Artikel als PDF lesen - ff - Das Südtiroler Wochenmagazin

leitartikel
Ichlinge unter sich
Südtirols Politiker haben Showqualitäten. Das zeigen die Halbzeitpressekonferenzen.
Nette Bilder allein können aber nicht über die Probleme der Regierung hinwegtäuschen.
von Alexandra
Aschbacher
Einen Sinn für
eine gemeinsame
Identität als
Regierungsmannschaft
haben
Kompatscher und
seine Landesräte
noch nicht
entwickelt.
D
ie Franzensfeste ist eine Festung mit
schweren Mauern, labyrinthischen Gän­
gen und vielen Schießscharten. Ein gi­
gantischer Steinehaufen, der eigentlich für nichts
gut war: Die Bevölkerung rechnete zwar immer
mit einem Krieg, aber sämtliche Schlachten sind
an dieser Festung vorbeigegangen.
Das Land Südtirol hat dann viel Geld locker
gemacht, um die Trutzburg aus dem 19. Jahr­
hundert zu restaurieren – wie man mit ihr um­
geht, weiß man aber immer noch nicht so recht.
Auf der Homepage der Festung jedenfalls kann
man nachlesen, dies sei ein Ort, „an dem Neues
auf Altem aufbaut“.
Wenn also Landeshauptmann Arno Kompat­
scher jüngst seine Halbzeitpressekonferenz aus­
gerechnet auf der Franzensfeste abgehalten hat,
so gestattet das ein großes Spektrum an symbol­
haften Interpretationen: ein Landeshauptmann,
der sich hinter bisherigen Erfolgen verschanzt; ei­
ner, der Sicherheit demonstrieren und das Volk
beruhigen will; ein Mann Europas und der Eu­
roparegion – immerhin galt die Festung ihrerzeit
als stärkste Befestigungsanlage Europas.
Interpretation hin oder her – der Landes­
hauptmann und seine Landesräte haben bei ih­
ren Halbzeitpressekonferenzen gezeigt, dass sie
durchaus hohe Showqualitäten haben. Sie sind
geschmackssicher – zumindest was die Außen­
darstellung betrifft.
Agrarlandesrat Arnold Schuler präsentierte
seine Bilanz inmitten der Blumenpracht der
Gärten von Schloss Trauttmansdorff, Landesrä­
tin Martha Stocker recycelte ihre Halbzeitarbeit
in der Möbelwerkstatt der Sozialgenossenschaft
Akrat, Waltraud Deeg lud ins Haus der Fami­
lie in Lichtenstern, Florian Mussner stellte sich
in die Remise der Rittner Bahn, Christian Tom­
masini wählte den Ausstellungsort „Archimod“
in Bozen Süd, und Richard Theiner stellte sich
auf die Dachterrasse des Landhauses 11, um­
geben nur von Luft und Landschaft. Der Jung­
® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl spund der Regierung freilich, Philipp Achammer,
toppte alle: Er stellte sich nicht nur selbst auf die
Bühne des Bozner Stadttheaters, sondern holte
sich drei Gäste sowie eine Moderatorin herauf,
die an seiner Stelle über seine erste Halbzeit als
Landesrat urteilten.
Natürlich darf man all das machen. Politik
braucht nun einmal Bilder und Formen, die ihre
Inhalte unmittelbar kommunizieren. Der Wille
zur Macht – das hat Nietzsche schon gewusst –
ist stets auch ein Wille zur Form. Das Problem ist
nur: Mittlerweile muss in der Politik alles symbo­
lisch sein, sie verkommt so oft zu einer Schein­
welt. Schöne Bilder täuschen oftmals über die ei­
gentlichen Probleme hinweg.
Die Landesregierungsmitglieder haben den
Eindruck erweckt, dass sie mehr auf Show als
Substanz setzen. Was zählt, ist der Einzelne. Je­
der glänzt lieber als Solist denn als Team. Einen
Sinn für eine gemeinsame Identität als Regie­
rungsmannschaft haben Kompatscher und seine
Landesräte noch nicht entwickelt.
Es fehlt ein Team, das geschlossen für das gute
Weiterkommen des Landes kämpft. Jedes Regie­
rungsmitglied, so scheint es, braucht nur sich,
und so handelt es auch. Ein gemeinsamer Auftritt
zum Beispiel wäre schön gewesen, in dem glaub­
haft demonstriert worden wäre, dass die Regie­
rung kompakt und entschlossen in die zweite
Halbzeit startet.
Das Land erlebt seit zweieinhalb Jahren eine
tastende, suchende, eine weg- und wieder auf­
tauchende Regierung. Es erlebt den politischen
Selbstfindungsversuch einer neuen und jungen
Regierung, die ihre Arbeit selbst unter das Motto
der „Erneuerung“ gestellt hat.
Das dringlichste Gebot deshalb: Weniger Po­
litikersprech in der zweiten Halbzeit, mehr hand­
fest-kernige Aussagen und Entscheidungen. Eine
kompakte Regierungstruppe, keine Ansamm­
n
lung showerprobter Ichlinge.
No. 28 / 2016