GEA-Wirtschaftsmagazin_150716

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4.0 - Nachgeforscht an der
Hochschule Reutlingen
Wie vielfältig die Entwicklungen im
Bereich 4.0 sein können, zeigt sich an
den Forschungsprojekten der Hochschule
Reutlingen.
Von den Professoren der Hochschule
D
er Begriff »4.0« hat sich inzwischen
zu einem Schlagwort für die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft
entwickelt. Ursprünglich leitet sich »4.0«
aus der Bezeichnung »Industrie 4.0« und
der damit verbundenen vierten industriellen Revolution ab – gemeint ist in erster
Linie die digitale Vernetzung physischer
Produktionssysteme. Digitale Technologien
spielen inzwischen jedoch in allen Lebensbereichen eine wesentliche Rolle – so auch
an der Hochschule Reutlingen.
An der Fakultät Informatik wird das Thema »4.0« aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Die Fakultät setzt auf allgemeine Lösungen und demonstriert diese in
spezifischen Anwendungsszenarien. Dabei
liegen die Herausforderungen oft in der
Interdisziplinarität, stets stellen jedoch moderne Informationstechnologien (IT) einen
zentralen Baustein für innovative Lösungen
dar.
So entstand zum Beispiel das Management Cockpit aus langjährigen Forschungsaktivitäten im Forschungsbereich »Enterprise Performance Management & Business
Intelligence« unter der Leitung von Prof.
Armin Roth. Mit dem Management Cockpit kann man erforschen, wie der Managementprozess der Planung, Steuerung und
Kontrolle durch Analyse- und Visualisierungsmöglichkeiten besser unterstützt und
effizienter gestaltet werden kann. Aktuell
wird untersucht, inwiefern durch Industrie
Blick ins Management Cockpit
an der Fakultät Informatik der
Hochschule Reutlingen
4.0 generierte Datenströme mittels Echtzeitdatenanalyse dem Management in Entscheidungsprozessen behilflich sein können.
Neue Methoden des künstlichen Sehens
werden auch intensiv im Forschungsbereich
»Kognitive Systeme« unter der Leitung
von Prof. Dr. Cristóbal Curio entwickelt.
Die Entwicklungen konzentrieren sich im
Rahmen eines öffentlich geförderten BMBF
Projekts »Offene Fusions-Plattform« im
Bereich Elektromobilität auf das autonome
Fahren im städtischen Verkehr. Zusammen
mit beteiligten Institutionen wie dem DLR
oder der Streetscooter GmbH stellen sich
die Reutlinger Forscher der Herausforderung, neue Logistikkonzepte auf den innerstädtischen Bereich auszudehnen und erweiterte Wahrnehmungsfunktionen in der
So sieht der intelligente OP der Zukunft aus: Digitale Systeme erfassen
und optimieren die Vorgänge
Analyse des Fußgängerverhaltens für die
autonomen Transportmittel zu entwickeln.
Zudem wird im Labor Internet-of-Things
unter der Leitung von Prof. Dr. Natividad
Martínez ein adaptives Fahrassistenzsystem
entwickelt, das Echtzeitrückmeldungen
über das Fahrverhalten mit dem Ziel des sicheren und energieeffizienten Fahrens gibt.
Im »Intelligenten Operationssaal« werden optimierte, prozessunterstützende
Systeme vor allem wegen der hohen Variabilität der Eingriffe sowie der notwendigen
Flexibilität im OP-Umfeld erforderlich.
Prof. Dr. Oliver Burgert, Sprecher der Forschungsgruppe Computer-Assistierte Medizintechnik, arbeitet daher an der Qualitäts- und Effizienzsteigerung im OP-Umfeld
durch prozessunterstützende Maßnahmen.
Es wird erforscht, wie die komplexe und
schwer vorhersehbare Situation im Operationssaal und im OP-Umfeld angemessen
erfasst und ausgewertet werden kann.
Neue Geschäftsmodelle
für Unternehmen
Im Lehr- und Forschungszentrum für
Wertschöpfungs- und Logistiksysteme der
Fakultät ESB Business School entwickeln
Prof. Dr. Vera Hummel und Prof. Dr. Daniel
Palm in Kooperation mit dem Fraunhofer
Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation IAO, Stuttgart neue Geschäftsmodelle im Kontext von Industrie 4.0 für kleine
und mittlere Unternehmen (KMU).
Da es bislang für das produzierende
Gewerbe und unternehmensbezogenen
Dienstleistungen an validen Methoden zur
individuellen Potenzialermittlung, Trans-
parenzbildung und insbesondere Risikoabschätzung bei der Umstellung auf 4.0 fehlt,
soll das Projekt GEN-I 4.0 an dieser Stelle
unterstützen. Durch GEN-I 4.0 wird das
Wissen, welches zur Bewertung und Selektion von Lösungen und Ansätzen für die
Überführung in Geschäftsmodelle erforderlich ist, durch nationale und internationale
Analysen und Interviews gewonnen und
konkretisiert. Es fließt gemeinsam mit dem
Know-how der Projektpartner zu Industrie
4.0 und zur Geschäftsmodellentwicklung
in zwei Online-Tools ein, mit denen KMU
online durch eine Selbstbewertung (Self-Assessment) einerseits das Potenzial durch
Industrie 4.0 für ihr individuelles Geschäftsmodell und einen strukturierten, konkreten
Pfad zur Erschließung ermitteln können und
andererseits ihr individuelles Risiko aufgezeigt bekommen.
Auf dem Weg zur
netzfernen Energieversorung
An einer Lösung für die Energieversorgung von Orten, die weit von infrastrukturell ausgebauten Industrieregionen entfernt
liegen, arbeitet derzeit Prof. Dr. Antonio Notholt aus der Fakultät Technik. Diese Orte
haben oft keinen Anschluss zum Stromnetz
und werden deshalb mittels Diesel-Stromerzeuger versorgt. Die Einbindung von Erneuerbaren Energien wäre zwar eine kostengünstige Alternative, stellt sich jedoch noch
als sehr komplex in Planung und Betrieb heraus. Daher forschen Prof. Notholt und sein
Team an einer Möglichkeit, eine Vernetzung
zwischen Solarstromerzeugern, Dieselstromerzeugern und Betreibern zu schaffen,
sodass das System eigenständig und optimal
arbeiten kann. Ziel ist, dass der Betreiber jederzeit genau weiß, was mit seinem System
passiert und wie er bei Problemen verfahren
soll. Darüber hinaus gibt es eine virtuelle
Inbetriebnahme und Support des Systems,
damit notwendige Unterstützung innerhalb
von Minuten aus Deutschland in die abgelegensten Regionen gewährleistet werden
kann.
Technologie-Roadmap
für Prozesssensoren
Prof. Dr. Karsten Rebner von der Fakultät Angewandte Chemie hat an der Entwicklung einer Technologie-Roadmap für
»Prozesssensoren 4.0« der VDI/VDE-Gesellschaft mitgearbeitet. Diese Roadmap fokussiert sich auf die Erfassung von physikalischen und chemischen Messgrößen mittels
spezifischer und unspezifischer Sensoren,
die der Steuerung und dem Verständnis
von Prozessen dienen. Sie zeigt die nötigen
Anforderungen an smarte Prozess-Sensoren auf – vom einfachen Temperatursensor
bis über heute in Entwicklung befindlichen
Mess-Systeme hinaus. Wichtige smarte
Eigenschaften sind beispielsweise die Konnektivität und Kommunikationsfähigkeit
nach einem einheitlichen Protokoll, die
Instandhaltungs- und Betriebsfunktionen
oder die Interaktionsfähigkeit.
Eine ausführliche
Übersicht dieser und
weiterer Projekte zu 4.0
finden Sie hier