URSOLAR-Newsletter - Grazer Energieagentur

URSOLAR-Newsletter
Juli 2016
Projektziel & Fortschritt
Ziel des interdisziplinären Projektes URSOLAR (Optimierung der Solarenergienutzung in urbanen Energiesystemen) ist es, EntscheidungsträgerInnen eine interund transdisziplinäre Roadmap zur integrierten urbanen
Solarenergienutzung zur Verfügung zu stellen.
Basierend auf der Beschreibung städtebaulicher,
energietechnologischer, rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen wurden drei Fallstudiengebiete in Graz
ausgewählt, die aufgrund ihrer städtebaulichen Charakteristika als typisch für österreichische Städte angesehen
werden können (nähere Informationen: siehe Newsletter
02/2016). Im Anschluss wird eruiert, welche quartiersangepassten Energiesystemlösungen sowie zielgruppenorientierten Geschäftsmodelle in den Fallstudiengebieten in
Frage kommen.
Energietechnologische Aspekte
Das Team der Grazer Energieagentur (T. Kallsperger, G. Lang, T. Mayrold, E. Meißner, W. Trummer) beschäftigte sich vorrangig mit der Analyse von Energiesystemlösungen für die ausgewählten Fallstudienquartiere
und daraus resultierenden ersten Ergebnissen.
In einem ersten Schritt wurde für die Berechnung
jeweils ein durchschnittliches Gebäude (Referenzhaus)
aus dem Quartier ausgewählt und dafür der Strom- und
Wärmebedarf und Solarerträge (Strom und Wärme) simuliert. Im zweiten Schritt erfolgte eine Gesamtbetrachtung
der Quartiere, d.h. es wurde sowohl der Bedarf als auch
die mögliche Solarproduktion für das gesamte Quartier
ermittelt und zusätzlich – falls im Quartier vorhanden –
Industrie-/Gewerbeobjekte mitberücksichtigt. Bei dieser
quartiersweisen Betrachtung wurde ein gebäudeübergreifender Energieaustausch modelliert.
Die Nutzung des produzierten Stromes (Photovoltaik) wurde in drei Varianten betrachtet: (1) für Allgemeinstrom mit Überschuss-Netzeinspeisung, (2) Allgemeinstrom und Haushaltstrom mit ÜberschussNetzeinspeisung und (3) Nutzung für Allgemeinstrom,
Haushaltsstrom und die Erwärmung des Warmwassers
mit Überschuss-Netzeinspeisung. Bei der Ausnutzung
der thermisch produzierten Energie (Solarthermie) wurde
der Deckungsanteil im Gebäude für Heizung und Warm-
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wasser untersucht. Weiters wurde eine mögliche Überschusseinspeisung in das Fernwärmenetz angenommen.
Erste Simulationsergebnisse haben gezeigt, dass
erzielbare Solarerträge über Dachflächen aufgrund eingeschränkter Verfügbarkeit von geeigneten Fassadenflächen bei allen Quartieren deutlich über denen der Fassadenflächen liegen. Weiters wird bei einer 100% Belegung
der Dachfläche mit PV- oder Solarthermie-Kollektoren der
Eigenbedarf Strom als auch Wärme überschritten. Der
gebäudeübergreifende Energieaustausch im Quartier
kann bei den betrachteten Quartieren zwar den Anteil der
„vor Ort Nutzung“ erhöhen, jedoch nicht den gesamten
Überschuss aufnehmen, womit Speicherlösungen, Einspeisungen der Überschusserträge oder eine Reduktion
der Solarflächen erforderlich sind.
Nachfolgend sind beispielhaft die Simulationsergebnisse für Quartier 2 (Geschoßwohnbau in blockartiger
Anordnung im Grazer Bezirk Wetzelsdorf; großteils
Wohnobjekte mit einzelnen Gewerbeobjekten) dargestellt. Die spezifischen Erträge und der solare Deckungsanteil liegen bei Quartier 1 (Gründerzeitblock im Grazer
Bezirk Jakomini) etwas niedriger als bei Quartier 2. Die
Ergebnisse in Quartier 3 (Zeilenbebauung mit Shopping
Center) sind ähnlich Quartier 2.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Anteile der Eigennutzung und der Netzeinspeisung bei einer 100% Belegung mit PV für die unterschiedlichen Nutzungsvarianten
im Vergleich Referenzhaus zum Gesamtquartier.
Es ist zu erkennen, dass für das Referenzhaus bilanziell ein maximaler Deckungsbeitrag für den benötigten Strom (Allgemein, Haushalt und Warmwasserbedarf)
von ca. 45% erzielbar ist. Bei Variante 1 (derzeitiger Gesetzeslage) können durch die PV-Anlage, ohne Speicher,
nur 4 bis 5% davon im Objekt direkt genutzt werden. Bei
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Variante 2, wenn der produzierte PV Strom auch als
Haushaltsstrom verwendet werden kann, kann der Eigennutzungsanteil auf 25% gesteigert werden. Wird auch
die Warmwassererwärmung durch intelligente Ladesysteme in das Nutzungsprofil der PV Anlage integriert, kann
der Eigennutzungsanteil auf ca. 35% gesteigert werden.
Im Vergleich dazu kann bei Betrachtung des gesamten
Quartiers sowohl der Eigennutzungsanteil als auch der
gesamte bilanzielle Deckungsbeitrag durch die gebäudeübergreifende Nutzung und die Einbeziehung von Gewerbeobjekten noch zusätzlich gesteigert werden.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Anteile der Eigennutzung für Raumheizung und Warmwasserbereitung
und der Netzeinspeisung bei einer 100% Belegung mit
Solarthermiekollektoren im Vergleich Referenzhaus zum
Gesamtquartier.
Es ist zu erkennen, dass sich für das Referenzhaus
ein maximaler Deckungsbeitrag für Warmwasser und
Heizung von über 30% ergibt. Weitere 20% könnten in
das Fernwärmenetz eingespeist werden. Es können somit insgesamt über 50% des benötigten Energiebedarfs
erzeugt werden (bilanztechnisch). Durch die Einbeziehung der Gewerbeobjekte (zusätzliche Dachflächen für
Solarthermie und zusätzliche Wärmeabnehmer) kann bei
der Betrachtung des Gesamtquartiers dieser Anteil auf
etwa 55% gesteigert werden.
Im Zuge der Identifikation von quartiersangepassten
Energiesystemlösungen werden in weiterer Folge konkrete Simulationen unter Berücksichtigung von Speichertechnologien und Hybridkollektoren (kombinierte Stromund Wärmeproduktion mit einem Kollektor) sowie eine
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit Sensitivitätsanalyse
durchgeführt.
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Rechtliche Aspekte
Hinsichtlich der rechtlichen Aspekte wurde vom
Team der JuristInnen (M. Buchner, D. Geringer, G.
Schnedl, K. Stöger) im Berichtszeitraum ein Überblicksaufsatz über die rechtlichen Fragen im Zusammenhang
mit Solarenergienutzung im urbanen Raum erstellt, der
zuerst die raumbezogenen und dann die regulatorischen
Fragen systematisch darstellt.
Im Zuge der Untersuchung der rechtlichen Aspekte
zeigt sich (was teilweise schon im ersten Newsletter erwähnt wurde) immer deutlicher, dass insbesondere in
zwei Fragebereichen betreffend die Nutzung von Photovoltaik erhebliche rechtliche Unklarheiten bestehen:
(1) Der Einstufung der gewinnorientierten (Strom-) Erzeugung durch Dritte zur dezentralen Versorgung;
(2) Der Frage der Bindung von Kunden dezentraler Erzeugungsanlagen an den gewinnorientierten Erzeuger.
Relativ klar ist hingegen (wie schon berichtet), dass die
Verteilernetzmonopole nach derzeitiger Rechtslage einer
dezentralen Stromversorgung in Wohnhausanlagen regelmäßig entgegenstehen.
Die jüngste diesbezügliche Entwicklung ist ein in
Vorbereitung befindlicher Gesetzesentwurf für eine ElWOG-Novelle, der eine spezielle Rechtsgrundlage für
den Betrieb dezentraler (PV-)Erzeugungsanlagen für
Mehrfamilienhäuser schaffen soll. Mit diesem Entwurf,
dessen Beschlussfassung im Parlament im Herbst/Winter
möglich erscheint, bestünde die Chance, zahlreiche der
im Projekt als kritisch identifizierten rechtlichen Problemstellungen zu lösen und damit Rechtssicherheit für den
Betrieb dezentraler urbaner PV Erzeugungsanlagen zu
schaffen. Insoweit wird der weiteren Entwicklung dieses
Entwurfs im letzten Abschnitt des Projekts entsprechende
Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es ist allerdings zu
betonen, dass der Gesetzesentwurf nach derzeitigem
Stand keine Grundlage für eine ausgedehntere gebäudeübergreifende Versorgung (im Sinne sogenannter „Mikronetze“) bilden wird, sein Fokus liegt auf gemeinsamen
Erzeugungsanlagen für ein oder ausnahmsweise wenige
benachbarte Objekte.
Die beiden im Rahmen des Projekts entstandenen
juristischen Diplomarbeiten („Raumbezogene und zivilrechtliche Fragen“ einerseits und „Regulatorische sowie
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steuerrechtliche Fragen“ andererseits) wurden Ende Juni
fertig gestellt.
Soziale Aspekte
Das Team des Instituts für Systemwissenschaften,
Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung (T. Brudermann, E. Fleiß, P. Hart, S. Hatzl, A. Posch) hat auf Basis
einer zuvor durchgeführten Stakeholderanalyse und den
Ergebnissen qualitativer Interviews Hausverwaltungen
als wichtigste Zielgruppe identifiziert. Die Entscheidung
für die Errichtung einer Solaranlage wird sehr häufig von
Wohnbauträgern bzw. der Hausverwaltung und nur in
seltenen Fällen von EigentümerInnen angestoßen. Zur
Eruierung zielgruppenorientierte Geschäftsmodelle wird
derzeit eine online-Befragung unter österreichischen
Hausverwaltungen (n=818) durchgeführt.
Inhaltlich ist der Fragebogen an theoretischen Überlegungen zu Product-Service-Systems (PSS; Tukker,
2004) angelehnt. Dieses theoretische Konzept basiert auf
der Überlegung, dass dem Kunden anstelle eines Produkts ein Bündel aus Produkt und Serviceleistungen angeboten wird. Dabei verschiebt sich je nach Geschäftsmodellumsetzung der Fokus vom Verkauf des Produkts
in Richtung Erfüllung von Nutzerbedürfnissen. In der
Literatur wird zwischen drei Hauptkategorien solcher
Produkt-Service-Systeme unterschieden:
(i) Produkt-orientierte Services: Das Geschäftsmodell
ist hier nach wie vor hauptsächlich auf den Verkauf des
Produkts ausgerichtet, jedoch werden zusätzliche Services mitverkauft. Am Beispiel Solarenergieprojekte wäre
das etwa der Verkauf von Solar-Anlagen, inklusive vertraglich fixierter Service- und Wartungsleistungen.
(ii) Nutzungs-orientierte Services. Das Produkt spielt
hier eine zentrale Rolle, aber das Geschäftsmodell ist
nicht auf den Produktverkauf ausgerichtet. Stattdessen
verbleibt das Produkt im Eigentum des Anbieters, wird
aber den Kunden zugänglich gemacht, und unter Umständen auch von mehreren Kunden anteilig genutzt. Am
Beispiel Solarenergieprojekte wäre das etwa die Bereitstellung von Modulen für eine Hausgemeinschaft, welche
daraus ihren Strom- und Warmwasserbedarf (teilweise)
abdecken kann. Der Anbieter ist jedoch als Eigentümer
der Anlage für die Aufrechterhaltung des Services durch
allfällige Wartungen und Reparaturen verantwortlich.
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(iii) Ergebnis-orientierte Services: Hier vereinbaren
Anbieter und Kunden ein zu erzielendes Ergebnis, dabei
ist jedoch kein vorab bestimmtes Produkt involviert. Beispielsweise könnten sich Anbieter und Hausgemeinschaft
über die Bereitstellung und Bezug von Energie aus erneuerbaren Energien einigen, die konkrete Umsetzung
und Wahl der Technologien, und allfällige Änderungen
während der Vertragslaufzeit, obliegen dem Anbieter.
Die Grundidee von PSS ist im Fragebogen als
Bandbreite zwischen (i) Eigenabwicklung im Sinne von
produktorientierten Service und (ii) Fremdabwicklung im
Sinne von nutzungs- / ergebnisorientierten Service umgesetzt:
(ad i) Die Hausverwaltung ist im Namen und auf
Rechnung der EigentümerInnen (Besitzer) für die Umsetzung eines Solarenergieprojektes (inkl. Finanzierung,
Errichtung und Wartung der Anlage) zuständig.
(ad ii) Ein Drittunternehmen (Solar-ContractingFirma) ist für die Umsetzung des Solarenergieprojektes
(inkl. Finanzierung, Errichtung, Wartung der Anlage, Abbau und Erneuerung) zuständig und die EigentümerInnen
beziehen nur die Energie zu einem festgelegten Preis.
Der Hausverwaltung bzw. EigentümerInnen wird der administrative und technische Aufwand zum größten Teil
abgenommen.
Zusätzlich werden im Fragebogen Informationen zum
Unternehmen, Erfahrungen mit Solarenergieprojekten,
die Intention, künftig Solarenergieprojekte umzusetzen
sowie Rahmenbedingungen und fördernde/hemmende
Faktoren erhoben.
Disseminationsaktivitäten
Der Überblicksaufsatz über die rechtlichen Fragen
im Zusammenhang mit Solarenergienutzung im urbanen
Raum wurde von Gerhard Schnedl am Grazer Energierechtstag 2016 präsentiert. In der Folge kam es auch zu
weiteren Kontakten mit interessierten Stakeholdern. Im
September 2016 wird dieser Überblicksaufsatz im „Energierechtstag-Sonderheft“ der Fachzeitschrift „Recht der
Umwelt – RdU“ erscheinen.
Im Rahmen des 17. Österreichischen Klimatages (6.
bis 8. April 2016) wurden das Projekt URSOLAR anhand
eines Posters präsentiert. Die Posterausstellung war an
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beiden Tagen durchgehend zugänglich, wodurch es zu
vielen interessanten Diskussionen mit interessierten TeilnehmerInnen kam.
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Zusätzlich hatten wir die Möglichkeit beim Grazer Umweltrechtsforum 2016 zum Thema „Klimaschutzrecht
zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, am 16. Juni 2016
das URSOLAR-Poster auszustellen und so auf unser
Projekt aufmerksam zu machen.
Ausblick
Abbildung 1: URSOLAR Poster, Eigene Quelle
Das Projekt, sowie erste Ergebnisse wurden weiters auf
der Veranstaltung Gleisdorf Solar 2016 (6. bis 8. Juni
2016) präsentiert. Patrick Hart als Vertreter des URSOLAR Projektteams erhielt sogar den Best Poster Award
für die URSOLAR-Projektpräsentation.
In der weiteren Projektlaufzeit werden im Rahmen
von Arbeitspaket 2 Simulationen unter Berücksichtigung
von Speichertechnologien und Hybridkollektoren erfolgen. Aufbauend auf den Ergebnissen der onlineBefragung unter Hausverwaltungen ist eine Fokusgruppendiskussion mit Hausverwaltungen der Fallstudiengebiete geplant. Ziel ist es einerseits Akzeptanz und Entscheidungsverhalten für Solarenergieprojekte spezifisch
in den Fallstudiengebieten abzuklären und andererseits
detaillierte Informationen über Umsetzungslösungen bezogen auf Geschäftsmodelle zu erhalten. Diese Ergebnisse werden gemeinsam auf Basis der juristischen Diplomarbeiten eine Identifikation von zielgruppenorientierten Geschäftsmodellen ermöglichen. Gemeinsam mit den
Ergebnissen der quartiersangepassten Energiesystemlösungen wird ein erster Entwurf der Roadmap erstellt und
von allen ProjektpartnerInnen begutachtet. Dieser Erstentwurf wird in weiterer Folge in einem transdisziplinären
Stakeholder-Workshop nach Nachhaltigkeitskriterien
diskutiert, bewertet und auf diesem aufbauend erweitert.
Folglich wollen wir in diesem Newsletter die Chance
ergreifen und alle beteiligten als auch interessierten Personen am Projekt URSOLAR zu diesem StakeholderWorkshop am 3. Oktober von 8:00 bis 12:00 einladen
(separate Einladung mit genaueren Informationen zur
Veranstaltung folgt)!
Ein weitererTermin ist die e-Nova 2016 am
24./25.11.2016 am Campus Pinkafeld, bei der ein Vortragsvorschlag eingebracht wurde.
Kontakt:
Ao. Univ. Prof. Dr. Mag. Alfred Posch
[email protected]
Abbildung 2: URSOLAR Poster-Prämierung, Eigene Quelle
Stadt der Zukunft ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMVIT von der
Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria
Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für
Umwelt und Technik ÖGUT abgewickelt.