PIRLS und Gender Erste Ergebnisse Birgit Suchan & Silvia Bergmüller PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse Allgemeines zu PIRLS PIRLS, die „Progress in International Reading Literacy Study“, ist eine von der IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) initiierte internationale Studie, die die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern der vierten Schulstufe im 5-Jahres-Abstand testet. An der Studie 2006 beteiligten sich 40 Teilnehmerländer und fünf kanadische Provinzen. Österreich beteiligte sich 2006 zum ersten Mal an PIRLS, international startete die Studie 2001. Gemeinsam mit der Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) bildet PIRLS das „Herzstück“ der zyklisch stattfindenden Studien der IEA. PIRLS erfasst im Wesentlichen drei Aspekte der Lesekompetenz: (1) Das Leseverhalten und die Einstellung zum Lesen als eine wichtige Grundvoraussetzung, um später gut lesen zu können. (2) Die Leseabsichten; im Rahmen von PIRLS wird zwischen „Lesen, um Informationen zu gewinnen“ und „Lesen, um literarische Erfahrung machen“ unterschieden. (3) Die Verstehensprozesse, die sich in die folgenden vier Bereiche gliedern: „Erkennen und Wiedergeben explizit angegebener Informationen“, „Ziehen einfacher Schlussfolgerungen“, „Interpretieren sowie Verknüpfen von Gedanken und Informationen“ und „Untersuchen und Bewerten von Inhalt, Sprache und einzelnen Textelementen“. Die Messung der Lesekompetenz erfolgt mit einem 80-minütigen Papier-Bleistift-Test mit für Schüler/innen authentischen Lesematerialien (Informationstexte und literarische Texte). Zu jeweils einem längeren Text werden 10 bis 13 Aufgaben gestellt. Diese sind entweder Multiple-ChoiceAufgaben, bei denen die Schüler/innen aus vorgegebenen Antwortalternativen die richtige auswählen müssen, oder Aufgaben mit offenem Antwortformat, bei denen die Schüler/innen selbst eine Antwort formulieren müssen. In jedem Land werden 13 verschiedene Testhefte eingesetzt, deren Texte und dazugehörige Aufgaben insgesamt einer Testdauer von 6 Stunden und 40 Minuten entsprechen. Jede Schülerin/jeder Schüler bearbeitet in einem Testheft allerdings nur jeweils zwei der zur Verfügung stehenden Texte. Pro Text hat sie/er dafür 40 Minuten Zeit; die reine Testzeit beträgt also eine Stunde und 20 Minuten. Nach dem Test werden die Schüler/innen gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, der wichtige Hintergrundinformationen erfasst. Neben den Schülerfragebögen werden auch Eltern-, Schul- und Lehrerfragebögen zur Erfassung von wesentlichen Kontextvariablen eingesetzt. Die PIRLS-Stichprobe Ziel von PIRLS ist die Erhebung repräsentativer Vergleichsdaten für Schüler/innen der vierten Schulstufe. Das Stichproben-Design umfasst zwei Schritte: (1) Zufallsauswahl von Schulen, die Schüler/innen der vierten Schulstufe haben. (2) Zufallsauswahl von Klassen innerhalb der ausgewählten Schulen. Insgesamt wurden in Österreich 160 Schulen und 264 Klassen für die Teilnahme an PIRLS ausgewählt. Mit 2 Ausnahme von zwei Schulen, die zwischen Stichprobenziehung und Testung geschlossen wurden, nahmen alle ausgewählten Schulen und fast alle Klassen (99,2 %) an PIRLS teil. Auch auf Schülerebene ist die Rücklaufquote beachtlich: Von den insgesamt 5199 zur Teilnahme vorgesehenen Schüler/innen haben 5067 tatsächlich daran teilgenommen, was einer Teilnahmequote von 97,5 % entspricht. Österreich hat damit die international definierten Standards klar übertroffen und verfügt über eine hoch repräsentative Stichprobe. Überblick über die Gesamtergebnisse Österreich liegt mit einem Durchschnittswert von 538 Punkten im Mittelfeld (20. Position von 45 Teilnehmerländern) aller PIRLS-2006-Teilnehmerländer und signifikant über dem internationalen Mittel von 506 Punkten (siehe Abbildung 1). Zum internationalen Schnitt zählen allerdings auch immer eine Reihe von weniger entwickelten Ländern wie beispielsweise Südafrika oder Marokko. Zieht man daher für einen Vergleich nur die 19 bei PIRLS beteiligten OECD-Länder heran, befindet sich Österreich genau im OECD-Mittel (537 Punkte). Ein ähnliches Bild zeigt sich im EU-Vergleich: Österreich liegt im Bereich des Durchschnitts der 19 beteiligten EU-Länder (534 Punkte). Ergebnisse von Mädchen und Buben im Vergleich Lesekompetenz Gesamt-Skala Mit 2 Ausnahmen (Luxemburg und Spanien) schneiden die Mädchen in allen Teilnehmerländern statistisch bedeutsam besser ab als die Buben (siehe Abbildung 2). Im internationalen Schnitt liegen die Mädchen um 17 Punkte vor den Buben. Die österreichischen Schüler/innen zeichnen sich im internationalen Vergleich durch eine geringe – aber dennoch signifikante – Geschlechterdifferenz aus. Die Buben erreichen im Schnitt um 10 Punkte weniger als die Mädchen (533 vs. 543 Punkte). Lesekompetenz nach „Leseintentionen“ Die PIRLS-Texte, die die Schüler/innen bearbeiten mussten, setzten sich aus literarischen Texten und aus Informationstexten zusammen. Dementsprechend kann die Leistung der Schüler/innen in Abhängigkeit von der „Leseintention“ (Lesen zum Vergnügen vs. Lesen um Informationen zu gewinnen) analysiert werden. Ähnlich wie bei der Lese-Gesamtskala zeigen sich bei beiden Bereichen der Lese-Intentionen in fast allen Teilnehmerländern signifikant bessere Leistungen der Mädchen. Mit 11 Punkten Vorsprung der Mädchen beim Lesen von literarischen Texten und 7 Punkten bei den Informationstexten, zählt Österreich unter allen PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse 3 600 IDN signifikant über dem österreichischen Mittel kein sign. Unterschied signifikant unter dem österreichischen Mittel KWT MAR ZAF QAT 300 PIRLS-Mittel (506) MKD TTO IRN Lesekompetenz 400 niedrig 500 } Konfidenzintervall (+/- 1.96 SE) RUS HKG CAN (A) SGP CAN (BC) LUX CAN (O) ITA HUN SWE DEU NLD BEL (fl) BUL DNK CAN (NS) LET USA GBR (E) AUT LIT TWN CAN (Q) NZL SVK GBR (S) FRA SLO POL ESP ISR ISL MDA BEL (fr) NOR RUM GEO hoch Mittelwert Teilnehmerländer absteigend nach dem Mittelwert auf der Lese-Gesamtskala sortiert RUS 565 BUL 547 NZL 532 NOR 498 HKG 564 CAN (NS) 542 SVK 531 RUM 489 CAN (A) 560 LET 541 GBR (S) 527 GEO 471 SGP 558 USA 540 FRA 522 MKD 442 CAN (BC) 558 GBR (E) 539 SLO 522 TTO 436 LUX 557 538 POL 519 IRN 421 CAN (O) 555 AUT LIT 537 ESP 513 IDN 405 ITA 551 TWN 535 ISR 512 QAT 353 HUN 551 CAN (Q) 533 ISL 511 KWT 330 SWE 549 MDA 500 MAR 323 DEU 548 BEL (fr) 500 ZAF 302 NLD 547 BEL (fl) 547 DNK 546 Abbildung 1: Mittelwerte aller Teilnehmerländer bei PIRLS 2006 PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse RUS HKG CAN (A) SGP CAN (BC) LUX CAN (O) ITA HUN SWE DEU NLD BEL (fl) BUL DNK CAN (NS) LET USA GBR (E) AUT LIT TWN CAN (Q) NZL SVK GBR (S) FRA SLO POL ESP ISR ISL MDA BEL (fr) NOR RUM GEO MKD TTO IRN IDN QAT KWT MAR ZAF Mittelwert Mädchen Mittelwert Buben 572 569 564 567 562 559 562 555 554 559 551 551 550 558 553 553 553 545 549 543 546 542 539 544 537 538 527 532 528 515 520 520 507 502 508 497 480 453 451 429 415 372 364 332 319 557 559 556 550 554 556 549 548 548 541 544 543 544 537 539 531 530 535 530 533 528 529 527 520 525 516 516 512 511 511 506 501 493 497 489 483 463 432 420 414 395 335 297 314 283 4 Mittelwertsdifferenz -15.4 -10.2 -8.3 -16.8 -8.7 -3.4 -12.7 -6.9 -5.3 -17.8 -7.4 -7.4 -5.9 -20.7 -13.6 -21.2 -23.1 -10.1 -19.2 -9.8 -18.2 -12.8 -12.6 -23.9 -11.2 -21.8 -11.1 -19.3 -16.8 -4.1 -14.7 -18.8 -13.9 -5.0 -19.0 -14.4 -17.1 -21.4 -30.9 -14.1 -19.7 -37.3 -67.0 -17.5 -36.0 SE (Diff.) -60 -50 Mädchen besser -40 -30 2.9 2.5 1.9 2.9 3.0 2.0 3.8 2.9 2.6 2.5 2.6 2.2 2.5 3.8 3.2 3.2 2.7 3.2 2.7 2.3 2.2 1.9 3.0 3.1 2.5 3.8 2.5 2.5 2.6 2.8 4.0 2.5 2.5 2.3 3.2 4.2 3.2 3.5 5.6 6.7 3.3 2.6 7.5 5.8 4.6 Geschlechterdifferenzen: sign. (p < .05) n. s. Teilnehmerländer absteigend nach dem Mittelwert auf der Lese-Gesamtskala sortiert Abbildung 2: Geschlechterdifferenzen auf der Lese-Gesamtskala -20 -10 0 PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse 5 45 Teilnehmerländern zu jenem Viertel mit den geringsten Geschlechterdifferenzen – dennoch sind diese statistisch bedeutsam. Lesekompetenz nach „Verstehensprozessen“ Neben den Leseintentionen werden bei PIRLS auch Verstehensprozesse, die zur Lösung der Aufgaben notwendig sind, unterschieden. Diese sind: „Wiedergeben und einfaches Schlussfolgern“ sowie „Interpretieren, Verknüpfen und Bewerten“. Auch hinsichtlich dieser Unterscheidung nach den Verstehensprozessen zeigt sich in Österreich eine Geschlechterdifferenz zu Gunsten der Mädchen. Auffällig ist, dass die Geschlechterdifferenz bei den anspruchsvolleren Prozessen größer ist als bei den einfacheren: Bei Aufgaben, die ein Interpretieren, Verknüpfen und Bewerten verlangen, ist der Leistungsunterschied mit 13 Punkten mehr als doppelt so groß wie bei Aufgaben, die ein Wiedergeben und einfaches Schlussfolgern erfordern (6 Punkte). Risiko- und Spitzenschüler/innen nach Geschlecht Mit Hilfe von Kompetenzstufen ist es möglich, die Leistungen der Schüler/innen inhaltlich zu charakterisieren. Daher wurden für die Leseskala vier Kompetenzstufen gebildet: Schüler/innen auf der höchsten Kompetenzstufe (Stufe 4) können relevante Informationen aus verschiedenen Textteilen herausfiltern und miteinander verknüpfen, um beispielsweise die Gefühle eines Charakters zu beschreiben. Sie werden als „Spitzenschüler/innen“ bezeichnet. Schüler/innen auf Stufe 1 und darunter werden hingegen als „Risikoschüler/innen“ bezeichnet. Sie können maximal Aufgaben lösen, bei denen sie direkt auf einfache Informationen aus dem Text zurückgreifen können. In Österreich zählen insgesamt 8 % aller Schüler/innen zur Spitzengruppe; in der Risikogruppe befinden sich 16 % (2 % unter Stufe 1 und 14 % auf Stufe 1). Dies bedeutet, dass etwa jeder/jede 6. Schüler/in im Alter von 9 bis 10 Jahren nur unzureichend sinnerfassend lesen kann. Mädchen Buben 12 3 0% 37 15 40 40 20 % Leistungslevel: unter Level 1 Level 2 40 % 8 35 60 % Level 1 Level 3 80 % 7 100 % Abbildung 3 zeigt für Österreich die Unterschiede zwischen Mädchen und Buben im Hinblick auf die Leistungsstufen. Unter Level 1 befinden sich etwa doppelt so viele Buben wie Mädchen (3,1 % vs. 1,6 %). Insgesamt befinden sich in der Risikogruppe (Stufe 1 und darunter) 14 % der österreichischen Mädchen im Vergleich zu 18 % der Buben. In der Spitzengruppe (Stufe 4) zeigen sich keine nennenswerten Geschlechterdifferenzen: auf dem höchsten Leselevel befinden sich 8 % aller Mädchen und 7 % aller Buben. Einstellung zum Lesen Der Index zur Leseeinstellung basiert auf fünf Aussagen im Schülerfragebogen: 1. Ich lese gern. 2. Ich würde mich freuen, wenn mir jemand ein Buch schenken würde. 3. Ich unterhalte mich gern mit anderen Leuten über Bücher. 4. Ich finde Lesen langweilig. 5. Ich lese nur, wenn ich muss. Die Schüler/innen mussten auf einer 4-stufigen Skala (von 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 4 = „stimme völlig zu“) angeben, wie sehr sie diesen Aussagen zustimmen. Zur Bildung des Index wurden die Antworten der Schüler/innen zu drei Gruppen zusammengefasst: positive Einstellung, durchschnittliche Einstellung, negative Einstellung. 63 % der österreichischen Mädchen zeichnen sich durch eine positive Einstellung zum Lesen aus; bei den Buben ist der Anteil mit 38 % deutlich geringer (siehe Abbildung 4). Dreimal so viele Buben (15 %) wie Mädchen (5 %) stehen dem Lesen hingegen negativ gegenüber. 100 % 5 80 % 32 unter Level 1 und Level 1 = Risikoschüler/innen Level 4 = Spitzenschüler/innen Abbildung 3: Kompetenzstufen in Österreich nach Geschlecht 47 60 % 40 % 63 20 % 0% Level 4 15 38 Mädchen Buben Einstellung der Schüler/innen zum Lesen positiv durchschnittlich negativ Abbildung 4: Einstellung zum Lesen nach Geschlecht PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse Abbildung 5: Antworten zu den Einzelfragen des Index „Einstellung zum Lesen“ nach Geschlecht 6 gesamt (1) Ich lese gern. m m 12 13 23 4 6 10 11 14 14 w 6 w (2) Ich würde mich freuen, wenn mir jemand ein Buch schenken würde. gesamt 9 (3) Ich unterhalte mich gern gesamt mit anderen Leuten über m Bücher. w 67 29 59 27 32 14 24 24 33 52 20 % 9 13 6 5 19 26 16 24 13 12 40 % 60 % stimme eher zu 80 % 100 % stimme völlig zu In Abbildung 7 sind die Leistungsmittelwerte der Selbstkonzeptgruppen getrennt für Mädchen und Buben aufgetragen. Sowohl bei den Buben als auch bei den Mädchen geht die Selbsteinschätzung ihrer Lesefähigkeit mit den tatsächlichen Leseleistungen einher. 66 Mädchen 33 58 Buben 0% 20 % 39 40 % 60 % 80 % 100 % Ausprägung des Lese-Selbstkonzepts mittel positiv Lese-Selbstkonzept In Österreich zeichnen sich mehr Mädchen (66 %) als Buben (58 %) durch ein positives Selbstkonzept aus (siehe Abbildung 6). Die Geschlechterdifferenz ist allerdings wesentlich geringer als bei der Einstellung zum Lesen. 12 14 75 43 0% stimme eher nicht zu 9 18 21 53 w 11 10 12 21 17 25 30 w Der Index zum Lese-Selbstkonzept basiert auf vier Aussagen im Schülerfragebogen: 1. Lesen ist für mich sehr leicht. 2. Ich lese nicht so gut wie andere aus meiner Klasse. 3. Wenn ich alleine lese, verstehe ich beinahe alles, was ich lese. 4. Ich lese langsamer als andere Schüler meiner Klasse. Die Schüler/innen mussten auf einer 4-stufigen Skala (von 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 4 = „stimme völlig zu“) angeben, wie sehr sie diesen Aussagen zustimmen. Zur Bildung des Index wurden die Antworten der Schüler/ innen zu drei Gruppen zusammengefasst: positives LeseSelbstkonzept, mittleres Lese-Selbstkonzept, negatives LeseSelbstkonzept. 51 43 28 64 gesamt (5) Ich lese nur, wenn ich muss. m Abbildung 5 zeigt das Ergebnis der Schülerantworten zu den fünf einzelne Aussagen des Index „Einstellung zum Lesen“ getrennt nach Geschlecht. Die Antworttendenzen sind mit Ausnahme einer Aussage ähnlich und spiegeln eine positive Einstellung wider. Diese Ausnahme ist Statement 3 (Ich unterhalte mich gern mit anderen Leuten über Bücher): Nur etwa ein Drittel der österreichischen Schüler/innen stimmt diesem sozialen Aspekt des Lesens zu – eine Geschlechterdifferenz bei der Zustimmung zu dieser Aussage besteht, ist aber gering. Alle anderen Statements werden von deutlich mehr Mädchen als Buben positiv bewertet. Die größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich bei den Aussagen zur Lesefreude: „Ich lese gern“ (67% der Mädchen, aber nur 44 % der Buben stimmen völlig zu) und „Ich finde lesen langweilig“ (75 % der Mädchen und 53 % der Buben stimmen überhaupt nicht zu). 44 31 26 38 46 31 gesamt (4) Ich finde Lesen langweilig. m stimme überhaupt nicht zu 55 27 9 8 negativ Abbildung 6: Lese-Selbstkonzept nach Geschlecht Mädchen 482* Buben 482* 400 450 niedrig 556 551 500 550 600 hoch Lesekompetenz Ausprägung des Lese-Selbstkonzepts positiv mittel negativ * sehr geringe Fallzahl Abbildung 7: Lese-Selbstkonzept und Lesekompetenz der österreichischen Mädchen und Buben PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse 7 Lesefreude Bei der Frage an die Schüler/innen, wie oft sie zum Spaß außerhalb der Schule lesen (siehe Abbildung 8), geben 45 % der österreichischen Schüler/innen an, jeden Tag oder fast jeden Tag zu lesen, weil es ihnen Spaß macht, 19 % lesen hingegen nie oder fast nie zum Vergnügen. Innerhalb Österreichs zeigen sich starke Unterschiede zwischen Mädchen und Buben. Mädchen lesen deutlich häufiger täglich/fast täglich (55 %), weil sie Spaß daran haben. Bei den Buben liegt der entsprechende Anteil lediglich bei 36 %. 36 0% 26 20 % 40 % 8 12 26 80 % 100 % Schüler/innen lesen zum Vergnügen außerhalb der Schule ... jeden Tag oder fast jeden Tag 1- bis 2-mal pro Woche 1- bis 2-mal pro Monat nie oder fast nie Abbildung 8: Lesefreude nach Geschlecht Lesen literarischer Texte außerhalb der Schule Die Frage, wie häufig Schüler/innen literarische Texte (Gesichten und Romane) in ihrer Freizeit lesen, beantworten 29 % aller Mädchen mit „jeden Tag oder fast jeden Tag“ (siehe Abbildung 9). Bei den Buben sind es hingegen nur 16 %. Umgekehrt gibt knapp die Hälfte der Buben an, „nie oder fast nie“ derartige Texte zu lesen; bei den Mädchen sind es ein Viertel. Bemerkenswert ist, dass sich die Lesekompetenz von Buben und Mädchen zwar insgesamt innerhalb von Österreich signifikant unterscheidet, berücksichtigt man jedoch, wie oft in der Freizeit literarische Texte gelesen werden, verschwindet dieser Unterschied nahezu (siehe Abbildung 10): Buben, die täglich bzw. nie Geschichten oder Romane lesen, unterscheiden sich in ihrer Lesekompetenz nicht signifikant von Mädchen, die diese Art der Lektüre gleich oft lesen. Mädchen Buben 29 16 0% 27 19 20 % 19 17 40 % 25 48 60 % 600 hoch Lesekompetenz nie oder fast nie Abbildung 10: Lesen literarischer Texte und Lesekompetenz der österreichischen Mädchen und Buben 19 13 60 % 550 jeden Tag oder fast jeden Tag 80 % 100 % Schüler/innen lesen Geschichten oder Romane außerhalb der Schule ... Lesen von Informationstexten außerhalb der Schule Die Frage nach der Häufigkeit des Lesens von Informationstexten umfasst folgende Medien: Bücher, die etwas erklären, Zeitschriften, Zeitungen, Anleitungen oder Gebrauchsanweisungen, Werbezettel und Kataloge. Die Schüler/innen mussten auf einer 4-stufigen Skala angeben, wie oft sie diese Medien außerhalb der Schule lesen. Abbildung 11 zeigt, wie oft diese Medien von österreichischen Schüler/innen und Schülern gelesen werden. Die beliebteste Art unter den angegebenen Informationstexten Sachbücher Buben 25 500 Schüler/innen lesen Geschichten oder Romane außerhalb der Schule ... gesamt Anleitungen 55 10 450 niedrig gesamt Zeitschriften Mädchen 25 400 w 36 32 34 34 m w 37 m 17 gesamt gesamt w m w m 18 26 20 27 35 20 24 20 24 23 30 34 24 25 20 16 25 23 23 31 38 24 26 32 23 22 28 24 36 17 20 18 45 15 22 18 45 18 45 19 19 12 17 27 27 20 14 20 22 22 gesamt w 19 30 22 17 m Werbezettel/ Kataloge 45 551 527 Buben Zeitungen gesamt 556 532 Mädchen 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Lesemedien absteigend nach dem Anteil der Kategorie „jeden Tag oder fast jeden Tag“ gereiht jeden Tag oder fast jeden Tag 1- bis 2-mal pro Woche jeden Tag oder fast jeden Tag 1- bis 2-mal pro Monat 1- bis 2-mal pro Monat nie oder fast nie 1- bis 2-mal pro Woche nie oder fast nie Abbildung 9: Lesehäufigkeit literarischer Texte nach Geschlecht Abbildung 11: Lesehäufigkeit unterschiedlicher Informationsmedien nach Geschlecht PIRLS und Gender – Erste Ergebnisse 8 ist das Sachbuch. Mehr als ein Drittel der Schüler/innen gibt an, jeden Tag oder fast jeden Tag Bücher zu lesen, die etwas erklären. Anleitungen/Gebrauchsanweisungen, Zeitschriften, Werbezettel/Kataloge liegen in der Beliebtheit etwa gleichauf: Jedes dieser Medien wird von etwa 20 % der Kinder der 4. Schulstufe täglich gelesen. Zeitungen liegen in der Gunst der Schüler/innen am weitesten zurück: Nur etwas mehr als die Hälfte der Schüler/innen liest überhaupt jemals Zeitungen, aber immerhin 17 % auch täglich. Die größten Geschlechterdifferenzen zeigen sich beim Lesen von Anleitungen/Gebrauchsanweisungen: 27 % der Buben, aber nur 17 % der Mädchen lesen dieses Medium täglich oder fast täglich. Auch Zeitungen und Sachbücher werden von etwas mehr Buben als Mädchen täglich oder fast täglich gelesen. Die Unterschiede sind allerdings deutlich geringer als bei den Anleitungen. Bei den Zeitschriften und Werbezettel geben mit jeweils 23 % etwas mehr Mädchen als Buben (17 bzw. 18 %) an, diese täglich oder fast täglich zu lesen. Eine Analyse über alle Einzelitems zum Lesen von Informationstexten außerhalb der Schule zeigt keine Geschlechterdifferenzen (siehe Abbildung 12). Mädchen 15 44 Buben 15 41 0% 20 % 31 11 31 40 % 60 % 13 80 % 100 % Schüler/innen lesen Informationstexte außerhalb der Schule ... jeden Tag oder fast jeden Tag 1- bis 2-mal pro Woche 1- bis 2-mal pro Monat nie oder fast nie Abbildung 12: Lesehäufigkeit von Informationstexten nach Geschlecht In Abbildung 13 wird die Leseleistung der Kinder, die jeden Tag oder fast jeden Tag lesen, um Informationen zu gewinnen, jener von Kindern gegenübergestellt, die dies nie oder fast nie tun. Auffällig ist hier der gegenläufige Zusammenhang: Schüler/innen, die angeben, nie oder fast nie Mädchen 529 522 Buben 400 niedrig 450 500 Lesekompetenz 551 536 550 600 hoch Schüler/innen lesen Informationstexte außerhalb der Schule ... jeden Tag oder fast jeden Tag nie oder fast nie Abbildung 13: Lesen von Informationstexten und Lesekompetenz der österreichischen Mädchen und Buben Informationstexte zu lesen, haben – unabhängig vom Geschlecht – eine höhere Lesekompetenz. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass sich Schüler/innen, die nicht gern und nicht gut lesen, eher auf Informationstext-Lektüren beschränken, weil hier vieles visuell kommuniziert wird und die Sätze eher kurz und einfach gehalten sind. Bei den Buben ist der Unterschied zwischen den beiden Extremgruppen etwas geringer ausgeprägt als bei den Mädchen. Literaturhinweise Suchan, B. & Wallner-Paschon, C. (2007). (Hrsg.). PIRLS 2006. Die Studie im Überblick. Graz: Leykam. Suchan, B., Wallner-Paschon, C., Stöttinger, E., Bergmüller, S. (2007). (Hrsg.). PIRLS 2006. Erste Ergebnisse. Graz: Leykam. Suchan, B. & Wallner-Paschon, C. & Schreiner, C. (Hrsg.). (in Druck). PIRLS 2006. Lesekompetenz am Ende der Volksschule. Österreichischer Expertenbericht. Graz: Leykam.
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