Europäische Kommission - Pressemitteilung
Kartellrecht: Weitere Schritte der Kommission in Untersuchungen zum
Preisvergleichsdienst und zu den Werbepraktiken von Google wegen
mutmaßlichen Verstoßes gegen EU-Vorschriften*
Brüssel, 14. Juli 2016
Die Kommission hat Google zwei Mitteilungen der Beschwerdepunkte übermittelt. In einer
ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte bekräftigt sie ihre vorläufige
Schlussfolgerung, dass Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es
den eigenen Preisvergleichsdienst auf seinen Suchergebnisseiten systematisch bevorzugt.
In einer getrennten Mitteilung der Beschwerdepunkte teilt die Kommission Google ihre
vorläufige Auffassung mit, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung auch
dadurch missbraucht, dass es die Möglichkeiten Dritter, auf ihren Websites
Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles anzuzeigen, künstlich beschränkt.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Google
hat viele innovative Produkte entwickelt, die unser Leben verändert haben. Das gibt Google aber nicht
das Recht, anderen Unternehmen Wettbewerbs- und Innovationsmöglichkeiten zu nehmen. Wir haben
heute unsere Auffassung bekräftigt, dass Google den eigenen Preisvergleichsdienst auf seinen
allgemeinen Suchergebnisseiten übermäßig bevorzugt. Die Verbraucher bekommen deshalb bei ihrer
Suche nicht unbedingt die für sie relevantesten Ergebnisse zu sehen. Wir haben auch Bedenken
geäußert, dass Google den Wettbewerb behindert, indem es die Möglichkeiten für Wettbewerber
begrenzt, Suchmaschinenwerbung auf Websites Dritter zu platzieren. Dies schränkt die Auswahl für die
Verbraucher ein und verhindert Innovation.
Google hat nun Gelegenheit, zu unseren Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ich werde die Argumente des
Unternehmens sorgfältig prüfen, bevor ich entscheide, wie wir in beiden Fällen weiter verfahren.
Sollten unsere Untersuchungen jedoch ergeben, dass Google gegen die EU-Kartellvorschriften
verstoßen hat, ist die Kommission verpflichtet zu handeln, um die europäischen Verbraucher und den
fairen Wettbewerb auf den europäischen Märkten zu schützen.“
Die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Preisvergleichsdienst schließt an eine Mitteilung
der Beschwerdepunkte an, die im April 2015 in derselben Sache übermittelt wurde. Beide Mitteilungen
der Beschwerdepunkte sind an Google und seine Muttergesellschaft Alphabet gerichtet. Die
Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.
Preisvergleichsdienst
Nach der Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte im April 2015 und dem Eingang der
Stellungnahme von Google im August 2015* hat die Kommission weitere Ermittlungen vorgenommen.
In der heutigen Mitteilung der Beschwerdepunkte werden vielfältige zusätzliche Beweismittel und
Daten dargelegt, die die vorläufige Schlussfolgerung der Kommission untermauern, dass
Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es den eigenen Preisvergleichsdienst
auf seinen allgemeinen Suchergebnisseiten systematisch bevorzugt. Die zusätzlichen Beweismittel
beziehen sich unter anderem auf die Art und Weise, wie Google seinen eigenen Preisvergleichsdienst
gegenüber entsprechenden Diensten von Wettbewerbern bevorzugt, die Auswirkungen der Platzierung
einer Website auf den Suchergebnisseiten von Google auf die Zahl der Aufrufe und die Entwicklung der
Aufrufe des Preisvergleichsdienstes von Google im Vergleich zu den Diensten seiner Wettbewerber. Die
Kommission hat die Befürchtung, dass die Nutzer bei ihrer Suche nicht notwendigerweise die für sie
relevantesten Ergebnisse zu sehen bekommen. Dies schadet den Verbrauchern und verhindert
Innovation.
Darüber hinaus hat die Kommission eingehend das Argument Googles geprüft, Preisvergleichsdienste
sollten nicht isoliert betrachtet werden, sondern zusammen mit den Diensten von Händlerplattformen
wie Amazon und eBay. Die Kommission ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass
Preisvergleichsdienste und Händlerplattformen zu unterschiedlichen Märkten gehören. Unabhängig
davon wird in der heutigen ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt, dass
Preisvergleichsdienste selbst bei Einbeziehung der Händlerplattformen in den von den Praktiken
Googles betroffenen Markt einen wesentlichen Teil dieses Marktes ausmachen und dass Google durch
sein Verhalten den Wettbewerb vonseiten seiner wettbewerblich nächsten Konkurrenten
geschwächt oder sogar fast beseitigt hat.
Mit der Übermittlung der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte bekräftigt die Kommission ihre
vorläufige Schlussfolgerung und schützt gleichzeitig die Verteidigungsrechte von Google, indem sie
dem Unternehmen Gelegenheit gibt, sich förmlich zu den zusätzlichen Beweismitteln zu äußern. Google
und Alphabet haben nun 8 Wochen Zeit, um zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte
Stellung zu nehmen.
AdSense
Die Kommission hat Google ferner eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den Beschränkungen
übermittelt, die das Unternehmen bestimmten Dritten in Bezug auf deren Möglichkeiten auferlegt, auf
ihren Websites Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles anzuzeigen.
Nach der in der heutigen Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten vorläufigen Auffassung der
Kommission haben diese Praktiken es Google ermöglicht, seine beherrschende Stellung in der
Suchmaschinenwerbung zu behaupten. Das Unternehmen hat vorhandene und potenzielle
Wettbewerber, darunter andere Suchdienste und Online-Werbeplattformen, daran gehindert, in diesem
kommerziell bedeutsamen Bereich Fuß zu fassen und zu wachsen.
Google platziert Suchmaschinenwerbung direkt auf der Website Google-Suche, aber auch als Vermittler
über die Plattform „AdSense for Search“ auf Websites Dritter (Vermittlung von
Suchmaschinenwerbung). Dazu gehören unter anderem die Websites von Online-Einzelhändlern,
Telekommunikationsbetreibern und Zeitungen. Die Websites bieten ein Suchfeld, in dem die Nutzer
nach Informationen suchen können. Jedes Mal, wenn ein Nutzer eine Suchanfrage eingibt, erscheint
neben den Suchergebnissen auch Suchmaschinenwerbung. Wenn der Nutzer die
Suchmaschinenwerbung anklickt, erhält sowohl Google als auch der Dritte eine Provision.
Die Kommission ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens der Auffassung, dass Google auf dem Markt
für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit
Marktanteilen von in den letzten zehn Jahren rund 80 % eine beherrschende Stellung innehat. Ein
großer Teil der Einnahmen von Google aus der Vermittlung von Suchmaschinenwerbung geht auf seine
Vereinbarungen mit einer begrenzten Zahl von großen Dritten, sogenannten direkten Partnern, zurück.
Die Kommission hat Bedenken, dass Google mit den folgenden Bedingungen in den Vereinbarungen mit
direkten Partnern gegen EU-Kartellrecht verstoßen haben könnte:
- Exklusivität: Die Dritten dürfen keine Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles
beziehen.
- Premium-Platzierung einer Mindestzahl von Google-Suchmaschinenanzeigen Die Dritten
müssen Google eine Mindestzahl von Suchmaschinenanzeigen abnehmen und den am besten
sichtbaren Platz auf ihren Suchergebnisseiten für Google-Suchmaschinenwerbung reservieren.
Außerdem darf konkurrierende Suchmaschinenwerbung weder über noch neben GoogleSuchmaschinenwerbung platziert werden.
- Genehmigungsvorbehalt für konkurrierende Werbung Die Dritten müssen die Genehmigung
von Google einholen, bevor sie etwas an der Präsentation konkurrierender Suchmaschinenwerbung
ändern.
Die Kommission vertritt die vorläufige Auffassung, dass diese seit zehn Jahren geübte Praxis den
Wettbewerb auf diesem kommerziell bedeutsamen Markt behindert. In der Mitteilung der
Beschwerdepunkte wird beanstandet, dass ab 2006 Exklusivität verlangt wurde. Ab 2009 wurde diese
Klausel in den meisten Verträgen schrittweise durch die Bedingung der Premium-Platzierung einer
Mindestzahl von Anzeigen und den Genehmigungsvorbehalt für konkurrierende Werbung ersetzt. Die
Kommission befürchtet, dass diese Praktiken während des gesamten Zeitraums die Auswahl künstlich
eingeschränkt und Innovation auf dem Markt verhindert haben. Sie haben die Geschäftsmöglichkeiten
für die Wettbewerber von Google auf diesem kommerziell bedeutsamen Markt künstlich verringert und
den Websites Dritter Investitionen in ein breiteres Angebot und innovative Dienste für die Verbraucher
erschwert.
Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass Google im Rahmen des Kartellverfahrens vor Kurzem
beschlossen hat, die Bedingungen seiner AdSense-Verträge mit den direkten Partnern zu ändern und
ihnen mehr Freiheit einzuräumen, konkurrierende Suchmaschinenwerbung anzuzeigen. Die
Kommission wird diese Änderung der Praxis von Google genau beobachten und bewerten, wie sie sich
auf den Markt auswirkt.
Google und Alphabet haben nun 10 Wochen Zeit, um zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte
Stellung zu nehmen.
Hintergrund
Das wichtigste Produkt von Google ist die allgemeine Internetsuche. Sie liefert den Verbrauchern
Suchergebnisse mit zu den Suchanfragen passender Online-Werbung. Google erzielt einen erheblichen
Teil seiner Einnahmen mit Suchmaschinenwerbung. Google hat daher ein Interesse daran, dass
möglichst viele Nutzer die von ihm platzierte Werbung sehen, entweder auf seinen eigenen Websites
oder auf denen von Dritten.
Nach Auffassung der Kommission hat Google bei allgemeinen Internetsuchdiensten und
Suchmaschinenwerbung auf den Websites Dritter mit einem Marktanteil von über 90 % bzw. über
80 % im gesamten EWR eine marktbeherrschende Stellung inne. Eine marktbeherrschende Stellung ist
nach EU-Wettbewerbsrecht an sich kein Problem. Allerdings dürfen marktbeherrschende Unternehmen
ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem Markt, auf dem sie
die beherrschende Stellung innehaben, oder auf benachbarten Märkten einschränken.
Die Kommission hat im November 2010 ein Verfahren eingeleitet, das die Bevorzugung des eigenen
Preisvergleichsdienstes durch Google sowie die Beschränkungen betraf, die das Unternehmen
bestimmten Dritten in Bezug auf deren Möglichkeiten auferlegt, auf ihren Websites
Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern Googles anzuzeigen. In den heutigen Mitteilungen der
Beschwerdepunkte wird die vorläufige Auffassung der Kommission dargelegt, dass die Art und Weise,
auf die Google versucht hat, möglichst viele Nutzer für seine eigenen Websites zu gewinnen und die
Möglichkeiten für Wettbewerber, Suchmaschinenwerbung auf Websites Dritter zu platzieren, zu
begrenzen, gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt.
Die Kommission hat damals auch Verfahren zur Vorzugsbehandlung, die Google seinen anderen
spezialisierten Suchdiensten in seinen allgemeinen Suchergebnissen gewährt, sowie zu Bedenken in
Bezug auf das Kopieren von Webinhalten konkurrierender Unternehmen (auch als „ Scraping“
bezeichnet) und übermäßige Beschränkungen für werbende Unternehmen eingeleitet und setzt diese
Untersuchungen fort.
Auch von der laufenden kartellrechtlichen Untersuchung der Kommission zum Google-Betriebssystem
Android und zu bestimmten mobilen Anwendungen sind die heutigen Mitteilungen der
Beschwerdepunkte unabhängig. Hierzu hat die Kommission im April 2016 eine Mitteilung der
Beschwerdepunkte an Google und Alphabet gerichtet.
Hintergrundinformationen zum Verfahren
Die Kommission hat heute beschlossen, auch gegen die Muttergesellschaft von Google, Alphabet, ein
Verfahren einzuleiten. Alphabet wurde gegründet, nachdem die Kommission das Verfahren gegen
Google eingeleitet hatte. Die beiden oben zusammengefassten Mitteilungen der Beschwerdepunkte sind
sowohl an Google als auch an Alphabet gerichtet. Darüber hinaus ist Alphabet die Mitteilung der
Beschwerdepunkte vom April 2015 zugestellt worden.
Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet die
missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, die den Handel beeinträchtigen und
den Wettbewerb verhindern oder einschränken kann. Wie diese Bestimmung umzusetzen ist, regelt die
Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates), die sowohl von der Kommission als auch
von den Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten angewandt werden kann.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im
Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften, mit dem sie das betroffene
Unternehmen schriftlich von den gegen es erhobenen Vorwürfen in Kenntnis setzt. Das Unternehmen
kann daraufhin die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, schriftlich Stellung nehmen und eine
mündliche Anhörung beantragen, um Vertretern der Kommission und der nationalen
Wettbewerbsbehörden seinen Standpunkt darzulegen.
In einer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte kann die Kommission ihre vorläufigen
Schlussfolgerungen bekräftigen und auf Punkte eingehen, die das Unternehmen in seiner
Stellungnahme zur ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte angesprochen hat. Auch die
Verteidigungsrechte des Unternehmens werden geschützt, da es Gelegenheit erhält, sich förmlich zu
den zusätzlichen Beweismitteln zu äußern.
Die Übermittlung einer (ergänzenden) Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der
Untersuchung nicht vor, da die Kommission einen abschließenden Beschluss erst erlässt, wenn die
Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben.
Für den Abschluss kartellrechtlicher Untersuchungen zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gilt für
die Kommission keine zwingende Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von
verschiedenen Faktoren ab, z. B. der Komplexität der Sache, dem Umfang, in dem das betroffene
Unternehmen mit der Kommission kooperiert, und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Weitere Informationen finden Sie im öffentlich zugänglichen Register auf der Website der
Generaldirektion Wettbewerb unter den Nummern 39740 (Preisvergleichsdienst von Google) und
40411 (Google AdSense).
*Update am 14/07/2016, 18:28 CET: ersetzt "September 2015" mit "August 2015"
IP/16/2532
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