vor einer geplanten Übertragung dem Betrieb
zunächst privates Vermögen bis zur jeweils geltenden Unschädlichkeitsgrenze als
Verwaltungsvermögen zuzuführen und dieses in der Folge unter Ausnutzung der Begünstigungen an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Hieran ändert aus Sicht
des Gerichts weder die Tatsache etwas, dass sog. junges Verwaltungsvermögen, also
Vermögen, das dem Betrieb innerhalb der letzten beiden Jahre vor der Übertragung zugeführt wurde, gem. § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG schon heute nicht begünstigungsfähig
ist, noch dass dem simplen Gestaltungsmodell der sog. „Bargeld-GmbH263“ bereits mit
Wirkung vom 07.06.2013 das Wasser abgegraben wurde.
262
263
3.3.2
Lösung des Gesetzgebers
3.3.2.1
Erfreulicherweise hat sich die Regierungskoalition zunächst darauf geeinigt, von ihrem
ursprünglichen Projekt einer sog. „Hauptzweckprüfung“ Abstand zu nehmen. Hiernach
sollte für die Bestimmung des zu begünstigenden „betriebsnotwendigen Vermögens“
der Hauptzweck der unternehmerischen Tätigkeit maßgeblich sein. Nur solche Wirtschaftsgüter, die zu mehr als 50 v.H. diesem Hauptzweck dienen, sollten zum begünstigten Vermögen zählen; dienen sie hingegen nur bis zu 50 v.H. diesem Hauptzweck
oder – losgelöst vom Betrieb – der Vermögensverwaltung, sollten sie der Besteuerung
unterliegen. Dieser Vorschlag, der eine kaum zu bewältigende Mehrarbeit sowohl für
die Beratungspraxis wie auch für die Dienststellen der Finanzverwaltung mit sich gebracht hätte, wurde im Ergebnis aber nicht umgesetzt; vielmehr soll es bei der bisherigen Abgrenzung zwischen begünstigungsfähigem Produktivvermögen und grundsätzlich nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen bleiben.
3.3.2.2
Flankiert werden soll die grundsätzliche Einteilung des betrieblichen Vermögens in zwei
Kategorien durch folgende Regelungen:
1 BvL 21/12 vom 17.12.2014, Tz. 5 in Aktuelles Steuerrecht I/2015
vgl. hierzu § 13b Absatz 2 ErbStG in dessen Fassung nach dem sog. „Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie
zur Änderung steuerlicher Vorschriften“, BGBl I 2013 S. 1809, Tz. 67.5 in AktStR III/2013
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AWS
 Die verfassungsrechtlich beanstandete unschädliche Verwaltungsvermögensquote
von 50 v.H. bei der Regelverschonung (sog. Alles-oder-Nichts-Prinzip) wird ersatzlos
gestrichen. Künftig soll der nach anteiligem Abzug von Schulden und dem pauschalem Abzug von sog. „unschädlichem Verwaltungsvermögen“ verbleibende Nettowert
des Verwaltungsvermögens (Nettoverwaltungsvermögen) besteuert werden (§ 13b
ErbStG-E). Als „unschädlich“ soll hierbei jedoch ein Anteil von bis zu 10 v.H. an
„allgemeinem“ Verwaltungsvermögen gelten (§ 13b Abs. 7 ErbStG-E).
 Für betriebliche Einheiten mit einem Verwaltungsvermögensanteil von 90 v.H. oder
mehr soll es keinerlei Begünstigung geben (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG-E).
 Als zu begünstigendes Produktivvermögen gelten bis zu 15 v.H. Barmittel; „junge“ Finanzmittel sind allerdings Verwaltungsvermögen und sollen stets der Besteuerung unterliegen (vgl. § 13b Absatz 8 ErbStG-E).
 Als zu begünstigendes Produktivvermögen gelten daneben „betriebsfördernd“
oder für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft verpachtete Grundstücke, Vermögenswerte zur betrieblichen Altersvorsorge und bestimmte Drittlandsbeteiligungen.
 Verwaltungsvermögen, das noch der Erblasser zur Investition in Produktivvermögen bestimmt hat und das auch tatsächlich innerhalb von 2 Jahren nach dem Erbfall
zu diesem Zweck verwendet wird, soll „zur Vermeidung von Härtefällen wegen des
Stichtagsprinzips“ rückwirkend auf den Erbfall dem Produktivvermögen zugerechnet (§ 13b Abs. 5 ErbStG-E) werden. Da derartige Härtefälle nach Auffassung
der Bundesregierung bei Schenkungen unter Lebenden deshalb ausgeschlossen sind,
weil Schenkungen und deren Vollzug planbar sind, soll diese Investitionsklausel nur
bei Erwerben von Todes wegen anwendbar sein.
3.4
Problembereich „Bedürftigkeit des Erwerbers“
3.4.1
Befund des Gerichts
Verfassungswidrig ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts264 auch die bisherige Gewährung der Verschonungen für den Erwerb betrieblichen Vermögens ohne
Bedürfnisprüfung (§§ 13a, 13b ErbStG). Zumindest beim Erwerb „größeren unternehmerischen Vermögens“ muss künftig geprüft werden, ob die Verschonung erforderlich
ist, um die Arbeitsplätze und/oder das Unternehmen zu erhalten. Hierbei hat es das
Bundesverfassungsgericht allerdings sowohl offen gelassen, was ein „großes Unternehmen“ sein soll, als auch wie eine „Bedürftigkeitsprüfung“ auszusehen hat.
264
1 BvL 21/12 vom 17.12.2014, Tz. 5 in Aktuelles Steuerrecht I/2015
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3.4.2
Seite E - 7
Lösung des Gesetzgebers
Die gegenwärtige Bundesregierung hat sich insoweit auf folgende Regelungen verständigt:
 Die „Prüfschwelle“ für größeres unternehmerisches Vermögen soll künftig bei
26 Mio.  Wert des Erwerbs je Erwerber (§ 28a Abs. 1 ErbStG-E) liegen. Für Erwerbe unterhalb dieser Schwelle soll es somit auch künftig keine Prüfung dahingehend geben, ob eine Verschonung zum Zwecke des Erhalts des Betriebes bzw. der
dort vorhandenen Arbeitsplätze erforderlich ist.
 Wenn und soweit die Prüfschwelle überschritten ist, ist eine Offenlegung des Vermögens des Erwerbers verbunden mit einem Steuererlass bei „Nicht-Zahlen-Können“
aus dem sog. „verfügbaren Vermögen“ vorgesehen. Dieses sog. verfügbare Vermögen soll nach § 28a Abs. 2 ErbStG-E 50 v.H. der Summe der gemeinen Werte des mit
der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen Vermögens, das nicht zum
begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 ErbStG gehört, sowie des dem
Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) bereits gehörenden
Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2
ErbStG zählen würde, umfassen.
 Kommt es demgegenüber zu einer Zahlung von Steuern, soll der Erwerber im Erbfall
Anspruch auf eine zinslose Stundung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren haben (§ 28 Abs. 2 ErbStG-E).
 Ohne Vermögensoffenlegung soll der Erwerber betrieblichen Vermögens demgegenüber nur Anspruch auf eine abschmelzende Begünstigung haben. Der Abschmelzverlauf des Verschonungsabschlags von 85 v.H. bei der Regelverschonung
(§ 13a Absatz 1 ErbStG) beziehungsweise von 100 v.H. bei der Optionsverschonung
(§ 13a Absatz 10 ErbStG) soll gem. § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG-E so geregelt werden,
dass der Verschonungsabschlag künftig um einen Prozentpunkt je 750.000  sinkt,
die der Wert des begünstigt erworbenen Vermögens die Wertgrenze von 26 Millionen  übersteigt.
 Allerdings soll bei der Optionsverschonung ab einem Wert des erworbenen begünstigten Vermögens von 90 Millionen  kein Verschonungsabschlag mehr gewährt
werden (§ 13c Abs. 1 Satz 2 ErbStG-E).
 Der Faktor für das vereinfachte Ertragswertverfahren, der gegenwärtig ja bei
17,86 liegt, soll gem. § 203 Abs. 2 Satz 2 BewG-E in Abhängigkeit von dem jeweils
geltenden Basiszins auf höchstens 12,5 gedeckelt werden.
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 Gem. § 13a Abs. 9 ErbStG-E ist ein Wertabschlag von bis zu 30 v.H. für „Familienunternehmen“ vorgesehen. Für eine Zuordnung zu dieser Kategorie sollen kumulativ folgende Beschränkungen vorliegen müssen:
 Die Entnahme oder Ausschüttung der Gewinne ist begrenzt
 Verfügungen über die Beteiligung an einer Personengesellschaft oder den Anteil
an einer Kapitalgesellschaft sind nur zugunsten von Mitgesellschaftern, von Angehörigen im Sinne des § 15 AO oder einer Familienstiftung zulässig.
 Für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft ist eine Abfindung vorgesehen, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft
oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft liegt. Hierbei soll die Höhe des Abschlags der im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung tatsächlich bestimmten
prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert entsprechen und darf 30 v.H. nicht übersteigen.
 Die diesbezüglichen Beschränkungen müssen in einem Zeitraum von zwei Jahren
vor und von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) gelten.
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