Ausgabe 1973 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMÄT
£3. J a h r g a n g
1973
Nr. 1
W 3828 F
Herauogegeben
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Hohcnzolleriichen
Gctchichtooerein
In V e r b i n ö u n g m i t ö e n
Staatlichen Schutämtcrn
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Signiaringcn
Sigmaringen. Das Schloß vom Josephsberg aus. Ölbild Mitte 18. Jh.
(mit freundlicher Genehmigung des Thorbecke Verlags, Sigmaringen)
I N DIESEN TAGEN hat die Stadt Sigmaringen ein Häuserbuch erhalten. Darüber im
Inneren des Heftes mehr. Verfasser des Buches ist Dr. Alex Frick, Tettnang. Wir haben das
obige Bild mit Absicht hierher gestellt, weil Sigmaringen so aussah wie auf diesem Bild.
Die im Häuserbuch verzeichneten Häuser samt der Sennerei im Vordergrund, wo heute
das Landeshaus steht, sind hier zum großen Teil zu sehen. Solche Bilder gibt es auch von
anderen Gemeinden Hohenzollerns, und darum soll das Bild auch eine Anregung für
Heimatfreunde sein, sich ebenfalls um Häuserbücher zu bemühen.
Hcchingcn
H A N S GRUBMILLER
Die Flurnamen der Gemarkung Burladingen
(Fortsetzung und Schluß)
Flurnamen, die etwas über die Form des Flurstückes aussagen, sind meistens Kulturnamen. Aus dieser Gruppe
finden sich auf Burladinger Gemarkung: Lange Äcker,
Krumme Äcker, Gabeläcker, Spitzäcker, Strängen, Winkel.
Gemäß der alten Dreifelderwirtschafi wurden die Ackerfluren in drei Zeigen eingeteilt. In Burladingen waren
es die Zeig Schaltenberg, die Zeig Mettenberg und die
Zeig Hinter der Kirch. Sonderfluren, die nicht dem allgemeinen Flurzwang unterworfen waren, sind die Bitze,
der Brühl, die Breite oder Braike und die Allmende.
Die Bitze ist ein eingezäuntes Landstück. Der Brühl, eine
feuchte Wiese, lag in der Niederung oder in der Nähe des
Dorfes. Er wurde später meistens in gutes Wiesenland
verwandelt und bei Ausdehnung des Ortes verbaut. Die
Breite oder Braike war, wie der Näme schon sagt, ein
ebenes, größeres Ackerstück in der unmittelbaren Nähe
des Dorfes. Allmend bedeutet ursprünglich ungeteilter
Grundbesitz einer Gemeinschaft an Wasser, Wald, Weide
und Wiesen.
Der Besitz des Bauern zerfiel gemeinhin in die Hauptgruppen Äcker und Wiesen. Dazu kamen natürlich Waldbesitz, Weideland, Gartengelände, Baumgärten und
Krautländer.
Von den Flurnamen mit dem Bestandteil „Wiese" finden
wir auf Burladinger Gemarkung: Blumenwiesen, Zieglers Wies, Weiherwiesen, Planwiesen, Blockwiesen, Stockwiesen, Wagnerwies, Kreiswies, Hagenwies.
Aus der zweiten großen Gruppe der Äcker stammen folgende Flurnamen: Auf dem Acker, Lange Äcker, St. Jörgen Äcker, Beim krummen Acker, Weißer Acker, Gabeläcker, Jägeracker, Kohlenhüttenacker, Neuäcker, Planäcker, Stockäcker, Spitzäcker.
In früheren Zeiten gab es einen umfangreichen 'Weidebetrieb. Davon ist eigentlich nur noch die Schafweide übrig
geblieben. Zu dieser Gruppe gehören folgende Burladinger Flurnamen: Beim Galthaus, Esfeld, Gaiszeil, Bei der
Hilb, Mastall, Riedersberg, Hinterm Schafhaus, Stellflecken, Gemeiner Trieb, Triebacker, Triebhalde, Sausteig.
Viele Burladinger Flurnamen weisen auf Baulichkeiten
hin. Manche beziehen sich auf markante Stätten oder
Gebäude, die heute nicht mehr vorhanden sind. Die Generation meiner Eltern hat beispielsweise das Galthaus
(1935 abgebrochen) und wenigstens vom Schlößle noch
Gebäudeteile (1925 abgebrannt) gesehen. Folgende Baulichkeiten sind bei Burladinger Flurnamen verwendet
worden: Bei der Brunnenstub, Hinterm Dorf, Beim
Schlößle, Bei der Fehlenschmitte, Beim Forsthaus, Hohe
Wacht, beim Galthaus, Beim heiligen Häusle, Bei der Ziegelhütte, Bei der Kapelle, Bei der Kirch, Bei der Küche,
Kapellesbrunnen, Mayingen, Bei der Mühle, Beim Galgen,
Bildstöckle, Bei der Ölmühle, Bei der öden Mühle, Bei der
oberen Mühle, Hinterm Schafhaus.
Die Flurnamen der Burladinger Gemarkung, die auf
gewerbliche Einrichtungen hinweisen, gehen auf Mühlen,
auf Stätten zur Gewinnung von Baumaterial und auf
Köhlerstellen zurück. Von Erzvorkommen weiß man
nichts, während auf der benachbarten Gemarkung Ringingen die Flur „Eisenloch" darauf hinweist. Solche Flurnamen sind: Kalkofen, Steingrube, Kohlhau, Kohlhüttenacker, Bei der öden Mühle, Bei der Ölmühle, Obere Mühle.
Bürger und Bauern betrieben die verschiedensten Berufe,
siehe vorhergehendes Heft
die ihren Niederschlag in Flurnamen gefunden haben.
An solchen Berufsbezeichnungen finden wir unter den Burladinger Flurnamen: Jägeracker, Müllerswäldle, Heiler
Gumpen, Zimmermannshäule, Meßnerbrunnen, Traubenwirtswäldle, Zieglers Wies.
Die Wege in ihren verschiedensten Formen haben zu allen
Zeiten bei der Flurnamengebung eine wichtige Rolle gespielt. Die Straße verband die Ortschaften, während die
Gasse meist im Dorf, selten beim Dorf verlief. Eine ansteigende, für Wagen befahrbare Straße heißt Steige
(mundartlich: stoig). Davon ist oft schwer der Steig
(mundartlich: steig) zu unterscheiden, ein schmaler Weg
zum Gehen von Mensch und Vieh. Weitere Fußwege sind
die Staffel, der Tritt, der Treppenweg. Mistweg, Kirchweg, Totenweg, Brunnensteig, Diebsteig brauchen keine
weitere Erklärung. Die Herrenstraße erinnert an ihren
Besitzer oder Benützer. Auf dem Heerweg sollen früher
einmal Soldaten gezogen sein. Stich bezeichnet einen jähen,
kurzen Weganstieg oder eine abschüssige Stelle.
Auf Wegen und Steigen begegnen uns auf Burladinger
Gemarkung folgende Bezeichnungen: Alte Steig, Neue
Steig, Brudksteig, Falkensteig, Feldsteig, Herrensteig,
Heusteig, Mühlstei'g, Katzensteigle, Nebensteig, Pflaumensteig, Schlattsteig, Zundelsteig, Sausteig, Am Steig,
Heerweg, Dreifahrweg, Mühlweg, Ebinger Weg, Tailfinger Weg, Wiesenwegle, Außen am Sträßle, Hermannsdorfer Sträßle, Ringinger Sträßle, Gasse, Zinken.
Vielfach sind Fluren nach Personennamen (Rufnamen)
und Familiennamen benannt. Meist sind die Namen sehr
stark gekürzt und verstümmelt. Die häufigsten Kurznamen sind: Bäbilis (Barbara), Barties (Bartholomäus), Galles (Gallus), Hannesen, Hönles (Johannes), Jergen, Jörg
(Georg), Jochem (Joachim), Heiner (Heinrich), Jokeles
(Jakob), Lipps (Philipp), Märteles (Martin), Melchers
(Melchior), Michels (Michael), Steifen (Stefan), Stoffeies
(Christoph), Titesen (Titus), Thomeles (Thomas), Urbis
(Urban), Uschel (Ursula).
Unter den Burladinger Flurnamen finden sich auch einige,
die nach Personen benannt wurden. Die mundartliche
Form ist zum Teil in den Flurkarten amtlich verhochdeutscht. Es sind dies: St. Jörgen Acker, Benesberg, Hermannskäpfle, Thomeles Hau, Kurbatlesteich, Simons
Teich, Stiefel Hannes Stein, Gabrielen Teich, Tituskäpfle.
Bei Flurnamen, die Besitzverhältnisse zum Ausdruck bringen, unterscheidet man „Eigen" und „Lehen". „Eigen" ist
dabei das unabhängige, abgabefreie Gut. „Lehen" sind
gegen gewisse Leistung ausgeliehene Grundstücke. Sie sind
zeitlich befristet und mit verschiedenen Rechten aber auch
Pflichten behaftet. Als Beispiel finden wir in Burladingen
die Bezeichnung Wolflehen.
Das Rittertum, der Adel und die Kirche waren durch umfangreichen Landbesitz wichtige wirtschaftliche Mächte.
Zu dieser Gruppe kann man folgende Burladinger Flurnamen zählen: St. Jörgen Acker, Edelberg, Herrenbergle,
Nonnenwasen, Pfarrsköpfle, Wolflehen.
Der Dorfbewohner hatte immer schon ein nahes Verhältnis zur Tierwelt. Meistens war er selber in der Landwirtschaft tätig. Außer seinen Haustieren waren ihm auch die
Tiere des Feldes und des Waldes vertraut. Neben der Jagd
war vor allem der Vogelfang beliebt. Einige Flurnamen
der Gemarkung Burladingen können das belegen: Hasenbergle, Jägeracker, Tiergärtie, Vogeltäle.
Aus dem ständischen Gegensatz zwischen Landesherrn
und Untertanen ergab sich die Teilung des Waldgebietes
in Forst und Pirsch. Beide Bezeichnungen sind auch heute
noch in Burladingen lebendig. Aus der Vergangenheit ist
anzumerken, daß eine langwierige, rechtliche Auseinandersetzung um das freie Jagdrecht zwischen der Herrschaft
und den Burladingern bis vor das Reichskammergericht
kam (Speidel, Burladinger Heimatbuch, S. 89).
Flurnamen können auch auf geschichtliche und sogar vorgeschichtliche Ereignisse hinweisen. Auf der Burladinger
Gemarkung kämen von dieser Gruppe nur der Steinebühl
und die Judengrube in Frage.
Viele Flurnamen deuten auf Spiele, Belustigungen und
Feste hin. Von den Burladinger Flurnamen könnten die
Planwiesen und die Rennmad damit zu tun haben. Vom
Scheibenbühl sollen die feurigen, glühenden Scheiben ins
Tal geschleudert worden sein. Damit wäre ein weitverbreiteter Volksbrauch auch für Burladingen bezeugt.
Schrifttum
Die Deutsche Volkskunde. Von P r o f . D r . Adolf S p a n n e r . Bibliographisches I n s t i t u t . Leipzig 1934.
H a n d b u c h der Deutschen Volkskunde. Von Wilhelm P r e ß l e r . P o t s d a m
1938.
Gebräuche in der Weihnachtszeit. Von P . Theodosius Briemle. Sigm a r i n g e n / F u l d a . 1962.
J O H A N N ADAM KRAUS
Wappenkunde, bloße Spielerei?
Die Heraldik oder Wappenkunde befaßt sich mit den
Regeln der Wappenführung und Wappendarstellung und
deren Geschichte Wappen als Kennzeichen der verschiedenen Familien seit etwa 1150, besonders der durch Panzerung unkenntlichen Ritter des Mittelalters, haben einst
eine große Rolle gespielt. Deren Kenntnis ist daher für
jeden Geschichtsfreund von Bedeutung. Wie ein Wappen
auch zur Überwindung des sogenannten Toten Punktes
der Forschung dienen kann, soll folgendes Beispiel aus
unserer weiteren Heimat zeigen.
In einer Urkunde von ca. 1220, einem Bericht an den Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen über Veräußerungen
von Königsbesitzungen 2 heißt es u. a.: „Die Vogtei von
(Königseck)-Wald sei an die Gebrüder von Fronhofen für
30 Mark Silber vom König Philipp (1198-1208) verkauft
worden. Friedrich II. selber habe den Ort Pfullendorf
mit 2 Mühlen und den Vogteien über Hippetsweiler und
Moos dem Grafen von Heiligenberg veräußert, ebenso die
Burg Husin mit dem Dorf darunter (castrum Husin cum
villa sub castro) den Gebrüdern von Ramsberg." Dieser
Verkauf müßte zwischen 1212 und 1220 getätigt worden
sein.
Welche Burg mit Dorf Hausen gemeint war, haben weder
die Bearbeiter des Wirtembergischen Urkundenbuchs noch
auch in unseren Tagen der versierte Forscher Karl Schmid 3
herausfinden können. Letzterer der alle in der Urkunde
vermerkten Veräußerungen in den Linzgau verlegen will,
vermutete die Flur Hausen bei Walbertsweiler oder Hausen am Andelsbach 4 , worin Josef Mühlebach in seiner
Ortsgeschichte folgte, ohne jedoch Beweise angeben zu
können.
Hier ist jedoch die Heraldik im Stande weiterzuhelfen.
Die genannten Herren von Ramsberg (b. HattenweilerPfullendorf) führten in gelbem Schild einen schwarzen
Ram oder Widder auf einem Dreiberg, also ein „redendes
Wappen" 5. Der gelbe Schild der Herren von Hausen im
Donautal (unterhalb Beurons) aber zeigte bis zu ihrem
Aussterben in Preußen 1818 einen roten Widder*. Nun
weist gleiches Schildbild auf gleiche Familie, wobei Nebenlinien meist leichte Änderungen zur besseren Unterscheidung vornahmen. Ich stehe nicht an, hierzu die Änderung
der Farbe des Widders und die Weglassung des Dreibergs
zu rechnen; das soll heißen: die ab 1220 vorkommenden
Herren von Hausen sind Abkömmlinge jener Gebrüder
von Ramsberg, welche die Burg Hausen vom Kaiser Friedrich II. erwarben. Eine Nonne Barbara von Hausen lebte
im Kloster Laiz, wo im nördlichen Seitenschiff der Kirche
noch ihr Grabstein zu sehen ist 7 . Auf dem Stein ist auch
ihr Verwandter (und mehrere Ahnenwappen) angemerkt:
Propst Wolfgang von Hausen zu Ellwangen, 1584-1602,
der dann bis 1613 Bischof von Regensburg war. Als letzter Hausener Herr in unserer Gegend starb Joachim v. H.
im Jahr 1648. Die Burg auf dem steilen Felsen hoch über
dem Dorf Hausen links der Donau ist erst 1812 aus Unverstand abgebrochen worden. Auf Burg Hausen saß
schon 1094 ein Landprecht deHusa mit Söhnen Lantprecht
und Burkart 1100-1134, mit denen die ältere Linie wohl
ausstarb. Dagegen gehörte der Ritter Ulrich v. Husen
1256 und die folgenden Glieder (Härtnid als Frater zu
Salem, Conrad 1290, Burkart 1294 usw.) der von den
Gebrüdern (Rudolf und Burkart) von Ramsberg abgezweigten Linie an 8.
Nach K. Schmid gingen die in der Urkunde von 1220
genannten Güter auf den Grafen Rudolf von Pfullendorf
zurück, der sich gelegentlich auch von Bregenz, Stoffeln
und obigem Ramsberg schrieb, 1152 und 1156 auch
„von Swinshoud" heißt (verballhornt! vermutlich 8729
Schweinshaupten bei Haßfurt). Vor der Heiliglandfahrt um 1180, von der er nicht wiederkehrte, übertrug
der kinderlose Graf Rudolf seinen Besitz dem Kaiser Barbarossa, und von diesem ging er auf Friedrich II. über.
Wer die örtlichkeit der Burg Hausen im Donautal betrachtet, wundert sich nicht, daß dieses Felsennest einst den
tatkräftigen Grafen und dann den Kaiser interessierte.
Anmerkungen:
1
Wappenfibel, H a n d b u c h der H e r a l d i k , 15. A u f l . 1967 (226 Seiten),
Verl. Degener u. Co. N e u s t a d t / A i s d i .
2
Gedruckt im Wirtenbergischen UB I I I 1871 und I V 1883.
K a r l Schmid, Graf Rudolf von P f u l l e n d o r f und Kaiser Friedrich I.,
Barbarossa, Freiburg 1954.
3
4
Schmid, a. a. O . , Seite 297.
5
v . Alberti, W ü t t b g . Adels- u. Wappenbuch I I , S. 611; Albert Krieger,
T o p o g r . Wörterbuch von Baden I I , S. 516.
6
v . Alberti I, S. 285; Krieger I, S. 870; K . v . Knobloch, O b e r b a d .
Geschlechterbuch I, S. 560 f.
7
K u n s t d e n k m ä l e r w e r k , Kreis Sigmaringen 1948, S. 226.
8
Krieger I , S. 871.
3
HERBERT BURKARTH
Die Stiftung der Fauler-Frühmesse in Hettingen
Alte Urkunden eröffnen oft einen kurzen Blick auf persönliche und soziale Verhältnisse vergangener Zeiten, die
längst vergessen sind. So gab es in den kleinen Städten
Gammertingen, Hettingen und Trochtelfingen im 14. und
15. Jahrhundert ein wohlhabendes und einflußreiches
Bürgertum, das man durchaus an den Patrizierfamilien
der größeren Städte messen kann.
heid Fauler) gehalten werden. Die Messe hatte in feierlicher Form stattzufinden, mit sechs Priestern, nämlich
vier aus Hettingen, dem Kirchenherren von Hermentingen
(damals noch Pfarrei) und dem Frühmesser von Gammertingen (St. Michael). Die Stiftungsurkunde wurde vom
Ein Andenken an eine solche Familie ist der Stiftungsbrief
der Fauler-Frühmesse, der sich im Pfarrarchiv in Hettingen befindet. Am 27. Juni 1478 erfüllte Adelheid Fulerin
(Fauler) den letzten Willen ihres verstorbenen Mannes
Claus Metzger: Die Stiftung einer Gottesgabe zur Ehre
Gottes und des himmlischen Heeres und für die christgläubigen Seelen. Sie stiftete eine Kaplanstelle und ewige
Meßpfründe für ihre Verwandten und die Seelen der Verstorbenen.
Claus Metzger, der verstorbene Mann der Stifterin, erscheint 1465 als Siegler in einer Mariaberger Urkunde.
Mehr bekannt ist der Gammertinger Schultheiß und
Richter Heinz Metzger, der zwischen 1431 und 1455
mehrfach in Urkunden vorkommt. Heinz und Claus
Metzger führen das gleiche Siegel, waren also wohl Brüder oder Vater und Sohn.
Die gestifteten Güter und Zinse geben nicht nur einen
Einblick in den umfangreichen Besitz der Familie, sondern auch in alte Verhältnisse und Bezeichnungen. Im einzelnen handelte es sich um folgende Güter: Sechs Malter
Korn aus dem großen Zehnten zu Benzingen, sechs Malter
Korn und sechs Hühner aus einem Hof zu (Langen-)Enslingen, vierzig Viertel Veesen und Haber aus einem Gut
zu Feldhausen und Geldzinsen aus einem Haus und der
Badstuben zu Hettingen. Hinzu kamen noch mehrere
Grundstücke und Zinsen. Eine Wiese an Langensteig, die
ölwiese an der Fehla, ein Acker in der Fehla, der am
Weiher (Fischweiher) liegt. Ein Acker an der Wolfgruben
beim Tutental. Ein Acker auf Altenbinden, wo der Steig
gen Gammertingen durchgeht (heute Altenburg, was bedeutet, daß die Bezeichnung nicht von einer abgegangenen
Burg herrührt). Zwei Jauchert Acker „uf der Wiese". Eine
Wiese unter Langensteig (Weg nach Kettenacker und Inneringen). Eine Wiese im Tal hinter der Burg (Hettingen).
Zwei Krautgärtlein am Obertor zu Hettingen. Ein halbes
Fuder Wein aus einem Weingarten in Sipplingen. Korn
aus einem Gütlein in Ittenhausen. Aus einem Hof in Hermentingen 13 Viertel Roggen, 13 Viertel Haber, 3 Pfd.
Heller, 1 Henne, 1 Huhn, 1 Schulterstück (das scheint ein
ganzes Erblehen zu sein. Interessant ist auch die Abgabe
an Roggen, der später hier nicht mehr angebaut wurde).
Ein Gütlein an der Ahan (Ah, der Berg zwischen Fehla
und Laudiert). Ein Zins aus Wempellen Garten und eine
Wiese „under Briegel" (Brühl) an der Laudiert.
Von dem Erlös dieser Wiese sollte der Kaplan den Altar
„belichten", d. h. zu jeder Messe zwei Kerzen brennen.
Aus dem Ertrag des Feldhauser Gutes soll ein Jahrtag für
die beiden Stifter (Claus Metzger und seine Frau Adel4
>
W a p p e n der Familie Metzger in H e t t i n g e n . Die D a r s t e l l u n g zeigt
deutlich ein Metzgerbeil.
Aufn. Dr. Burkarth
Hetlinger Kirchherren Heinrich Bittel, Junker Hans von
Bubenhofen (Standesherr), Hofmeistern und Schultheiß
mit Gericht zu Hettingen gesiegelt.
Wie wir sehen, hatte die Familie nicht nur Besitz in sechs
Ortschaften und in Sipplingen am Bodensee, sondern auch
Rechte, wie wir sie sonst nur in den Händen von adeligen
Herren finden. Mit den Niederadelsfamilien der Lichtensteiner, Steinhilber, von Pflummern u. a. waren diese
Bürgerfamilien eng versippt. Eigenartig ist, daß etwa 50
Jahre später, bei der Übernahme der Herrschaft Gammertingen-Hettingen durch die Herren von Speth, all diese
bedeutenden Bürgerfamilien ebenso wie die Niederadeligen, völlig verschwunden sind. Es ist anzunehmen,
daß sie ihren Besitz verkauften und in die Reichsstädte
zogen. Das mag mit der zunehmenden Beschneidung der
bürgerlichen Rechte und der Machtzunahme der Standesherrschaft zusammenhängen.
Nach einem Beitrag von J. A. Kraus.
HANS PETER MÜLLER
Die Herren von Wehrstein und Kloster Kirchberg
Im vorigen Heft der Hohenzollerischen Heimat hat J. A.
Kraus eine Reihe urkundlicher Nachweise für die Herren
von Wehrstein geliefert und damit die von L. Schmid
Weiland angefertigten Regesten beträchtlich erweitern
können 1 . Allerdings wurde dabei unediertes Urkundenmaterial des Stuttgarter Hauptstaatsarchivs nicht berücksichtigt. So fanden sich in den Beständen des ehemaligen
Dominikaner-Frauenklosters Kirchberg zahlreiche Urkunden aus dem 14. Jahrhundert, die sich auf die Herren
von Wehrstein beziehen. Diese sollen nun im nachfolgenden nachgetragen werden, in der Absicht, das lückenhafte
Bild, das wir von den Wehrsteinern haben, etwas zu vervollständigen 2.
Die überkommenen Urkunden zeigen, daß zwischen den
Herren von Wehrstein und dem seit 1237 bestehenden
Kloster Kirchberg, das nur wenige Kilometer von Wehrstein entfernt liegt, zahlreiche Beziehungen bestanden 3.
Wir sehen, wie das Adelsgeschlecht dem Kloster verschiedene Güter verkauft, den Laienzehnten zu Wilan (Weiherhof) und zu Eutingen an Lehensträger des Klosters
verleiht oder mehrfach als Zeuge auftritt. Aber auch um
ihr Seelenheil waren die Wehrsteiner bedacht, indem sie
nämlich Stiftungen ans Seelgerät des Klosters machen um
damit ihren Jahrtag begehen zu lassen. Neben dem Kloster Stetten dürften Wehrsteiner Frauen wohl auch dem
Kirchberger Dominikanerinnen-Kloster angehört haben;
bezeugt ist indes nur eine gewisse Schwester Agnes.
Regesten:
1) 1311 Juli 20. Wernher von Werstain siegelt für Konrad
den Linken von Sulz, der an das Kl. Kirchberg 10 Sch.
Haller Münze Zins stiftet.
(650)
2) 1323 Januar 19. Wernher von Werstain zeugt für
Arnold von Tierburg, der seinen Acker an der Mühle zu
Schlechtenfurt ans Kl. Kirchberg verkauft.
(616)
3) 1324 s. d. Wernher von Werstain und
Adelhaid verkaufen an Kl. Kirchberg ihr
stetten (Weiler unweit Empfingen, heute
Bittelbronn), Gorunges Gut genannt, um
(Siegel des Ausstellers anh.)
seine Ehefrau
Gut zu Henzu Gemeinde
9 Pf. Haller.
(388)
4) Urkunden betr. den Zehnten zu Wilan 4.
a) 1326 Juli 20. Ungericht, Bürger von Sulz, verkauft an
das Kl. Kirchberg um 46 Pf. Haller seinen Zehnten zu
Wila dem Hofe, der Lehen derer von Werstain ist. (696)
b) 1327 Juli 13. Sigeli der Gute und Berthold der Staheler, Bürger von Horb, haben sich verpflichtet, dem Kl.
Kirchberg Lehensträger zu sein für den Zehnten aus dem
Hofe Wilan. Der Lehen derer von Werstein ist.
(697)
c) 1327 Juli 24. Ritter Konrad von Werstein und sein
Bruder Wernher von W., Hug von W. und sein Bruder
Hug, Kirchherren von Werstein, der zweite zugleich Vormund von seines Bruders Johannes sei. Kindern, leihen
den Zehnten zu Wila dem Hof, welchen Ungericht ans
Kl. Kirchberg verkauft hat, Sigelin dem Guten und Berthold dem Staheler als Lehensträgern des Klosters (1 beschädigtes Siegel anh.)
(698)
d) 1328 April 17. Die Brüder Friedrich, Heinrich und
Hermann die Guten von Horb verkaufen ihren Zehnten
aus dem Hofe zu Wilan, der Lehen derer von Werstein
ist, um 46 Pf. Heller an das Kl. Kirchberg.
(700)
e) 1328 April 17. Ritter Konrad von Werstein und sein
Bruder Wernher von W., Hug von W. und sein Bruder
Hug, Kirchherren von Werstein, der zweitgenannte zugleich als Vormund von seines Bruders Johannes sei.
Kindern, leihen den Zehnten zu Wilan dem Hofe, welchen die Söhne Friedrichs des Guten sei. an das Kl. Kirchberg verkauft haben, Sigelin dem Guten und Berthold
dem Staheler als Lehensträgern des Klosters.
(699)
f) 1328 Mai 2. Sigeli der Gute und Berthold der Staheler,
Bürger von Horb, verpflichten sich dem Kl. Kirchberg
Lehensträger zu sein für den Zehnten zu Wilan, der Lehen
derer von Werstein ist 5 .
(701)
5) 1327 März 22. Wernher von Werstein ist Zeuge für
Johann von Dettlingen, der an Burkard Salzfass 6 Sch.
Heller jährl. Zins und verschiedene Gülten aus seinem
Eigengut zu Gruol verkauft.
(315)
6) 1332 August 11. Ritter Konrad von Werstain stiftet
mit Einwilligung seines Bruders Wernher 1 Pf. Heller
jährl. Zins aus einem Hofe zu Empfingen an Kl. Kirchberg als Leibgeding für Schwester Agnes von Werstain
und nach dem Tod als Jahrtag für den Stifter. (Siegel des
Ausstellers anh.)
(162)
7) 1335 August 10. Ritter Konrad von Werstain ist zusammen mit Junker Walther von Geroldseck Zeuge für
Konrad den Irslinger, der an seinen Oheim Heinrich sein
Gut zu Irslingen verkauft.
(S. 730)
8) 1336 Februar 5. Wernher von Werstain und seine Ehefrau Adelhaid verkaufen an das Kl. Kirchberg des Sempels Gut zu Gruorn (Gruol) um 50 Pf. Haller und setzen
zum Bürgen Berthold den Zimmerer (Heiligenzimmern).
(318)
9) 1347 Februar 22. Ritter Konrad von Werstain ist zusammen mit Walther von Geroldseck Zeuge für Werner
Faulhaber von Sulz, der an Kl. Kirchberg eine Gült aus
der Mühle zu Renfrizhausen verkauft.
(S. 879)
10) 1349 Februar 9. Konrad der Maiger von Bietenhausen
verpflichtet sich, dem Kl. Kirchberg jährlich 15 Sch. Tübinger zu geben aus dem Gut zu Bietenhausen, welches die
Brüder Hug und Richard von Werstain als Jahrtag für
sich an das Seelgerät des gen. Klosters gestiftet haben. (98)
11) 1363 Juni 5. Schwester Agnes von Neckarburg, Klosterfrau zu Kirchberg, verkauft dem Kloster eine Gült aus
ihrem Gut zu Ergenzingen. Davon soll man mit 6 Malter
Roggen Horber Maß den Jahrtag der Schwestern Mechthild von Dettingen und Agnes von Werstain begehen.
(S. 360)
12) Urkunden betr. den Eutinger Zehnten
a) 1368 Februar 9. Hans von Werstain verleiht Contz dem
Nopnower, Bürger zu Horb, 12 Malter Roggen Maß
jährl. Gült aus dem Laienzehnten zu Eutingen, den Ulrich
von Hochdorf hat, als Lehensträger des Kl. Kirchberg.
b) 1368 Juli 25. Ulrich von Hochdorf, gesessen zu Eutingen, verkauft an das Kl. Kirchberg 7 Malter Roggen Horber Maß jährl. Gült aus seinem Teil des Laienzehnten
zu Eutingen, das ein Lehen des Hans von Werstain ist,
um 122 1/2 Pf. Heller.
(276)
c) 1372 Februar 5. Bentz von Werstain verleiht dem Horber Bürger Albrecht dem Nopnower als Lehensträger des
5
Kl. Kirchberg 12 Malter Roggen Horber Maß jährl. Gült
aus dem Laienzehnten zu Eutingen. (Siegel des Ausstellers anh.) 7
(280)
13) 1372 März 14. Das Kl. Kirchberg beurkundet, daß es
an Hans von Werstain sei. 36 Sch. Heller jährl. Zins von
dem Zins aus den sog. Bruder Konrad des Weggers
Äckern und Wiesen um 36 Pf. Heller verkauft hat und
daß die 36 Sch. Heller jährl. Zins an das Seelgerät des
Klosters als Jahrtag für Hans von Werstain und seinen
Vetter Konrad von Werstain sei. gefallen sind.
(770)
5) 1386 Juni 6. Bentz von Werstain bürgt zusammen mit
Bentz von Ow und den Grafen Fritz und Friedrich von
Hohenzollern für Graf Ostertag von Hohenzollern, der
seinen Teil von Burladingen und Mayingen verkauft 12.
Zum Schluß sei noch angemerkt, daß nach der Glatter
Chronik aus dem 17. Jh. eine gewisse Ertrud, die Tochter
des letzten Wehrsteiners, sich mit einem Grafen von Nellenburg-Thengen vermält und dadurch die Herrschaft
Wehrstein an dieses Haus gebracht haben soll 13 .
Anmerkungen:
Weitere Nachträge:
1
1) 1287 Februar 9. Der Edelknecht Wolfram von Bernhausen verkauft an das Kl. Bebenhausen sein Eigen zu
Plieningen, welches seiner Frau, einer von Werstain (!),
als Heiratsgut zugewiesen wurde, nun aber durch einen
Hof zu öffingen ersetzt wird 8.
2
3
4
2) 1308 Mai 23. Wernher von Werstain verschreibt sich
zu Haigerloch an Konrad Kegler, Bürger zu Haigerloch,
um jährl. 2 Pf. Heller aus seinen Gütern zu Gruol für eine
von diesem um 20 Pf. Heller gekauften Wiese. (1 schadhaftes Siegel anh.) 9
3) 1369 Mai 24. Bentz von Werstain siegelt zusammen mit
Graf Friedrich von Hohenzollern dem Jüngern für Adelhaid die Richin von Tübingen, die dem Vogt der edlen
Herren von Hohenzollern den Jüngern, einen Acker bei
der obern Mühle verkauft 1 0 .
4) 1378 Mai 7. Bentz von Werstain siegelt für Hans den
Schenk von Stauffenberg und seine Gattin Adelhaid von
Ow, die auf alle Ansprüche an die Weingärten zu Roseck
und Yesingen verzichten. (Siegel Bertolds mit aufrechtem
Anker anh.) 1 1
5
8
7
8
9
10
11
12
13
Regesten z u r Geschichte der Freiherren von Wehrstein und Isenburg,
i n : M i t t . H o h z . 10, 1876/77, S. 51 ff.
H S t A S t u t t g a r t B 462; die eingeklammerten Zahlen geben die jeweilige U r k u n d e n n u m m e r bzw. Seitenzahl des Kirchberger Repertoriums an.
s. R . K r a u ß , Geschichte des D o m i n i k a n e r - F r a u e n k l o s t e r s Kirchberg,
i n : W V j h . N . F. 3, 1894, S. 2 9 0 - 3 3 2 .
D e r H o f , der zwischen Empfingen und Kirchberg liegt, w i r d erstmals 772 im Lorsdier Codex e r w ä h n t und w i r d 1254 Eigentum des
Klosters Kirchberg. Er w i r d mit Wila, Wilan, Wilon, Weilheimer
Hof u n d heute Weiherhof oder Weiherhaus bezeichnet.
D e r Zehnte zu Wilan w i r d 1343 in ein Zinslehen v e r w a n d e l t u n d dem
Kloster gestiftet. (702) = J . A. K r a u s N r . 32.
vgl. A. Schilling, U r k u n d e n z u r Geschichte des D o r f s Eutingen, in:
W V j h . 13, 1890, S. 151 f . ; falsch ist die d o r t f ü r U r k . N r . 12a
angegebene Jahreszahl 1378.
A m 21. O k t o b e r 1395 verleiht derselbe an K o n r a d und Volz von
Weitingen eine G ü l t aus dem Laienzehnten zu Eutingen, ( = J . A.
K r a u s N r . 46).
H S t A Stgt. A 474/1696; abgedruckt bei Dambacher, U r k u n d e n Archiv des Klosters Bebenhausen vom 12. und 13. Jh., in: Z G O R 4,
1853, S. 102 ff.
H S t A Stgt. A 470/373.
M o n . Zoll. I, N r . 352.
H S t A Stgt. A 474/1876.
M o n . Zoll. I, N r . 402.
vgl. H o d l e r , Geschichte des O b e r a m t s Haigerloch, S. 164.
JOH. WANNENMACHER
Weisheiten aus unserer heimischen Mundart
•Sprichwörter und
Redensarten
Im Rahmen dessen, was Volkstum ausmacht, ist neben
Natur und Umwelt die Sprache wohl die stärkste prägende Macht. Das älteste Glied der Sprache ist die Mundart. Sie ist für jeden, der die Heimat liebt, das geistig
naturhafte Band und enthüllt die Volksseele in ihrer ganzen Gemütstiefe und Innerlichkeit. In vielen Jahrhunderten ist sie von unseren bäuerlichen Vorfahren geschaffen
worden, und ihre Erfahrungen und Weisheiten haben sich
in ihr als Sprichwörter und Redensarten erhalten und
wurden von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben.
So heißt es zum Beispiel in Rangendingen: „A schtrenger
Gwalt wud (wird) it alt!" Zwei ältere Menschen unterhalten sich über das Nachlassen der Kräfte. Da meint der
eine etwas resigniert: „Ma wud halt alt und lot", = läßt
nach. Weiter hört man: „Voar jedem Haus leit (liegt) a
Stoa, ischt er it grauß, no ischt er kloa!" Immer wieder
sieht man, wie eine Generation mit Fleiß und unter
Opfern aller Art Hab und Gut zusammenhält und vermehrt, aber oft schon in der nächsten Generation erscheint
einer, der alles wieder mit leichter Hand „naustuat". Das
Sprichwort sagt dann dazu: „Dr Sparer muaß an Nauser
(Naustuer) hau.!" Was das Sparen anlangt, sagt die Redensart: „Bei da reicha Leut kama 'Spara lerna". Ein
6
Trost und zugleich auch eine Mahnung für gute und
schlechte Zeiten und Begebenheiten liegt in dem vielgebrauchten Zitat: „'S- bleibt koa Zeit wia se ischt!" Wenn
zu ersehen ist, wie sich manche, wenn sie zu Posten und in
Ämter gelangen, trotz gegenteiliger Versprechungen in
erster Linie „gesund" machen, so heißt es drastisch: „Dr
Trog bleibt immer dr gleiche, nau d' Säu weaslet". Ein
anderer hingegen widersteht verlockenden Angeboten
oder unsicheren Geschäften mit den Worten: „Dr Spatz
in dr Ha(n)d isch mr lieaber wie Taub uffem Dach." Auch
einem Uberklugen und Gescheiten gelingt nicht immer
alles so, wie vorausgeplant und vorausberechnet. Unvorhergesehen läuft das Vorhaben in eine andere Richtung, und
der erhoffte Erfolg bleibt aus. Dann heißt es im Sprichwort mitunter etwas schadenfroh: „Au dr gscheitesta Katz
kommt a mol a Maus naus!" Ubernimmt sich jemand in
seinem Können und Wollen und erleidet dabei völliges
Versagen, dann hört man: „A Maus hot no (noch) niea
koa Katz gfressa." Wenn ledige Leute vor lauter Ubermut
und Gaudi fast platzen, dann zeigt die ältere Generation
hierfür Verständnis mit der Redensart: „A ledige Haut,
schreit überlaut." Und: „Wiea ma in da Wald nei schreit,
so kommts wieder raus." Der Ton macht die Musik, heißt
es im Hochdeutschen.
Wenn Spiel und Freiheit bei Kindern in Ausgelassenheit
und Streit ausarten, dann greifen die Eltern ein, brechen
das ungute Tun ab mit den Worten: „'S ischt alles nau a
Weile schö(n)"! Wiederum heißt es: „Ama bissige Hond
soll ma zwoa Stücker Brot nawerfa"! soll ihn also durch
Güte bezwingen. Andererseits hört man: „De kleinschta
Grotta händ am maischta Gift." Auch für das Essen hat
der Volksmund treffliche Erkenntnisse wie: „Habermuas
geit an starka Fuaß." Schelmisch und humorvoll zugleich
heißt es bei anderer Gelegenheit: „Kraut füllt da Buaba
d' Haut und da Mädle d' Saumäge." Und ein Fleischliebhaber meint: „Lieaber a Laus em Kraut - als gar koa
Fleisch." Gibt sich die Gelegenheit, etwas günstig und
leicht zu erwerben, wird dies so bestätigt: „Ma ka nau
schneida, wenn Ernt ischt." Ärger, Verdruß oder sonstige
Unannehmlichkeiten sieht man dem Betreffenden an und
fragt dann in der Mundart so: „Was ischt dir übers Leberle krocha"? oder „Mo (wo) druckt di (dich) dr Schuah?"
Wenn einer faustdick lügt, sagt die Mundart:" Dear lugt
wia druckt", oder „was der zemma lugt, goht uf koa
Kuahhaut". Geschwätzigkeit wiederum wird so bewertet:
„Wear viel schwätzt, dear lüagt viel."
Die Arbeit und das Schaffen werden ebenfalls mit stehenden Redensarten bedacht. Findet einer vor lauter Arbeit Tag und Nacht keine Ruhe, dann sagt man: „Dear
schaffet wiea an Gaul." Wer es aber mit der Arbeit gerade
nicht so wichtig nimmt, der begründet es mit den Worten:
„Vom viela Schaffa verrecket d' Roß." Von einem alten
Mann kann man nicht mehr allzuviel verlangen, denn
„A alter Ma isch koa D Zug." Leute, die über ihre Verhältnisse anschaffen, leben und damit nicht selten in eine
drückende Lage geraten, denen sagt man: „Ma muaß sich
no (nach) der Decke strecken." Wenn jemand zu oft, seine
Stellung, seinen Arbeitsplatz oder seinen Ort wechselt, nur
um immer noch mehr erreichen zu können, dann meint der
Volksmund sehr zutreffend: „Viel Rutscha geit (gibt)
blaide (dünne, schadhafte) Hosa." Einer älteren Bäuerin
starb plötzlich ihr Mann weg und bald hernach ihre einzige, erwachsene Tochter. Darnach befragt, welcher Sterbefall nun am schmerzlichsten gewesen wäre, antwortete sie
seufzend: „Man sagt, dr Ma(nn) goht vo dr Seita, und 's
Kind goht vom Hearza."
Hohenzollern gehörte nahezu 100 Jahre zu Preußen. Erst
war das Verhältnis nicht besonders herzlich. Allmählich
aber wandelten sich die Ansichten und Hohenzollern und
Preußen begegneten sich mit Achtung und Wertschätzung.
Der mehr gemütliche und bedächtige Schwabe lernte auch
die Stärken und Schwächen seines Partners kennen. Aus
dieser Zeit stammt die vielgebrauchte Redensart: „So
schnell schieaßet Preußa it, se ladet voar."
GERHARD DEUTSCHMANN
Die Raumschaft Winterlingen im neuen Zollernalbkreis
Mit Beginn des Jahres 1973 ist die Kreisreform nach dem
ersten Gesetz zur Verwaltungsreform vom 23. Juli 1971
in Kraft getreten. Sie bringt einerseits das Ende der Hohenzollerischen Lande und andererseits den Zwang zur
Neuorientierung für eine Reihe von Gemeinden. Dies gilt
auch für die Gemeinden Benzingen, Harthausen und
Straßberg 1 aus dem bisherigen Kreis Sigmaringen, die
nach dem Willen des Gesetzgebers der Raumschaft Winterlingen und mit dieser dem neuen Zollernalbkreis zugeordnet wurden.
schaften Stetten akM. und Gammertingen seien weder der
wirtschaftsstarke Kreis Balingen noch der Verdichtungsraum Ebingen-Tailfingen. Das Mittelzentrum höherer
Stufe verlöre bei einer Wegnahme der Raumschaft Winterlingen im Nordwesten auf breiter Front im Bandbereich
der Entwicklungsachse Balingen-Sigmaringen-Ravensburg
das notwendige Umland. Die Raumschaft Gammertingen
wäre mit der Kreisstadt nur durch einen schmalen Schlauch
verbunden, was einer äußerst unnatürlichen Grenzziehung
gleichkomme 4.
Entscheidend für diese Zuordnung waren für den Gesetzgeber die sog. sozio-oekonomischen und sozio-kulturellen
Verflechtungen dieser Gemeinden mit dem Ebinger-Tailfinger Industrieraum. Die stärkere Orientierung nach Norden hin liegt begründet in der Tatsache der Überlegenheit
der industrie-intensiven Zentren am Nordrand der Alb
gegenüber den industriell schwächeren Zonen des Südrandes an der Donau. So ist es in dieser Zeitschrift am Beispiel
Trochtelfingen, das schon zum 1. Januar 1971 in den Kreis
Reutlingen ausgegliedert wurde, bereits aufgezeigt worden 2.
Hier wird in der Tat die Problematik der Zuordnung
sichtbar. Die schwächste Stelle des neuen Kreises Sigmaringen ist zweifellos der mittlere Lauchertraum um Veringenstadt, dessen Zentralitätsbestreben mit der Abwanderung von Benzingen und Harthausen gescheitert ist. Böse
Zungen sprechen schon heute von der Todesschlinge, die an
diesem Flaschenhals um den Kreis Sigmaringen gelegt
wurde. Gleichwohl gelang es der Kreisstadt Sigmaringen
mit Mengen, Saulgau, Pfullendorf, Meßkirch, Stetten am
kalten Markt und Gammertingen gewichtige Verwaltungsräume an sich zu binden. In dieser Kette fehlt in der Tat
nur ein einziges Glied, die Raumschaft Winterlingen.
Andererseits ist diese Tatsache gerade vom Blickwinkel
der Kreisstadt Sigmaringen angegriffen worden, dargestellt und begründet in der damaligen Stellungnahme des
Sigmaringer Kreistages zum Entwurf des Kreisreformgesetzes: „Dem Landkreis Sigmaringen zugeordnet werden
müsse der 8500 Einwohner zählende Verwaltungsraum
Winterlingen . . . Die wirtschaftlich starken Gemeinden . . .
seien nach dem Bau der neuen B 463 von Sigmaringen nur
10 km entfernt 3 , der Weg nach Balingen dagegen betrage
im Durchschnitt 30 km. Angewiesen auf den Verwaltungsraum Winterlingen, Brückenglied zwischen den Raum-
Mit der Zuordnung des neuen Kreises Sigmaringen zur
Region Oberschwaben mit Sitz in Ravensburg aufgrund
des Regionalverbandsgesetzes erscheint die Rollenverteilung allerdings unter anderem Vorzeichen. Die Albzentren
Gammertingen und Stetten akM. der Region Oberschwaben zuzuordnen, ist weder glücklich noch plausibel, diese
Tatsache widerspricht geradezu dem Gesichtspunkt der
Verwaltungsneugliederung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Was dem Kreis Reutlingen mit der Ausdehnung
seiner Grenzen über die Albhochfläche bis zur Donau ge7
lungen ist - der Raum Zwiefalten wurde dem Reutlinger
Industrieraum und nicht dem oberschwäbischen Kreis
Biberach zugeordnet - war in unserem Raum nicht zu verwirklichen: die Ausdehnung der Verwaltungsgrenzen bis
an die wirtschaftlichen Verflechtungsgrenzen, die sich zugleich mit der Donau als natürlicher Grenze decken.
Dies gilt im besonderen für den Raum Stetten akM., der
wirtschaftlich genauso mit dem Ebinger Raum verbunden
ist wie Gammertingen mit Ebingen bzw. Reutlingen. Doch
scheiterte die sinnvollste Zuordnung letztlich am Scheitern
eines Zollernalbkreises mit Kreissitz in Ebingen. Der
Raum Stetten akM. stellte sich zufrieden mit der Kreisstadt Sigmaringen als wesentlicher verwaltungs- und verkehrstechnischer Verbesserung gegenüber der bisherigen
Kreisstadt Stockach 5. Am Beispiel der Gemeinde Frohnstetten wird die Problematik der neuen Kreisgliederung
an der Nordwestecke des Kreises Sigmaringen deutlich:
Die Kreisgrenze wurde hier von 1 km südlich der Gemeinde auf 1 km nördlich der Gemeinde verlegt. Die Gemeinde bleibt in ihrer extremen Randlage, die sie nur
schwerlich durch ihren wirtschaftlichen Kontakt mit dem
Ebinger Industrieraum auszugleichen vermag. Die Gemeinde Schwenningen, bisher Kreis Stockach, jetzt Kreis
Sigmaringen, mit engen wirtschaftlichen Verflechtungen
über Meßstetten zum Zollernalbkreis, kann als adäquates
Beispiel ebenfalls angezogen werden 8.
Der Argumentation des Sigmaringer Kreistages von der
Brückenfunktion der Raumschaft Winterlingen zwischen
Stetten akM. und Gammertingen ist beizupflichten. Sie ist
nicht zustandegekommen. Die Winterlinger Raumschaft
erscheint von Anfang an geschwächt, die Startchancen
dieses Raumes im Zollernalbkreis sind geschmälert. Hier
gab es nach der Meinung des Schreibers nur eine sinnvolle
Alternative: die Erhaltung des ganzen Raumes zwischen
Ebingen und Sigmaringen, zwischen Gammertingen und
Stetten akM. und dessen Zuordnung als Gesamt entweder
zum Kreis Sigmaringen oder zum Zollernalbkreis; im
Hinblick auf die sozio-ökonomischen Verflechtungen eher
zum letzteren. Die Integration in die Regionen wird diese
Frage zwangsläufig wieder aufwerfen. Hier ist die Verwaltungsreform auf halbem Weg stehengeblieben. Der
„Dienst am Menschen", unter dessen Maxime diese Reform angepackt wurde, erscheint hier um den Kompromiß
des gegenwärtig politisch Möglichen geschmälert.
Der Gesetzgeber hat mit seiner Entscheidung, nur den
Verwaltungsraum Winterlingen dem Zollernalbkreis zuzuordnen, den industriell starken Raum zwar nicht weiter
gestärkt, dafür aber den wirtschaftlich schwächeren Raum
weiter geschwächt.
Der Landtag ging von der Geschlossenheit dieses Raumes
aus, wenn er von einer „Raumschaft" Winterlingen spricht,
und doch ist dieser Raum mit Verlaub gesagt in sich noch
nicht gefestigt. Es mangelt ihm an einem freimütigen und
unvoreingenommenen Zusammengehörigkeitsgefühl, an
einer selbstbewußten und glaubhaften Selbstdarstellung,
am eigenen Selbstverständnis. Die Ursache dieses Umstandes ist wohl in der Geschichte zu suchen, in der Geschichte der einzelnen Gemeinden: Durch ihre jahrhundertelang unterschiedliche Herrschaftszugehörigkeit war
ihre Orientierung auch je eine andere, die Entwicklung
eines homogen gewachsenen Raumes völlig ausgeschlossen.
Winterlingen, mit ca. 4500 Einwohnern die größte der
Gemeinden, gehörte zum altwürttembergischen Gebiet des
späteren Kreises Balingen. Benzingen und Harthausen als
8
Sigmaringer Kreisgemeinden zählten ehedem zur Grafschaft Veringen und Straßberg bildete zusammen mit
Kaiseringen und Frohnstetten die geistliche Herrschaft
Straßberg. Im einzelnen:
Winterlingen
7
ragte mit einem fast 9 km langen und kaum 1 km breiten
Streifen weit in das hohenzollerische Kreisgebiet hinein.
Als Albgemeinde in einer durchschnittlichen Höhenlage
von 790-800 m N N fehlten ihr durch die engen Herrschaftsgrenzen die natürlichen Nachbarn und der bequeme
Zugang zum übrigen württembergischen Herrschaftsgebiet
mit dem späteren Oberamt Balingen. Jedenfalls schon vor
1387 württembergisch, blieb der Ort nach 1469 dauernd
bei Württemberg und teilte dessen Geschicke. 1535 wurde
der Ort nach dem Grundsatz „cuius regio, eius religio"
reformiert und blieb bis zur Eingliederung von mehr als
500 Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg
fast ganz evangelisch.
Erst der augenscheinliche Autoritätsverlust der Kirchen in
der heutigen Gesellschaft, ihr mangelndes Uberzeugungsvermögen und die damit einhergehende Entfremdung der
Gläubigen von ihrer Kirchen einerseits, das Aufeinanderzugehen der beiden großen Bekenntnisse und ihr nunmehr
gemeinsames Problem- und Zielbewußtsein andererseits
ermöglichten nun den Abbau der konfessionellen Schranken und Vorurteile. Sie stärken damit die Chancen gerade
für das bis in unser Jahrhundert verwaltungsmäßig wie
wirtschaftlich isolierte Winterlingen. Seine zentralörtliche
Funktion, die ihm vor und nach dem Zweiten Weltkrieg
aufgrund seiner Industrie und Wirtschaftskraft, aber auch
aufgrund des Dienstleistungsangebots zukommt, kann nun
ungehindert wahrgenommen, ausgebaut und weiter entwickelt werden. Hier hat u. a. offenbar die religiöse Bindung lange und weit in die kommunalpolitische Sphäre
hineingewirkt.
Benzingen und Harthausen
8
,
die beiden anderen Hochalbgemeinden, waren durch ihre
Zugehörigkeit zur Grafschaft Veringen zum Laucherttal
hin orientiert. Beide Gemeinden gehörten seit Ende des
13. Jh. zur Grafschaft Veringen. Sie kamen bereits 1535
als österreichisches Lehen mit der Grafschaft Veringen an
das Haus Hohenzollern, wurden 1827 dem Oberamt
Gammertingen zugeteilt und kamen 1925 zum Kreis Sigmaringen. Durch die enge Zusammengehörigkeit der Grafschaften Sigmaringen und Veringen - beide waren seit
1535 durch Personalunion miteinander verbunden - ging
die Tendenz in Richtung Veringenstadt bzw. Sigmaringen.
Hier saß der Grundherr, der Gerichtsherr, der Landesherr. So konnte sich über Jahrhunderte trotz des Selbstbehauptungswillens der Albbauern gegenüber ihrer Herrschaft 9 ein grundsolider und keineswegs verwerflicher
Untertanengeist und damit ein ehrliches Zusammengehörigkeitsbewußtsein entwickeln. Dieses „Bekenntnis zur
Obrigkeit" wurde auch auf die Nachfolgeverwaltung des
Landkreises übertragen und wurde selbst durch die aufkommende Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg und
die wirtschaftliche Kontakte zur württembergischen Nachbarschaft Winterlingen und Ebingen nicht wesentlich erschüttert.
Straßberg und Kaiseringen
10
bildeten zusammen mit Frohnstetten auf der westlichen
Talseite der Schmeie die geistliche Herrschaft Straßberg,
die bis zum Jahre 1803 zum freiweltlichen, gefürsteten
Damenstift Buchau gehörte. Nach dreijähriger Zugehörig-
denständigen Albbauern eignet ihm ein gewisser Hang
zum Konservativen und damit zur Skepsis gegen Reformen jedwelcher Art. Dieser Charakterzug wird in der
Straßberger Ortschronik treffend bestätigt: „Der Straßberger Bauer ist mit wenigen Ausnahmen streng konservativ, fleißig und sparsam, zäh hängt er am Althergebrachten, er ist mißtrauisch gegen jede Neuerung; selbst
wenn Nutzen und Vorteil in die Augen springen, weicht
das Vorurteil nur langsam. Seine Ersparnisse legt er sicher
an, er ist kein Freund von großen, gewagten Unternehmungen 12."
Hier ist wohl mit ein Grund zu suchen, daß die nunmehr
vollzogene Kreisreform in allen beteiligten Gemeinden
aus dem zollerischen Bereich nicht mit Begeisterung und
überstürzender Freude gefeiert wurde. Die Haltung ist
eher abwartend und kritisch, selbst wenn von der obigen
Zeichnung des konservativen Älblers aufgrund des sichtbaren Strukturwandels der Bauern- zu Arbeiterwohngemeinden kräftige Abstriche zu machen sind. Dieser Umstand erhellt wohl auch das Bestreben der einzelnen Gemeinden, ihre Selbständigkeit zu bewahren, ja zu verteidigen bis der Gesetzgeber es anders befiehlt.
Straßberg u m 1699
(mit freundlicher Genehmigung des Thorbedce Verlags)
keit zum Hause Thum und Taxis fiel die Landeshoheit
1806 an Hohenzollern-Sigmaringen und 1837 schließlich
wurden die Gemeinden zollerisches Eigentum. Der selbständige Herrschaftsbezirk, dazu die abgeschlossene Tallage haben bei den Bewohnern gleichwohl das Selbstbewußtsein gestärkt, zumal die Fürstäbtissinnen von Buchau
die Dorfschaften im Jahre 1625 in eigenständige Verwaltung nahmen und nach ihrem Vermögen ausbauten und
unterstützten. Die Buchauische Herrschaft richtete den
Blick nach Süden. Diese Orientierung blieb mit der zollerischen Nachfolge erhalten. Zwischen 1837 und 1854
war Straßberg Sitz eines eigenen Oberamtes, Verwaltungsmittelpunkt für Kaiseringen, Frohnstetten, Blättringen, Storzingen, Ober- und Unterschmeien und die Exklave Thiergarten. Uber das Oberamt Gammertingen kam
Straßberg dann 1925 zum Kreis Sigmaringen.
Im Gegensatz zu den anderen zollerischen Gemeinden der
Raumschaft Winterlingen hat sich aber gerade in der Gemeinde Straßberg mit der Industrialisierung frühzeitig
eine Neuorientierung vollzogen, die nun mit der Kreisreform auch ihren verwaltungsmäßigen Segen erhält. Die
Gemeinde, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ebingen,
hatte verhältnismäßig früh Kontakt und Anteil an der
Industriealisierung in der württembergischen Nachbarschaft, zunächst mit starker Auspendlerbewegung nach
Ebingen und nach 1945 mit selbständiger Industrieentfaltung n . Der Bürger zog seine Konsequenz daraus, etwa
nach dem Motto: nach Sigmaringen auf's Amt, nach Ebingen zur Arbeit! Mit der vollzogenen Kreisreform fällt
diese zwiespältige Rolle für die Straßberger weg, und der
Blick wendet sich nach Norden zum industriestarken Ebingen mit seinem breitgefächerten Arbeits-, Einkaufs- und
Dienstleistungsangebot.
Ein weiterer Grund für das zögernde Zusammenfinden der
Raumschaft Winterlingen liegt wohl in der Mentalität des
einheimischen Bewohners begründet. Wie wohl allen bo-
Die kommunalen Aufgaben des Verwaltungsraumes Winterlingen sind sicher im neuen Zollernalbkreis nicht leichter zu lösen, selbst wenn man von einer gewissen Einheitlichkeit und Einräumigkeit der Verwaltung ausgehen
kann und die überholten und lästigen Verwaltungsgrenzen alter Herrschaftsbezirke gefallen sind. Es wird gerade
für den Winterlinger Raum im neuen Kreistag des Zollernalbkreises nicht leicht sein, sich Gehör zu verschaffen,
auf die anstehenden Probleme aufmerksam zu machen,
denn dieser Raum kann sicher nur mehr mit zwei Vertretern in diesem Gremium rechnen, die u. U. noch verschiedenen Fraktionen angehören und von ihren Parteien her
gebunden sein werden. Bislang stellte dieser Raum immerhin 5 Vertreter, 3 im Sigmaringer und 2 im Baiinger
Kreistag. Auch hier muß an den größeren Kreis der entsprechende Tribut gezollt werden. Und das gerade in
einer Zeit der anstehenden Integration, in der eine Reihe
von Aufgaben für diesen Raum zu lösen sind.
Hier ist zunächst einmal die Frage des Bildungsangebots
aufzugreifen. Gerade die Gemeinde- und Kreisreform zielt
ja nicht nur auf eine Gleichartigkeit, sondern auf eine
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und
Land 13. Die Gemeinden Benzingen und Harthausen haben
sich in weiter Voraussicht bereits 1967 bzw. 1968 entschlossen, ihre Hauptschüler in die Hauptschule nach Winterlingen zu schicken und haben nicht irgendeinem Provisorium innerhalb der alten Kreisgrenzen zum Nachteil
der Schüler das Wort geredet. Die Richtigkeit dieses damals mutigen Schrittes bestätigt sich nun immer mehr.
Winterlingen selbst tut das seinige, um gleichwertige Bildungschancen zu schaffen. Zur Zeit ist ein Realschulprojekt
mit Turn- und Schwimmhalle im Entstehen, das bei einem
Bauvolumen von ca. 7 Millionen DM Schulräume auf
weite Sicht schafft. Straßberg hat selbst nach der Eingliederung der Kaiseringer Grundschule immer noch Sorge
um den Bestand der einzügigen Hauptschule, deren Verbleiben am Ort wesentliches Ziel der Gemeinde bleiben
wird, zumal durch den Schulhausneubau von 1964 ausreichend Schulraum zur Verfügung steht. Auf dem Sektor
des Sonderschulwesens ist bislang noch recht wenig geschehen. Diese Aufgabe harrt der Lösung, wenn auch hier
gleiche Bildungschancen verwirklicht werden sollen.
wird fortgesetzt
9
JAKOB BIZER
Zur Geschichte der Exklave Mägerkingen
Die Eingliederung Trochtelfingens in den Kreis Reutlingen und das damit in Verbindung stehende Verschwinden
der Exklave Mägerkingen geben Anlaß zu einer kurzen
geschichtlichen Betrachtung.
Im Jahr 1316 kam die Herrschaft Trochtelfingen, zu der
auch Mägerkingen und Hausen an der Laudiert gehörten,
als Heiratsgut von Eberhard I., Graf von Württemberg,
an seinen Tochtermann Heinrich, Graf von Werdenberg.
Die Werdenberger residierten nun über 200 Jahre lang in
Trochtelfingen.
Wie Mägerkingen aus der Herrschaft Trochtelfingen herausgelöst und württembergisch wurde, ist urkundlich nicht
belegt. Immerhin bezeugt das Lehenbuch Eberhard des
Greiners schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
lehensherrliche Rechte über einzelne Güter in Mägerkingen. Hans von Rechberg verkauft 1447 seine Herrschaft
Gammertingen an Ulrich von Württemberg. In diese Herrschaft gehören auch einige Eigenleute zu Mägerkingen,
darunter der Amtmann. Wenn dann laut Uracher Lagerbuch von 1454 die Gült und das hiesige Gericht zu Lichtenstein (bei Neufra), einem württembergischen Vasallen,
gehören - dasselbe gilt von Hausen an der Lauchert - , so
dürfte die Zugehörigkeit der beiden Orte zur Grafschaft
Urach kaum zu bezweifeln sein. Dazu gesellt sich ein bis
heute nicht aufgerufener Zeuge: Ein uralter, großer, vierkantiger Grenzstein.
Nordwestlich vom Ort, zwischen Eurings- und Schwenkertsberg stoßen vier Markungen zusammen: Hausen/L.,
Hörschwag, Mägerkingen und Trochtelfingen. Dieser
Punkt wurde schon im 15. Jahrhundert durch besagten
Grenzstein markiert. Auf drei Seiten desselben sind, heute
noch deutlich zu sehen, die Wappen der drei hier zusammenstoßenden Grafschaften Urach, Werdenberg und Zollern eingemeißelt: für Urach das Hifthorn, für Werdenberg die dreizipfelige Fahne, für Zollern der gevierte
Zollernschild. Da die Ortsherrschaft zu Hörschwag von
den Erben der Herren von Holstein im Jahr 1474 an Zollern überging und da 1482 die Grafschaften Urach und
Stuttgart im Münsinger Vertrag wieder vereinigt wurden,
dürfte das Alter des „Dreigrafensteins" festliegen und
damit auch die Zugehörigkeit der Uracher Amtsgemeinden Hausen und Mägerkingen zur Grafschaft Württemberg.
Während der Vertreibung Herzog Ulrichs aus seinem
Land (1519-1534) hatten die beiden Orte in Hanns Bosch
aus Mägerkingen einen gemeinsamen Schultheißen. Nach
der Rückkehr Herzog Ulrichs im Jahr 1534 führte dieser
in Württemberg die Reformation ein. So wurden Hausen
und Mägerkingen protestantisch, während die Nachbarorte ringsum, unter anderen Herrschaften lebend, bei
ihrem seitherigen Bekenntnis blieben.
Anfangs des 19. Jahrhunderts hat sich im Zuge der
napoleonischen Flurbereinigung unsere Exklave durch
Säkularisation der Klosterherrschaft Bronnen/Mariaberg
vergrößert.
Die „jenseits der Alb und vom Königreich ganz abgeschnittene" Lage brachte der Bevölkerung viele Unannehmlichkeiten, sei es die Ferne der Amtsstätte Urach (von 1450
bis 1808) und Reutlingen (ab 1808 bis heute), sei es das
ringsum liegende, zollpflichtige Ausland. Zu letzterem ein
paar Beispiele. Im Ruggerichtsprotokoll vom Jahr 1724
lesen wir u. a.: „Nachdem Schultheiß und der Bürgermeister sich unterstanden haben, einen ausgesetzten Weinkauf
10
Grenzstein bei Mägerkingen. Beschreibung nebenstehend
in dem Kloster Mariaberg zu vertrinken, mithin ihren
Dorfwirt prästeniert und das herrschaftliche Umgeld und
Accis geschmälert und wider dieses oberamtliche Verbot
gehandelt, ihre Gemeindezechen allhier im Wirtshaus und
nicht außer Lands anzustellen gehandelt, deshalb Strafe
3 Gulden und 15 Kreuzer, und sollen sie sich desgleichen
nimmer gelüsten lassen." Ein anderes: 1726 hat Wirt Bez
Dachplatten in Mariaberg geholt und dieses dem Zoller
nicht angezeigt, deshalb Strafe 3 Gulden 15 Kreuzer. Ein
drittes: Laut Gemeindeprotokoll wird Georg Hipp den
21. Januar 1809 von dem Landdragoner (Zollreiter von
Pfullingen) angezeigt, weil er 2 Scheffel Salz unverzollt
von Trochtelfingen hier eingeführt hat. Das Salz wird
konfisziert und pro Scheffel 45 Kreuzer Strafe zudiktiert.
1821 bat die Bürgerschaft um Beseitigung der lästigen
Zollabgaben, da Mägerkingen ganz vom Land abgeschnitten und von Heching'schen und Hohenzollernschen Gebieten ganz umgeben sei. Die Bitte hatte Erfolg. Und doch,
nach einem Erlaß vom 25. 3. 1859 war es Mägerkingen,
Hausen und Bronnen nicht gestattet, ihren Salzbedarf von
dem nahen Gammertingen zu beziehen, sondern das Kochsalz von der Saline Sulz, das Steinsalz von der Faktorei
Reutlingen zu holen.
Die Zeiten haben sich geändert, aber die Exklave blieb,
und einige Eigenheiten dazu. Landratsamt und Amtsgericht liegen in der Kreisstadt, Finanz- und Arbeitsamt
aber in Sigmaringen.
Als ab Mitte der 50er Jahre die drei Exklavengemeinden
wiederholt den Kreisen Hechingen bzw. Sigmaringen zugeteilt werden sollten, setzten sich Bevölkerung und Verwaltung unter Hinweis auf die festen Bindungen an den
Wirtschaftsraum Reutlingen erfolgreich zur Wehr. Im
Zuge der jetzt vom Landtag beschlossenen Kreisreform
wurde Trochtelfingen aus dem Kreis Sigmaringen herausgelöst und dem Kreis Reutlingen zugeteilt. Damit verschwindet auch die Exklave, ein mittelalterliches Überbleibsel, das über fünf Jahrhunderte hinweg dem nachbarlichen Zusammenleben und Zueinanderfinden oft nicht
dienlich war.
WALTHER FRICK
Sigmaringen hat jetzt ein Häuserbuch
30 Jahre lang hat sein Verfasser, Dr. Alex Frick, daran
gearbeitet.
Dem Schreiber dieser Zeilen hat sein Vetter, der bekannte
Tettnanger und zugleich Sigmaringer Heimatforscher Dr.
Alex Frick, gerade vor dem Druck dieses Heftes, zwei
maschinengeschriebene Bücher übergeben, die die Bände 1
und 2 des „Sigmaringer Häuserbuches" darstellen. Mir
war seit Jahren bekannt, daß Alex Frick daran arbeitete,
und wenn ich ihn sah, stupfte ich immer daran herum,
wann es wohl einmal fertig sein werde. In Wahrheit ist es
auch jetzt nicht fertig, denn ein 3. Band, von 1820 herauf,
ist in Vorbereitung. Die beiden ersten Bände umfassen
materiell die Häuser der mittelalterlichen Stadt, wie sie
zum Beispiel im Anhang zu Dr. Mezlers „Topografie der
Stadt Sigmaringen" um 1800 gezeichnet ist; zeitlich umfassen die beiden Bände die frühesten faßbaren Unterlagen, die in das 15., meist in das 16. Jahrhundert fallen,
bis etwa zum Beginn des Biedermeier.
Die beiden Bände wird das Staatsarchiv in seiner Eigenschaft als Hüterin auch des Stadtarchivs Sigmaringen in
Obhut nehmen, wovon ich dieser Tage Herrn Dr. Eugen
Stemmler Mitteilung machte. Dr. Stemmler bezeichnete
mir gegenüber die Arbeit als aus zwei Gründen hochbedeutsam. Erstens gibt es in seinem Bereich - also in Südwürttemberg-Hohenzollern - wenig Vergleichbares. Dr.
Stemmler teilte mit, daß es zwar Häuserbücher von
Städten wie München gibt, teils auch nur Stadtteil-Häuserbücher. Außerdem gibt es, auch von den kleineren Städten unseres Regierungsbezirks Bürgerbücher,
Geschlechterlisten. Sie sind aber, auch von der Anlage her,
etwas Anderes. - Zweitens aber sind die erwähnten Großstadt-Häuserbücher durchweg von Historikern geschrieben worden im Hauptberuf und im Auftrag der Städte.
Dr. Fricks Arbeit sei, als die eines Nichthistorikers und
außerdem noch nicht einmal am Ort wohnend, umso höher
zu bewerten.
Den Anstoß gab dem Verfasser des „Häuserbuches" wohl
schon der Neubau des Sigmaringer Rathauses 1926/27,
für den er einen historischen Artikel in der Festschrift
verfaßte. Dieser Artikel ist auch im „Häuserbuch" enthalten, zumal das Rathaus selber schon ein historisches
Haus - oder doch besser gesagt: ein histroischer Platz - ist,
an dessen Stelle einmal mehrere Häuser standen. In den
nachfolgenden Jahren bis zum zweiten Weltkrieg hat der
Herrschaft Glatt
Die Herrschaft Glatt befand sich bis um 1800 im Besitz des
Klosters Muri (Schweiz). Die dort erhaltenen Archivalien
befinden sich laut Mitteilung unseres Landsmannes H. H.
Josef Schülzle aus Burladingen heute im Aargauer Kantonsarchiv in CH-5000 Aargau, wo sie der Auswertung
harren: Nr. 6113: Register zu den Schriften der Herrschaft Glatt (1433-1793), Dießen (1501-1793), Dettensee
Verfasser immer mehr Material zusammengetragen, aber
auch seinen Beruf als Zahnarzt ausgeübt, eine Familie gegründet, Kinder aufgezogen, dem Roten Kreuz als Kreisvorsitzender gedient, sich um die Montforter Geschichte
gekümmert, die Tettnanger Fastnacht geschaffen, alles
Dinge genug, die einen Mann jahrzehntelang durchaus beschäftigen können!
Diese ungeheure Fleißarbeit - das ehrende Prädikat sei
mir trotz großer verwandtschaftlicher Nähe nachgesehen ist zum Ersten ein Verzeichnis aller Häuser beider Vorstädte und des Bereiches zwischen dem „Bären" und der
Bilharz-Apotheke, zwischen dem Runden Turm und der
jetzigen Metzgerei Sorg-Beck. Sie zählt alle Besitzer auf,
soweit sie urkundlich belegt sind; ferner sind verzeichnet
Abgang, Leerstehen, Feuersbrunst, Abbruch und Wiederaufbau, Erbgänge, Teilungen usw. Und weil diese Arbeit,
sozusagen ihrem Skelett nach ein solcher Katalog ist mit
tausenden von Einzeldaten und -namen, ist sie zugleich
auch ein kulturgeschichtlicher Spiegel. Aus den Notizen
geht nämlich hervor so Verschiedenartiges wie die Anzahl
Räume, mit der eine Einzelperson oder eine Familie auskam, die Belegung einzelner Häuser, die Preise für Grundstücke, die Geschichte der Zu- und Abwanderung aus der
Stadt, die Straßenführung, die Bauart mit Stein oder Holz
und hunderterlei mehr. Und es ist natürlich umsomehr
herauszulesen, je mehr heimatkundliche Kenntnisse der
Leser hat; ich stelle mir vor, daß die Koryphäen in Hohenzollern demnächst mit Vergnügen sich im Staatsarchiv
zum Lesen in diesen beiden Bänden hinsetzen werden. An
den Druck kann leider nicht gedacht werden, die Kosten
würden in gar keinem Verhältnis zu der doch sehr begrenzten Zahl der mutmaßlichen Verkaufsexemplare stehen, und wer wird das bezahlen wollen? Aber wenn schon
nicht gedruckt werden kann, so vielleicht nachgeahmt.
Gerade Hohenzollern hat so kleine Städte - Haigerloch,
Hettingen, Veringenstadt zum Beispiel - und faststädtische Gemeinwesen von kleinem Zuschnitt - man
denke an Ostrach - daß Heimatforscher auch dort ein
Häuserbuch erstellen könnten. Es würde kaum mehr als
60 oder 70 Häuser betreffen, vor dem 19. Jahrhundert.
Solche Häuserbücher wären eine wertvolle Bereicherung
und ein wirkliches Neuland in Hohenzollern, so wie die
beiden ersten Bände des nun fertigen Werks von Alex
Frick es sind.
(1459-1790), Neckarhausen
(1350-1756),
Dettingen
(1706-1785); ferner Nr. 6114: Regulierung der Pfarrei
Glatt 1718. Nr. 6115: Pfarrei Glatt, Kirchenrechnungen
1719-1732, 1802-1803. Nr. 6116: Herrschaften am Nekkar: Dettensee, Dettingen, Dettlingen, Dießen . . Glatt . .
Anleihe des Hauses Fürstenberg 1620-1835, Dettensee
1729-1799, Dettingen 1751-1765, Dießen 1800-1801,
Glatt 1756-1803, Neckarhausen 1743-1799.
Kraus
11
J O H A N N ADAM KRAUS
Aus Neckarhausens Vergangenheit
Uber das Dörflein Neckarhausen, einer Teilgemeinde von
Betra, hat F. X. Hodler in seiner Geschichte des Oberamts
Haigerloch 1928 nur wenig berichtet. Dagegen behandelte
Theodor Schön schon 30 Jahre früher ziemlich eingehend
die Herren dieses Weilers von 1350 an bis zum Ubergang
an Hohenzollern 1803 leider ohne Quellenangaben. Am
20. Dezember 1350 kaufte Lutz (Ludwig) von Lichtenstein mit seinen Söhnen Dietrich und Heinz das Gut
Neckarhausen („Husen") mit Haus, Hofstatt, eingesessenen Leuten, Äckern, Wiesen, Holz, Feld, Wasser und
Weide um 420 Pfund Heller von Albrecht dem Pfäler und
dessen Schwester Agnes, welche alles von ihren Eltern
geerbt hatten. Die seit 1187 vorkommenden Herren von
Lichtenstein kamen von ihrer Doppelburg dieses Namens
bei Neufra an der Fehla, ein Zweig saß auch auf dem
Felsennest bei Hönau ob der Echaz. Die Pfäler dagegen
gehen auf die Burg Pfälen im Eisachtal bei Urach (Württemberg) zurück, und saßen zeitweise in Rottweil. Wie sie
in den Besitz von (Neckar-)Hausen kamen, scheint nicht
bekannt zu sein.
Die ältesten Herren, die sich von unserem Hausen am
Neckar schrieben sind nur sporadisch bezeugt. Der erste
ist jener Ruotmann von Husin, der unter den Gründern
des Klosters Alpirsbach im Schwarzwald an erster Stelle
neben Adelbert von Zollern und dem Grafen Alwig von
Sulz im Jahre 1095 genannt ist 2 . Lange Zeit war man
mit der Zimmerischen Chronik von 1566 der Ansicht, mit
diesem Herkunftsort Husin sei Hausach im Kinzigtal gemeint gewesen. Hans Harter hat jedoch in zwei tiefschürfenden Aufsätzen 3 nachgewiesen, daß es in damaliger Zeit
gar keinen Adel von Hausach gab und Ruotmann nur von
Hausen am Neckar benannt sein könne. Er untersuchte
auch die Reihenfolge, in der die Stifter aufgeführt sind.
Graf Alwig von Sulz dürfte als Graf jener Gegend, der
dem Grafenhaus der Zollern angehörige Adelbert von
Zollern als Wohltäter genannt worden sein. Ruotmann
scheint den Hauptteil des Geländes zum Kloster beigesteuert zu haben und gehörte vermutlich dem geistlichen
Stande an, weswegen er an erster Stelle steht, also vor den
Grafen 4 . Er könnte identisch sein mit einem Kleriker
Ruotmann von „Stoffeln", (o. i. der heutige Florianberg
bei Metzingen), einem Herrn, der um jene Zeit das Kloster
Hirsau beschenkte. Ein späterer Guntram von Husen,
Neffe eines Klerikers Heinrich von Ow ums Jahr 1120
wird ebenfalls nach Neckarhausen gerechnet. Er war nach
Harter wohl identisch mit dem „nobilis vir Guntram",
der zwischen 1133 und 1137 sein Gut zu Husen und Betherane, also Neckarhausen und dem nahen Betra, dem Kloster Reichenbach vermachte 5. Hier in Hausen dürfte die
später genannte Mühle entstanden sein. Dieser Guntram
de Husen wird noch im Jahre 1143, als Zeuge einer
Schenkung an Reichenbach erwähnt 6 . Zwischen diesem
Geschlecht von Husen und den weitverbreiteten Herren
von Ow (Niedernau) scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Harter möchte auch den Guntram de Egesteige
(Aistaig, oberhalb von Sulz a. N.), der um 1100 als letzter
Zeuge des Alpirsbacher Gründungsberichtes überliefert ist,
mit diesem Guntram von Husen gleichsetzen, der möglicherweise beim Eckwald in Fischingen seinen Sitz gehabt
habe.
Im 13. Jahrhundert saß auf der Burg zu Neckarhausen
(oberhalb der heutigen Ulrichskapelle) eine Ritterfamilie,
ohne daß wir wissen, ob sie mit den früheren Bewohnern
12
verwandt war. Am 2. Mai 1228 lesen wir von einem
Ritter N. dem Molendinator („Müller") von Husen. Er
war neben den hochadeligen Brüdern H(ugo) und Richard
von Wehrstein (bei Fischingen) mit den Rittern Fr(iedrich)
Schenk von Nagold und Dietrich von Haiterbach und
anderen Nichtrittern Zeuge, als Berthold der Ungericht
von Sulz sein vom Kloster Stein am Rhein zu Lehen gehendes Zehntrecht zu Rexingen gegen eine jährlich Fruchtgilt den Johannitern zu Rexingen überließ 7. Auch am
1. April 1246 finden wir im nahen Empfingen, dem für
Hausen zuständigen Pfarrort, wieder den Ritter Cunrad
von Husen (identisch mit dem Molendinator!) als Zeugen
für Hugo von Wehrstein 8 . Dieser Ritter Konrad war
1277 tot. Am 24. Februar dieses Jahres erfahren wir aus
einer zu Horb ausgestellten Urkunde des Klosters Kirchberg, er habe, als er noch lebte, dorthin einige Güter geschenkt und aus deren Einkünften in die Pfarrkirche von
Empfingen (seinem vermutlichen Begräbnisort) ein Licht
gestiftet, über dessen Unterhaltung sich Streitigkeiten ergaben. Damals wurde nun vor dem Notar des Pfalzgrafen von Tübingen entschieden: Solange die Laienschwester
Hylla (Hilda) dort im Kloster am Leben ist, soll letzteres
ihr von den Gütern, die Ritter Konrad von Husen stiftete, jährlich 4'/2 Tübinger Schilling geben. Nach ihrem
Ableben jedoch soll aus dieser Summe ein ewiges Licht,
das auch bei Nacht brennt, vom Kloster mit ö l unterhalten werden. Zeugen waren: Dekan Albert von Sulz,
Dekan H(einrich) von Empfingen, der Priester Berthold
Mundus (Rein), der Vizeleutpriester Götze von Nordstetten, die Ritter Volmar von Haiterbach, Petrus von Dettingen und Ritter Conrad von (Neckar-)Hausen (offenbar
der jüngere), ferner Albertus Gemach, Sifried Sigeli,
Burkart von Rangendingen und der Kirchberger Klosterbruder Walter 9. Dieser (jüngere) „Ritter Cunrad molendinator de Husen" ist auch am 24. Juni 1280 Zeuge für
den edlen Johann von Wehrstein, der im nahen Horb
wegen seiner Schulden den Johannitern zu Rexingen einige
Eigenleute verkaufte 1 0 . Um dieselbe Zeit wird Ritter
Konrad von Husen mit seiner Gattin Agnes erwähnt, weil
diese vom Kloster Reichenbach ein von ihrem Mann aufgelassenes Lehen gegen jährliche 4 Schilling auf Lebenszeit zugesagt erhält. Nach beider Tod fällt das Lehen ans
Kloster zurück und zum Jahrtag des Ritters soll jeder
Klosterbruder (Mönch) 1 Maß Wein erhalten
Den Beinamen molendinator oder Müller haben diese Herren
wohl von ihrer Mühle zu Hausen am Neckar erhalten.
Am 5. Januar 1282 beurkundet nämlich Ritter „Conradus
genannt molendinator de Husen" die Beilegung seines
Streites mit dem Kl. Reichenbach um die Mühle zu Husen. Das Kloster überließ die Mühle seinem Neffen Konrad auf Lebenszeit, wofür er zur Fastenzeit und am Martinifest Fische im Wert von 5 Tübinger Schilling jährlich
dem Kloster liefern soll. Konrad hatte kein Siegel bei sich,
weswegen sein Dienstherr, Pfalzgraf Otto von Tübingen
sein Siegel anhenkt 12 .
Von da an hören wir nichts mehr von diesen Neckarhauser Herren. Eine um 1295/98 vom Herrn Sifried von Horb
dem Kloster Kirchberg geschenkte Mühle zu Husen scheint
nicht Neckarhausen, sondern Renfritzhausen zu betreffen 13, denn hier hatte Kirchberg, wenigstens später, zwei
Mühlen. Daß unsere Herren erst 1611 ausstarben, wie
Hodler angibt, scheint auf einer Verwechslung zu beruhen.
Im Bauernkrieg des Jahres 1525 haben 5 namentlich ge-
nannte Einwohner von Dießen, 2 von Bittelbronn, 14 von
Dettingen und einige von Ahldorf das Schloß Neckarhausen, das damals den Edelleuten Jakob von Neuneck und
seinem Stiefsohn Ulrich von Lichtenstein gehörte, mit
Gewalt besetzt und allerlei Schaden und Unfug angerichtet. Sie wurden nach Niederschlagung des Aufstandes zur
Rechenschaft gezogen, in Haft genommen, mußten Geldstrafen zahlen und bei der Entlassung Urfehde schwören,
sich nicht zu rächen. So bekannte Jakob Eiseier von Dettingen noch am 27. Juli 1526 eidlich: Nachdem er beim
Aufstand der Bauern mit anderen Rebellen in das Schloß
zu Neckarhausen eingedrungen und nachher eingesperrt
worden war, aber noch keinen Schadenersatz geleistet
habe, werde er nach der Entlassung aus dem Gefängnis
alles ersetzen 14. Im Übrigen darf auf Th. Schöns Ausführungen verwiesen werden 15. Nach ihm wurde im 30jährigen Krieg das Schloß Neckarhausen zerstört, angeblich
von Martin Eiseier von Dettingen. Heute sind nur der
Ringgraben und wenige Reste zu sehen. Der letzte Sproß
der Lichtensteiner von Neckarhausen starb im Jahr 1688
in Oberungarn in kaiserlichen Diensten: der Fähnrich
Anton v. L. Neckarhausen selbst war kurz vorher durch
Kauf 1683 in die Hand von Johann Franz von Landsee
zu Glatt übergegangen. In späteren Jahrzehnten gehörten
zur Pfarrei Empfingen die Schlösser Wehrstein, Hohenmühringen und „Burgstall", nämlich die Burgruine von
Neckarhausen.
Joh. A. Kraus
Anmerkungen:
1
Mitt. H o h z . 31, 1897, 130 f. 2 W U B 1, 315. 3 Alemann. Jahrbuch,
Freiburg, 1968, 1 - 1 7 , „Die O r t e n a u " 1972, 6 7 - 7 6 . 4 Alemann. J a h r buch, wie N o t e 2, Seite 8 - 1 2 . 5 W U B 2, 409. 8 W U B 2, 410. 7 W U B 3,
228, Mitt. H o h z . 10, 52. 8 M i t t . H o h z . 3, 42. 9 W U B 8, 15. 19 W U B 8,
231. 1 1 W U B 8, 202. 1 2 W U B 8, 325. 1 3 W U B 10, 290. 1 4 M i t t . H o h z .
15, 5 4 - 5 5 . '5 M i t t . H o h z . 31, 130 £.
HERBERT BURKARTH
Zur Bedeutung der Flurnamen Holzwiesen und Holzmahd
Holzwiesen und Holzmahd sind Flurnamen, die auf den
Markungen unserer heimischen Orte nicht selten vorkommen. Nach Keinath (Flurnamen in Württemberg) handelt
es sich um einmähdige Wiesen, auf denen gelegentlich auch
Holz gebaut wurde. Gradmann zitiert Höslin (1798), der
berichtet, daß man auf den Holzwiesen in Zeiten großer
Holznot Buchen künstlich angepflanzt habe, um wenigstens den Holzvorrat für kommende Geschlechter zu vermehren. Was die Erklärung von Keinath betrifft, so ist
es richtig, daß man in Gebieten, die als Holzwiesen bezeichnet werden, häufig einmähdige Wiesen findet. Es ist
aber ziemlich unwahrscheinlich, daß ein Grundstück abwechselnd als Wiese oder Wald gebraucht wurde. Eine
Wiese, die einmal aufgeforstet war, wieder zu roden, ist
eine Mühe, die man sich ohne Not nicht macht. Was Höslin
berichtet ist nichts anderes als die Tatsache, daß „Holzwiesen" (damals schon reiner Flurname) aufgeforstet wurden,
ein Vorgang, der heute noch zu beobachten ist.
Auf Grund urkundlicher Belege soll am Beispiel der Herrschaft Gammertingen-Hettingen gezeigt werden, was
Holzwiesen wirklich waren. Die genannte Herrschaft
wurde 1524 vom Uracher Obervogt Dietrich von Speth
gekauft. 1530 ließ Dietrich von Speth für die ganze Herrschaft ein Lagerbuch anlegen. In diesem Lagerbuch sind
neben Hofstatt, Gärten, Wiesen und Äckern auch Holzwiesen aufgeführt. Die Holzwiesen sind ganz klar von den
Wiesen getrennt. Es muß demnach eine Wirtschaftsform
gemeint sein, die weder mit Äckern, noch mit Wiesen etwas zu tun hat.
Urkundliche Nachrichten, die darüber Aufschluß geben
könnten, was auf den Holzwiesen angebaut wurde, gibt
es bisher nicht. Der Ausdruck Holzmahd, der im gleichen
Sinne wie Holzwiesen gebraucht wurde, deutet daraufhin,
daß hier Holz gemäht wurde. Holz kann man aber nur
mähen, wenn es ganz jung ist, also einjährige Triebe und
Laub. Und das dürfte es wohl gewesen sein. Auf den
Holzwiesen wurden Laubgehölze als Viehfutter angebaut.
An sich ist die Laubfütterung nichts Neues. So wurden
z. B. die Hage, welche früher sehr zahlreich Felder und
Grundstücke umgaben, regelmäßig vom Vieh abgeweidet.
Sie wurden damit überhaupt erst zu Hagen (Hecken).
Abt
6
ilol^wiese
Auch der Ausdruck Hagbuche für Hainbuche gehört hierher. Das Holz dieser Büsche war besonders hart und zäh.
So nennt man heute noch auf der Alb einen alten Menschen, den nichts umbringen kann, einen „hagebüchenen".
Wie schon erwähnt, läßt sich die Vermutung, daß auf den
Holzwiesen Viehfutter angebaut wurden noch nicht beweisen. Die Zeit, in der es Holzwiesen gab, kann aber
ziemlich genau festgelegt werden. Das Kloster Mariaberg
hatte in der Herrschaft Gammertingen zahlreiche Besitzungen. In einem Zinsbuch des Klosters von 1475 gibt es
einen Hinweis auf die Entstehungszeit der Holzwiesen.
Man findet auf Markung Gammertingen eine Bezeichnung,
die sonst nie vorkommt, nämlich eine Flur „Auf den verbrunnenen Bergen". Hier lagen ausschließlich Grundstücke,
die als Holzwiesen und Holzmahd bezeichnet werden.
Somit liegt der Schluß nahe, daß der Boden für die Anlage
der Holzwiesen durch eine Brandrodung gewonnen wurde.
Im gleichen Zinsbuch kommt auch der Ausdruck „auf dem
Brunnenberg" für diese Flur vor. Das zeigt, daß der
13
Schreiber 1475 den Sinn nicht mehr verstanden hat. Die
vermutete Brandrodung muß also schon einige Zeit zurückliegen. Man kommt so etwa in die 2. Hälfte des 14.
Jahrhunderts. Der Erwerb dieser Grundstücke durch das
Kloster erfolgte zum großen Teil in der ersten Hälfte des
14. Jahunderts und ist urkundlich gut belegt. In keiner
dieser Urkunden findet man den Ausdruck Holzwiesen
oder Holzmahd. Es muß auch betont werden, daß auf
Markung Gammertingen innerhalb der Feldflur die Flurnamen Brand und Reute vorkommen. Beide sind wesentlich älter als die „Verbrunnenen Berge". Außerdem liegen
sie an anderer Stelle.
Interessant ist, daß die Holzwiesen der Gemeinden Gammertingen, Hettingen, Feldhausen und Kettenacker alle im
gleichen Gebiet liegen. Bei allen vier Gemeinden ist es das
Gebiet, das am weitesten vom Ort entfernt liegt. Die
Anlage der Holzwiesen dürfte demnach eine gemeinsame
Unternehmung der vier Gemeinden gewesen sein. Wahrscheinlich wurde alter, schwer zugänglicher Waldbestand
abgebrannt. So könnte man jedenfalls den ursprünglichen
Flurnamen „Dicke" deuten. Der Anteil der Gemeinde
Feldhausen an diesem Gebiet heißt heute noch Holzwiesen.
Ein weiterer urkundlicher Beleg für die Holzwiesen im
15. Jahrhundert ist der sogenannte Württembergische Verkaufsbrief. 1468 verkaufte Graf Ulrich von Württemberg
die Herrschaft Gammertingen-Hettingen an die Herren
von Bubenhofen. In dieser Urkunde werden mehrfach
Holzwiesen erwähnt, die alle in dem oben bezeichneten
Gebiet lagen. Auch die Gemeinde Neufra hatte Holzwie-
sen, die im Wolfertal und auf dem Hard (heute Freudenweiler) lagen. Sicher wird man bei anderen Orten auf
ähnliche Verhältnisse treffen. So befanden sich wohl auf
dem Heufeld bei Ringingen ebenfalls Holzwiesen, die von
den Nachbargemeinden angelegt wurden. Offen bleibt die
Frage nach der räumlichen Ausdehnung dieser Wirtschaftsform, da nur die unmittelbare Umgebung von Gammertingen in dieser Richtung untersucht wurde.
Die Holzwiesen waren als Wirtschaftsform sehr kurzlebig.
Es dürfte sie höchstens dreihundert Jahre gegeben haben.
Den Beweis dafür liefert das Lagerbuch des Klosters Mariaberg, das 1727 angelegt wurde. In diesem Lagerbuch
finden wir die Holzwiesen wieder, aber alle mit einem
Zusatz „jetzt zu einer Wiese" oder „jetzt zu einem Acker
gemacht". Wenn man weiß, wie zäh die Klosterleute sich
(mit gutem Grund) an alte Begriffe klammerten, so kann
man annehmen, daß die Umwandlung der Holzwiesen
schon längere Zeit vorher erfolgte. Wahrscheinlich wurden
sie schon im 17. Jahrhundert aufgegeben. Für die Aufgabe
der Holzwiesen kann es verschiedene Gründe geben. Es
ist möglich, daß man die Grundstücke als Äcker benötigte.
Ein weiterer Grund könnte sein, daß der Boden sich erschöpfte. Durch die ständige Nutzung (ohne Düngung)
gingen die Büsche schließlich ein. Daß die ganze Sache an
sich unwirtschaftlich war, soll nicht behauptet werden.
Auch sollen diese Ausführungen nicht der Weisheit letzter
Schluß sein. Vielleicht läßt sich mancher Heimatforscher
dazu anregen, seine eigene Ortsmarkung einmal unter dem
Gesichtspunkt Holzwiesen und Holzmahd anzusehen.
J O H A N N JERG
Aus der Vor- und Frühgeschichte des Kreises Sigmaringen
Vorbemerkung:
Unter Vorgeschichte verstehen wir die Zeit, in der der
Mensch noch nicht seine Geschichte schrieb. Über die Geschichte und Kultur dieser Zeit haben wir gar keine oder
nur ganz spärliche schriftliche Aufzeichnungen, sondern
wir sind allein auf die Bodenfunde angewiesen. In Hohenzollern und damit auch im Kreis Sigmaringen nehmen die
vor- und frühgeschichtlichen Denkmäler eine hervorragende Stellung ein. Die Forschung hierüber verdankt
ihren hohen Stand der seit über 140 Jahren erfolgten Förderung durch das Fürstl. Haus in Sigmaringen. Hofkavalier, Karl Freiherr von Mayenfisch führte bereits vor 1850
Grabungen durch und richtete 1846 als Intendant der
Fürstlichen Sammlungen eine Abteilung für Vor- und
Frühgeschichte ein. Der bekannte Maizer Prähistoriker
Ludwig Lindenschmidt, Direktor des Römisch-Germanischen Museums in Mainz, verfaßte schon 1860 den umfangreichen reich bebilderten Katalog „Die vaterländischen Altertümer der Fürstlich Hohenzollerischen Sammlungen zu Sigmaringen". Besondere Verdienste erwarben
sich die jeweiligen fürstlichen Archivräte und Direktoren
der Sammlungen, insbesondenrs K. Th. Zingeler, der in
den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts „die vorund frühgeschichtliche Forschung in Hohenzollern" und
eine archäologische Karte aller damals bekannten Fundstätten herausbrachte. Wenn diese verständlicherweise
nicht mehr dem neuesten Stand der Forschung entsprachen,
so sind sie auch heute noch eine beachtliche Grundlage. In
späteren Jahren erfuhr die archäologische Forschung eine
tatkräftige und umsichtige Förderung durch den Hohenzollerischen Landeskommunalverband. Die Fundberichte
14
sind veröffentlicht in den „Fundberichten aus Schwaben",
und in 3 Heften „Fundberichte aus Hohenzollern". Eine
Zusammenfassung aller Funde brachten 1948 Dr. Eduard
Petera und Prof. Dr. Oscar Pareth in einem Sonderdruck
„Die vor- und frühgeschichtlichen Kunst- und Kulturdenkmäler in Hohenzollern" heraus. Auch die „Vorgeschichte der Schwäbischen Alb" von Dr. Adolf Rieh, die
in der Hauptsache die Südwestalb behandelt, enthält viele
Hinweise auf Funde in Hohenzollern. Der Preussische
Staat hatte schon sehr früh durch bedeutende finanzielle
Mittel die Forschung in Hohenzollern gefördert und durch
das Ausgrabungsgesetz vom 26. 3. 1914, bzw. durch die
Verfügung des Regierungspräsidenten vom 18. 4. 1922,
die Rechtsverhältnisse mustergültig geregelt.
Die Bodenfunde aus dem Kreis Sigmaringen bis etwa 1918
befinden sich in der Hauptsache im Fürstl.-Hohenz. Museum in Sigmaringen, die späteren in der Hohenzollerischen Landessammlung, Abteilung Vor- und Frühgeschichte, in Hechingen. Einzelne Funde kamen an auswärtige Museen in Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe u. a. m.
Nicht unbedeutende Funde aus den Gemeinden Benzingen,
Dietfurt, Frohnstetten, Harthausen auf der Scher, Jungnau, Neufra, Oberschmeien, Ostrach, Sigmaringen, Thiergarten, Veringendorf, Veringenstadt und Vilsingen befinden sich in der „Sammlung Edelmann" Britischen Museum zu London.
Leider sind sämtliche und überaus wertvolle Funde, die
Dr. Eduard Peters in den Jahren 1934 bis 1945 in den
Höhlen von Veringenstadt, der Falkensteinhöhle von
Thiergarten, dem Propstfels in Beuron u. a. m. sowie den
Noerbauten im Egelsee bei Ruhestetten gemacht hatte, und
die in 10 großen Kisten verpackt waren, in den Wirren
des Sommers 1945 spurlos verschwunden; ein unersetzlicher Verlust für die Wissenschaft und unsere Heimat.
Die Altsteinzeit
(bis 10 000 v. Chr.)
Die Urgeschichte des Kreises Sigmaringen deckt sich mit
der Urgeschichte Südwest-Deutschlands. Wir hatten hier
eine Urlandschaft in der altsteinzeitliche Jäger in kleinen
Horden die eiszeitliche Landschaft durchstreiften, die wir
in etwa mit den heutigen Tundren Lapplands und Nordsibiriens vergleichen können, auch was die kümmerlichen
Bestände von kleinen Kiefern und Birken anlangt. Durch
die Pollenanalyse des Hanfertaler Riedes sind wir auf das
beste hierüber unterrichtet. Viele Funde geben uns Zeugnis über den Bestand an Großtieren dieser Zeit, wie Mammut, wollhaarigem Nashorn, Höhlenbären, Wildpferd und
Rentieren, die dem altsteinzeitlichen Jäger und Sammler
den Lebensraum strittig machten, und die er mit primitivsten Waffen aus Stein und Holz in lebensgefährlichem
Kampf oder in Gruben erlegen mußte, um überleben zu
können. In unserer Heimat dienten die zahlreichen Höhlen des Donau-, Laudiert- und wie erst kürzlich festgestellt wurde auch des Schmeientales den kleinen und spärlichen Horden der altsteinzeitlichen Jäger als Wohn- und
Lagerplätze.
Einmalig in unserem südwestdeutschen Raum sind die
4 Höhlen von Veringenstadt, die Dr. Eduard Peters ausgegraben hat. An vielen Geräten und Werkzeugen aus
Feuerstein und Tierknochen, darunter auch von Höhlenbären, konnte er feststellen, daß hier der Neandertaler
Mensch zweimal in der Göpfelsteinhöhle und in der Schafstallhöhle gehaust hat, später auch in der Nikolaus- und
Annakapellenhöhle. Die Funde reichen bis in die Epoche
des Moustarien und des Magdalenien zurück. Die meisten
Funde sind verschollen, nur das sehenswerte Heimatmuseum in Veringenstadt und das Landesmuseum in Hechingen haben kleine Restbestände hiervon. Die Besiedlung
der Veringenstadter Höhlen durch die altsteinzeitlichen
Jäger dauerte die ganze Eiszeit hindurch an, also von
etwa 40 000 bis 10 000 v. Chr. Die Höhlen zeitigten auch
Funde aus fast allen späteren Kulturepochen bis ins Mittelalter.
Die Mittelsteinzeit (etwa 10 000 bis 4000 v. Chr.)
Allmählich wurde das Klima wärmer, die Gletscher wichen
zurück und der Eichen- und Mischwald kam auf und mit
ihm unsere heutigen Waldtiere. Der Neandertaler Mensch
war ausgestorben und auch die Großtierwelt der Eiszeit,
bis auf das Wildpferd. Neue Jäger-, Fischer- und Sammlerstämme wanderten bei uns ein. Immer noch blieb der
Mensch Jäger, der auch teilweise in Hütten im Freiland
siedelte, oder auch unter den Vordächern kleiner Höhlen
und Felsüberhänge. Die reichsten Funde an Steinwerkzeugen mannigfacher Art und Fischereigeräten machte Dr.
Peters in der Falkensteinhöhle bei Thiergarten und am
Propstfels oberhalb Beurons. Andere Funde aus der
Epoche des Tardenois brachten die Ausgrabungen am Bernaufels bei Thiergarten und an einem Felsüberhang bei
den Grotten bei Inzigkofen. Probegrabungen in der Kohltalhöhle bei Hornstein und am Hohlestein bei Thalheim
weisen auf diese und ältere Epochen hin. Auch die Ausgrabungen von H. Edelmann 1913 an einem Felsüberhang
des Dettinger Berges in Sigmaringen zeitigten unter anderem auch Funde dieser Epoche. Aus den Funden zu
schließen, kann die Bevölkerung in der Mittel-Steinzeit
nur gering gewesen sein. Grundlegend neue Erkenntnisse
über die Mittelsteinzeit an der oberen Donau brachten seit
1964 die jährlichen Ausgrabungen von Dr. Wolfgang
Taute von der Universität Tübingen. In der Jägerhaushöhle beim Schloß Bronnen und vor allem in der Zigeunerhöhle bei Unterschmeien stellte er in 14 Schichten Funde
aus der jüngsten Periode der Altsteinzeit, dem Magdalenien und vor allem überaus reichhaltig aus der frühesten
Mittelsteinzeit, etwa 8000 bis 6000 v. Chr. fest. Es fehlen
Funde aus der Jungsteinzeit. Die Funde aus der Mittelsteinzeit sind reichhaltiger als in Frankreich selbst, und
weichen wesentlich davon ab, so daß diese Kultur als Beuronien bezeichnet werden. Die Ausgrabungen in Unterschmeien gehen weiter.
Die ]ungsteinzeit (etwa 4000 bis 1800 v. Chr.)
Langsam vollzog sich die Wandlung vom Jäger, Fischer
und Sammler zum Ackerbauer und Viehzüchter. Dies
setzte einen gewissen Grad von Seßhaftigkeit voraus. Aus
den Steppen Vorderasiens brachte ein Einwanderervolk
das dort einheimische Wildgetreide, Wildtiere, den Ackerbau und die Viehzucht mit. Auch entwickelte es das aus
Holz und Lehm erbaute feste Haus und die Töpferei. Diese Errungenschaften der Kultur brachten eine starke
Volksvermehrung mit sich. Durch die wiederholten Klimawechsel wurden diese Bauern gezwungen bald an die Seen,
bald auf die fruchtbaren Lößböden, bald auf die Hochflächen der Alb zu siedeln, je nachdem das Klima feucht
oder trocken war. Die Ackerbauern siedelten natürlich
lieber auf den fruchtbaren Lößboden des Neckarlandes
und dem nördlichen Albvorland. So kommt es, daß wir
im hohenzollerisdien Unterland zahlreiche Stätten von
solchen Bauerndörfern gefunden haben, während Alb- und
Alpenvorland nicht so günstig waren. Eine große Dürre
und Hungersnot zwang die Lößbauern aus dem Neckartal und von der Alb an die Seen des Alpenvorlandes und
in die Moore zu flüchten. Als Zeugnis für die Flucht dieser
jungsteinzeitlichen Bauern können hier die bei Wald gefundenen Ackergeräte dienen, ebenso die jungsteinzeitlichen Steinbeile und Gefäße aus den Höhlen des Donauund Laucherttales. Als bisher einzige bedeutende Siedlung
im Kreis Sigmaringen konnte Dr. Peters 1936 aus Moordorf Egelsee bei Ruhestetten ausgraben, von dem einige
Gebäude bereits beim Bahnbau Schwackenreute-Pfullendorf angeschnitten waren. Es wurden 6 rechteckige Gebäude mit Giebeldach in 2 Reihen in einer Größe von
5 Metern Länge und 3,5 Metern Breite freigelegt. Auch
einige Tongefäße wurden darin gefunden. Welchen Volksstämmen diese jungsteinzeitlichen Bauern angehört haben,
wissen wir bis jetzt nicht. Je nach Form und Schmuck ihrer
Keramik unterscheiden wir Schnurkeramiker, Bandkeramiker und Glockenbecherleute.
wird fortgesetzt
Heimatmuseum
Sigmaringen
Am 27. März wurde im „Runden Turm" in Sigmaringen
das Heimatmuseum eröffnet. Lange gewünscht, konnte
durch die großzügige Stiftung des 1972 verstorbenen
Ehrenbürgers, Hofrat Georg Zimmerer, dieses Museum
eingerichtet werden. Der Turm stammt noch aus der Zeit
um 1450 und ist das letzte Bollwerk der Stadtbefestigung.
Er bildete die Südwestecke der Stadt. Wir hoffen, im nächsten Heft eingehender darüber berichten zu können. Frick
15
Register 1972
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerisdien
Gesdiichtsverein in V e r b i n d u n g mit den S t a a t lichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. V e r l a g : HohenzollerischerGeschichtsverein
748 Sigmaringen, K a r l s t r a ß e 3. D r u d e : M . L i e h ners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen,
K a r l s t r a ß e 10.
Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n z o l l e r n mit
der Geschichte ihrer H e i m a t v e r t r a u t machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch p o p u l ä r
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht b e v o r z u g t Beiträge,
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K o n t e n der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
12363 Postscheckamt S t u t t g a r t
16
Seite
46
Mundart, heimische
62
Mundart, heimische
60
Notgeld aus Hohenzollern
48
Ortsjubiläen 1972
27
Rangendingen 1544
26
Ringingen, Ortsnamen
58
Ringingen, Herren von Ringingen und Entringen
19-22
Schuler Dyonisius I
40-43
Schuler Dyonisius II
43
Starzein, aus der Geschichte
47
Steinhofen, zur Geschichte
32
Stettener Klosterfrauen
129-132
Trochtelfingen
143
Veringen, Dorf und Stadt
61
Wald, Zisterzienserinnenkloster
24
Wangen im Ostrachtal, Dorfgeschichte
44-46
Wehrstein, Herren von
143
Weinburg und Prinz Karl I
23
Weinburg und Prinz Karl II
132
Zimmerer Hochzeit
53
Zollerlied (Schallplatte)
32
Zugehen, speisen
Seite
50
63
136-138
23
23
32
141
23
23
17
141
133-134
29
23
54
55
28
139
32
61
33-39
135
Brauchtum, Advent und Weihnachten
Burladingen, Flurnamen I
Denkmalspflege in Hohenzollern
Engesthal
Fahnenäcker
Fidelisfest, Sigmaringen
Fidelisfest, Sigmaringen
Frauenberg
Fretzwiesen
Gadener Forstkarte
Gögginger Dorfbuch
Grosselfinger Narrengericht
Heiligenzimmern, Kirchenbau
Hermentingen, Zinsbuch St. Gallus
Hohenzollern, Abschied vom Land
Jungingen, Schulchronik
Kay und Schray, Geländenamen
Killer, Alte Rechnungen
Landessammlung, Hohenz.
Landeskommunalverband, Hohenz.
Mariaberg, Baugeschichte
Meldungen, Herren von
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H e i m a t " weiter zu empfehlen.
HÖH ENZOLLER ISCHE
HEIMAT
£3. J a h r g a n g
N r . 2 / J u n i 1973
W 3828 F
Herausgegeben oom
Hohenzollerifchen
Staatlichen S c h u l ä m t e r n H e c h i n g e n
unö Sigmaringen
Hl. Sippe, Veringenstadt, um J¡20, in der Pfarrkirche St.
Wahrscheinlich vom sogenannten „Illerzeller
Gefchichteoerein
in V e r b i n d u n g m i t ö e n
Nikolaus.
Meister".
(Siehe Seite 18 in diesem Heft)
Foto: M. Hermann
MANFRED H E R M A N N
Der Illerzeller Meister und die gotische „Anna-selb-dritt"
in der Pfarrkirche zu Neufra
Gotische Bildwerke sind manchen Kirchen der Hohenzollern-Alb in einem erstaunlich reichen Maße erhalten
geblieben; besonders dort, wo in der Barockzeit das Geld
zu einer prunkvollen Neuausstattung gefehlt hat. Meist
aber sind die Plastiken aus ihrem einstigen Zusammenhang gerissen und des bergenden Schreines verlustig gegangen. So besitzt Neufra bei Gammertingen in seiner
Pfarrkirche, den drei dazugehörigen Kapellen und am
Rathaus nicht weniger als zehn gotische Bildwerke; unter
ihnen ein Vesperbild, zwei große Madonnen mit Kind,
ein mächtiger Kruzifixus und eben eine Anna-selb-dritt.
Bei wenigen läßt sich etwas zum einstigen Standort sagen, wohl aber das eine oder andere zur künstlerischen
Herkunft. Diesmal soll uns die Figur der Anna-selb-dritt
aus der Zeit um 1490 näher beschäftigen.
Die hl. Anna gilt als Schutzherrin der Mütter, der Ehe,
der Witwen und Armen; besonders wurde sie von den
Gebärenden und um Kindersegen angerufen. Ihren Höhepunkt erreichte die St.-Anna-Verehrung in Deutschland
am Ausgang des Mittelalters, als ein ausgesprochener
Modekult daraus wurde. Mit dem wachsenden Verständnis des Glaubensgeheimnisses von der unbefleckten Empfängnis Mariens dehnte sich die Zuneigung ihrer Verehrer auch auf deren Mutter aus, welche neben der Tochter zum Idealbild der Mütterlichkeit wurde. Daher erklärt sich die weite Verbreitung des Andachtsbildes der
hl. Anna-selb-dritt (so lautet die mittelalterliche Bezeichnung), das sie zusammen mit der Tochter Maria und dem
Jesusknaben zeigt.
Die Entwicklung der St.-Anna-Verehrung läßt sich auch
bei uns an zwei Bildwerken in der St.-Anna-Kirche zu
Haigerloch und in der Kapelle von Hermentingen ablesen: Einstige Muttergottesbilder mit dem Kind auf den
Knien wurden durch Hinzufügung eines Mädchens um
1500 zu St.-Anna-Bildern umgewandelt. Der altertümlichere Typus zeigt Anna als ehrwürdige Matrone mit
der kindhaften Maria auf dem einen und dem Jesusknaben auf dem anderen Arm: eine Form, welche die
Einheit der drei Personen am stärksten zum Ausdruck
bringt. Diesem Typus folgen die Darstellungen in Neufra
und in der Pfarrkirche zu Jungnau. Viel lebendiger ausgearbeitet ist etwa die sitzende Anna-selb-dritt in der
Pfarrkirche zu Laiz, wo sie das Jesuskind auf ihrem
rechten Knie hält und wo die Tochter Maria, ihrem Sohn
einen Apfel reichend, an ihrer linken Seite stehend dargeboten wird. Alle drei sind durch Blicke und Gesten
sehr eng miteinander verbunden. — „Die aus diesem
Bildtypus hervorgegangene Darstellung der hl. Sippe
gibt den drei Figuren ihr natürliches Größenverhältnis
und ihre natürliche Altersstufung zurück. Die Beschäftigung der beiden Frauen mit dem Kind, das auf den
Knien von Mutter unnd Großmutter die ersten Gehversuche macht, erinnert an zeitgenössische Bilder, auf denen das Familienleben der hl. Sippe mit bürgerlichem
Behagen geschildert wird" (Eva Zimmermann1).
Vorbild für diese Darstellungweise dürfte die aus Sandstein
ausgehauene Gruppe der Anna-selb-dritt im Berliner
Bode-Museum aus der Zeit um 1467 des Nikolaus Gerhaert von Leyden, des berühmtesten Bildhauers seiner
18
Zeit am Oberrhein, gewesen sein. Dieser Form folgt die
erweiterte Darbietung der hl. Sippe im sog. Hutz-Altar
des Ulmer Münsters, wo die Gestalten des hl. Joachim,
des hl. Joseph und zweier weiterer Männer hinzukommen. In etwas vereinfachter Ausführung finden wir diesen Bildtypus in der Pfarrkirche zu Veringenstadt. Bei
all diesen Darstellungsformen wird das Bemühen deutlich, eine Dreieinigkeit zu schaffen, die wie ein Gegenstück zur hl. Dreifaltigkeit Gottes anmutet. Übrigens hat
Martin Luther gerade deswegen die Anna-selb-dritt-Bilder heftig bekämpft.
In der Neufraer Pfarrkirche befindet sich am nördl.
Chorbogen eine stehende Anna-selb-dritt; sie ist 1.16 m
hoch, im Dreiviertelrund gearbeitet und eine hinten ausgehöhlte Lindenholzfigur in der alten ergänzten Fassung.
Ungewöhnlich schmal, fast säulenartig gearbeitet, zeigt
sie einen geschlossenen Kontur. Gleichwohl die St.-AnnaPlastiken meist als Einzelbildwerke aufgestellt waren,
ist die Neufraer in einer schmalen, hohen Altarnische
denkbar. Die etwas steife Heilige steht mit vorgesetztem
linken Bein (also nicht vom Betrachter, sondern von der
Figur aus gesehen), dessen Knie sich durch den Mantel
drückt und von dessen Fuß nur die Schuhspitze unter
den langen Gewändern sichtbar wird, auf einem grünen
Rasensockel. Auf dem rechten Arm sitzt das nackte, den
Weltapfel tragende und segnende Jesuskind, mit der
linken Hand hält St. Anna ihre mit fußlangem Kleid
gewandete und von einem Buch aufschauende Tochter
Maria. Das mit weißem, goldbesäumtem Kopftuch bedeckte und das vom Hals bis zum Kinn eingehüllte
Haupt ist leicht zur Seite geneigt; ein gütiges, mütterliches Antlitz blickt auf den Beter hernieder. Ungewöhnlich hoch unter der Brust ist das graue, bis zum Boden
reichende Kleid gegürtet. Der rote, innen grau-gefütterte
Mantel mit Goldborten wird von der linken Seite her
vor den Leib gezogen und von den Fingern der rechten
Hand in der Mitte des Längssaumes festgehalten. Auf
der merkwürdig flachen Mantelbahn wirken die teilweise rechtwinklig gebrochenen Falten mit oft scharfen
Kanten und schmalen Graten wie aufgesetzt.
Albert Waldenspul2 hat bereits im Jahr 1923 die Plastik veröffentlicht und sie nicht gerade als sehr hochwertig bezeichnet; eine zwar recht allgemeine Feststellung,
mit der er aber recht hat. Der Sigmaringer Kunstdenkmälerband des Jahres 1948 3 liefert eine kurze Beschreibung und datiert sie „um 1490". Nirgendwo aber wurde
bisher eine kunstgeschichtliche Einordnung der Figur
versucht.
Dem Kenner des Württ. Landes-Museums in Stuttgart
wird bald eine Verwandtschaft der Neufraer Skulptur
mit der sehr viel späteren Madonna des Ohmenhauser
(Ohmenhausen bei Reutlingen, heute Reutlinger Stadtteil) Altares auffallen, welcher mit 1521 datiert und mit
dem Namen Hans Syrer bezeichnet ist 4 . Hier finden
wir die rechtwinklig gebrochenen Mantelfalten, ferner
weist die Maria bei der Neufraer Figur einige der Madonna ähnlichen Gesichtszüge und eine fast gleiche Haarbehandlung auf. Wie ist dies bei dem zeitlichen Abstand
beider Werke möglich?
Bei der Besprechung des sog. „Illerzeller Meisters" hat
Gertrud Otto in ihrem Werk über „die Ulmer Plastik
der Spätgotik" 5 auch den Ohmenhauser Altar behandelt, den sie aber nur in losem Zusammenhang mit dem
obigen anonymen Ulmer Künstler sieht. Denn in Ulm
ist kein Hans Syrer nachweisbar. Dagegen war am Gewölbe des Chores der Reutlinger Marienkirche vor dem
Brand von 1726 dem die Malereien zum Opfer fielen,
neben den Namen von zwei Heiligenpflegern die Angabe „Hans Syrer, maier" mit der Jahreszahl 1513 zu
lesen s . Da also beim Ohmenhauser Altar ein Reutlinger Maler als Unternehmer auftrat, welcher die Bildhauer- und Schreinerarbeit weiterverdingte, schloß Gertrud Otto mit Recht auf einen dort ansässigen Bildschnitzer. Aus Hans Rotts Veröffentlichungen 7 wissen
wir, daß im Zeitraum zwischen 1490 - 1530 nur ein einist, nämlich Martin Schmidt. Übrigens hatte der Maler
Hans Syrer 16 Jahre zuvor schon einen mit „1505" datierten Altar nach Rübgarten im Kr. Tübingen geliefert,
dessen Plastiken trotz des Zeitabstandes mit denen des
Ohmenhauser Altares gemeinsame Züge aufweisen. Es
ist auch dieselbe Künstlerhandschrift, die wir von der
Neufraer Anna-selb-dritt her kennen; nur ist diese Figur
einige Zeit früher, um 1490, anzusetzen. Somit dürfen
wir in ihr eine Reutlinger Arbeit vermuten, die aus der
Werkstatt des Bildhauers Martin Schmidt hervorgegangen sein mag.
In diesen Zusammenhang hinein gehören eine Reihe weiterer Werke in Großengstingen, Hettingen und Veringendorf (um 1520), welche Gertrud Otto einem unbekannten Ulmer Bildschnitzer zuschreibt, den sie nach der
Illerzeller Madonna „Illerzeller Meister" nennt. Merkwürdigerweise ist diese eine schwächere Replik einer in
der Großengstinger Pfarrkirche befindlichen Madonna 8
von wesentlich höherer Qualität. Hätte man den anonymen Künstler den „Großengstinger Meister" genannt,
dann wäre seine Beziehung zu Reutlingen deutlicher geworden. Allerdings ist das Werk des Illerzellers durchaus
nicht einheitlich. Er muß einen Schüler besessen haben,
welcher später Richtung Oberschwaben abgewandert ist
und seinen Meister um einiges übertroffen hat. Doch
möchte ich an dieser Stelle diese Frage nicht weiter erörtern. Meine Worte wollen nur deutlich machen, daß
man den „Illerzeller Meister" auch anders sehen kann.
Anmerkungen:
S p ä t g o t i k a m O b e r r h e i n — A u s s t e l l u n g s k a t a l o g des B a d . L a n d e s M u s e u m s K a r l s r u h e (4. J u l i - 5. O k t o b e r 1970), N r . 146, S. 191.
2
) Albert
Waldenspul,
D i e gotische H o l z p l a s t i k des L a u c h e r t t a l e s in
H o h e n z o l l e r n , T ü b i n g e n 1923, S. 3 1 ; A b b . N r . 48.
3
) Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns — Bd. I I : Kreis Sigmaringen,
b e a r b e i t e t v . Friedrich H o s s f e l d , H a n s V o g e l u n d W a l t h c r G e n z m e r ,
S t u t t g a r t 1948, S. 251.
4
) Julius Baum, Niederschwäbische P l a s t i k des a u s g e h e n d e n
alters, T ü b i n g e n 1925, A b b . 71.
Mittel-
5
) Gertrud
Otto, D i e U l m e r P l a s t i k d e r S p ä t g o t i k , R e u t l i n g e n 1927,
S. 6 3 - 6 6 , A b b . 6 1 - 6 3 .
6
) C a m e r e r - L a u b e n b e r g i s c h e C h r o n i k im R e u t l i n g e r S t a d t a r c h i v , a b g e d r . in R e u t l i n g e r Geschichtsblätter I V (1893) S. 47.
7
) Hans Rott,
Quellen u n d Forschungen zur südwestdeutschen und
Schweiz. Kunstgeschichte im X V . u n d X V I . J a h r h u n d e r t , B d . : A l t schwaben u n d die Reichsstädte — Q u e l l e n , S t u t t g a r t 1934, S. 245.
8
) s. A n m . 2, A b b . N r . 2 7 ; s. A n m . 5, A b b . N r . 46.
Empfehlung
H l . A n n a s e l b d r i t t aus N e u f r a , ein W e r k des „ I l l e r z e l l e r M e i s t e r s " .
Foto M. H e r m a n n
Der Verein veranstaltet am 14. Juli einen
heimatkundlichen Ausflug, wie in den Tageszeitungen bereits ausführlich erwähnt. Er führt nach Neufra,
Gammertingen
und Feldhausen, u. a. auch zu dem Ritterhaus, über das
Dr. Herbert Burkarth in diesem Heft schreibt. Der Verein
möchte mit dem Ausflug auch erfahren, ob sich dergleichen lohnt. Eine starke Teilnahme ist dafür zu erhoffen.
19
HERBERT BURKARTH
Das Ritterhaus von Feldhausen
Im Lauf des Jahres 1972 wurde im Dorfmittelpunkt von
Feldhausen ein altes Fachwerkhaus restauriert. Das Haus
ist heute ein Schmuckstück für das Dorf und die ganze
Umgebung. Die Restaurierung geht übrigens auf eine persönliche Initiative von Herrn Landrat Dr. Gögler zurück.
Es ist ein auffallend stattliches Haus, das die Bauernhäuser in der Nachbarschaft um ein Stockwerk überragt. Auch
die Nebengebäude mit zwei Pferdeställen, zwei Viehställen und zwei Scheuern zeigen, daß es sich um ein ganz
besonderes Anwesen handelt. Das Wohnhaus selbst enthält weder einen Stall, noch einen anderen landwirtschaftlichen Raum, ist also reines Wohngebäude. Auch das ist
ganz ungewöhnlich, denn reine Wohnhäuser gab es früher
in den Dörfern nicht.
Es ist nur wenig bekannt, daß nicht nur unsere Städte und
Städtlein, sondern auch scheinbar unbedeutende Dörfer
in der Vergangenheit einmal „Residenz" waren. Ein solches „Residenzdorf" ist Feldhausen. Das Dorf Veldhusun
wird schon im 9. Jahrhundert in St. Galler Urkunden erwähnt. Es liegt in einer flachen Mulde, die ihm etwas
Schutz gegen den rauhen Westwind gibt, der hier oben in
760 m Höhe oft recht kalt pfeift. Mittelpunkt des Dorfes
bildete bis vor zwei Jahren die große Hülbe, die, wie so
manches, dem Verkehr weichen mußte.
Feldhausen wurde vermutlich als Ausbausiedlung von
Gammertingen aus gegründet. Seit es schriftliche Quellen
gibt, gehörte es zur Herrschaft Gammertingen-Hettingen.
Im 14. Jahrhundert hatten die Herren von Lichtenstein
Besitz im Dorf. Auch das Kloster Mariaberg hatte hier
mehrere Erblehenshöfe. In Richtung Gammertingen lag
auf dem „Birklesberg" ein Adelssitz, der im 14. Jahrhundert Klaus von Pflummern gehörte.
20
Grundherren waren im Lauf der Zeit die Grafen von
Gammertingen, die Grafen von Veringen, die Herren von
Rechberg, die Grafen von Württemberg, die Herren von
Bubenhofen und die Herren von Speth. 1524 kaufte Ritter
Dietrich von Speth, Obervogt von Urach, die Herrschaft
Gammertingen-Hettingen. Mit der Familie Speth begann
die Geschichte Feldhausens als „Residenz". Es gab allerdings keine Speth'sche Linie Feldhausen-Harthausen. Nach
dem Tode des jeweiligen Inhabers fiel das Gut wieder an
die Herrschaft Gammertingen zurück. Zu Anfang des 17.
Jahrhunderts entstanden aus dem Gammertinger Gebiet
zwei Herrschaften, Gammertingen mit Feldhausen-Harthausen und Neufra mit dem Birkhof. Etwa 1620 wurde
die Herrschaft Gammertingen nochmals geteilt. Feldhausen wurde mit Harthausen eine eigene Herrschaft. Erster
Inhaber der Herrschaft Feldhausen-Harthausen war Georg
Wolf von Speth, der 1633 starb. 1658 fand eine erneute
Erbteilung statt. Die Herrschaft Feldhausen-Harthausen
kam an Rudolf Jakob Speth. Auf einem Epitaph von
1676 ist zu lesen, daß Rudolf Jakob von Speth, Herr zu
Feldhausen und Harthausen, Schirmherr des Gotteshauses
Mariaberg, 1663 in Österreich starb. Normalerweise war
der Inhaber von Gammertingen Schirmvogt von Mariaberg. Wahrscheinlich hatte Rudolf Jakob Bronnen-Mariaberg als Ausgleich erhalten, denn die Herrschaft Feldhausen-Harthausen war wesentlich weniger wert als Gammertingen. In einem Teilungsvertrag wird Gammertingen
auf 59 000 Gulden, Feldhausen-Harthausen auf 37 000
Gulden geschätzt. Gammertingen hatte 612 Leibeigene,
Feldhausen-Harthausen 337 (Feldhausen allein 205).
Jahrzehnte später, 1709 wurde Feldhausen nochmals selbständig. Josef-Joachim von Speth bekam die Herrschaft
bis zu seinem Tode 1717. Danach blieb Feldhausen dauernd bei Gammertingen. Es ist anzunehmen, daß das Haus
um 1620 von Georg Wolf von Speth gebaut wurde. Der
Keller und die Mauern des Erdgeschosses dürften noch aus
dieser Zeit stammen. Obwohl Feldhausen im Lauf der Zeit
nur drei Mal selbständige Herrschaft war, bedeutet das
nicht, daß das Ritterhaus nicht bewohnt gewesen wäre. Es
diente sicher, wie das Schloß in Bronnen, der Familie als
„Zweitwohnsitz". Übrigens wurde das alteGammertinger
Schloß von der Familie Speth überhaupt nie bewohnt,
weil es zu alt und schlecht war. Sie hatte sich in Gammertingen ebenfalls ein Fachwerkhaus (Haus Adolf Göggel)
als Wohnhaus gebaut. Im eigentlichen Schloß befanden
sich nur Amts- und Wirtschaftsräume. Erst nach dem Bau
des jetzigen Schlosses im 18. Jahrhundert zog die Herrschaft ins Schloß und das „Schlößle" wurde Amtshaus.
Die Bezeichnung Herrschaftshaus ist heute in Feldhausen
noch bekannt. Das Haus liegt an der „Herrengasse" (an
der allerdings auch das Pfarrhaus liegt; der Name könnte
sich auch darauf beziehen). Es hat außer dem aus starkem
Mauerwerk bestehenden Erdgeschoß noch zwei Stockwerke. An der Traufseite befindet sich die Haustüre, durch
die man in einen breiten Flur kommt. Hier führte wahrscheinlich einmal eine jener typischen Eichenholztreppen
nach oben, wie man sie auch in den alten Pfarrhäusern
findet. Sie haben heute noch einen Hauch von „Herrschaftlichkeit". Im Erdgeschoß befinden sich vier große Räume.
Hier befand sich wohl einmal die große Küche, vielleicht
auch ein „Rittersaal" an der Giebelseite. Die eigentliche
Wohnung war im ersten Stock und umfaßt neun Zimmer.
Auf „praktische" Einteilung eines solchen Hauses wurde
kein Wert gelegt, denn es gab ja Personal genug. Im Winter beschäftigte man einen eigenen Ofenheizer, so daß das
ganze Haus fast so warm war wie im Zeitalter der Zentralheizung.
Unter dem Erdgeschoß befindet sich ein großer gewölbter
Keller und im Keller eine Besonderheit, ein Hausbrunnen.
Entgegen einer verbreiteten Meinung dienten die Hülben
in den Albdörfern nicht der Trinkwasserversorgung, son-
Leserbriefe zum Thema
dern nur als Viehtränken. Als die Bewohner eines Albdorfes ihr Gesuch an den König von Württemberg um Anschluß an die Wasserleitung richteten, haben sie bewußt
gelogen. Sie schrieben dem König, daß sie ja mit dem
Wasser aus der Hülbe zufrieden seien, aber das Vieh wolle
es nicht mehr saufen. In Wirklichkeit hatte jedes Haus
einen eigenen Brunnen. Meistens waren es Dachbrunnen,
d. h. Zisternen, in denen das Regenwasser gesammelt
wurde. Es ist klar, daß dieses Wasser im Sommer oft stank
und manchmal ganz ausging. Dann fuhr man mit Fässern
nach Gammertingen und holte Lauchertwasser. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß von manchem alten Älbler behauptet wurde, er sei in seinem Leben
nur einmal, nämlich von der Hebamme, gebadet worden.
Der Brunnen im Ritterhaus, der bis heute frisches und im
Sommer kühles Wasser hat, ist kein Dach- oder Traufbrunnen. Er bekommt das Wasser aus einer wasserführenden Bodenschicht. Man nennt ihn auch den Schwedenbrunnen, weil in ihm im dreißigjährigen Krieg zwei Soldaten ertrunken sein sollen, die im Keller nach Wein suchten. Wahrscheinlicher erscheint jedoch, daß sie Wein gefunden hatten und dann in den Brunnen fielen.
An der Giebelseite des Ritterhauses findet man die Jahreszahl 1814. Vermutlich wurde das Haus in diesem Jahr
renoviert. Wann es in Privathand kam, ist nicht bekannt.
1827 verkaufte die Familie Speth ihren ganzen Besitz an
das fürstliche Haus in Sigmaringen. Schon 1830 verkaufte
die fürstliche Verwaltung alle Gebäude, die sie selbst nicht
benötigte. Damals mag auch das Ritterhaus von Feldhausen in Privatbesitz gekommen sein. Im 19. Jahrhundert
befand sich in dem Haus das Gasthaus zum „Hirsch". Die
Familie Jaudas, der das Haus gehört, bezeichnet man
heute noch als Hirschwirts. Noch vor wenigen Jahren
spiegelte das Ritterhaus seinen Giebel in einem stillen,
verträumten Dorfteich, in dem sich Enten und Gänse tummelten. Heute ist alles von einer breiten Asphaltstraße zugedeckt, und der Verkehr wird immer stärker. So wollen
wir wenigstens für die neu erstandene Schönheit des Ritterhauses in Feldhausen dankbar sein.
Holzwiesen
Holzwiesen: Deutung nach Keinath ist Unsinn. Ihre Erklärung erscheint mir großenteils zutreffend:
1. Am weitesten draußen an der Gemarkungsgrenze.
2. Ehemals gemeinsame Weide mit angrenzender Nachbargemeinde.
3. Flur Holzwiesen war Holz = Wald.
4. Schwer zugänglicher Wald und zwar von beiden
Dörfern aus.
Holzwiesen, die ich kenne, liegen noch tiefer als das allgemeine Wiesengelände, sind daher sehr feucht (wenn
nicht drainiert), oft durchzieht sie ein kleiner Bach, mehr
Graben mit wenig Gefälle. Beispiel Gemarkung Engelswies-Rohrdorf. Wenn auch auf dem topogr. Blatt 7920
der Name Holzwiesen nur auf der Rohrdorfer Seite steht,
so heißen sie auf Gemarkung Engelswies ebenso. Die
Grenze verläuft dem Wassergraben entlang. Ich kenne aus
der Geschichte Weidestreitigkeiten zwischen Rohrdorf und
Engelswies wegen Tag- und Nachtweide bzw. deren Aufsichtsverpflichtung. Heute steht auf dem Gelände der
Holzwiesen der Bodenseesender des Südwestfunks. Holzwiesen waren zweifellos stets Wald und liegen auch heute
noch am Rand von zusammenhängenden Waldungen.
Stud.Rat Anton Teufel, Freiburg i. Br.
Zu Ihrem Problem Holzwiese, Holzmahd kann ich aus
Ringingen etwas mitteilen: 1721 klagte der Pfarrer gegen
Michael Kraus, er gebe von seinen Holzwiesen auf Gallenbühl (an der Nordgrenze der Markung) keinen Zehnten. Der amtliche Bescheid lautete: „Die fraglichen Wiesen
sind Holzwiesen, daher gebührt der Zehnt der Herrschaft
und nicht dem Pfarrer." Das Feld ist dem Heufeld benachbart, dessen Wiesen alle einmähdige Holzwiesen waren; d. h. teils mit Bäumen und Gebüsch bewachsen,
worüber nur die Gemeinde Salmendingen zu bestimmen
hatte (auch über die Ringinger Wiesen). So mindestens
urkundl. seit 1516. Die Ringinger Bauernhöfe hatten seit
altersher für die Heufeldwiesen der Herrschaft einen Betrag für den Zehnten zu geben. Nach dem Heuet wurde
das Heufeld als Viehweide für die umliegenden Gemeinden freigegeben. Die Büsche und Bäume gaben in der
Sommerhitze den Weidetieren Schatten. Wasser war überhaupt nicht zur Verfügung. Von den richtigen Wiesen,
Gras- und Krautgärten bezog der Pfarrer den Kleinzehnten. - Das zeigt, daß die Holzwiesen nicht als richtige
Wiesen verstanden wurden, sondern als Mischform zwischen Wiesen, Weiden und holzspendendem Wald.
]. A. Kraus
21
JOSEF MÜHLEBACH
Bittelschieß - Aus der Geschichte des Dorfes
Überblick über die geschichtliche Entwicklung
Wenn eine kurze geschichtliche Schau für das Dorf Bittelschieß dargestellt werden soll, so drängt sich unwillkürlich die Vorstellung über das Geschlecht der Herren
von Bittelschieß in den Vordergrund. Immer und immer
wieder begegnet man im Schrifttum zur Geschichte unserer engeren Heimat vom 11. bis 15. Jahrhundert den
Herren von Bittelschieß. Hier soll aber nicht die Geschichte des Adelsgeschlechtes der Bittelschießer Herren,
als vielmehr eine kurze Darstellung der Geschichte des
Dorfes Bittelschieß versucht werden. Nur soweit die
Herren von Bittelschieß für die Geschichte des Dorfes
bedeutsam werden, soll auf diesen Zusammenhang hingewiesen werden.
Die erste geschichtliche Nennung der Herren von Bittelschieß im Jahr 1083 darf wohl auch für das Dorf Bittelschieß in Anspruch genommen werden. Nach der Gütergeschichte des Klosters St. Georgen O S B im Schwarzwald war Berthold von Bittelschieß einer der Zeugen,
als der Stifter des Klosters, der Adelige Hezelo, am
4. Januar 1083 dem Grafen Mangold von Altshausen
den Auftrag erteilte, das Gut Königseggwald mit Zubehör unter den Schutz des Papstes zu stellen. Berthold von
Bittelschieß war auch neben anderen Zeuge, als 1084 der
Stifter Hezelo in Irslingen bei Rottweil für den Fall,
daß sein einziger Sohn Hermann ohne Kinder stürbe,
seine Güter an St. Georgen vergabte. 1 Bei der feierlichen
Bestätigung der Schenkung am 13. Januar 1086 in
der St. Georgzelle wird u. a. Sohn Berthold von Bittelschieß als Zeuge genannt. Am 2. Januar 1092 gab Ritter
Berchtold von Bittelschieß zwei Mansen (Höfe) in Wolfratsreute bei Saulgau dem Kloster St. Georgen.2
Das Dorf Bittelschieß wird in einer Urkunde des Bischofs Heinrich von Tanne zu Konstanz vom 20. Oktober 1245 erwähnt, nach der Hugo von Bittelschieß Burg
und Dorf dem Bischof zu Konstanz übertragen und als
Erblehen zurückerhalten hat. 3 1248 schenkte Hugo von
Bittelschieß Güter in Bittelschieß dem Gotteshaus Salemsweiler (Salem). Der Ort lag im Bereich der Goldineshuntare, dann des Gaues Ratoldesbuch und gehörte später
zur Grafschaft Sigmaringen.
Sitz der Herren von Bittelschieß war die Burg auf dem
Bergvorsprung gegenüber der Bittelschießer Mühle rechts
an der Landesstraße Krauchenwies-Wald. Die Reste der
Burganlage sind leider beim Abbau des Bergrückens zur
Kiesgewinnung vor einigen Jahren zerstört worden.
Einige Zeit zuvor bot der Bergvorsprung als Fundstücke
becherförmige Ofenkacheln, die in das 13. Jahrhundert
gehören und gleichzeitig auf eine schlichte mittelalterliche Burganlage deuten. Eine weitere Burg der
Herren von Bittelschieß stand oberhalb von Bingen gegenüber der Burg Hornstein auf einem Bergrücken links
der Lauchert; diese Burg hat dem „Bittelschießer Täle"
seinen Namen gegeben. Lichtschlag läßt in seiner Arbeit
„Die Feste Bittelschieß an der Lauchert" die Frage, ob
der Stammsitz der Herren von Bittelschieß in Bittelschieß oder an der Lauchert bei Bingen gewesen ist, offen.4 Als letzten Herrn von Bittelschieß nennt Lichtschlag Ulrich von Bittelschieß, der 1466 zum letzten Mal
aufgetreten ist. Die Feste Bittelschieß an der Lauchert
ist damals in den Besitz der Herren von Hornstein übergegangen. Die Marienkapelle, die heute noch auf dem
22
Eingangsfelsen des Bittelschießer Täle steht, ist nicht
ein Rest der Burganlage. Sie wurde erst 1620 erbaut,
also zu einer Zeit, da die Burg längst zerstört war.
Die Zimmerische Chronik, ein für die Geschichte des
schwäbischen
Raumes hochbedeutsames
historisches
Werk des 16. Jahrhunderts, enthält für Bittelschieß folgenden interessanten Hinweis: „Büttelschieß ist ain klainer, aber gar ain alter fleck, hat vor Zeiten ain schlössle
under dem dorf herab ob der mülle und ain aigens geschlecht gehabt, sein die edle knecht von Bittelschieß genennt worden. Sonst sein noch zwai schlösser dem Andelspach nach ufhin gelegen gewesen, wie man die burgstall noch alle sehen und erkennen kan." 5 Der Ort kam
um 1400 in den Besitz der Herren von Bodmann, die
ihn 1429 an Hans Gremiich zu Pfullendorf um 495 rh.
Gulden verkauften. 6 Das Dorf kam 1465 vorübergehend an Herren von Reischach und fiel dann wieder an
die Familie Gremiich. Die Herren von Gremiich haben
sich später mit dem Bischof zu Konstanz in den Besitz
des Dorfes geteilt, denn im Jahr 1667 verkauft Bischof
Franz Johann in Konstanz die Hälfte des Dörfleins Bittelschieß an Johann Hafner von und zu Bittelschieß für
6 500 fl.7 Von diesem Jahr ab gehörte das Dorf den
Herren Hafner. Im Jahr 1751 hat der Edle Johann Baptist Stader von Adelsheim, Hofkanzler in Sigmaringen,
das Dorf von Josef Leodegar von Hafner um 32 000 fl.
erworben. 8 Als Herr von Staden 1766 starb, wurde
seine verwitwete Gemahlin geb. Vollin, Hofmeisterstochter aus Ulm, Besitzerin von Bittelschieß. Sie hat aber
ihren Wohnsitz nach Hechingen verlegt, wo ihre Tochter mit Hofrat und Hofkanzler von Franc verheiratet
war und auch ihr Sohn Adolphus von Stader wohnte.
1786 hat Fürstin Johanna zu Hohenzollern-Sigmaringen,
verwitwete Gemahlin des Fürsten Karl Friedrich, das
Dorf von den Erben von Stader um 59 000 fl, gekauft. 9
Schon im folgenden Jahr ging nach ihrem Tod - 22. Februar 1787 - ihr Bittelschießer Besitz an Anton Alois,
Fürst zu Hohenzollern-Sigmaringen, über.
Kirchliches
Für 1263 wird als Pfarrer in Bittelschieß Burcardus plebanus in Bittelschieß genannt.10 Damals war nach dem
Liber decimationis von 1275, dem Steuerregister, das die
vom Klerus der Diözese Konstanz für einen Kreuzzug
aufzubringenden Leistungen in Höhe des zehnten Teiles
der Einkünfte aufführt, selbständige Pfarrei. Die Einkünfte der Bittelschießer Pfarrherren sind mit 30 Schillingen angegeben.11 Sie waren aber so gering, daß sie auf
die Dauer für den Unterhalt des Pfarrers nicht ausreichten. Deshalb wurde auf Bitten der Patrone vom Generalvikar des Bischofs zu Konstanz die Pfarrei Bittelschieß
am 10. September 1429 mit der Pfarrei Hausen am Andelsbach vereinigt. Würden die Früchte in Bittelschieß
anwachsen, soe heißt es in der Urkunde, sollen sie wieder getrennt sein.12 Am 10. Juli 1668 erneuert der Generalvikar des Bischofs die Urkunde vom 10. September
1429 über die Eingliederung von Bittelschieß als Filiale
in die Pfarrei Hausen. Johann Baptist von Stader, Herr
zu Bittelschieß von 1751 bis 1766, war mit Eifer darum
bemüht, Bittelschieß wieder zu einer selbständigen Pfarrei zu machen. Seinen Bemühungen blieb aber der Erfolg
versagt hauptsächlich deshalb, weil eine frühere Stiftung
für die Pfarrpfründe schon unter den Herren von Gremiich abgegangen war und neue Einkommensquellen nicht
erschlossen werden konnten.
Herr von Stader hat sein Interesse für Bittelschieß auch
dadurch bekundet, daß er 1758 an Stelle „einer uralten,
ruinösen Kirche" eine neue größere Kirche von Baumeister Martin Ilg erbauen ließ. Dieser war von Pfarrer und
Dekan Viktor Hollenstein in Hausen, der aus Lustenau
in Vorarlberg stammte und den in Dornbirn ansässigen
Baumeister kannte, für den Neubau der Stadtpfarrkirche
Sigmaringen empfohlen worden. So konnte Pfarrer Hollenstein Martin Ilg auch für den Neubau der Kirche in
Bittelschieß gewinnen. Die Erstellung des Neubaus fällt
in die Bauzeit der Sigmaringer Stadtpfarrkirche von
1757 bis 1759. Dank dieser Beziehungen und Verbindungen bekam Bittelschieß durch einen für unseren Bereich nahmhaften Baumeister des 18. Jahrhunderts sein
reizvolles Rokoko-Kirchlein, ein Baudenkmal, wie es
kleine Landgemeinden in unserem Raum nur selten besitzen. Zu der künstlerischen Ausstattung gehören die
geistvollen Stukkaturen von dem auch an der Sigmaringer Stadtpfarrkirche tätigen Johann Jakob Schwarzmann und die Seitenaltäre mit Gemälden des Sigmaringer Malers Meinrad von Ow. Bei einer Renovation in
den Jahren 1933 und 1934 wurden, da keine Freskenreste mehr vorhanden waren, neue Fresken von August
Braun aus Wangen im Allgäu gemalt. Der gleiche Maler schuf auch ein neues Hochaltargemälde direkt auf
Putz. 13 Die Kirche ist dem Hl. Kilian geweiht.
Die Schule und ihre Lehrer
Die Schule in Bittelschieß ist durch Verwendung einer
Stiftung des Pfarrers Viktor Hollenstein, Hausen am
Andelsbach, um 1770 errichtet worden. Über die Lehrkräfte, die in den zwei Jahrzehnten nach der Errichtung
tätig waren, konnte nichts ermittelt werden. Vielleicht
war aber Provisor Bartholomäus Zwick, der für 1799
nachweisbar ist, die erste Lehrkraft der Schule, standen
doch damals für die Entlohnung eines Lehrers jährlich
nur 120 Gulden zur Verfügung, ein Betrag, der einem
Lehrer kaum den Lebensunterhalt ermöglichte. B. Zwick
war bis 1826 im Dienst. Zum Schulverband gehörten die
Gemeinden Bittelschieß und Ettisweiler sowie der Weiler
Weihwang. Zwar war Weihwang - mit Otterswang und
Glashütte - der Schule Kappel zugeteilt, doch schickte
Weihwang die Kinder wegen der kleineren Entfernung
in die Schule Bittelschieß. Die Bittelschießer Schule war
im herrschaftlichen Jagdhaus untergebracht.
Der Generalbericht des Hofkaplans Lenzinger als Schulkommissar für das Fürstliche Hohenzollernsdie Oberamt Sigmaringen vom 3. Mai 1811 enthält für die Schule
in Bittelschieß folgende Aufzeichnung: „Die Kinderzahl
dieser Schule ist zwar sehr gering; nichts desto weniger
haben sie deutliche Proben ihrer Geschicklichkeit öffentlich an den Tag gelegt. Sie sind im Lesen und im Schreiben so ziemlich zu Hause. Im Rechnen haben sie freylich auch keine grossen Fortschritte gemacht; indem die
Zeit für eine so weitschichtige Wissenschaft viel zu kurz
ist. Die Sprachlehre ist auch hier nicht üblich, weil der
Lehrer selbst nicht darinnen bewandert ist. In der Katechetik sind diese Kinder sehr wohl bestanden, weil sie
vom Pfarrer Kienle (aus Hausen) darin Unterricht erhielten." (Aus der Arbeit „Die Schulorganisation von
1809 im Fürstentum Sigmaringen." Von Fritz Kallenberg. Hohenz. Jahreshefte. Jahrg. 1962. S. 99/126).
Dem Schulprovisor Bartholomäus Zwick, in dessen
Dienstzeit diese Schulvisitation gefallen ist, folgte von
1826 bis 1833 Provisor Sebastian Erath, zuvor Provisor
in Klosterwald, geboren am 2. Oktober 1807 in Hausen
am Andelsbach. S. Erath war später - von 1849 bis
Ende Dezember 1874 - Direktor der Spar- und Leihkasse für die Hohenz. Lande in Sigmaringen. Nach Sebastian Erath waren folgende Lehrkräfte an der einklassigen Schule Bittelschieß tätig:
Provisor Liehner, 1833 bis 1847; während einer Erkrankung im Jahr 1847 wurde er durch Provisor Benedikt Häberle aus Krauchenwies vertreten. 1847 wurde
die Provisorenstelle in eine Lehrerstelle gehoben. Das
Jahresgehalt betrug jetzt 250 fl.
Lehrer Josef Sauter aus Thiergarten, geboren in Krauchenwies, von 1848 bis 1862. Er ist 1862 gestorben. Mit
dem Lehrerdienst war seit etwa 1850 der Mesner- und
Organistendienst verbunden.
Lehrer Georg Lehle, vorher Lehrer in Veringendorf,
von 1862 bis 1870. Um 1870 ist Weihwang aus dem
Schulverband ausgeschieden. Der Schule Bittelschieß mit Ettisweiler - verblieben nach dem Ausscheiden von
Weihwang noch 60 Schüler.
Lehrer Karl Hirschbühl ab Mai 1870, vorher in Levertsweiler, 56 Jahre alt. Die Besoldung betrug jetzt
500 Gulden. Hirschbühl wurde 1876 aus dem Schuldienst entlassen.
Provisor Gaugge\ aus Rulfingen, vom März bis Oktober
1876. Gehalt 855 Mark.
Im Oktober 1876 erhielt Gustav Schoy, geboren am
22. März 1859 in Bisingen, Provisor in Burladingen, die
Lehrerstelle an der einklassigen Schule Bittelschieß übertragen. Der Organistendienst war von 1876 ab vom Lehrer nicht mehr wahrzunehmen. G. Schoy mußte von 1890
ab wegen gichtischer Erkrankung immer wieder durch
Hilfskräfte vertreten werden. Die Vertretung haben
wahrgenommen:
Provisor Anton Mühlebach aus Hausen am Andelsbach,
Schulamtsbewerber Lauterwasser aus Sigmaringen. Lehrer Gramer aus Hermentingen, Lehrer Matthias Mors aus
Hausen, Schulamtsbewerber Wiedmaier aus Rangendingen.
In die letzten Dienstjahre des Lehrers G. Schoy fiel der
Neubau eines Schulhauses (1909). Das alte Schulhaus,
das heutige Haus Heinemann an der Gögginger Straße,
war für den Schulbetrieb völlig unzulänglich geworden.
Lehrer Gustav Schoy ist Ende 1912 in den Ruhestand
getreten.
Die freigewordene Lehrerstelle, vorübergehend mit Lehrer Franz Hahn aus Hausen besetzt, wurde im März 1913
dem Lehrer Hermann Frank, geboren am 16. Juni 1887
in Magenbuch, übertragen. Während des Heeresdienstes
1914 - 1918 haben den Lehrer Frank vertreten die
Lehrer Franz Hahn, Hausen, Friedrich Lorch, Krauchenwies, Ägidius Riester, Otterwang, und Rudolf Koch,
Stetten unter Holstein.
Als Lehrer Frank auf seinen Antrag im Frühjahr 1921
nach Magenbuch versetzt wurde, erhielt Lehrer Josef
Rottler, Dießen, geboren am 8. April 1875 in Wilflingen
bei Rottweil, die Lehrerstelle Bittelschieß zum 1. April
1921 übertragen. Nach seiner Zurruhesetzung 1937 waren
als Lehrkräfte in Bittelschieß angestellt:
Anton Gröber, geboren am 30. März 1898 in Hechingen,
von 1937 bis 1954, Lehrer.
Karl Waldenspuhl, geboren am 28. Juli 1926 in Walbertsweiler, von 1954 bis 1961, Hauptlehrer/Oberlehrer.
Josef Iiier, geboren am 19. Februar 1934 in Amplatz
(CSR), Hauptlehrer/Oberlehrer.
Karl Gröner, geboren am 27. Februar 1935 in Sigmaringen, von 1963 bis 1970, Hauptlehrer/Oberlehrer.
Im Jahr 1970 wurde die Volksschule Bittelschieß der
Grund- und Hauptschule Krauchenwies eingegliedert.
(Akten Staatsarchiv Sigmaringen. Ho 235. I-XI. C Nr.
182)
23
Man denke an Kehlheim und das dortige Engtal der
Donau.
Kirche von Bittelschieß
Der Ortsname Bittelschieß geht auf den Personennamen
Putilo zurück. Schieß bedeutet Giebel, vorschießendes
Stück, vorschießender Bergrücken. Diese Bezeichnung
trifft sowohl für den Bergvorsprung bei der Bittelschießer Mühle wie für den Bergrücken im Bittelschießer
Täle zu.
Das Dorf mit einer Gemarkungsfläche von 447 Hektar
und 165 Einwohnern liegt links des Unterlaufes des Kehlbaches, der bei Rothenlachen entspringt und unterhalb
der Bittelschießer Mühle in den Andelsbach einmündet.
Allgemeines
Ein Rückblick in die Vor- und Frühgeschichte des
Dorfes darf sich auf die von Dr. Karl Theodor Zingeler
in den „Hohenzollerischen Mitteilungen", Jahrg. 1893/94,
Seite 1-110, veröffentlichte Arbeit: „Die vor- und
frühgeschichtliche Forschung in Hohenzollern" stützen.
Zingeler berichtet im Abschnitt „Grabhügelfunde", daß
bei Bittelschieß eine Fibel, Halsringe, Hohlringe, Armund Fußringe, Nadelköpfe, Gewandnadeln, Ohrringe,
Gürtelring-Fragmente, Ringe verschiedener Art, ein Eisendolch mit Bronzegriff, Scherben von Tongefäßen gefunden worden sind. Der Burstel/Burgstall sei in der
frühgeschichtlichen Zeit eine vorhistorische Erdbefestigung gewesen. Gegenüber dem Bürstel, rechtsseitig des
Andelsbaches oberhalb des Antonsbrunnens war auf einem
Bergvorsprung eine frühgeschichtliche Fliehburg, in einem Güter- und Einkünfteverzeichnis des Krauchenwieser Dorfherrn von 1468 „Burgstall am Sam" genannt.
Die Volkssage ließ den Bittelschießer Burgstall mit der
Fliehburg am Andelsbach durch eine Lederbrücke in
Verbindung stehen. Eine Römerstraße Wald-Glashütte
läuft mitten durch das Dorf Bittelschieß, eine andere
von Pfullendorf-Otterswang mündet hier ein. Eine
dritte Römerstraße führt von Hausen her östlich an Ettisweiler vorbei zur Bittelschießer Mühle, um dort in die
Straße Wald-Bittelschieß-Ablach-Laiz einzumünden.
1783 erscheint in einer geschichtlichen Aufzeichnung
über Fischereirechte der Bach bei Bittelschieß als Buchbach. Der Flußname Kehlbach ist auf kele, das ist eine
kleine, enge Schlucht, enges Rinnsal, zurückzuführen.
24
Aus der jüngsten Geschichte des Ortes verdient die Errichtung der Jungviehweide Bittelschieß Erwähnung. In
Magenbuch mit Lausheim, Ostrach, Otterswang, Rengetsweiler, Spöck, Tafertsweiler mit Bachhaupten, Eschenden Jahren 1911 bis 1914 haben sich die Gemeinden Bittelschieß, Ettisweiler, Glashütte, Hausen am Andelsbach,
Kalkofen, Kalkreute, Krauchenwies, Laiz, Liggersdorf,
dorf und Günzenhausen, Thalheim und Walbertsweiler zu einem Zweckverband zusammengeschlossen, dessen Aufgabe nach der Satzung die Förderung der Vieh-,
Pferde-, Schweine- und Geflügelzucht und die Verwertung deren Erzeugnisse war. Überwiegend wurde jedoch
in der auf Gemarkung Bittelschieß zu diesem Zweck angelegten Jungviehweide mit einem Areal um 30 Hektar
nur Jungvieh aufgetrieben. Der Betrieb der Jungviehweide, die flächenmäßig aus dem Grundbesitz der Familie Schnitzler hervorgegangen war, wurde im Herbst
1967 eingestellt, weil die Weide wegen zu geringen Auftriebes unwirtschaftlich geworden war. Der größte Teil
des Areals dient heute dem Betrieb einer Rosenzuchtanlage.
Das Wappen der politischen Gemeinde zeigt in geteiltem
Schild oben in Silber eine rote Bütte, unten in Rot einen
stehenden goldenen Hirsch. Die Bütte, ein korbähnliches
nach unten verjüngtes Traggefäß mit Traghenkel, wurde
einem Siegel eines Herrn von Bittelschieß aus dem Jahr
1367 entnommen und soll die Erinnerung an den ehemaligen Ortsadel festhalten. Der goldene Hirsch in rotem
Feld deutet auf die einstige Zugehörigkeit des Ortes zur
Grafschaft Sigmaringen.14
Im Dreißigjährigen Krieg ist Bittelschieß nahezu ausgebrannt.
Noch ist Bittelschieß eine selbständige politische Gemeinde, mit einer geordneten und gesicherten Gemeindewirtschaft. Aber auch ihr wird sich wie vielen anderen kleinen Gemeinden in absehbarer Zeit die Frage stellen, wie
sich ihre künftige Stellung im Zeichen der Gemeindereform gestalten soll.
Anmerkungen:
1. Jahresschrift f ü r Geschichte des Oberrheins. 9. J a h r g . 1858 S. 193
bis 225. — M o n u m e n t a G e r m a n i a e H i s t ó r i c a . X V / I I . Ausgabe
1963. S. 1005.
2. Vierteljahreszeitschrift „ H o h e n z . H e i m a t " 1964. S. 47 u n d 62.
3. Regesten der Bischöfe von K o n s t a n z . Bearbeitung von L a d e w i g
und Müller. 1895. Bd. 1 N r . 1622.
4. H o h e n z . Mitteilungen. 3. J a h r g . 1869/70 S.
5. Zimmern'sche C h r o n i k . Bearbeitung von D r . P a u l
1933. H e n d e l v e r l a g Meersburg. 2. Bd. S. 154.
Herrmann,
6. D o m . Archiv Sigmaringen (DAS). Grafschaft Sigmaringen.
R u b r . 75 N r . 268. Kastenfach 31 N r . 8.
7. Ebenda N r . 274.
8. Ebenda N r . 275.
9. E b e n d a N r . 278.
10. Sal. U r k . B. I. S. 435 N r . 389.
11. F . D . A . Bd. 1. S. 106.
12. Regesten der Bischöfe von K o n s t a n z . Bearbeitung v o n K . R i e d e r .
3. Bd. 1913 N r . 9280.
13. Die
Kunstdenkmäler
Hohenzollerns.
Band
Kreis
1948.
14. Wappenbuch des Landkreises Sigmaringen. 1958.
Sigmaringen.
ALBERT WALDENSPUHL
Kunde von der Burren-Burg bei Wald (Hohenzollern)
Bescheidene Reste einer kleinen Burg „Borre" (später
„Burren" oder „Burrau" genannt) sind vorhanden in der
Nähe von Wald. Von den einstigen Burrenbesitzern haben wir urkundliche Kenntnis für die Zeit ca. 1190 bis
1260. Nur ein kurzer Bestand war der Burg beschieden,
die kaum eine größere Rolle spielte und schon um 1241
als Burgstall aufgeführt wird, d. h. eine Burg, die im Abgang und Zerfall ist. Kaum sichtbare Merkmale weisen
auf den Platz der einstmaligen kleinen Feste hin. Der
Burgplatz ist eine leichte Erhöhung im Buchenwald. Im
Westen sind Spuren von zwei Gräben und zwei dazu gehörenden Erdwällen, im Norden ist ebenfalls ein Graben
angedeutet, im Osten war einst der Zugang. Im Boden
stecken noch Mauerreste und roh behauene Bausteine,
wie private Untersuchungen aus späterer Zeit beweisen.
Die Burgbesitzer gehörten wohl dem niederen Adel an
und nannten sich „de Borre" (vom Burren). Kenntnisse
haben wir von ihnen aus Urkunden des Klosters Wald
und dem Archivbestand des Klosters Salem.
Aus der Zeit 1212-1216 meldet der Stiftungsbrief des
Klosters Wald, wie ein kaiserlicher Beamter, Burkard
von Weckenstein das Gut „Walde" samt dem kleinen Eigenkirchlein für seine beiden Schwestern Judinta und
Ita kaufweise erwarb und dadurch den Grund legte für
das spätere Zisterzienserinnenkloster. Eine Erinnerung
an das alte Pfarrkirchlein mag das Holzkreuz sein, das
im Glorienfenster der Walder Kirche über dem Hochaltar hängt (von ca. 1150). Das Kloster Wald entwickelte
sich in kurzer Zeit so vorbildlich, daß es schon 1247 die
Schwester und Subpriorin Trudlindis, eine der ersten
Klosterfrauen von Wald, ersucht und aufgerufen wurde,
mit einigen anderen Frauen in das neu entstehende Kloster in Lichtental bei Baden-Baden zu übersiedeln und
dort Ordensregel und Ordnung einzuführen. Diese Berufung erfolgte, weil Wald im Rufe besonderer Frömmigkeit und Ordensstrenge stand. Die dortige Klosterchronik berichtet: „Trudlindis von Liebenstein wurde
1248 zu einer Äbtissin und Vorsteherin erwählt; sie war
eine gottselige und geistliche Frau und ist 1249 wohlbedacht gestorben". Dieses Kloster denkt noch heute in
Dankbarkeit und Liebe an die Lichtentaler Klostergründerinnen, die vom Kloster Wald kamen.
Über die Burrenburg bei Wald und ihre Geschichte sind
nur spärliche urkundliche Nachrichten auf uns gekommen: 1216 Heinrich, Herzog von Schwaben und Regent
von Burgund bestätigt die Stiftung des Klosters und Gotteshauses Wald und stellt einen Schutzbrief aus, der den
gleichen Inhalt hat, wie ein Schutzbrief seines Vaters,
Kaiser Friedrich II. Das Schriftstück ist in Überlingen
ausgefertigt und führt unter vielen anderen als Zeugen
auch einen „Eberhardus de burre" an. 1230 Berthold,
Kaplan der Frauen von Wald und sein Bruder Ritter
Burkard von Pfullingen übertragen ihre Besitzungen an
das Kloster Wald. Zeuge ist wieder Eberhardus von Burre. 1237 „Eberhardus miles de burre" urkundet im Kloster Salem als Zeuge, daß Heirich von Ramsberg sein
Gut in Gebratsweiler dem Gotteshaus Wald für 42 Mark
Silber verkauft habe. 1241 Eberhard von Reischach verkauft an die Äbtissin und den Convent zu Wald das
„Schloss Burrau" und alle dazu gehörenden Besitzungen.
Dazu ist zu bemerken, daß nur noch der Burgplatz vorhanden war, (locum castri mei). Die Burg selber scheint
zerfallen oder zerstört zu sein. Zeugen des Verkaufes,
der in Wald getätigt wurde, waren die Dekane von
Krauchenwies und Pfullendorf. 1241 Heinrich von Nifen (Neuffen) und seine beiden Söhne Heinrich und Gotfried geben an das Gotteshaus Waldt wegen Seelenhayl
das Gueth burraw mit allen rechten und zugehörungen
als freie Schenkung. 1242 Eberhart und Rudolf von Burrau, Ritter und Gebrüder, teilen ihre Erbschaft. Dabei
bekommt Rudolf den Teil, über den das Kloster Reichenau die Lehensherrschaft hatte, Eberhart aber den andern Teil, der den Herren von Nifen gehörte. Eberard
überließ das Erbe dem Stifte Wald gegen 90 Mark Silber.
Eberhart Abt von Reichenau und der ganze Convent daselbst geben am 20. Juli 1242 die Einwilligung zur Teilung des Gutes in Burrau zwischen Eberhart und Rudolf.
1242 Albert und Heinrich von Bußnang überlassen nach
Absprache mit ihren Söhnen Berthold, Albert und Heinrich ihre Güter zu „burre" mit allen Rechten dem Kloster „beate Marie in Walde". 1249 Bischof Eberhard von
Konstanz bestätigt den Tauschvertrag der Äbtissin Margaretha von Blumeneck und dem Convent in Wald mit
dem Pfarr-Rektor Goswin von Walbertsweiler, kraft
dessen das Kloster eine Wiese bei der Kirche zu Walbertsweiler abtritt und dafür den Heuzehnten von einer
Wies zu Burre bekommt. Die einstige Burrenherrlichkeit
ist um 1250 dahin. Den Namen Eberhard von burre findet man 1216-1243 mehrfach in Walder Urkunden, einige Male auch in Schriftstücken von Salem. Dieser Name hat auch einen Platz gefunden im Seelbuch (Anniversar) des Gotteshauses Wald. Es wurde 1505 angelegt,
geht aber inhaltlich auf eine alte Vorlage zurück.
Angefügt sei noch ein Abschnitt aus einem „topographischen Bericht" von 1770, der die Burrengegend betrifft: „Burren ist eine einzelne Mahlmühlen an einem,
aus dem Walder Weyhern ausfliessenden Bächlein, welches Weyherbächlein genannt wird, in einem Thal, welches besonders romantisch hersieht, da selbes von nache
daran liegenden Waldungen und zwar gegen Mittag von
dem sogenannten Nikolausen-Hölzchen und gegen Abend
von der Auchtweid-Waldung fast gänzlich eingeschlossen ist. Von Klosterwald, wohin die Mühlen eingepfarrt ist, ist sie eine Viertelstund entfernt. Oberhalb
der Burrau-Mühlen in dem Wald Burrau-Wald genannt,
siehet man einige, aber fast unkennbare Überbleibsel eines alten Schlosses, welches der Wohnsitz der alten Herren von „Burre", die dieser Enden im 13. Jahrhundert
blüheten, gewesen ist.
Nachtrag: Eine Aufstellung der Walder Klostergüter
vom Jahre 1785 berichtet:
Kloster und Convent besitzen eine Tafern-Wirtschaft item
ein, auf eigene, des Klosters Rechnung verwaltetes Bräuhaus, nicht minder zweyn kleine hauptsächlich zum Klostergebrauch bestimmte Mahlmühlen; es ist die Klostermühle in Wald und die Burrenmühle; jede hat ein Weyher. Der Fasten wegen war das Kloster rings umgeben
von Teichen, Weyhern und Fischgruben, von denen viele
mit der Zeit eingegangen sind. - Geblieben ist bis heute
der Conventweiher beim Klostergebäude und der Burrenweiher. Beide sind bevölkert mit Karpfen, Schleien und
einigen. Hechten.
Die Klostermühle wurde vor etwa 70 Jahren aufgegeben
und in ein Privathaus umgebaut. Nur der Geburtsschein
ist geblieben. Es ist ein Sandstein mit Doppelwappen und
der Inschrift: „Anno 1603 ist durch die Erwirdige Edle
und gaistliche frowen frow Margaretha von Werden25
stein Aptissin disser Bauw diss gotts hauss Waiden von
Neven erbauwen und vollendet worden".
Die Burrenmühle ist heute noch in Betrieb und hat sich
zu einem stattlichen Anwesen entwickelt. Das kleine
Weiherbächlein von Wald, dessen Bett besonders in der
Nähe des ehemaligen Bierkellers steinhart geworden ist,
durch Schalentiere und Bachmuscheln, plätschert Tag
und Nacht sein Wasser auf das große Mühlrad, damit
es sage und singe von der alten Burrenburg.
Schlußbemerkungen: 1. In der Hohenz. Heimat Nr. 3
1953 schreibt Herr Jerg über die Freiherren von Rei-
schach: „Die Stammburg der Herren von Reischach ist
die Burg „Borre"; Eberhard und Burkard, Ritter von
Reischach verkauften ihre Burg und die zugehörigen Besitzungen 1241 an das Kloster Wald und nennen sich
bald „von Borre", bald „von Reischach". 2. Maren Rehfus glaubt in ihrem Walder Buch von 1970 sagen zu können auf Grund ihrer Lokalstudien: „Die Reischacher besaßen in Reischach den namengebenden Stammsitz und
eine Burg in Burrau. Die Personen, die sich im 13. Jahrhundert nach Burrau nannten, waren Mitglieder des Geschlechtes von Reischach".
J O H A N N ADAM KRAUS
Die Schenken von Staufenberg
Heimatfreunde wird es interessieren, daß die bekannte
Familie 1972 eine „Familiengeschichte" erhielt, die im
Stuttgarter Verlag Müller und Gräf als 11. Band der
Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde erschien (530
Seiten und weitere 80 Bilder). Der Verfasser, Gymnasialprofessor Dr. Gerd Wunder in Schwäbisch Hall hat in vieljähriger Arbeit mit bewundernswertem Fleiß das riesige
Urkundenmaterial zusammengestellt, das nicht nur für die
behandelte Familie unentbehrlich ist. (Ihr gehörte bekanntlich der im Kampf gegen Hitler berühmt gewordene
Graf Klaus von Stauifenberg an!) Auch für unsere engere
Landesgeschichte des 13. bis 16. Jahrhunderts wird das
Werk von bleibendem Wert sein, sind doch darin sehr
viele Gemeinden und Geschlechter berührt. Das Buch behandelt zunächst die Schenken als Hofbeamte der ältesten
Stammreihe, ihre vermutlichen Vorfahren als Schenken
der Grafen von Kiburg, dann von 1251 an der Grafen
von Zollern, ferner ihre Sitze und Güter um Zell (Mariazell am Zoller), Andeck, Stauffenberg, Erpfingen, H a r lingen, Dettingen, später in Wilflingen und Lautlingen,
ihre zahlreichen Besitzungen und Verzweigungen, die in
teils komplizierten und viel Geduld erfordernden Untersuchungen bis 1918 auseinandergesetzt und entwirrt werden. Es folgen einige wichtige Urkunden im vollen Wortlaut (S. 374 f.), dann Seite 392 bis 440 die unentbehrlichen
Regesten der Urkunden von 1251 bis 1500. Weiter reihen
sich an: Stammtafeln, ausführliches Register, Kartenskizzen und Bilder. Einige Druckfehler können bei dem ungeheuren Stoff leicht entschuldigt werden: S. 17 muß es
Hilzingen heissen, nicht Hinzingen. S. 29 Semdach bei
Boll, statt irrig Sempach. S. 32 Kapelle ULb. Frau und
Gallus, statt irrig Michaelskapelle zu Zell. S. 85 hieße es
besser: „Heinrich von Killer hat (nicht erhielt!) zuerst
1375 den seltsamen Beinamen Affenschmalz. Zu seiner
Familie vergleiche man das Hohenz. Jahresheft 1954, 103141. Auf Seite 86, Zeile 7 von unten scheinen Werner und
Hans verwechselt zu sein. S. 112 steht irrig Hornstein,
statt Hornberg im Schwarzwald. S. 358 würde man „Burg
über Meldungen" statt „festes Haus in M." erwarten.
S. 404 und 447 dürfte Gertrud von Wytichenstein (bei
Wittichen) zu lesen sein.
Aus unserer Gegend ist besonders zu erwähnen: Die
Schenkenfamilie stammt, wie man aus den Vornamen, dem
Amtstitel und dem Wappen schließen kann, von den
Schenken der Grafen von Kiburg in der Schweiz ab, traten
offenbar um 1250 in den Dienst der Grafen von Zollern,
was ausführlich begründet wird. Jedoch nicht sehr wahrscheinlich ist die Vermutung, sie hätten den Beisatz „von
26
Zell" als festen Namen schon aus der Schweiz mitgebracht.
Einmal dürfte Zell damals nur den Wohnsitz, nicht aber
einen Namen bezeichnet haben, andererseits hat Willy
Baur schon 1931 eine alte Zelle des bekannten Klosters
St. Gallen (Schweiz) unterm Zellerhorn wahrscheinlich
gemacht, das im Jahr 789 bereits einen Hof mit Wald bei
Hechingen geschenkt bekam (Mitt. Hohz. 11, 20). Der
Truchseß B. von Craien (S. 7) hieß in Wirklichkeit Berthold von Hohenkrähen, nicht von Stauffenberg (Cod. Salem I, 179). Auch der Truchseß Baltericus von 1236 ist
nicht sicher ein Baldebertus. Zu den Schwelhern (S. 96)
wäre das Hohenz. Jahresheft 1938, 94-144 zu vergleichen,
zu den Truchsessen von Urach-Bichishausen (S. 113 f.)
das von 1952, 74-118. Daß die Herren von Bisingen dem
Hochadel angehörten, wie die Zimmerische Chronik fabelt, ist durchaus nicht erwiesen (vgl. Hohenz. Heimat
1971, S. 119).
Während die Burg Zell zweifellos bei der Kapelle Mariazell stand (übrigens 1440 Maria und Gallus, erstere ehrenhalber genannt), wo noch im 15. Jahrhundert der Burgstall, d. h. Burgstelle oder Burgruine, genannt wird, dürfte
Neuen- oder Niederzell tiefer gestanden haben, wohl
zwischen Boll, Stetten und Schlatt auf dem sog. Bürstel
beim abgegangenen Weiler Semdach. Urkundlich heißt er
um 1500-1600 nicht Burgstall Semdach, sondern Burgstall
bei Semdach. Unsere Schenken von Zell nannten sich auch
von ihrem Sitz Andeck bei Talheim und seit 1317 „von
Stauffenberg", also einer Burg dieses Namens, die sie von
den 1291 letztmals vorkommenden Truchsessen von Stauffenberg erheiratet haben müssen. Doch kommt noch 1330
ein Walter Schenk von Zell vor. Die große Frage ist nun:
Wo stand diese Burg Stauffenberg? Die Burgstelle dieses
Namens bei Weilheim-Rangendingen ist nach allgemeiner
Ansicht erst später der ursprünglichen nachbekannt, als die
Herren dorthin zogen.
Den Seite 16 f. aufgeführten 17 Stauffenberg-Namen, sowie Staufeneck, Hohenstaufen, Stoffeln und Hohenstoffel
liegt ein Wort Stauf zugrunde, das einen Kegel-, Spitzoder Kuppelberg bezeichnet. Alle Adelsnamen Stauffenberg sind also durchaus nicht alle verwandt. Daher scheint
eine Konstruktion, die unseren Stauffenberg von dem bei
Durbach in Baden gelegenen ableiten will, unnötig. Gerd
Wunder beendet seine längeren Ausführungen Seite 61
mit dem Schluß: der namengebende Stauffenberg der
Truchsessen und Schenken von Zollern müsse ursprünglich
in Nähe des Zollerberges gesucht werden, gibt aber keine
nähere Entscheidung. Auszuschließen sind die Kombina-
tionen von Michael Walter, der den Zoller selbst das einemal als Michaelsberg, das anderemal als Stauffenberg
ansprach. Geschlecht und Berg Zollern sind seit 1061 als
Zolorin, Zolre etc. nachzuweisen. Der Roßberg bei Boll
scheint zwar eine künstliche Zurichtung auf der Spitze zu
haben, wohl von den Herren von Boll oder den Bollern
herrührend, ist aber kein auffallender Stauf. Ein am Zollerberg postuliertes Dörflein Stauffenberg gehört ins Reich
des Phantasie. Somit kommen wir wieder auf jene beiden
Stettener Klosterurkunden von 1343 und 1346, worin der
Hechinger Bürger Albrecht von Semdach Einnahmen aus
seinem Brühl, der Semdachsbrühl heißt, verkauft. Der
Brühl liegt „zu Stauffenberg unter dem Hörnlin". Ein
Brühl als nasse Wiese kann nur unterhalb des Stauffenberg-Hörnleins gelegen haben, ein solcher unter dem ebenfalls schon herangezogenen Zeller Horn erscheint ganz ausgeschlossen! Schon vor acht Jahren (Hohenz. Heimat
1964, 46) habe ich festgestellt und tue es erneut: Das
Hörnle bei Wessingen, das noch im vorigen Jahrhundert
als Horn und Hornrain vorkommt, besteht in einem nach
Westen ziehenden Ausläufer des Zollernmassivs und liegt
unweit eines Brühls, auf den der Brielhof hinweist. Dieses
Hörnle bietet sich dem Blick von Westen her als auffallen-
der Stauf. Zum Überfluß trug es urkundlich im Jahre
1435 nach Bickelspergs Lagerbuch (Herberhold S. 119)
einen Burgstall, also eine zerstörte Burg, von der um 1790
noch ein bedeutender Keller zu sehen war. Wieso trotz
dieser Tatsachen bei dem bis zum Bau der Bodensee-Wasserleitung feststellbaren Halsgraben keine frühere Burg
denkbar sein soll, bleibt schleierhaft. Die von M. Walter
postulierte starke Rutschung des Hanges, der von Opalinustonen unterlagert werde, spräche m. E. nicht dagegen,
sondern im Gegenteil nur für starke Veränderungen im
Lauf der Jahrhunderte. Er meinte zwar, man könne an
eine vorgeschichtliche Fliehburg oder einen Stützpunkt
bei der Belagerung der Zollerburg denken. Jedoch waren
Fliehburgen für Mensch und Vieh gewöhnlich viel umfangreicher als Ritterburgen. Und man kann sich schlecht
vorstellen, daß die Reste von der Zollerbelagerung 1422/
1423 schon 13 Jahre später irrig als „Burgstall" bezeichnet
worden seien. Das mag glauben, wer will. Ich nehme vielmehr an: Hier auf dem Wessinger Hörnle stand die ursprüngliche Stauffenberg-Burg, auf der im 13. Jahrhundert die Truchsesse von Zollern und mindestens seit 1317
die Schenken saßen, die dann den Namen ins Starzeltal
nach Rangendingen mitgenommen haben.
J O H A N N JERG
Aus der Vor- und Frühgeschichte
Die Bronzezeit (etwa 1800-800 v. Chr.)
Waren in der Steinzeit Stein, Knochen und wohl auch
Holz die Hauptwerkstoffe, so traten um 2000 v. Chr.
Kupfer und Bronze als neuer Werkstoff auf, der zunächst die jungsteinzeitliche Kultur nur wenig veränderte und nur ganz allmählich sich durchsetzen konnte.
Bronze wird zunächst als Einfuhrware für Waffen,
Werkzeuge und Schmuck bei uns bekannt geworden sein.
Während der Ackerbauer bis dahin seine Werkzeuge und
Geräte im wesentlichen selbst herstellte, erforderte die
Gewinnung und Verarbeitung von Kupfer und Bronze
Spezialisten, die Bronzeschmiede und Bronzegießer, über
deren Techniken und Formsinn wir heute nur staunen
können. Siedlungen der Bronzezeit konnten bisher im
Kreis Sigmaringen keine festgestellt werden. 1950 wurden in Deutstetten bei Veringenstadt zwei frühbronzezeitliche „Höckergräber" mit Bronzeschmuck freigelegt.
Etwa um 1500 änderte sich die bisherige Bestattung in
Flachgräbern. Über den Toten errichtete man Grabhügel
aus Stein oder Erde. Wir nennen diesen Teil der Bronzezeit die „Hügelgräberbronzezeit". An Beigaben für den
Toten fanden wir in diesen Grabhügeln Schwerter, Dolche, Bronzebeile, Äxte, Geräte, Werkzeuge, Schmuck,
Gewandnadeln, Armreifen u. a. m. Nach der großen
Zahl der leicht feststellbaren Grabhügel muß damals die
Hochfläche der Alb stark besiedelt gewesen sein. Etwa
65 Grabhügel auf dem Bruckberg südlich Hettingen sind
heute noch im Wald erkennbar. Sie dürften alle wohl
noch vor der Jahrhundertwende von privater Hand ausgegraben und die Beigaben nach auswärts verkauft worden sein. Zahlreiche weitere Grabhügel befanden sich
einzeln oder in Gruppen um Veringenstadt, Gammertingen, Harthausen auf der Scher, Weiler Haid und
Freudenweiler, Rulfingen und beim Michaelstift in Sigmaringen. Viele dieser Grabhügel, namentlich im nördlichen Kreisgebiet, wurden von dem privaten Ausgräber,
Ökonom Johannes Dorn, Weiler Haid, ausgegraben. Die
meisten Grabhügel im Kreis Sigmaringen gehören jedoch
der wesentlich späteren Hallstattzeit an.
Um 1200 v. Chr. brachte eine neue umfassende Völkerverschiebung eine grundlegende Umwälzung aller kulturellen Verhältnisse nicht nur in Mitteleuropa, sondern
auch im Mittelmeerraum. Stämme aus dem südöstlichen
Europa brachten die Leichenverbrennung mit. Die Asche
der Toten wurde mit den Bronzebeigaben in großen Urnen auf Friedhöfen ohne Grabhügel beigesetzt. Wir nennen diesen letzten Abschnitt der Bronzezeit „die Urnenfelderzeit". Besonders große Urnenfelderfriedhöfe kennen wir in Veringenstadt-Deutstetten und in Gammertingen. 1937 wurden auf der Flur Schrot bei Gammertingen zwei der bedeutendsten Urnenfelder-Skelettgräber
inmitten eines Urnengräberfeldes ausgegraben. Die Toten
lagen in einer gutgefügten Steinplattengrabkammer. Die
Menge der Bronzebeigaben spricht für ein sogenanntes
„Fürstengrab". Als Beigaben enthielt das Grab 1 Bronzeschwert, 1 verziertes Messer, 2 große Bronzenadeln (sog.
Bratspieße), 11 durchbrochene Zierscheiben, 13 reichverzierte Armringe, Armbänder und viel anderer Schmuck,
eine große und eine kleine Urne, Teller und Schale. 1954
wurde ebenfalls in Gammertingen am Bahnhof ein
Brandgrab angeschnitten, das 22 Bronzereifen, Halsgehänge, Bronzeringe, Goldröllchen und Glas- und Bernsteinperlen enthielt.
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Diese beiden Urnenfelder-Bronzefunde können wir wohl
mit Recht neben ähnlichen Burladinger Funden als das
Schmuckstück des Landesmuseums in Hechingen betrachten. Daß in der Urnenfelderzeit hier im Lande Bronze
bearbeitet und gegossen wurde, beweisen die in der
Schafstallhöhle in Veringenstadt gefundene Gußform für
Ziermesser sowie der Hortfund eines Bronzeschmiedes
in der Paulshöhle bei Beuron.
Hallstattzeit
(Früheisenzeit) 800 - 400 v. Chr.
Nach dem ersten großen Fundplatz der Früheisenzeit
bei Hallstatt im Salzkammergut sprechen wir von der
Hallstattzeit. Eine besonders reiche Blüte hat diese Kultur auf der Südwestalb und damit auch im Kreis Sigmaringen erlebt. Entsprechend groß ist auch die Anzahl
der Funde aus dieser Zeit. In der großen Hunger- und
Wanderzeit um 1200 waren bereits die ersten Gegenstände aus Eisen in unser Land gekommen. Etwa seit dem
Jahre 800 v. Chr. wurde neben Bronze das Eisen verwendet, wahrscheinlich zunächst nur als Importware.
Als der Bedarf an Eisen zunahm, wurde das einheimische
Bohnerz geschmolzen, wie die Funde von zwei Schmelzöfen beim Weiler Haid und bei Trochtelfingen zeigen.
Die Siedlungen lagen meist in der Nähe von großen und
zahlreichen Grabhügelgruppen oder als Befestigungen
auf Bergen und Bergrücken. Solche Befestigungen, auch
„Ringwälle" genannt, sind die gigantische „Alte Burg"
nördlich Langenenslingen, der Kappenbühl, Markung
Sigmaringendorf, das Thiergärtie gegenüber der Schmeienmündung, der Abschnittswall am Altstattfels bei Beuron und das Käpfle bei St. Maurus, Beuron. Der Schloßbühl von Glashütte, in Urkunden des Klosters Wald wiederholt als „Hünaburg" bezeichnet, scheint frühmittelalterlich zu sein. Oft wurden diese Ringwälle als sogenannte Fliehburgen in Notzeiten bis ins Mittelalter benützt. Auf vielen Markungen unseres Kreises liegen die
Grabhügel der Hallstattzeit, die zum Teil heute noch,
besonders im Walde, deutlich zu erkennen sind. Die meisten daran sind ausgegraben oder auf dem Felde eingeebnet.
Vor 100 Jahren gab es zum Beispiel auf der Markung
Laiz 65 Grabhügel auf dem rechten Donauufer, von denen heute noch 12 erkennbar sind. Die Beigaben der teils
verbrannten teils auch bestatteten Toten zeigen uns deutlich einen Fortschritt in der Metallbearbeitung und geben
uns einen Querschnitt durch die ganze Hallstattkultur.
In der späten Hallstattzeit (5. und 6. Jahrhundert) sind
die Beigaben besonders reichlich. Zu den Beigaben gehören neben bunten, reichverzierten Schüsseln und Tellern prächtige breite Zierbleche für Ledergürtel, lange
Eisenschwerter, Dolche, Messer, Ringschmuck, Schmuck
aus Bernstein und Glasperlen. Wagenreste vierräderiger
Prunkwagen kennen wir aus den Grabhügeln von Sigmaringen, Laiz, Ringgenbach, Trochtelfingen und Vilsingen. Weitere Grabhügelgruppen mit stattlichen Beigaben befanden sich bei Inzigkofen, Bittelschieß, Igelswies, Rosna, Habsthal, Kappel, Wald und Rothenlachen.
Die bedeutendsten Beigaben dieser Zeit brachte „der Fürstengrabhügel von Vilsingen", der etwa 200 Meter südlich des Gasthofes Löwen am Ortsrande liegt und 1880
geöffnet wurde und heute noch deutlich erkennbar ist.
Als Beigaben sind besonders hervorzuheben guterhaltene
Reste eines vierräderigen Prunkwagens mit Radnaben
aus Bronze und mit Bronzeblech verkleideten Holzspeichen, zwei große Bronzebecken und vor allem durch eine
große bronzene reichverzierte rhodische Weinkanne, die
griechischer Import ist und eine präzise Datierung des
Grabes etwa auf das Jahr 550 v. Chr. ermöglicht. Auf
keiner Keltenausstellung fehlt dieses einmalige Prunkstück. Zweifellos bilden die Funde aus der Hallstattkul28
tur einen Hauptbestandteil der fürstlichen Sammlungen
in Sigmaringen. Am bekanntesten aus dieser Zeit ist ja
die Heuneburg bei Hundersingen, einem fürstlichen
Herrensitz der Hallstattzeit mit eigenartigen Lehmzeigeln und gallischen Mauern und Importware aus dem
Mittelmeerraum. Ebenso sind bekannt die Fürstengrabhügel in der Nähe der Heuneburg mit überaus reichen
Beigaben, vor allem auch der riesige Hohmichele". Heute sehen wir die Menschen der Hallstattzeit in unserer
Gegend als Kelten an. Schon der griechische Geschichtsschreiber Herodot um 450 v. Chr. erwähnt, daß die Donau im Lande der Kelten entspringt.
Latenezeit (auch Keltenzeit oder Späteisenzeit genannt)
etwa 400 v. Chr. bis 80 n. Chr.
Diese Zeit wird nach dem bedeutendsten Fundort Latene am Neuenburger See in der Schweiz so benannt.
Schon um das Jahr 400 v. Chr. begannen die Kelten ihre
großen Eroberungszüge, die sie nach Italien, Griechenland, den Balkan, nach England, Irland, Spanien (Keltiberer) und Kleinasien (Galater) führten. Selbstverständlich blieben keltische Bauern in der Heimat zurück,
wo sie auch noch unter der Herrschaft der Römer, der
Kern unserer einheimischen Bevölkerung waren. Da diese Kelten ihre Toten in einzelnen Flachgräbern bestatteten, finden wir sie nur durch Zufall. Sicher war die
Bevölkerungsdichte in dieser Epoche nicht mehr so groß
wie vorher. Bisher wurden in unserem Kreisgebiet nur
wenige Latene-Gräber gefunden, meist als Nachbestattungen in Grabhügeln der Hallstattzeit, so in Jungnau,
Sigmaringen und Veringenstadt. Einzelfunde an Fibeln
verschiedener Form sind uns bekannt aus Laiz, Veringenstadt, Trochtelfingen, Jungnau, Bittelschieß und Harthausen. In Gammertingen wurde eine Goldmünze („Regenbogenschüsselchen") der keltischen Boier gefunden.
Latenesiedlungen wurden bisher nur bei Kettenacker
und in der Nähe der neuen Volksschule in Laiz festgestellt. Bei letzterem wurden Pfostenlöcher von mehreren
Häusern festgestellt, die mit Hüttenlehm von einer Hallstattsiedlung und Scherben aus beiden Epochen gefüllt
waren. Um so reichlicher finden wir in fast allen ausgegrabenen Höhlen des Donau-, Schmeien- und Laucherttales die typisch mit kammstrichverzierten Tonscherben,
die auf Drehscheiben hergestellt sind. Es handelt sich dabei um einfache Gebrauchsware ganz im Gegensatz zu
der reichverzierten, bunten, kunstvollen Keramik der
Hallstattzeit. Diese Scherbenfunde in den Höhlen lassen
auf unruhige Kriegszeiten schließen. Eine wahre Fundgrube an Scherben dieser Epoche ist der Nesselbrunnen,
der in Laiz zur Wasserversorgung gefaßt ist, und als Beweis für die ständige Besiedlung des fruchtbaren Lößbodens um die neue Volksschule herum gelten kann. Aus
dem letzten Jahrhundert vor der Zeitwende sind uns die
sogenannten „Viereckschanzen" bekannt, von denen eine
direkt an der Markungsgrenze zwischen Langenenslingen
und Heiligkreuztal liegt. Lang war ihr Zweck umstritten. Heute gilt als sicher, daß es sich um Kultstätten handelt, in denen unter anderem südgallische Tonscherben
aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. gefunden werden.
Die Römerzeit (etwa 80 n. Chr. bis 260 n. Chr.)
Das kriegerische Volk der Kelten bildete keine lebensfähigen Staaten, war in viele befeindete Stämme gespalten und konnte so keine geschlossene Abwehr gegen die
von Norden anstürmenden Germanischen Volksstämme
und der von Süden planmäßig vordringenden Macht des
römischen Imperiums bilden. So wurden die Kelten zwischen beiden Völkern aufgerieben oder aufgesogen. Noch
heute sind in unserem Raum zahlreiche keltische Fluß-,
Orts- und Bergnamen, über die Römer- und Allemannenzeit hinweg, erhalten geblieben.
Julius Caesar hatte in den Jahren 58 bis 51 v. Chr. das
keltische Gallien erobert und den Rhein als Grenze gegen
die Germanen gebildet. Seine Nachfolger holten im Jahr
14 v. Chr. zu neuen Schlägen aus gegen die in den Alpen
wohnenden Volksstämme der Räter und unterwarfen
diese. 15 v. Chr. führten die römischen Feldherrn Tiberius und Drusus eine Strafexpedition gegen die keltischen
Stämme der Vindeliker im Alpenvorland durch und unterwarfen auch diese Stämme bis zur Donau. Nach Aufzeichnungen des römischen Geschichtsschreibers Strabo
soll damals Tiberius nach einer Seeschlacht auf dem Bodensee die Donauquellen erreicht haben. Aus dieser Zeit
mögen wohl die bei Josefslust und der heutigen Zollschule gefundenen und mit Stempel eines römischen
Töpfers aus Arezzo versehenen Scherben stammen. Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) befestigte die Donaugrenze
durch Erdkastelle und baute das römische Straßennetz
südlich der Donau aus. Der sogenannte „Donaulimes"
war durch Kastelle von dem südlichen Donauufer in etwa 15 km Abstand gesichert. Solche Doanukastelle sind
ausgegraben worden in Kirchberg, Risstissen, Emerkingen und Hüfingen. Funde in den Räumen Ennetach, Laiz
und Tuttlingen lassen dort Kastelle vermuten. Römische
Legionen lagen in Augsburg und Windisch. Diese Orte
wurden durch Straßen verbunden. So führte durch unsern Raum die Straße von Stein a. Rhein - Singen Buchheim - Vilsingen - Laiz - Ennetach der Donau entlang nach Augsburg und Donauwörth. Noch heute ist
diese Straße zwischen Vilsingen und Langenhart im Walde deutlich zu erkennen. Die Strecke Laiz bis kurz vor
Ennetach ist noch nicht gesichert. Eine Klärung durch
die geplanten Umgehungsstraßen von Sigmaringen und
die Donaukorrektion ist zu erwarten.
Etwa 25 Jahre bildete die Donau die römische Reichsgrenze. Rom strebte eine kurze Verbindung vom Oberrhein und Oberdonau an. Ganz Oberschwaben und damit auch der südliche Teil des Kreises gehörten damals
zum römischen Imperium. In den Thronwirren des Jahres 69 wurden die Erde-Holzkastelle des Donaulimes niedergebrannt, aber sofort wieder teilweise aus Stein (Prätorium und Kommandantenwohnung) am gleichen Platz
wieder aufgebaut. Im Jahre 74 n. Chr. führte ein starker
Vorstoß des Feldherrn Pinarius von Straßburg aus durch
das Kinzigtal ins obere Neckargebiet bei Sulz - Rottweil.
Sofort wurde dieses Gebiet durch neue Straßen in Richtung Windisch und Laiz verbunden und durch Kastelle
gesichert. So wurde in unserem Raum das sogenannte
Hochgesträß von Laiz - Winterlingen - Straßberg - Kastell Lautlingen - Sulz - Rottweil gebaut. Etwa um das
Jahr 85 n. Chr. wurde der Donaulimes aufgegeben und
auf die Alb verlegt und durch Straßenbauten und Erdkastelle gesichert. In unserm Raum führte diese neue
Straße von Winterlingen über Bitz - Burladingen nach
Gomadingen. In das Paßkastell Burladingen-Hausen
wurde eine Kohorte römischer Hilfstruppen stationiert.
Später wurde der Limes an den unteren Neckar verlegt
und um 140 n. Chr. der große Limes von Kehlheim a. d.
Donau über Lorch, Welzheimer Wald - Miltenberg Taunus (Kastell Saalburg) bis Neuwied vorgeschoben.
Nun erfolgte der Ausbau im Hinterland. In Rottweil
(Arae Flaviae) entstand eine römische Stadt mit großen
Bauten und Badeanlagen. Unser Gebiet wurde politisch
neu gegliedert in die Provinzen Rätien (Augsburg) und
Obergermanien (Straßburg). Die Grenze verlief von
Stein a. Rhein nach Lautlingen und überquerte die Donau zwischen Laiz und Tuttlingen. Unser Heimatgebiet
war nicht mehr Kriegsgebiet und so konnte der wirtschaftliche Aufbau durch Römer und einheimische Kelten gemeinsam erfolgen. Bald ahmten die Kelten römi-
sche Kultur und Lebensweise nach. So entstanden große
römische Gutshöfe. Zum Teil mit besonderen Gebäuden
für römische Bäder, mit vier bis fünf besonderen Räumen. Solche Bäder sind uns bekannt von Gammertingen,
Sigmaringen und Ostrach. Die Fundamente vieler Gutshöfe oft mit zwei bis drei Nebengebäuden wurden in
unserem Gebiet ausgegraben. Wir kennen römische Gutshöfe von folgenden Orten des Kreises Sigmaringen: In
Sigmaringen 4, Ostrach 2, Inzigkofen 2, Laiz, Benzingen,
Bingen, Gammertingen, Hausen a.A., Langenenslingen.
In manch anderen Orten liegen Fundamente von römischen Gebäuden, deren Zweck noch nicht bekannt ist.
Typisch für alle römischen Bauten und Siedlungen ist
das Vorhandensein von großen Dachziegeln mit Randleisten und Hohlziegeln als Uberdeckung, von gebrannten Fußbodenplatten, roten Tonscherben (Terra sigillata)
und schwarzen (Terra nigra). Diese Scherben stammen
in unserer Gegend meist aus Rheinzabern. Selbstverständlich wird des öfteren Acker- und Handwerksgerät
gefunden. Die vorgefundenen Bäder haben Hypokauatenheizung (Boden- und Wandheizung). Eine solche Heizung hatte auch die 1963-64 südlich Sigmaringen von
Dr. Philip Filtzinger im Auftrage des Staatl. Amts für
Denkmalspflege ausgegrabene Straßenstation, des zweiten und dritten Jahrhunderts, die den Aufgang aus dem
Donautal zu überwachen und betreuen hatte. Darin wurden auch unter dem Ziegelestrichboden 44 Silberdenare
gefunden, die bis zum Jahre 232 datierten und so den
ersten Alemanneneinbruch in unserm Raum bestätigten.
Auch anderwärts wurden zahlreiche römische Münzen
gefunden, so in der Quelle in der Leopoldstraße. In Sigmaringen kamen über 200 römische Münzen zutage.
Wahrscheinlich wurde hier einer Quellgöttin geopfert.
Auf eine römische, zweiteilige, guterhaltene Handmühle
stieß man 1956 an der Binger Straße in Sigmaringen. Im
Kreis Sigmaringen wurden bisher keine römischen Plastiken und auch kein Mosaik gefunden. Wie Dr. Filtzinger im Jahre 1963-64, suchte 1970 Dr. Reim das im
Raum Sigmaringen - Laiz -Inzigkofen vermutete Donaukastell. Dabei stieß er östlich des Friedhofes von Inzigkofen auf römische Mauern. Es kamen ausgedehnte Fundamente eines römischen Gutshofes mit Nebengebäuden
zum Vorschein.
Diese wurden vollständig und exakt freigelegt. Auch
Einzelfunde aus dem ersten Jahrhundert kamen zum
Vorschein. Das gesuchte Kastell konnte wieder nicht gefunden werden. Das Staatl. Amt für Denkmalspflege in
Tübingen wandte erhebliche Mittel für diese umfangreiche und exakte Ausgrabung auf.
Die Alemannenzeit
(Merowingerzeit)
260 bis etwa 700 n. Chr.
Die Römer nannten unsere Vorfahren ursprünglich Sueben oder Schwaben. Der Name „Alamannen" taucht
erstmals um das Jahr 213 auf. Der germanische Volksstamm der Alemannen saß ursprünglich auf dem rechten
Elbeufer in Brandenburg. Von dort drangen sie nach
Thüringen vor und stießen am Main auf die Römer. Im
Jahre 232 durchbrachen sie an verschiedenen Stellen den
Limes und drangen bis zum Bodensee vor. Dabei wurden
die meisten Gutshöfe geräumt oder niedergebrannt. Ein
Gegenstoß der Römer warf sie wieder über den Limes
zurück. Aus dieser Zeit dürfte wohl der Münzschatz in
der Straßenstation südlich Sigmaringen stammen, sowie
der 1848 bei Hertingen gefundene äußerst seltene römisch-rätische Silberschmuck (heute im Fürstlichen
Museum) und die Bronze-Votiv-Plastik von Otterswang
(heute in Karlsruhe), die lange Zeit für ein römisches Kohortefeldzeichen gehalten wurde. Der große Alemanneneinbruch des Jahres 259 fegte die Römerherrschaft bis
29
zum Bodensee weg. Im Jahre darauf erscheinen die Alemannen bereits in der Poebene. Etwa 100 Jahre lang erfolgten immer wieder römische Vorstöße in das von den
Alemannen besetzte Gebiet. Rom machte Donau, Iiier,
den Bodensee und Oberrhein zur Reichsgrenze, die sie
durch zahlreiche, jetzt mehr burgartige Kastelle sicherten. Aus dieser Zeit stammen die aus Stein erbauten Kastelle des Donau-Iller-Rhein-Limes von Kempten, Isny,
Bregenz, Arbon, Konstanz, Stein a. Rhein-Winterthur.
Im Jahre 406 gab Rom die Verteidigungslinie nördlich
der Alpen ganz auf. Die Alemannen dehnten ihren Bereich bis zum Vogesenkamm, über den Main und Lech
bis ins Allgäu und nach Vorarlberg und die heute deutschsprachige Schweiz bis zum Gotthard aus. Sie stießen dabei auf die stärkeren Franken und mußten nach
der verlorenen Schlacht von Zülpich (496) den nördlichen Teil ihres Landes an die Franken abtreten. Diese
Grenzlinie von damals, Baden-Calw-Asper-Hall-Nördlingen bildet heute noch fast genau die Sprachgrenze
zwischen Schwaben und Franken.
Die alemannischen Siedlungen waren aus Holz gebaut
und hatten keine Untergeschosse und Keller. So wissen
wir kaum etwas davon. Wir vermuten, daß sie unter den
heutigen Siedlungen lagen. Als früher alemannische Siedlungen sehen wir die Orte an, die heute auf „ingen" oder
„heim" endigen. Zwei Beispiele: Sigmaringen - Sippe
des Sigmar, Gammertingen - Sippe des Gamhart. Die
bei der Landnahme durch die Alemannen zurückgebliebene keltisch-römische Bevölkerung ging bald im Bauernvolk der Alemannen auf.
Den besten Einblick in die Kultur und Habe der Alemannen geben uns die Grabbeigaben, die allerdings erst
im sechsten und siebten Jahrhundert reichlich sind. Der
Mann bekam seine Waffen mit ins Grab, das mächtige
Langschwert (Spatha), das einschneidige 2-griffige Hiebschwert (Sax), Lanze, Holzschild mit Eisenbuckel, auch
Pfeil und Bogen, Wurfspieß und Wurfaxt. Besonders
prächtig war das reichverzierte Wehrgehänge. Den Frauen gab man als Schmuck Halsketten, Ohrgehänge, Fibeln
aus Gold oder Bronze, durchbrochene Zierscheiben und
auch Goldschmuck bei. Man findet in den Gräbern auch
Glas-, Ton- und Bronzegefäße sowie Kämme aus Bein
und Riemenzungen. Nur die allerreichsten Gräber enthalten viele dieser Beigaben. Die Toten wurden in Reihengräbern teils in Särgen aus Holz, oder in einem Einbaum gelegentlich auch in Grablegen aus Steinplatten
beigesetzt. Meist liegen sie in West-Ostlage, d. h. mit
Blick zur aufgehenden Sonne. Solche Reihengräberfelder
finden wir in der Nähe unserer ältesten Ortschaften. Beigaben aus solchen Gräbern wurden in folgenden Gemeinden des Kreises gemacht: Sigmaringen-Hedingen, Ostrach, Rulfingen, Langenenslingen, Frohnstetten, Oberschmeien, Benzingen, Inzigkofen-Nickhof, Veringenstadt,
Neufra, Billafingen, Laiz, Vilsingen, Sigmaringendorf,
Hermentingen.
Am bedeutendsten und reichhaltigsten sind die Beigaben
des Gräberfeldes von Gammertingen mit seinem einmaligen Fürstengrab. Sie bilden neben den Funden aus der
Hallstattzeit einen zweiten Schwerpunkt der fürstlichen
Sammlungen und geben uns, wie kaum ein anderes Museum, einen fast lückenlosen Querschnitt durch die Kultur der Alemannen. Im Jahre 1902 wurde das Feld von
dem Ausgräber Dorn, Weiler Haid, freigelegt, der die
Funde 1902 an das Fürstl. Museum Sigmaringen verkaufte. Das Fürstengrab stammt aus dem siebten Jahrhundert. Die Grabkammer war mit Steinplatten eingefaßt. Der Aufbau im Museum entspricht genau dem Befund der Ausgrabung. Der Tote hatte als Beigaben: Stoßlanze, Wurfspieß, Hiebschwert, einen Köcher mit Pfeilen, Schild mit Eisenbuckel, Panzerhemd, Langschwert,
Wurfaxt, Sporn, zwei Bronzebecken, Pferdezeug, Gürtelbeschläge, Schere, Beinkamm, Sieblöffel, Glasbecher,
Tonkrug, Pinzette u. a. m. Der vergoldete Spangenhelm
gilt mit Recht als Prunkstück. In unserem Lande kennen
wir nur noch den von Gültigen - Calw. Im ganzen sind
22 solcher Helme bekannt, so in Österreich, Dalmatien,
Italien, Südfrankreich und Spanien. Diese Helme sind
keine einheimische Arbeit, sondern sind durch die Völkerwanderung hierhergekommen. In der Fachliteratur
sind die Gräber von Gammertingen und besonders der
Spangenhelm mehrfach behandelt, so vor allem in dem
wissenschaftlichen, einmaligen „fürstlichen Prachtwerk"
von Johann W. Gröbbels, Direktor der Fürstlichen
Sammlungen, 1905. Die Grabbeigaben finden wir bis etwa 700 nach Christus. Das Christentum hat sich um diese Zeit endgültig durchgesetzt, die Grabbeigaben hören
auf, die Alemannen werden dem Frankenreich einverleibt. Ihr Recht ist um diese Zeit in dem Lex Alamannorum (Grundgesetz der Alemannen) schriftlich niedergelegt. Die Klöster St. Gallen und Reichenau mit ihren
zahlreichen Urkunden und Quellenmaterial bringen uns
die Geschichtsschreibung. Damit ist die Vor- und Frühgeschichtliche Zeit für unsere Heimat beendet.
JOSEF BIEGER
Die Wälder - Murzeln und Hoirich - in Hausen
Wie kam es zu den heutigen Besitztumsrechten?
Die „große" und die „kleine" Mühle
-
In und um Hausen i. K. hört man oft sagen, wie wohl
die schönen und großen Wälder - Murzeln und Heurich
(Hoirich) in die Hand des Fürsten kamen. Die mannigfachsten Vermutungen über Versetzungen, Verkauf und
Schenkungen werden ausgesprochen, doch weiß man hier
wenig Genaues, weil Akten und sonstige Schriftstücke
nicht vorliegen. Der Wahrheit am nächsten dürfte die
Annahme kommen, daß die genannten Wälder noch nie
in Gemeindebesitz waren. War doch früher nahezu der
gesamte Grund und Boden in der Hand der ortsbegüterten Adeligen, Grafen und Fürsten. Diese ließen die
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Güter durch ihre Verwalter, Vögte oder Amtmänner umtreiben. Die Leibeigenen und Hörigen waren gezwungen,
dem Fronherrn zu arbeiten (fronen). Später kam dann
die Zeit, wo der Gutsherr seine Güter zu Teilstücken an
seine Hörigen verpachtete und in der Form des Zehntens - später durch klingende Münze - den Pacht einzog.
Hausen im Killertal hatte eine ganze Reihe von Grundherren. Im Jahre 1544 zählte es nach einer alten Urkunde nur 160 Einwohner, davon waren 25 Freie, 79 zollerischen und 56 fremden Herren zugehörig. Die Herrschaften waren Württemberg, St. Gertrud zu Winterlingen,
Jörg von Littenweiler, Fürstenberg, Kloster von Zwiefalten, die Klöster zu Lautlingen, Bebenhausen, der Edelmann Grüningen und Jörg von Buttenhausen. Ehedem
gehörte alles Land dem König. Der König gab dann
seinen Verwaltungsbeamten, also seinen Grafen und Hohen, Grund und Boden als Entschädigung. So erhielt
auch das Haus Zollern seinen Güter- und Waldbesitz.
Diese Herren von Hohenzollern übergaben dann allmählich ihre Güter den Leuten lehensweise zum Vertrieb. Daß natürlich unter gewissen Verhältnissen ein
adeliger Gutsherr auch Grundbesitz veräußern konnte,
sei es durch Schenkung oder Verkauf, ist bekannt. Dies
kommt so wie früher heute noch vor. Hat doch erst in
den Jahren 1930 ein Verkauf der Wustwiesen durch den
Fürsten an die Gemeinde Hausen i. K. stattgefunden.
Früher gab es auch Zeiten, in denen Adelige, wenn sie
geldarm, aber güterreich waren, versuchten, durch Güterverkauf sich Geld zu verschaffen. Offenbar dürfte
manches Gut, das einem der oben genannten, in Hausen
begüterten Adeligen oder Klöstern gehörte, auf diese Weise von einem Bemittelten gekauft worden sein. Unschwer
ist also anzunehmen, daß auch Murzeln und Heurich,
die beiden schönen Wälder, von jeher gräfliches bzw.
fürstliches Eigentum gewesen sind. Nichts spricht dafür,
daß sie je Eigentum der Gemeinde oder gar in den Händen von Privatpersonen waren. Mithin können sie auch
nicht von dieser an das gräfliche oder fürstliche Haus
versetzt, verschenkt oder verkauft worden sein. Immerhin ist es interessant, daß nach allen Urkunden die Umgrenzungen oder fürstlichen Waldungen heute noch genau die gleiche ist wie die vor Jahrhunderten. Ein
Schriftstück aus dem Jahre 1606 sagt hierzu:
„Die Herrschaft Zollern eigentümlichen Gütern zu
Hausen im Killerthal":
chenen Störbli (wohl Stöckli), uff Murzell der Wiese
herab durch den Weg zu und die Staige hinab biss wieder in den Murrschweg und Haussemer Allmendts.
3. Die Seegmühlin zu Haussen mit alles ihr zu Land eingehörigen ist der Herrschaft Zollern eigen und aller Beschwerdt vor Männiglichs frey." So lautet das Schriftstück. Damit ist klar gesagt, daß die heutige Grenze
des Tannenwalds (Murzeln) und des Hoirich genau noch
die gleiche ist wie im Jahre 1606. Wenn damals ein Haselbuschstock oder ein Eichbaum das Grenzzeichen war,
so sind diese natürlich im Laufe der Jahrhunderte verschwunden und an deren Stelle Stein- oder Holzausmachungszeichen getreten. Auch in der Benennung von
einzelnen Waldteilen gab es Neuerungen. Nun noch zu
einem anderen Besitztum der Zollergrafen. Wenn man
von Hausen in Richtung Tailfingen wandert, so findet
man unweit der Landstraße, zwischen der ehemaligen
Zementfabrik und dem Sandloch, zwei Plätze, „die grosse und die kleine Mühle". Die Stelle der einstigen großen
Mühle, „links der Landstraße" ist heute Gemeindebesitz. Die Umgebung der „kleinen Mühle" in Richtung
Hausen ist verwildert. Dieser Platz ist Eigentum der
Kirchgemeinde Hausen i. K. Von der „kleinen Mühle"
aus zieht sich ein schon Hunderte von Jahren alter
Hohlweg hinauf zum fürstlichen Wald „Tannenwald".
Nun liegt es nahe, daß diese „kleine Mühle", die im
Schriftstück genannte „Sägemühle", und daß das anstoßende, heute der Kirchengemeinde gehörende Gelände der Lagerplatz der ehemaligen Zollernschen Sägemühle war. Hier war es wohl am leichtesten, das im Tannenwald gefällte Langholz, bequem und mit wenig Kosten,
durch den Hohlweg zur Sägemühle zu bringen. Offenbar durch den öfteren Wassermangel hat sich die Zollergrafschaft dann später entschlossen, die Mühlen in das
Dorf Hausen hinein zu verlegen, worauf die beiden
Mühlen außerhalb des Dorfes verfielen. Im Zuge der Revolution im Jahre 1848 fiel das Mühlenregal, und auch
Private durften Mühlen errichten. Schon in den Jahrzehnten vorher hatte die fürstliche Verwaltung ihre Mühlen an Private veräußert. Zu den nach Aufhebung des
Mühlenregals erbauten Mühlen gehörte auch die obere
Mühle von Hausen, die im Jahre 1849 von den Gebrüdern Rädle als Sägemühle erbaut und später durch eine
Mahlmühle erweitert wurde. Die Sägemühle wurde 1920
wegen Baufälligkeit abgebrochen.
1. Am Waldt auff Hainraberg (heute Hoirich) allenthalben an den von Hausen Allmandt und Halz gelegen
und ausgemarcht, wie solches in der Waldbeschreibung
zu finden ist.
2. Am Thannenwald, genannt die Savonbahalde (offenbar eine alte und ursprüngliche Benennung, heute nur
Tannenwald) fängt an bei dem Murschweg (heute
Wuschtweg), beim großen Haselstockbusch der Hausener Allmend (heute Wolfsbrunnen und Wolfsbrunnenhalde) und läuft den Weg nach obig (wohl aufwärts)
der Wurschtwiese zu und an den Wiessen hinauffhin ein
grosses hochu und daraus hinaus zu einer zwei Zieloberhater Thannengrund hocher grosser Felsensteig auf Murzell zieht hier dann weg als uff Murzell hinab zum ei-
Auf der Mühle betrieben drei Generationen der Familie
Rädle, neben der Mahlmühle, noch eine Oele.
Hinweis
In eigener Sache
„Geschichte der ehemaligen fünf Donaustädte in Schwaben", von Josef Laub, 1894, ist jetzt in vollkommenem
Faksimile, samt Ledereinband, wieder herausgegeben
worden von Laubs Nachfolger im Amt des Bürgermeisters
von Mengen, Hermann Zepf. Das äußerst lesenswerte
Buch hat viele Bezüge zu Hohenzollern; wir weisen aber
auch deshalb darauf hin, weil der Verein sich bemüht,
auch die Geschichte der neuen Teile des Kreises Sigmaringen zu umfassen. Das Buch ist beim Bürgermeisteramt
Mengen für 8,75 DM zu beziehen. - Laubs Hinweis, daß
zu seiner Zeit fast nichts über die politischen Verhältnisse
Schwäbisch-Österreichs veröffentlicht sei, gilt zwar nicht
mehr, seitdem von Friedrich Meth 1959 und 1967 „Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde" erschienen
ist (bei Rombach in Freiburg), in dem verschiedene Autoren auch die fünf Donaustädte beschrieben. Laubs Buch
enthält jedoch eine Fülle von Details, die in dem umfassenden Werk keine Aufnahme finden konnten.
Frick
Die „Hohenzollerische Heimat" wird jetzt wieder von
erfreulich vielen Autoren geschrieben, wofür wir sehr
dankbar sind. Was wir dennoch suchen, sind einmal Beiträge und Erinnerungen aus dem Volksleben, zum anderen jahreszeitliche Beiträge. Da wir viermal im Jahr
erscheinen, möchten wir gerne die vier Jahreszeiten berücksichtigen, was diesesmal nicht gelang. Einige Stichworte zu beiden Themenkreisen seien hier angefügt, die
wir gerne behandelt sähen: Feldbestellung, Beleuchtung,
Brennholz, Palmen, Hausbau, Wohnformen,
Markt,
Straßenbau, winterliche Heimarbeit, Hausmittel gegen
Krankheiten,
Viehsegen, Hausschmuck, z. B. Sprüche,
Heiligenbilder, Bildstöcke. Ferner Handel, Maße, Gewichte, Kalender, und endlich den großen Bereich der
Handwerke. Über ein gutes Echo würden wir uns sehr
freuen.
Die
Redaktion
31
GERHARD DEUTSCHMANN
Die Raumschaft Winterlingen
(Fortsetzung und Schluß)
Strukturverbesserungen im ländlichen Raum sind weitgehend abhängig von einem gut ausgebauten Straßenund Verkehrsnetz. Das öffentliche Verkehrsangebot ist
zwar ausreichend, aber der ganze Raum wartet seit Jahren
auf den Ausbau der B 463 über das Hochsträß. Die Gemeinde Winterlingen bekommt zwar jetzt durch den Ausbau der Römerstraße als neuer Durchgangsstraße etwas
Luft, aber der Schwerlastverkehr bleibt. In Frohnstetten
und Straßberg wurden die Ortsdurchfahrten ausgebaut,
aber ein besonderes Sorgenkind sind und bleiben die Landesstraßen. Hier ist es vor allem die L 453 von Straßberg
nach Stetten akM., aber nicht minder die L 445 von Harthausen nach Kaiseringen, die besonders für Harthausen
bedeutsam ist. Gerade bei der L 453 steht das Land Baden-Württemberg in der Pflicht, aber waren bislang für
diesen 10 km langen Straßenabschnitt bereits zwei Straßenbauämter zuständig, so ist dies nach der Kreisreform
nicht anders, lediglich daß sich die Zuständigkeiten geändert haben. Es ist zu fürchten, daß gerade diese Straße
Opfer der Verwaltungsgrenzen bleiben wird.
Hinter diesen wenigstens zum Teil aufgezeigten Problemen steht aber bereits ein weiteres, welches alsbald auf die
Winterlinger Raumschaft zukommen wird und sie in ihrer
Existenz bedroht, ehe sie recht geboren ist. Es ist der Gedanke an die „Große Stadt" Ebingen-Tailfingen, eine
„Stadt im Raum", die zwischen Burgfelden im Norden
und Benzingen im Süden einmal 65 000 Menschen umfassen soll. Sie ist geplant als gewichtiges Zentrum in der
Region Neckar-Alb als Gegenpol zu den Verdichtungsräumen Villingen-Schwenningen und Tübingen-Reutlingen. In der Tat eine faszinierende Idee, allerdings möchte
man meinen, daß die Eingliederung der Raumschaft Winterlingen im Augenblick noch nicht zwingend ist. Sie
könnte noch bei der Schaffung und kommunalen Ausgestaltung der Regionen in die „Große Stadt" eingegliedert
werden. Die Lösung des Stadt-Umland-Problems ausschließlich durch Erweiterung des Stadtgebietes durch Eingemeindung der Umland-Gemeinden brächte das Ende der
kommunalen Selbstverwaltung für diese Gemeinden und
wohl auch nur Vorteile für die Kernräume, weniger aber
für den Umlandbereich. Die Eigenart des ländlichen Raumes, zu der sich der Schreiber hier offen bekennt, sollte
nicht vorschnell dem Urbanisierungsbestreben der Ballungsräume und Verdichtungszentren geopfert werden.
gewährleistet nur dann die optimale Koordinierung der
Aufgaben und deren Lösung zwischen Stadt und Umland.
Der Raumschaft Winterlingen sollte nun im neuen Zollernalbkreis ungeschmälert die Chance der Selbstverwirklichung und Konsolidierung eingeräumt werden. Die Gemeinden hoffen auf die zweckdienliche Zusammenarbeit
aller Beteiligten und sind ihrerseits bereit, ihren partnerschaftlichen Beitrag zu leisten und für das „bonum commune" einzubringen.
Anmerkungen:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Partnerschaft beruht auf dem Respekt des anderen, sie
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein in V e r b i n d u n g m i t den S t a a t lichen Schulämtern Hechingen u n d Sigmaringen. V e r l a g : Hohenzollerischer Geschichtsverein
748 Sigmaringen, K a r l s t r a ß e 3. D r u c k : M . L i e h ners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen,
K a r l s t r a ß e 10.
Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n z o l l e r n mit
der Geschichte ihrer H e i m a t v e r t r a u t machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch p o p u l ä r
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht b e v o r z u g t Beiträge,
die im Schulunterricht v e r w e n d e t w e r d e n k ö n nen.
Bezugspreis: 2,00 D M h a l b j ä h r l i d i
K o n t e n der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
12363 Postscheckamt S t u t t g a r t
32
Die Autoren
Manfred
dieser
Die Gemeinde Kaiseringen w u r d e z u m 1. 12. 1971 nach Straßberg
eingemeindet.
Vgl. Rudolf Seigel, Trochtelfingen zwischen N e c k a r r a u m u n d oberer
D o n a u , zwischen Reutlingen u n d Sigmaringen, Hohenzollerische
H e i m a t 1 (1972), S. 1 - 3 .
Gemeint ist die geplante, aber immer wieder aufgeschobene N e u baustrecke der B 463 über das Hochstraß, die die V e r b i n d u n g von
Winterlingen nach Sigmaringen um 8 bis 10 k m v e r k ü r z e n w ü r d e .
Vgl. Schwäbische Zeitung, Ausgabe Sigmaringen-Meßkirch, N r . 288,
v o m 14. 12. 1970.
Die E n t f e r n u n g von Stetten a k M . nach Stockach beträgt ca. 45 km,
gegenüber 20 k m nach Sigmaringen. Die Verwaltungsgeschäfte w a ren n u r zu erledigen durch A b h a l t u n g von Amtstagen in Stetten
a k M . Beim Benützen der öffentlichen Verkehrsmittel w a r eine Rückkehr bis zum A b e n d u. U . nicht g a r a n t i e r t .
Die Bestrebungen der Gemeinde Schwenningen um einen Anschluß
an den Zollernalbkreis, wie sie bei ihren Nachbargemeinden H e i n stetten u n d H a r t h e i m zustande k a m , w u r d e n v e r w o r f e n . Die Gemeinde m u ß n u n wieder um den Bestand ihrer Hauptschule fürchten.
Vgl. D e r Landkreis Balingen, amtliche Kreisbeschreibung, Bd. 2,
hrsg. v . Statistischen L a n d e s a m t B a d e n - W ü r t t e m b e r g , S t u t t g a r t ,
1961, S. 9 0 0 - 9 2 0 .
Vgl. F r a n z H e r b e r h o l d , Die österreichischen G r a f s c h a f t e n Sigmaringen u n d Veringen, i n : Vorderösterreich, eine geschichtliche Landesk u n d e , Bd. 2, Freiburg 1959, S. 5 7 5 - 5 8 4 .
f e r n e r : Die K u n s t d e n k m ä l e r H o h e n z o l l e r n s , Bd. 2, Kreis Sigmaringen (KDS), hrsg. v . W a l t h e r Genzmer, S t u t t g a r t 1949, S. 6 0 - 6 4 ,
137-142.
Vgl. G e r h a r d Deutschmann, Die Grafschaft Veringen in der f r ü h e n
N e u z e i t , ein Beitrag zum Verhältnis von Herrschaft u n d Genossenschaft (maschinenschriftlich), 1970.
Vgl. J o h a n n A d a m Kraus, Zur Herrschaft Straßberg an der Schmeie,
Hohenzollerische J a h r e s h e f t e 19 (1959), S. 1 - 1 8 4 .
f e r n e r : K D S , S. 1 1 1 - 1 1 5 , 1 9 9 - 2 0 0 , 3 4 1 - 3 5 1 .
Vgl. G e r h a r d Deutschmann, Wirtschaft u n d Brauchtum der Gemeinde Straßberg in ihrem W a n d e l (maschinenschriftlich), 1962.
Festschrift zum 8. Kreismusikfest des Kreises Sigmaringen, 15. bis
17. 6. 1957, Ebingen 1957, S. 40.
Vgl. Die R e f o r m unserer Gemeinden u n d was der Bürger d a v o n
hat, eine Informationsschrift des Innenministeriums, S t u t t g a r t 1971,
S. 9 - 1 0 .
Nummer:
Hermann,
Pfarrer
Redaktionsausschuß:
H u b e r t Deck, K o n r e k t o r
745 Hechingen, Tübinger Straße 28
Telefon 07471/2937
Neufra, Pfarrhaus
Gerhard
Josef
Deutschmann,
Mühlebach,
R e k t o r , Straßberg
Sigmaringen,
L a n d e s v e r w a l t u n g s r a t i. R .
Albert
W a l t h e r Frick, J o u r n a l i s t
748 Sigmaringen, H o h e T a n n e n
Telefon 07571/8341
Waldenspuhl,
P f a r r e r , Meldungen
Johann
Jerg, D i r e k t o r i. R., Sigmaringen
Johann
Adam
Kraus, E r z b . Archivar i. R .
Freiburg-Littenweiler
Die m i t N a m e n versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung der Verfasser w i e d e r ;
diese zeichnen f ü r den I n h a l t der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung
sind als solche gekennzeichnet.
M a n u s k r i p t e u n d Besprechungsexemplare w e r den an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten.
Josef Bieger, H a u s e n i. K ,
Herbert
Burkarth,
D r . med., Gammertingei
W i r bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische
H e i m a t " weiter zu e m p f e h l e n .
rh
HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMAT
23. J a h r g a n g
N r . 3 / S e p t e m b e r 1973
W3828 F
Herausgegeben oom
Hohenzollerildien
Gefchiditeoerein
in V e r b i n d u n g m i t den
Staatlichen Schulämtern Hechingen
und Sigmaringen
Das Fürstlich Hohenzollernsche Haus- und Domänenarchiv hat im September mit einem
Festakt sein lOOjähriges Bestehen in seinem Haus in der Sigmaringer Karlstraße gefeiert.
Es ist eigens für diesen Zweck 1873 gebaut worden. Für die hohenzollerische Geschichtsforschung stellen die Bestände des Archivs eine der reichsten Quellen dar. Seit der Auflösung des Landeskommunalverbandes
beherbergt das Haus auch dessen archivalische
Bestände.
HANS SPEIDEL
Erste parlamentarische Tätigkeit in den hohenz. Fürstentümern
Hechingen und Sigmaringen (1834-1836)
In der Zeitschrift für Hohenz. Geschichte 1971/72 erschien
eine eingehende Abhandlung des Verfassers über den ersten
im Jahre 1835 einberufenen Landtag des ehemaligen Fürstentums Hohenzollern Hechingen. Bereits im Jahre 1833
hatte Pfarrer Friedrich Eisele eine kleine Broschüre über
den ersten Landtag des ehemaligen Fürstentums Hohenzollern Sigmaringen veröffentlicht, der schon im Jahre
1834, mithin ein Jahr früher als in Hechingen, zusammengetreten war. Es dürfte nicht ohne Interesse sein,
einmal die Unterschiede dieser beiden kleinen Parlamente
aufzuzeigen, die schon in ihrer Zusammensetzung, aber
auch in ihren Verhandlungspunkten und ihrem Ablauf
recht beachtlich voneinander abweichen.
Die Notwendigkeit, in den hohenzollerischen Fürstentümern eine „landständische Verfassung" zu erlassen, auf
Grund deren eine Volksvertretung - ein Landtag - ins
Leben zu rufen war, ergab sich durch die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815. Diese bestimmte in Artikel 13,
daß in allen zum Deutschen Bund gehörenden Staaten damit auch in den beiden hohenzollerischen Fürstentümern - „landständische Verfassungen" zu erlassen seien.
So kam es in Sigmaringen zu der von Fürst Karl erlassenen Verfassungsurkunde vom 11. Juni 1833, die als Landesgrundgesetz bis zum Übergang Hohenzollerns an
Preußen in Kraft blieb. In Hechingen erfolgte die Einberufung des ersten Landtags auf Grund der von Fürst
Friedrich erlassenen sogenannten verbesserten Wahlordnung vom 1. Februar 1835, die „eine geeignetere Weise
der Konstituierung der Landes-Repräsentation" - so in
der Einleitung zur Wahlordnung - gewährleisten sollte.
Nach den in diesen Gesetzen über die Zusammensetzung
der Landtage getroffenen Bestimmungen waren in Sigmaringen nicht nur wie im Hechinger Landtag die vom
Land frei gewählten Abgeordneten - in Sigmaringen 14,
in Hechingen 12 - vertreten, sondern auch die „Fürstlichen Standesherrn" von Fürstenberg und von Thum
und Taxis sowie ein Abgeordneter der Geistlichkeit.
Der Standesherr von Fürstenberg hatte wegen der Ämter
Trochtelfingen und Jungnau, der Standesherr von Thum
und Taxis wegen Ostrach Sitz und Stimme im Landtag;
sie brauchten jedoch nicht selbst zu erscheinen, sondern
konnten sich durch einen von ihnen ernannten Abgeordneten vertreten lassen. Die Wahl des Abgeordneten der
Geistlichkeit erfolgte durch die Geistlichen der drei zum
Fürstentum Hohenz. Sigmaringen gehörenden Dekanate:
Sigmaringen, Veringen und Haigerloch. Wie in Hechingen
wurden auch in Sigmaringen Bedenken gegen einen besonderen Abgeordneten für die Geistlichkeit erhoben,
weil man einen zu großen Einfluß des Klerus auf den
Landtag befürchtete. Anders als in Hechingen wurde aber
dem Antrag der Geistlichkeit in Sigmaringen stattgegeben, wobei es nicht uninteressant ist, daß auch der sehr
liberale Pfarrer Sprießler aus Empfingen dafür eintrat
und dabei bemerkte: „Ich halte die beantragte Ausschließung des Klerus von der Kammer für neuerungssüchtig,
ungerecht, gefährlich und unpolitisch".
Die Wahl der aus den Gemeinden zu wählenden Abgeordneten wurde in beiden Fürstentümern durch Wahlmänner vorgenommen. Zu diesem Zweck wurden im Fürstentum Sigmaringen 7 Wahlbezirke gebildet, wobei die
damaligen Oberämter Glatt, Straßberg, Ostrach, Wald,
34
sowie das Amt Trochtelfingen und die Städte Sigmaringen
und Haigerloch, sämtliche mit den umliegenden Gemeinden jeweils in einen Wahlbezirk zusammengefaßt wurden. In jedem dieser Wahlbezirke waren 2 Abgeordnete
zu wählen, so daß der Sigmaringer Landtag mit den Vertretern der Standesherrn und Geistlichkeit zusammen aus
17 Abgeordneten bestand. Von den 12 Abgeordneten des
Hechinger Landtags entfielen 2 auf die Stadt Hechingen,
die übrigen wurden in den Gemeinden gewählt. Zu diesem Zweck wurde das Land in 10 Wahlbezirke eingeteilt,
von denen jeder 2 bis 3 Gemeinden umfaßte.
Nach Beruf und Vorbildung der gewählten Abgeordneten
war der Sigmaringer Landtag wesentlich anders zusammengesetzt als der ein Jahr später im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen gewählte Landtag. Während in Hechingen die meisten Abgeordneten mit Ausnahme von
2 Geistlichen und einem Arzt - ein zweiter trat nur wenig
in Erscheinung - keine oder nur geringfügige Voraussetzungen für ein solches Amt mitbrachten, wurden in Sigmaringen allein 4 Juristen bzw. höhere Verwaltungsbeamte (Oberamtmann Dr. von Bannwarth, Oberamtsverweser von Sallwürk, Rat und Rentmeister Clavel und
Advokat Würth) und 4 Geistliche (Dekan Waldraff, die
Pfarrer Hohl, Sprießler und Miller, letzterer später
Stadtpfarrer in Sigmaringen) in den Landtag gewählt.
Auch von den übrigen Abgeordneten waren mehrere
durch ihre Tätigkeit als Stiftungsverwalter, Gerichtsbeamter und Schultheißen wenigstens etwas mit den öffentlichen Belangen des Landes vertraut. Dieser gehobene
Bildungsstand der Sigmaringer Abgeordneten fand in der
Parlamentsarbeit seinen Niederschlag. Die Verhandlungen wurden gründlicher und sachkundiger vorbereitet, die
Vorträge und Diskussionen zeigten meistens einen gewählteren Stil und nicht zuletzt waren auch die Protokolle besser und ausführlicher abgefaßt. Andererseits
blieb der Landtag in Sigmaringen oft an nebensächlichen
Formalitäten unnötig lange hängen und verbreitete sich
darüber in zeitraubenden Diskussionen. (So z. B. über
die Frage, ob der Landeskassier zur Einhaltung der Verfassung „mehr als andere Beamte" oder ob er „vorzugsweise" oder ob er eben nur dazu verpflichtet sei.)
Die Verhandlungsthemen waren in beiden Parlamenten
zum Teil dieselben: So wurden hier wie dort die Frage
der Verbesserung der Besoldungsverhältnisse der Lehrer
wie auch der Petition der Juden und ihre bürgerliche
Gleichstellung eingehend beraten, und selbstverständlich
waren der Haushalt und die Steuergesetze wichtige Tagesordnungspunkte. In Sigmaringen fehlte aber das Hauptthema des Hechinger Landtags, die sich über die ganze
Sitzungsperiode hinziehende Beratung über die schlechte
Finanzlage des Landes, da dort die Finanzverhältnisse
geordnet waren, während in Hechingen eine Schuldenlast
von über 300 000 Gulden vorhanden war. Dagegen gab
es in Sigmaringen heftige Debatten über einen Antrag des
Abgeordneten Würth auf Pressefreiheit und Aufhebung
der Zensur. Trotz heftigen Einspruchs des Regierungskommissärs, diese Angelegenheit nicht in öffentlicher Sitzung zu verhandeln, kam es in einer späteren Sitzung
doch zu einer längeren Aussprache. An dieser beteiligten
sich auch die geistlichen Abgeordneten, die vor allem
Pressefreiheit gegenüber der kirchlichen Hierarchie verlangten. So sagte Pfarrer Sprießler:
„Wenn nicht Gesetze einen von der Hierarchie
wegen schriftstellerischen freieren Äußerungen erreichbaren Mann, z. B. einen Kleriker, schützen,
so wird er leicht von der Gewalt erdrückt; besteht
nicht ein Pressegesetz, . . . so ist der Beste feindlicher Willkür der Hierarchie preisgegeben; diese
aber ist grausam und schonungslos."
Und Pfarrer Hohl:
„Es ist natürlich, daß die Hierarchie alles zu beseitigen trachtet, was ihre Existenz bedroht. Übrigens reicht ihr Arm nicht so weit, daß sie überall,
wenn sie auch wollte, der Wahrheit den Mund
verschließen könnte."
Es kam aber nicht zu einem Gesetz über Pressefreiheit,
obwohl sich auch andere Abgeordnete gegen eine Zensur
aussprachen und der Antrag Wurths allgemein gutgeheißen wurde. Im Gegenteil wurde durch eine landesfürstliche Verordnung vom 20. März 1835 die Aufstellung
von Zensoren ausdrücklich angeordnet, denen „die in dem
Fürstentum erscheinenden Zeitblätter oder heftweise erscheinenden Schriften . . . vor deren Abdruck in Urschrift"
vorgelegt werden mußten.
Wie schon bemerkt wurde, war die Finanzlage im Fürstentum Hohenz. Sigmaringen im Gegensatz zu Hechingen
geordnet. Trotzdem gab es auch hier bei den Beratungen,
die sich finanziell auswirkten, vor allem bei der Beratung
des Etats und der Steuergesetze, zum Teil ernste Auseinandersetzungen, die sich manchmal zu Angriffen auf die
Regierung bzw. den Fürsten sowie auch gegen geistliche
Stellen ausweiteten. Auch hier einige Beispiele:
Die Frage wurde aufgeworfen, ob auch von den Privatkapitalien des Fürsten Steuern zu zahlen seien, was der
Reg. Kommissär entschieden ablehnte. Der Abgeordnete
Wurth erwiderte jedoch:
„Der Landesfürst, der einzige reiche Angehörige
dieses Staates, soll an den Lasten desselben gar
keinen Teil nehmen, soll von seinem bedeutenden
Privatvermögen . . . keine Steuer entrichten." Eine
solche Zumutung stehe mit der Verfassung und den
Rechtsprinzipien in konstitutionellen Staaten im
Widerspruch.
Und an anderer Stelle wurde beanstandet, daß die fürstlichen Lustschlösser und Reitställe von der Steuer ausgenommen werden sollten, während die Armen von ihren
bescheidenen Wohnungen Steuern bezahlen müßten. Der
Reg. Kommissär wandte dagegen ein, „eine Diskussion
über einen so zarten Gegenstand" sei nicht für eine öffentliche Sitzung geeignet. Mehrere Abgeordnete schlossen
sich dieser Auffassung an und hielten diesen Gegenstand
als zu „delikat" und einer meinte sogar, der Name des
Fürsten sollte in einem solchen Zusammenhang möglichst
nicht genannt werden. Man ging mithin im Sigmaringer
Landtag mit der Person des Fürsten wesentlich rücksichtsvoller um, als dies in Hechingen der Fall war.
Nicht minder nachdrücklich, wenn auch in durchaus sachlicher Form, wurde dem Antrag von Dekan Waldraff um
weitgehende Freistellung der Kirchenpflegen von der
Kapitaliensteuer sowie um Abzug der Kultkosten von der
zu besteuernden Summe widersprochen. Dieses Ansinnen
wurde vor allem auch von den drei anderen geistlichen
Abgeordneten abgelehnt, da eine solche Ausnahmebestimmung den Gleichheitsgrundsatz, der einem guten
Steuergesetz zugrunde liegen müsse, verletzen würde.
Auch könnten, so sagte Pfarrer Sprießler, die Kultkosten
„unbeschadet der Würde der Kirche" um ein Bedeutendes
geringer sein, da dieselbe (die Würde) nicht in äußerer
Pracht, sondern in der Übung der Humanität, so zur
Erleichterung allgemeiner Nöte, bestehe. Und er zitierte
hierbei den Bischof Cyprian, der gesagt habe:
„Unsere Tempel sind nackt, aber wir haben die
besseren Tempel der Gottheit geschmückt, indem
wir damit die Blößen der Armen deckten; unsere
goldenen Kelche sind verschwunden, aber besser
wir haben hölzerne Kelche und goldene Priester
als goldene Kelche und hölzerne Priester".
Bei der in einer späteren Sitzung erfolgten Abstimmung
sprachen sich dann auch alle Abgeordneten mit Ausnahme
von Waldraff gegen eine Befreiung der Kirchenfonds von
der Entrichtung der Steuer aus.
Im Hechinger Landtag wurde von einigen Abgeordneten
sogar angeregt, das Einkommen der Geistlichen heranzuziehen, um die Schulverhältnisse und die Lehrerbesoldung
im Lande zu verbessern. Und der Burladinger Vogt
meinte dazu man solle die Gratialien, die manche Pfarrherrn für Messelesen und andere kirchliche Verrichtungen
bezögen, diesem Zwecke zuführen, da es „höchst unschicklich" sei, neben einer ausreichenden Pfründe hierfür noch
besonders entlohnt zu werden. Bei der Erörterung dieser
Frage war sowohl in Sigmaringen wie in Hechingen, vor
allem bei den geistlichen Abgeordneten, der Einfluß des
Wessenbergiamismus deutlich spürbar.
Während der Landtag des Fürstentums Hohenzollern
Hechingen im ganzen gesehen einen befriedigenden Ablauf und Abschluß fand, und der Vorsitzende gegen Ende
der Sitzungsperiode mit Genugtuung feststellen konnte,
daß alle wichtigen Landesangelegenheiten besprochen und
die Abgeordneten dank ihres „Fleißes und ihrer Unverdrossenheit" ihre Aufgabe in verhältnismäßig kurzer Zeit
erledigt hätten, gaben die späteren Sitzungen in Sigmaringen mehrfach Anlaß zu Beanstandungen. Einige Abgeordnete blieben teils mit teils ohne Entschuldigung den
Sitzungen fern. Von den 4 Geistlichen nahm nur noch
Sprießler an den Verhandlungen teil, und einige Male
konnte die für eine Beschlußfassung erforderliche Zahl
der Abgeordneten nur mit Mühe zusammengebracht werden. Der Abgeordnete Würth beklagte dies und bedauerte,
daß „unter den Gewählten des Volkes . . . einige derselben ihre Bequemlichkeiten höher als die Bedürfnisse des
Volkes zu achten schienen" (S. 680). Besonders wurde das
völlige Fernbleiben des Vertreters der Geistlichkeit, des
Dekans Waldraff, bei den späteren Sitzungen bemängelt.
Jahrelang, so sagte Sprießler, habe die Geistlichkeit „mit
lauten Rufen und Beschwerden" verlangt, ihre „materiellen aber auch höheren kirchlichen und religiösen Interessen" auf den Landtagen vertreten zu können. Nun aber
erschiene weder deren Abgeordneter noch auch seine Stellvertreter, und dieses Fernbleiben erfolge ohne wichtigen
Grund.
Wenn die Verhandlungen im Sigmaringer Landtag im
allgemeinen auch einen gewählteren Stil mit besonderer
Rücksichtnahme auf das Fürstenhaus zeigten als dies in
den oft stürmischen Verhandlungen im Hechinger Landtag der Fall war, so kam es doch einmal, und zwar ausgerechnet in dar letzten Sitzung zu einem heftigen Zusammenstoß. Der Regierungskommissar hatte beantragt,
den Abgeordneten Würth, der eine Note der Geheimen
Konferenz als „Anmaßung" bezeichnet hatte, zur Ordnung zu rufen. Geschlossen stellten sich alle anderen hinter
ihn und erklärten, daß sie der Äußerung Wurths in allen
Teilen zustimmen würden. Dieser Vorgang veranlaßte
den Abgeordneten Sprießler zu der Bemerkung, es bleibe
ihm unverständlich, warum die Regierung die Volksvertreter des ersten ordentlichen Landtags mit kränkender
Härte an ihren Herd zurücksende. So hatte sich der erste
Sigmaringer Landtag beim Abschluß seiner Beratungen
nicht nur über die mangelnde Bereitschaft eines Teils seiner Mitglieder zu einer aktiven Mitarbeit, sondern auch
über die Anmaßung und Kränkung durch die fürstliche
Regierung zu beklagen.
35
J O H A N N ADAM KRAUS
Welches war die Stammburg Lichtenstein?
In unserer engeren Heimat gibt es vier verschiedene Burgen
bzw. Burgruinen namens Lichtenstein (eigentlich „liechter"
oder „heller Stein"), nämlich eine über Hönau im Echaztal, die Doppelruine Vorder- und Hinterlichtenstein (letztere irrig auch „Bubenhofen" genannt) auf Gemarkung
Neufra an der Fehla, eine dritte oberhalb Neckarhausen
in Richtung Betra und eine vierte bei Neidlingen bei Nürtingen. Alle gehen auf eine einzige Familie zurück. (Die
Lichtensteine in der Rheinpfalz, Österreich, Schweiz usw.
interessieren hier nicht.) Das gemeinsame Wappen der Besitzer obiger vier Burgen zeigte in blauem Feld einen
weißen Schwanenflügel, der schon auf die gemeinsame
Wurzel hinweist. Nun erhebt sich die Frage: Welche Burg
auf hellem Felsgestein war nun die namengebende? Die ob
Neckarhausen scheidet aus, denn sie hieß ursprünglich
Husin und zeigt keinen auffallenden Felsen. Auf ihr saß
um 1086 der Mitstifter des Klosters Alpirsbach, Rotmann
von Husin, und in der Folge andere des Namens „von
Hausen", wohl seine Nachkommen. Erst im Jahre 1350
erwarb Ludwig (Lutz) von Lichtenstein, der vorher in
Boll am Zoller begütert war, mit seinen Söhnen Güter zu
Hausen am Neckar. 1 Auch bei Neidlingen erscheinen die
Herren von Lichtenstein erst um 1380, während die übrigen beiden Burgen schon länger nachzuweisen sind. Für
Theodor Schön2 und die Oberamtsbeschreibung Reutlingen 1893 sowie andere württembergische Forscher galt
selbstverständlich der Lichtenstein ob Hönau (d. h. die
Ruine unweit des jetzigen romantischen Schlößleins) als
die Stammburg, ohne daß sie auch nur den Versuch eines
Beweises machten. Dagegen sagt das Handbuch historischer
Stätten Baden-Württemberg (1965) unter dem Stichwort
Neufra/Fehla, es sei nicht festzustellen, ob die Neufraer
Doppelruine oder der „alte Lichtenstein" ob Hönau älter
sei. Bei diesem Lichtenstein selbst (S. 392) jedoch steht zu
lesen: das Geschlecht habe sich nach dem Lichtenstein an
der Fehla benannt und den Namen ins Echaztal übertragen oder mitgenommen. Leider sind keine Gründe oder
Beweise angegeben. Helle Kalkfelsen sind sowohl bei Hönau als auch an der Fehla festzustellen, wenn die letzteren
heute auch durch den Wald verdeckt sind. Wer hat nun
Recht?
Th. Schöns Gedankengang ist jedenfalls nicht überzeugend. Urkundlich steht lediglich fest, daß im Jahre 1311
der „hohe Lüechtenstain", also der ob Hönau, von den
Reutlinger Bürgern im Reichskrieg Kg. Heinrichs VII. gegen den Grafen Eberhard von Wirtemberg nebst den Burgen Rohr bei Bisingen, Jungingen, Haideck („Hintere
Burg" bei Trochtelfingen) und Greiffenstein ob der Echaz
zerstört wurde. 3 An der Fehla hat Ritter Sweniger von
Lichtenstein im Jahre 1332 „auf dem Friedhof zu Neufra
unter seiner Burg Lichtenstein" eine (Nikolaus-)Kapelle
mit Kaplanei gestiftet. 4 Unter den 78 urkundlichen Nachweisen über die Herren von Lichtenstein von 1182 bis
1380 finden sich außer diesen beiden keine Anhaltspunkte
für den Standort der Stammburg. Die genannte Oberamtsbeschreibung5 rechnet ohne Beweis sowohl die Burg
ob Hönau als auch die an der Fehla zu den Stammgütern
des Geschlechts. Dieses erscheint erstmals ums Jahr 1182
mit Gebhard von Liehtenstain, einem Dienstmann des
Markgrafen Heinrich von Ronsberg6 (Bayern). Letzterer
hatte um 1160 die Tochter Udilhild des Gammertinger
Grafen Ulrich III. (nach anderer Ansicht Adelberts II. v.
36
Gammertingen) geheiratet und so gammertingische Vasallen geerbt7. Die Grafen von Gammertingen starben ca.
1165 aus, der genannte Markgraf fiel 1191 vor Neapel.
Als Stammesgenossen der Herren von Lichtenstein gelten
auf Grund des gleichen Wappens die von Holnstein an
der Lauchert, die mit „Ogger und Sohn Adalbert von
Holinstain" um 1090 genannt werden 8 . Ferner die von
Melchingen (Adalbert um 1120, ebenda) und von Benzingen (1250). Th. Schön möchte noch ohne zwingenden
Grund auch die 1161 f. vorkommenden Herren von Großengstingen dazurechnen, wie er irrig dieses Dorf zum
alten Burichingagau zählt. Er meint: hier im Dorf sei der
Ursitz der Lichtensteiner gewesen, bevor sie eine Höhenburg über Hönau errichteten. Großengstingen wurde jedoch erst im J. 1584 zum Landkapitel Trochtelfingen geschlagen, dessen altes Gebiet als Fortsetzung des Burichingagaues und der Grafschaft Gammertingen seit F. L.
Baumann gilt9. Vorher gehörte das Dorf mit Hönau zum
Pfullichgau bzw. zur Grafschaft Achalm, die allerdings im
J. 1161 dem Grafen Adalberg von Gammertingen unterstand. Adelberts Tochter Adelheid hat um 1160 den Edlen
Berthold von Neuffen geheiratet und ihm Gammertinger
Erbgut und Dienstleute zugebracht, so z. B. Otto und
Dietrich von Ringingen (1180), die von Oedenwaldstetten
u. a.10. Die um 1182 mit Vater und Geschwistern erwähnte
Tochter Adelheid des Markgrafen Heinrich von Ronsberg
hat dem Grafen Konrad von Heiligenberg und nach dessen Tod um 1208 dem Grafen Gottfried von Sigmaringen
die Hand gereicht. (Andere halten sie für eine nirgends
genannte Tochter Bertholds von Neuffen.) Zu den Dienstleuten des genannten Markgrafen gehörten außer Gebhard
von Lichtenstein auch Heinrich und Gerung Mesinger von
Mägerkingen, Heinrich von Nuiferon (Neufra, oder Nufringen b. Herrenberg?), Ulrich von Genkingen, Rudolf
von Isir (unbekannt). Besitz als Gammertinger Erbe hatten die 1212 im Mannesstamm ausgestorbenen Ronsberger
auch in Oberstetten. Gebhard von Lichtenstein trat mit
anderen Wohltätern des Kl. Ottobeuren, wie Heinrich von
Mägerkingen und Heinrich von Niuferon, in dieses Kloster ein. Seßhaft waren sie offenbar alle (vielleicht auch
der von Niuferon) in der alten Grafschaft Gammertingen
gewesen, zu der ja die Gemarkung Neufra gehörte. Da
Hönau jedoch außerhalb derselben lag, scheint der dortige
Lichtenstein als Stammsitz auszuscheiden. Möglicherweise
war jener Landold von Nufiron mit Besitz im benachbarten Gauselfingen8 um 1120 Vater des Gebhard von Lichtenstein gewesen, der die Burg auf dem „lichten Stein"
westlich der Fehla gebaut haben kann. Falls sich im ältesten Teil der dortigen Ruinen ein gesundes Balkenstück
finden ließe, könnte mit modernen Methoden dessen Alter
ziemlich genau festgestellt werden!
Wir dürfen aber noch weitergehen. Wenn Gebhard von
Lichtenstein im Alter ins Kloster Ottobeuren eintrat, ist
damit nicht gesagt, daß er vorher keine Nachkommen
hatte. Da die späteren Lichtensteiner das Hölnstein-Melchinger Wappen führten, werden sie diesem Geschlecht
entsprossen sein. Einer von ihnen mag den Lichtenstein erheiratet haben, vielleicht der Vater der vier Brüder Gero,
Gebhard, Sweniger und Ludwig von Lichtenstein, die im
J. 1243 genannt werden. Für so viele Söhne brauchte man
Burgen! Der Name Gebhard deutet auf den ersten Lichtensteiner. Ob der schon den Hölnstein-Mechingern zuge-
hörte, wissen wir nicht. Die anderen Nachrichten über die
Lichtensteiner (nach dem Jahre 1182) setzen erst 50 Jahre
später ein und zeigen schon starke Verästelung:
Im J. 1236 erscheint Gero v. L. mit dem Grafen Berthold
von Urach 11 , 1243 die vier Brüder Gebhard, Swenger
(Sweniger), Berthold und Ludwig (oder Heinrich?) v. L.
in Reutlingen beim Vertrag mit dem Kloster Bebenhausen12. Im Jahre 1245 enthebt Graf Burkart von Hohenberg die vom Ritter Gero v. L. ans Kl. Bebenhausen überlassene Hälfte des Zehnten zu Dusslingen des Lehenverbandes und erhält dafür den eigenen Hof Geros v. L. zu
Feldhausen bei Gammertingen als Lehen eingesetzt13.
Heinrich v. L. und sein ungenannter Sohn werden 1251 in
einer in Saulgau ausgestellten Urkunde der Äbtissin von
Buchau genannt 14 . Im gleichen Jahr ist Swenger v. L.
Bürge, als Bischof Eberhard von Konstanz seine Burg
Wittlingen an Gr. Ulrich von Wirtemberg zu erblichem
Lehen gibt15. Im Vertrag der drei Grafen Ulrich von Wirtemberg, Heinrich von Fürstenberg und Berthold von
Urach bezüglich der Burg Urach vom J. 1254 findet man
als Zeugen Ludwig, Gebhard und Swaenger von Lichtenstein16. Im J. 1262 hat Ritter Ludwig v. L. seine Güter zu
Altingen ans Kl. Bebenhausen vermacht, wobei Ritter Ber
von Pfullingen, Ritter Gebhard von Lichtenstein und Pe-
regrin von Salmendingen, sowie Bero, der Sohn Swaengers, Zeugen sind17. Die Lichtensteiner auf Neckarhausen
hat Th. Schön von 1350 bis zum Aussterben (der Gesamtfamilie) dargestellt 18 . Der letzte männliche Sproß war der
Fähnrich Anton von Lichtenstein, der im Jahre 1688 in
Oberungarn im Kampf für Kaiser und Reich sein Leben
ließ. Als letztes weibliches Mitglied nennt K. v. Knobloch
im Oberb^dischen Geschlechterbuch eine Maria Viktoria
von Lichtenstein aus Neckarhausen, gb. 1667. Sie machte
Profeß 1685 und war von 1716 bis zu ihrem Tod 1731
Äbtissin zu Feldbach im Thurgau.
Eine Beschreibung der Ruinen Lichteinstein bei Neufra
geben Zingeler und Buch 190619, und schon 1893, 61 und
1895, 42 f, 51 ist darüber in den Albvereinsblättern berichtet worden.
1
Anmerkungen:
Mit:. H o h z , Jg. 31, 130 f. 2 Blätt. d. Schwab. Albvereins 1895, 42 f. 3 W ü r t t . V J a h r s h . 1883, 3. 4 H o h z . H . 1958, 25.
5
1893, I, 465. 6 W U B , 2, 4 2 1 - 2 3 . 7 H o h z . J H e f t 1938, 68; Zeitsch.
w ü r t t . LGesch. 1966, 74; H H 1966, 57. 8 Zwief. C h r o n i k v. K ö n i g Müller 1941, 271. ' Gaugrafsch. 1879, 124. 10 H o h z . J H . 1938, 68 £.
11
12
13
14
W U B , 4, 422.
W U B 4, 45.
W U B 4, 85.
W U B 4, 243.
15
14
17
18
W U B 4, 271.
W U B 5, 60.
W U B 6, 40.
wie N o t e 1.
19
Zollerische Burgen 1906, 111.
J. A. KRAUS
Volksmedizinisches unserer hohenz. Vorfahren
1) Für die „Schweine" (Krankheit, bei der Fleisch und
Bein schwindet!): O Fleisch, o Blut, o Bein, o Mark /
Schweine Du so wenig als Gott der Vater. O Fleisch, o
Blut, o Bein, o Mark / schweine Du so wenig als Gott der
Sohn, usw. Schweine, ich gebiete Dir, daß Dein Nagen
und Magern sei im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes
etc. Amen.
2) Gegen die Warzen: Geh unbeschrien zu einem Weckholderboschen, dreh ein Zweiglein ab ohne es zu brechen,
daß es noch hängen bleibt und sprich dazu: „Weckholderbosch, i will dir saga, nimm Du die Warza von mir (bzw.
von NN), und witt du di wehra und bläha, noch tu i dir
da Kraga rumdreha. Im Namen des Vaters usw. Und 3
Vaterunser (Wenn das Zweiglein später abfällt, sind auch
die Warzen weg.)
3) Gegen Schindholder (fressendes Geschwür): Heut ist
hl. Samstegsnacht, d'Juda haltes Schabes. Se esset s'Fleisch
und nagets Boi(n), Schindholder gang du wieder hoi(m)!
(Während dem Allerseelenläuten zu sprechen.)
4) Gegen Gliederweh: Am Karfreitag im hintersten Kirchenstuhl den Rosenkranz an den Fingern abbeten.
5) Igel stechen (Fußgeschwür beim Vieh): Unbeschrien
führt man das Tier auf einen Rasen, umzeichnet mit dem
Messer den kranken Fuß auf dem Boden, sticht das Stück
Rasen heraus und räuchert den Watzen (Rasenstück) im
Kimmet. Mit dem Absterben des Grases, schwindet das
Uebel.
6) Gegen Hagel: Wenn man mit einem Holz von einer
blitzgetroffenen Linde das Simri beim Saatgutfassen
ebenstreicht, hagelt es nicht in die Frucht.
7) Vorhersage: Firb in dr Holiga Nacht unterm Obertenloch sauber, und was am Morgen drauf für Hälmle o3er
Kernele hunna lieget, sali geits s'nächst Johr vill.
8) Gegen Grimmen: „Unser lieben Frauen Gruß tut für
Lügen, Wirren und Grimmen gut. Scheide in Dunst und
nit ins Fleisch!" oder: „Jerusalem, Jerusalem, du jüdische
Stadt, wo man den Herrn Jesus gekreuzigt hat. Als man
ihn kreuzigt', floß Wasser und Blut, das tut dem N N fürs
Grimmen gut".
9) Gegen Warzen: Sprich: „Verina Dora weg"!
10) Gegen Gliederweh: „Hinaus aus Mark und Bein und
komm dem N N zu ewigen Zeiten nimmer in seine Glieder hinein". (Auch beim Vieh gebraucht.)
11) Für den Augnama (Fingereiterung, Panaritis): Einen
Maulwurf unter einem Vaterunsergebet in seiner Hand
absterben läßt.
12) Warzen: Mach soviel Knoten auf einen Faden, als Du
Warzen vertreiben willst und vergrab den Faden unter
einem Dachtrauf. Beim Vergehen des Fadens schwinden
die Warzen. (Oder wirf den Faden in ein offenes Grab.)
13) Gegen Ueber-Röte: „Ueberraite stolz gang dur Laub
und Holz, gang, dur Stauda und Stock, daß es mein
Fleisch und Blut nit verletz". 3 Vaterunser.
14) Gegen Aißen (Furunkel): „Du hoscht anOißa, muescht
en anders hoißa, hoiß en Blooter, no vergoot er".
37
A N T O N H E I N R I C H BUCKENMAIER
Das Postwesen im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen
unter den letzten beiden Fürsten
Schon im Jahre 1597 bestanden nach der Chronik der
Stadt Hechingen Metzgerposten zwischen Italien und
Deutschland \ Die Metzger hatten Briefe und sonstige
Postsachen neben den gewöhnlichen Boten oder Postjungen zu befördern. Zu ihrer Aufgabe gehörte aber auch das
Stellen der Postpferde. Das erste Kaiserliche Postamt in
Hohenzollern überhaupt wurde 1692 in Hechingen errichtet. Die Poststelle selbst war im Gasthaus zur „Krone"
eingerichtet.
Die Entfernung zwischen den Poststationen betrug vier
bis fünf Meilen (dtsch. Meile 7420 Meter). Von zwei
Meilen zu zwei Meilen war ein sogenannter „Posten",
der ungefähr vier Wegstunden vom anderen Abstand
hatte. Staffettenreiter besorgten eilige Postsachen, Kurierreiter bestellten auf den einzelnen Poststationen für außerplanmäßige Reisekutschen neue Pferde, da damals der
Telegraf noch nicht erfunden war. Die sogenannte „ordin a l e Post" war ein zweirädriger Karren, der nur Säcke
(Felleisen) mit Briefpaketen beförderte. Es gab sechs- und
neunsitzige Postkutschen, die zwar gepolstert waren, aber
auf den schlechten Wegen kaum ein angenehmes Reisen
boten.
Die Hauptpostlinien gingen von Schaffhausen über Hechingen nach Stuttgart und von Schaffhausen über Riedlingen nach Ulm.
Da die Verkehrsbeziehungen der Hechinger Bewohner
nach Riedlingen und Ulm tendierten, so wurde im letzten
Viertel des 18. Jahrhunderts von der Fürstlichen Regierung in Hechingen der Antrag beim Erb-General-Postmeister, dem Fürsten von Thum- und Taxis gestellt, von
Hechingen aus einen Postkurs über Gammertingen nach
Riedlingen einzurichten. In der anderen Richtung sollte
der Kurs über Rottenburg a. N., Weil der Stadt und
Pforzheim führen. Der Vorschlag der Fürstlichen Regierung in Hechingen wurde lebhaft von dem damaligen
Reichsfreiherrn von Späth unterstützt, weil seine Herrschaft noch keine Postverbindung besaß. Aber der ErbGeneral-Postmeister konnte rechnen und wies nach, daß
die Linie Hechingen-Gammertingen-Riedlingen ihm jährlich mindestens 450 fl Mehrausgaben verursachte, daß
aber diesen keine genügenden Einnahmen gegenüberstünden. Schließlich im Jahre 1776 war er mit der Einrichtung
einer Relaisstation für den Extrapostverkehr einverstanden. Unverständlicherweise befaßte sie sich aber nicht mit
der Annahme von Briefen zur Beförderung zwischen
Hechingen und Riedlingen 2.
Befördert wurden nach der jeweiligen Ernennungs- und
Bestallungsurkunde sowohl bei Tag und Nacht Kuriere
und Reisende.
Während der ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts hatte
die Post durch die Bevölkerung einen geringen Umsatz,
M. H E R M A N N
Anmerkungen:
1
2
3
Egler/Sonntag, C h r o n i k der Stadt Hechingen, S. 152.
Thele, Geschichte des Postwesens in den hohenzollcrischen Landen.
Sonderdruck zur Post und Télégraphié N r . 11—13, 1912.
FAS H H 53, 1410.
Die Turn- und Taxis'schen Postanstalten in Hohenzollern
Glücklicherweise ist die Postgeschichte der beiden Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen für die
Zeit vor 1850 seit langem sehr gründlich erforscht. OberPostpraktikant Thele, Berlin, hat im Jahre 1912 im
„Archiv für Post und Télégraphié" eine umfassende
Studie darüber vorgelegt, die aber heute nur noch
wenigen zugänglich sein wird. Darum mochte ich die
38
waren doch die Bewohner so arm, daß es vielen schwer
gefallen wäre, drei Kreuzer für das geforderte Porto aufzubringen.
Das Fürstlich-Hohenzollern-Hechingen-Thurn- und Taxische Postamt ließ bekannt machen, daß ab 1. Januar 1845
der Eilwagen Stuttgart-Schaffhausen (über Hechingen)
täglich zweimal, der Eilwagen Hechingen-SigmaringenSaulgau wöchentlich dreimal, die Fahrpost HechingenHaigerloch wöchentlich zweimal, die Kariolpost Hechingen-Haigerloch wöchentlich fünfmal und die Kariolpost
Hechingen-Sigmaringen wöchentlich zweimal verkehrten.
Das war bereits ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der
Zeit vor 1800, betraf aber zur Hauptsache die Personenbeförderung.
Im Jahre 1852 befanden sich im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen nur zwei Postämter in Betrieb und zwar
in Hechingen und Haigerloch. In der Zeit von 1860 bis
1870 wurde der Ausbau durch die preußische Verwaltung
weitergeführt. Die Landpostbestellung wurde durch Errichtung von Postexpeditionen gefördert und zwar in den
Orten Dettingen, Esseratsweiler, Imnau, Thiergarten und
Bärenthal. Postablagen gab es in Beuron, Burladingen,
Empfingen, Jungingen, Krauchenwies und Veringenstadt.
Die Chronik der Stadt Hechingen führt noch im Jahr
1843 den Fürstlich Thum- und Taxischen Postmeister
Aloys Haimb an. Im Jahre 1808 nennt sich Postmeister
Pfister von Hechingen „Maitre des postes" 3 (FAS H H 53,
1410).
Bereits mit Ende des Römischen Reiches Deutscher Nation
erloschen die Taxis'schen Postgerechtsame. Doch traten
die meisten Staaten, so auch die beiden Fürstentümer
Hechingen und Sigmaringen die Ausübung des Postregals
an Thum- und Taxis gegen eine Pachtsumme ab. 1850
wurde der deutsch-österreichische Postverein gegründet,
der ein einheitliches Postgebiet für die deutschen Staaten
und Österreich schuf. 1867 übernahm Preußen gegen eine
Abfindungssumme die Rechte der Thum- und Taxis'schen
Postverwaltung in den mitteldeutschen Staaten. Ein Jahr
später wurde die Post des Norddeutschen Bundes errichtet. Erst nach Gründung des Deutschen Reiches entstand
die Reichspostverwaltung, von der sich aber Bayern und
Württemberg ausschlossen und je eine eigene Postverwaltung unterhielten. Im Jahre 1919 wurde die postalische
Eigenständigkeit dieser beiden Staaten aufgehoben.
Ergebnisse dieser Arbeit in Kurzfassung darbieten. Als
Franz II. von Österreich angesichts der inneren Auflösung des römisch-deutschen Reiches am 6. August 1806
die Kaiserkrone niederlegte und das Reich und die Kaiserwürde für erloschen erklärte, war damit auch das kaiserliche Reichspost-Lehen für das Haus Thum und Taxis
erledigt.
Um einer drohenden Mediatisierung zu entgehen, waren
schon im Januar 1806 die Fürsten von HohenzollernHechingen und Sigmaringen dem Rheinbund beigetreten;
am 12. Juli 1806 erhielten beide in dem zu Paris geschlossenen Konförderationsvertrag die volle Souveränität. Im
Hinblick auf die gespannten Beziehungen zwischen Württemberg und Thum und Taxis (zu Beginn 1806 hatte
König Friedrich von Württemberg die Besitznahme der
im Land befindlichen Posten durch den Staat angeordnet)
und angesichts der Abhängigkeit sämtlicher Verbindungen
der bisher einzigen Postanstalt Hohenzollerns in Hechingen (seit 1756 bestehend) von Württemberg mußte es
fraglich erscheinen, ob die Aufrechterhaltung der Taxisschen Post den Interessen des Landes entsprach. Darum
nahm der Fürst von Hohenzollern-Hechingen am 14. August 1806 die Post der Residenz in eigene Regie. Das
Reichswappen am Posthaus und das Reichspostsiegel wurden entfernt.
Aber bald nach der Übernahme des Postwesens in Staatsbetrieb trat die württembergische Regierung mit dem
Wunsch hervor, das Postwesen im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen in ihre Verwaltung zu übernehmen. Diesem Anerbieten konnte sich der dortige Fürst um so weniger verschließen, als Württemberg schroff erklärte, im
Weigerungsfall würden die Postverbindungen mit Hechingen abgebrochen und die dortige Post aufs trockene
gesetzt. Die Hechinger Regierung mußte sich fügen. Am
4./9. April 1807 wurde zwischen Hohenzollern-Hechingen und Württemberg ein Vertrag geschlossen, durch den
sich der Fürst verpflichtete, in seiner Residenzstadt Hechingen ein württembergisches Postamt aufzunehmen. Der
Vertrag galt für zehn Jahre.
Die Übernahme des Postwesens in Württemberg und
Hohenzollern-Hechingen durch den württembergischen
Staat war begreiflicherweise nicht ohne den lebhaftesten
Widerspruch des Fürsten von Thum und Taxis vor sich
gegangen. Durch den Reichs-Deputations-Hauptschluß
vom 25. Februar 1803 war ihm die Erhaltung der Posten
im Zustand vor 1801 gewährleistet worden. Der Art. 17
der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 bestätigte
dem Fürsten von Thum und Taxis von neuem den Besitz
und Genuß der Posten, wie es durch den Reichs-Deputations-Hauptschluß bereits bestimmt war. Zwar wurde der
Vertrag mit Württemberg 1817 nicht erneuert, aber auch
die Verhandlungen der Hechinger Regierung mit dem
Fürsten von Thum und Taxis scheiterten zunächst an den
finanziellen Entschädigungsforderungen des letztgenannten. So blieb alles beim alten. Dann aber ging am 1. Oktober 1819 das gesamte württembergische Postwesen als
„Erb-Mann-Thronlehen" an Thum und Taxis über,
wobei im Postvertrag der Fürst von Thum und Taxis sich
verpflichtete, auch die von Württemberg mit anderen
Staaten des Deutschen Bundes geschlossenen Verträge mit
zu übernehmen.
Endlich kam am 30. Oktober 1821 zwischen den Fürstenhäusern von Hohenzollern-Hechingen und von Thum
und Taxis ein Vertrag zustande. Nach ihm wurde das
Postamt Hechingen unmittelbar der Thum und Taxisschen General-Postdirektion in Frankfurt/M. unterstellt
und durfte keinem anderen ausländischen Ober-Postamt
mehr untergeordnet werden. Außerdem sollte aus Rücksicht auf die große Entfernung zur General-Postdirektion
ein eigener Postkommissar ernannt werden, welcher das
Postwesen im Fürstentum zu überwachen hatte.
Im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen war die Postversorgung anfangs sehr bescheiden; bis 1819 gab es noch
keine postalische Einrichtung, welche sich mit der Briefoder Fahrpost befaßte, gleichwohl sich das Gebiet des
Fürstentums nach 1806 stark vergrößert hatte. Mehr als
100jährige Verhandlungen mit dem Haus Thum und
Taxis hatten keine Postexpedition erbracht, auch nicht der
Briefwechsel des Jahres 1817. Schließlich nahm der Fürst
von Hohenzollern-Sigmaringen das Anerbieten Württembergs an, in der Residenzstadt ein württembergisches
Postamt einzurichten. Unterm 1./9. Februar 1819 kam der
Postvertrag zustande mit folgenden wichtigeren Bestimmungen: Der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen verpflichtet sich, die königlich-württembergische Post in seinem ganzen Fürstentum dergestalt aufzunehmen, daß der
König von Württemberg an jedem für die Postverbindungen geeigneten Ort nach Gefallen eine Postanstalt
errichten kann.
Es werden errichtet ein Postamt neben Poststall in Sigmaringen, je ein Poststall für die Zwecke des Extrapostverkehrs in Haigerloch und Gammertingen. Das Postamt
in Sigmaringen wird durch je eine wöchentlich einmal
verkehrende Reitpost und ein- oder zweispännige Fahrpost mit den württembergischen Postämtern in Mengen
und Ebingen in Verbindung gesetzt. Sollte sich im Verlauf
von sechs Monaten ergeben, daß für Haigerloch regelmäßig größere Mengen von Briefen und Paketen vorliegen, so soll in dem Ort eine Postexpedition eingerichtet
werden. Die Postanstalten unterstehen der württembergischen Ober-Postdirektion in Stuttgart; die Postbeamten
tragen württembergische Uniformen. An den Posthäusern
wird das württembergische Wappen mit der Umschrift
„Königlich Württembergisches Postamt" angebracht. Die Posten sollen am 1. April 1819 im Gange sein. Der
Vertrag gilt für zehn Jahre.
Wie oben schon berichtet, ging einige Monate später am 1. Oktober 1819 - das gesamte Württembergische
Postwesen als „Erb-Mann-Thronlehen" an das fürstliche
Haus Thum und Taxis zurück. Unterm 5. Oktober 1819
erklärte sich die fürstlich-hohenzollerische Regierung zu
Sigmaringen bereit, den mit Württemberg abgeschlossenen
Vertrag nun mit Thum und Taxis fortzusetzen.
Gleich im nächsten Jahr stellte die Sigmaringer Regierung
den Antrag, Thum und Taxis möge zur besseren Verbindung mit dem hohenzollerischen Unterland eine fahrende
Post von Sigmaringen über Gammertingen nach Hechingen und Haigerloch einrichten und die Postställe in Haigerloch und Gammertingen in Postexpeditionen umwandeln. Aber erst 1825 erklärte sich nach anfänglicher
Weigerung die Generalpostdirektion in Frankfurt/M.
dazu bereit. Mit Wirkung vom 1. August 1825 traten in
den Amtsstädten Haigerloch und Gammertingen die
neuen Postexpeditionen, ferner die fahrende Post zwischen Sigmaringen und Gammertingen in Kraft.
Der am 9. Februar 1819 zwischen dem Fürsten von
Hohenzollern-Sigmaringen und der Krone Württembergs
abgeschlossene Postvertrag, in den der Fürst von Thum
und Taxis eingetreten war, endigte mit Ablauf des Monats März 1829. Die Regierung in Sigmaringen trat daher
im Jahre 1828 mit dem Hause Thum und Taxis wegen
eines neuen Postvertrages in Unterhandlung, der dann am
27. Dezember 1828 zustande kam und im allgemeinen
die gleichen Bestimmungen wie der Vertrag zwischen den
Fürstenhäusern Hohenzollern-Hechingen und von Thum
und Taxis aus dem Jahre 1821 enthielt. Ab dem 1. April
1829 bildeten somit die beiden Fürstentümer Hohenzollerns ein einheitliches Thum und Taxissches Postgebiet.
Das Jahr 1850 brachte für Hohenzollern eine tiefgreifende Veränderung: Angesichts der politischen Ereignisse
des Jahres 1848 resignierten die beiden Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen und übertrugen
ihre Regierungsgewalt mit der vollen Souveränität der
39
Krone von Preußen. Der am 7. Dezember 1849 abgeschlossene Abtretungsvertrag fand durch Gesetz vom
12. März 1850 die verfassungsmäßige Genehmigung. Am
1. März 1852 wurde in Sigmaringen eine Königlich-Preußische Regierung eingesetzt. Nunmehr erhielten die Postanstalten die Bezeichnung „Königl. Preußisches Thum
und Taxissches Postamt", außerdem wurden die Posthausschilder, die Postsiegel und die Uniform der Postbeamten abgeändert bzw. durch preußische ersetzt. Ein
bedeutsamer Schritt war der Anschluß der hohenzollerischen Posten an den Deutsch-Österreichischen Postverein
am 1. Juni 1852.
In der Folgezeit erfuhr die Post unter den auch der Herkunft nach preußischen Postkommissaren der Hohenzollerischen Lande eine stetige Aufwärtsentwicklung, auch
wenn die Forderungen der Regierung nicht sofort ihre
Erfüllung durch das fürstliche Haus von Thum und Taxis
fanden. Aus den untenstehenden Tabellen, welche aus den
Verordnungen und Bekanntmachungen der Amtsblätter
der Königl.-Preußischen Regierung erstellt sind, können
Eröffnung bzw. Schließung der einzelnen Postanstalten
ersehen werden.
An Briefkollektionen
Krauchenwies
Veringenstadt
Hertingen
Burladingen
Empfingen
bestanden ab . . . in
wohl
wohl
wohl
wohl
ab 1. 3. 1855
ab 1. 6. 1858
ab 1.6.1858
ab 1.6.1858
ab 24. 7. 1861
bis
bis
bis
bis
bis
30. 4. 1864
30. 4. 1863
15.5.1864
19.4.1864
24. 9. 1865
Mit Ausnahme der ersten sind die Eröffnungsdaten der
Postkollektionen nicht genau bekannt. Am 1. Juni 1858
wurde jedoch eine tägliche Personenpostverbindung zwischen Sigmaringen und Hechingen eingerichtet, an deren
Kurs mehrere Briefkollektionen in Tätigkeit traten
(Thele). Dies träfe für Veringenstadt, Hettingen und Burladingen zu. Das Datum für Empfingen ist aus der Weiterführung des Hechingen-Haigerlocher Postkurses bis
Dettingen abzuleiten. Anscheinend waren auch für Jungingen und evtl. Rangendingen solche Briefkollektionen
geplant, wurden aber nicht verwirklicht. Das Ende der
Briefkollektion in Hettingen darf in dessen Eingliederung in den Landpostzustellbezirken von Veringenstadt
gesehen werden. Bei den übrigen Orten wurde am folgenden Tag eine Postablage errichtet.
An Postablagen bestanden in
Nach dem Ubergang der Thum und Taxisschen Post in
Hohenzollern in das Eigentum des preußischen Staates am
1. Juli 1867, wurden sämtliche Postablagen in Postexpeditionen II. Klasse umgewandelt. Mit der Angliederung des
Preußischen Staates an den Norddeutschen Postbezirk am
1. Januar 1868 und der Errichtung des Kaiserreiches zum
1. Januar 1872 findet der zweite Abschnitt der Postgeschichte Hohenzollerns seinen Abschluß.
Die Thum und Taxisschen Postämter und Postexpeditionen Hohenzollerns wurden eröffnet am:
Nr. 303
304
305
306
335
336
337
349
364
365
394
409
Gammertingen
Haigerloch
Hechingen (Postamt)
Sigmaringen (Postamt)
Ostrach
Straßberg
Klosterwald
Trochtelfingen
Thiergarten
Dettingen
wohl
Esseratsweiler
Imnau
1. 8.1825
1. 8. 1825
1. 10. 1756
12. 4.1819
1. 9.1853
1. 9.1853
1. 10. 1854
1. 11. 1858
1. 2. 1861
24. 7. 1861
1. 11. 1864
15. 8. 1865
Die Postexpedition in Thiergarten wurde am 19. März
1864 wieder geschlossen und von da an vom Landpostboten von Sigmaringen aus begangen. Für die Postexpedition in Dettingen gibt es kein offizielles Eröffnungsdatum. Im Amtsblatt der Königlich-Preußischen Regierung in Sigmaringen vom 28. Juli 1861 wird unter dem
24. Juli 1861 bekanntgegeben, daß die bisher zwischen
Hechingen und Haigerloch unterhaltenen Personenfahrten
nunmehr über Weildorf, Empfingen und Fischingen bis
Dettingen ausgedehnt worden sind. Im Register des Amtsblattes steht unter dem Stichwort: Poststelle, „Eröffnung
einer solchen zu Dettingen" mit dem Hinweis auf obige
Bekanntmachung.
Im übrigen wurde in Trochtelfingen schon vor dem 1. November 1858 ein provisorischer Postdienst aufgenommen.
Ich besitze einen Brief mit dem Stempel vom 14. August
1858; er ist aus alten Akten entnommen.
40
Veringenstadt ab 1. 5. 1863
Beuren
21.3.1864
Jungingen
15. 4. 1864
Burladingen
20. 4. 1864
Krauchenwies
1. 5. 1864
Imnau
1. 7. 1864 für die Dauer d. Badesaison
Empfingen
25.9.1865
In Rangendingen bestand keine Postablage, auch wenn
anläßlich der Einführung der Landpost in Hohenzollern
in der Bekanntmachung vom 17. April 1863 von einer zu
errichtenden Postablage in Rangendingen die Rede ist.
Vielmehr wurde der Ort am 15. April 1864 in den Landpost-Zustellbezirk des Postamtes Hechingen eingegliedert.
Als Landpostzustellort besaß Rangendingen zweifellos
einen Briefkasten und einen darin hängenden einzeiligen
Rahmenstempel. Jedoch ist ein Postablage-Stempel, wie
ihn Abel-Kuchenbecker in seiner Arbeit annimmt, mit
dem Text H E C H I N G E N - R A N G E N D I N G E N in das
Reich der Hypothese bzw. Fantasie zu verweisen.
Über die verwendeten Poststempel und deren Laufzeiten
soll später berichtet werden.
Benutzte Literatur:
THELE, Geschichte des Postwesens in den Hohenz. Landen, in: Archiv für Post und Telegraphie - Beiheft zum
Amtsblatt des Reichspostamtes (Berlin) Nr. 11-13, Jahrg.
1912, S. 313-334, 335-392.
Sammlung der Gesetze und Verordnungen für das Fürstenthum Hohenzollern-Sigmaringen von 1808 bis 1820,
Sigmaringen 1822, S. 232 und 255.
Amtsblätter der Königlich-Preußischen Regierung in Sigmaringen, 1853-70.
ABEL-KUCHENBECKER, Die Thum und Taxissche
Post in den Hohenzollernschen Landen, in: Mitteldeutsche
Philatelisten-Zeitung Nr. 6, S. 78/79, und 7, S. 93-95,
Jahrg. 1897.
H.-D. KIND, Die Königlich Württembergische Post in
den Hohenzollernschen Fürstentümern, in: Postgeschicht(Übrigens hat der Verfasser die Arbeit von Thele fast
liehe Blätter aus Württemberg, Heft 14/69, Tübingen,
vollständig benutzt ohne einen Quellenhinweis!)
HERBERT BURKARTH
Zur Herkunft der Feldhauser Madonna
Eines der bedeutendsten Kunstwerke in Hohenzollern
ist die Feldhauser Madonna. Das Werk entstand kurz
vor 1500 in der Werkstatt Michael Erhards in Ulm. Die
fast lebensgroße Figur zeigt große Ähnlichkeit mit der
Madonna vom Blaubeurer Hochaltar. Durch eine goldene Krone, eine Zutat neuerer Zeit, wird sie etwas entstellt. Für die Kunstwissenschaft ist die Feldhauser Madonna längst ein Begriff und über Datierung, Zuschreibung usw. gibt es kaum Zweifel. Nur die Frage, wie eine
kleine Dorfkirche zu so einem Kunstwerk kommt, ist
bisher nicht beantwortet. Es wird meistens auf die Nähe
des Klosters Zwiefalten hingewiesen, das ja eine ganze
Fülle von Werken der Ulmer Spätgotik besaß. Eine solche Verbindung trifft sicher zu b. Z. für die Kunstwerke
in der Pfarrkirche von Bingen. Aber die Feldhauser Madonna läßt sich von Zwiefalten nicht herleiten. Trotz
der räumlichen Nähe hatte Feldhausen zu Zwiefalten
weder weltliche noch kirchliche Beziehungen.
Bis zur Zeit um den ersten Weltkrieg stand die Figur in
der kleinen Friedhofskapelle von Feldhausen. Es ist anzunehmen, daß sie dorthin 1737 beim Neubau der Pfarrkirche kam, die damals im Barockstil ausgestattet wurde.
In Feldhausen wurde die Madonna wohl schon immer als
etwas Besonderes angesehen. Zu ihrer Herkunft gibt es
eine mündliche Überlieferung im Dorf, die aber noch nie
schriftlich fixiert wurde. Es wird erzählt, daß während
der Reformationszeit ein Feldhauser Bauer einen Wagen
Holz nach Reutlingen brachte. Unterwegs sah er, wie ein
Mann eine Madonnenfigur mit der Axt zusammenschlagen wollte. Der Bauer habe dem Mann sein Holz für die
Madonna angeboten und dieser sei gern auf das Angebot
eingegangen. Der Feldhauser lud die Figur auf seinen
Wagen und brachte sie nach hause.
Natürlich ist solchen Überlieferungen gegenüber immer
eine gewisse Skepsis angebracht. Andererseits sei an den
Uracher Götzenmarkt erinnert, wo Bildwerke aus reformierten Orten angeboten und von den Katholiken gekauft wurden. Solche Fälle dürften in der Reformationszeit nicht einmal selten gewesen sein. Um der Herkunft
der Feldhauser Madonna näher zu kommen, sind aber
noch einige Überlegungen notwendig. Die Figur ist ganz
sicher kein Einzelstück, sondern stammt wahrscheinlich
von einem gotischen Flügelaltar. Da die Madonna mit
der Blaubeurer Figur in der Größe fast völlig übereinstimmt, dürfte auch der Altar, von dem sie stammt, eine
entsprechende Größe gehabt haben. Einen Altar in dieser
Größe mit Plastiken von Erhard dürfen wir nur in einem
reichen Kloster oder einer größeren Stadt erwarten. Der
Raum um Balingen-Ebingen scheidet aus, denn dort gab
es kein bedeutenderes Kloster, auch läßt sich dort eine
ganz eigenständige Plastik nachweisen, die sich deutlich
von der Ulmer Schule unterscheidet. Alle Gebiete südlich und östlich von Feldhausen blieben katholisch, so
daß wir tatsächlich in Richtung Reutlingen suchen müssen. Aber zwischen Feldhausen und Reutlingen gibt es
ebenfalls kein größeres Kloster und keine Stadt, die für
einen so großen Altar in Frage käme. So bleibt nur die
Stadt Reutlingen selbst, die in ihrer Marienkirche sicher
einen Altar mit einer Marienfigur als Mittelpunkt hatte.
Aber was wissen wir über die Ausstattung der Marienkirche vor der Reformation? Es ist herzlich wenig. Das
Heilige Grab und der Taufstein, die allein den Bildersturm überstanden, sind ein Beweis dafür, daß die Kirche mit bedeutenden Kunstwerken ausgestattet war. Diese, um 1500 entstandenen Werke der Steinmetzkunst
werden der Uracher Gruppe zugeschrieben. Die Stadt
Reutlingen hat in der fraglichen Zeit selbst einige Künstler aufzuweisen. Den Bildhauer Martin Schmidt (ca.
1485-1531), einen Bildhauer Peter Köllin (1489) und den
Maler Hans Syrer (1513-1521). Syrer ist der einzige der
Künstler, dessen Mitarbeit an der Marienkirche nachgewiesen ist. Nach der Camerer-Laubenbergischen Chronik
stand der Name Syrers im Kreuzgewölbe der Marienkirche. Syrer war, wie der Ohmenhauser Altar zeigt, als
Unternehmer tätig und lieferte Altarwerke, deren Bildhauerarbeiten er weiter vergab (siehe in diesem Heft
„Der Illerzeller Meister und die gotische Anna-selbdritt
in Neufra" v. M. Hermann). Man muß bedenken, daß
es vor der Reformation in Reutlingen und Umgebung
zahlreiche Kirchen und kleinere Klöster gab, die ständig
Bedarf an Bildwerken hatten. So war sicher in Reutlingen eine Künstlergruppe mehr als genug beschäftigt.
Trotzdem muß bezweifelt werden, ob die Stadt Reutlingen einheimischen Künstlern die Ausstattung des Chores
der Marienkirche übertragen hat. Soweit sich das bisher
überblicken läßt, waren diese mehr für kleinere Kirchen
tätig. Auch hatten diese großen Kirchen zahlreiche Seitenaltäre, die von den vornehmen Familien der Städte
gestiftet wurden, so daß auch kleinere Werkstätten zum
Zuge kamen. Wahrscheinlicher ist es, daß man für den
Chor einen Unternehmer beauftragte, der in solchen
Großprojekten Erfahrung hatte und auch werkstattmäßig in der Lage war, sie auszuführen. Dafür kämen aber
nur die Ulmer, also z. B. Syrlin in Frage.
41
Die Camerer-Laubenbergische Chronik berichtet: „Anno
1531 brach man das hailig creitz ab in unserer Frauen
kirch und die altär". Dieses Heilige Kreuz, der „grosse
Hergott von Reutlingen" scheint besonders eindrucksvoll gewesen zu sein. Der Schulmeister Fizion berichtet
1630 in seiner gereimten Chronik, das Kreuz sei größer
als ein Mann oder Riese gewesen. Unwillkürlich denkt
man dabei an die Erhard-Werkstatt, die Kreuze in diesem Format lieferte. Fizion berichtet auch, daß es Altarschreine gab, die Bilder von der Passion zeigten, Gemälde von der Geburt und Auferstehung und „zu oberst
drauf Marien Bild, Josef und auch ihr Kindlein mild".
Das ist mehr als dürftig, aber Fizion konnte hundert
Jahre nach dem Bildersturm nur von dem schreiben, was
noch in der Erinnerung vorhanden war.
Ob Marien Bild ein Werk von Erhard war? Es gibt bisher keinerlei Beweis dafür, aber immerhin soll einmal
die Vermutung in diese Richtung gelenkt werden. Die
Feldhauser Madonna ist ja eine Realität und sie muß
von einem großen Altarwerk stammen. Wenn die Feldhauser Uberlieferung recht hat, dann könnte sie nur die
Mittelfigur des Hochaltares der Reutlinger Marienkirche
gewesen sein. Dann hätte die Reutlinger Himmelskönigin
den Bildersturm überlebt? Seit mehr als 440 Jahren
steht sie nun in einer kleinen Dorfkirche auf der Alb,
wo sie längst Heimatrecht hat.
J O H . WANNENMACHER
Der Vorname in unserer heimischen Mundart
Rangendingen. Heutzutage erhalten unsere Kinder Vornamen der verschiedensten Art und Herkunft. Soweit sie
dem deutschen Sprachraum entstammen oder darin beheimatet sind und waren, werden sie nur noch hochdeutsch
ausgesprochen. Dem war nicht immer so. Noch vor kaum
einem Menschenalter wurden die Vornamen fast ausschließlich dem Kirchenkalender entnommen. Sie vererbten
sich dann oft von den Eltern, Großeltern, Vettern, Basen
und einem nahestehenden anderen Verwandten auf die
Kinder weiter.
,
Diese Vornamen waren wohl in Taufbüchern und auf
dem Standesamt in Schriftdeutsch festgehalten und wurden auch im amtlichen Verkehr allüberall so gebraucht.
Aber in der Umgangssprache, in der lebensnahen Mundart erhielten sie meistens ein verändertes sprachliches Gewand. Die Mundart gestaltete aus ihrer eigenen Art,
ihrem besonderen Wesen und ihrer eigenwilligen Formkraft heraus die Worte zu einer ihr passenden Einheit.
Natur, Landschaft, Mensch, Eigenart, Arbeit und Herkunft hatten hierbei ihren Anteil.
So wurde beispielsweise aus dem Anton oder Antonius
kurz und schlicht - der Doone, aus dem Stefan - der
Steff, dem Johannes - der Hannes oder Hanne, dem
Martin - der Maate, dem Ignatius - der Ignaz oder
s'Näzele, dem Maximilian - der Max oder Mäx, dem
Sebastian - der Bäschel oder Basche, dem Balthas der Bälz, dem Cyprian - der Cyper, dem Konstantin der Konschtanz, dem Casimir - der Casse, dem Dominikus - der Kuss oder Kussle, dem Nikolaus - der Nikioos,
dem Bartholomäus - der Baatle, dem Vinzenz - der
Venzer, dem Hilarius - der Hiller, dem Jeremias - der
Eramie. Und aus dem Eustachius machte die Mundart den
Staches oder Stächele, aus dem Thimotheus - den Demott,
dem Matthias - den Mathdeiß, dem Christoph - den
Stoffel, dem Georg - den Jerg, dem Dionysius - den
Niese usw.
Weil die Vornamen ehemals nicht so vielfältig waren wie
heute, so gab es in einem Dorf dann oft mehrere Doone,
Hannes, Baatle usw. Um sie leichter unterscheiden zu
können, legte ihnen dann die Mundart je nach Eigenart,
Beruf, Geschlecht usw. oft sehr treffende Beinamen zu. So
hörte man von einem Häfnerdoone, einem schwa(r)ze
Doone, Bierdoone, Neherdoone, Xaverdoone usw. Und
es gab im Orte auch einen Peterhannes, Neherhannes,
42
Gallehannes, Mesmerhannes und nicht zu vergessen den
guten Ehmahannes am oberen Dorfbach, der am Dorfrande so pfleglich seine Ehma (Bienen) behandelte und
mit den so süßen Erträgnissen seine Schützlinge seiner
Zeit manchem Armen und Kranken unentgeltlich Freude
und Hilfe bereitete.
Mitunter begleitete einen Vornamen auch ein kerniger
und zutreffender Übername. Die schwäbische Sprachkraft
ist ja gerade in diesem Punkte unerschöpflich und unübertrefflich. Mit einem einzigen Wort oft drückt der
Übername das ganze Wesen eines Menschen aus, je nachdem humorvoll, neckisch, boshaft - mitunter aber auch
hart und derb. Nicht selten haftete ein Übername ganzen
Geschlechtern durch Generationen hindurch an, und
manche mehr oder weniger ergötzliche Geschichte läuft
aus diesem hintergründigen Sprachbereich im Dorfleben
weiter.
Wie die Vornamen von den männlichen Personen von der
Mundart umgestaltet und geformt wurden, so geschah
dies auch mit den weiblichen Vornamen. So wurde beispielsweise aus einer Philippine eine - Phillabe. Die
Katharina wurde zur - Kätter, die Elisabeth zur - Liesabeth oder Liesel, die Cäcilia zur - Cezill, die Viktoria
zur - Vittor, die Juliana zur - Jul, die Marianne zur Marann, die Annemarie zum - Ammeile, die Karolina
zur - Karlee, die Sabina zur - Sabai, die Franziska zur Franzel, die Genoveva zur - Veef, die Margarete zur Greet, und aus Walburga wurde die - Burgel und aus
Veronika die - Veree. Zur erforderlichen Unterscheidung
in der Vielzahl gleicher Vornamen setzte die Mundart in
diesem Falle meistens den Vaternamen oder dessen Beruf
voraus wie Stoffels-Kätterle, Schlossers-Anna, s'Buckelbälza-Mariele usw. Auch von Übernamen blieb das weibliche Geschlecht nicht verschont. Erfahrungsgemäß beobachten junge Männer scharf und sind schnell dabei, einer
einen „Schlätterling" anzuhängen. Schon oft hat eine Ungeschicklichkeit im Benehmen oder ein unpassendes Wort
einer Dorfschönen einen lebenslänglichen Übernamen eingetragen.
Mit der Mundart, der Sprache der bäuerlichen und handwerklichen Bevölkerung bildeten die von ihr geformten
Vornamen eine geschlossene Einheit. Sprach- und volkskundlich lassen sie oft tief hineinblicken in die Vergangenheit und erhellen mit das Wesen einer nahezu vergangenen
Epoche und ihrer Menschen.
KARL F R Ö H L I C H
Der „Runde Turm" in Sigmaringen
a)
Vorgeschichtliches.
Wie die Chronik des Klosters Petershausen (Konstanz)
berichtet, war bereits im Jahre 1077 Sigmaringen mit
seiner Burg auf dem Felsen über der Donau ein befestigter Platz, der einer längeren Belagerung durch Rudolf
von Schwaben standhielt. Zu dieser Zeit sind Namen
und Geschlecht der Burgherren noch nicht bekannt. Die
Burg war gegen Süden durch eine Befestigungsmauer geschützt. Aber schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts muß
sich im Anschluß an diese Mauer nach Süden eine Siedlung, ein sogenannter Burgflecken gebildet haben. Er
war damals noch sehr klein und ging nur vom heutigen
Fidelishaus bis zum Hause Schwabstraße 1. Die Länge
betrug 500 Fuß und jede Hofstätte war 40 Fuß breit.
Daß Sigmaringen noch sehr klein war, sehen wir außerdem aus dem Habsburger Urbar von 1304, wo es noch
die Hälfte an Steuern bezahlte gegenüber Veringenstadt.
Der Bedeutung der Burgherrn entsprechend sollte Sigmaringen ein wirtschaftlicher Mittelpunkt der Grafschaft
werden. Denn bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts
wurde Sigmaringen zur Stadt erhoben mit einem Schultheißen an ihrer Spitze (1275). Die Anlage der heutigen
Schwabstraße parallel zum Schloßfelsen von Ost nach
West läßt vermuten, daß die weitere Ausdehnung der
Stadt, insbesondere im Hinblick auf die wiederholten
Wechsel der Burgherrn und der allgemein unruhigen Zeiten im späten Mittelalter eine entsprechende Befestigung
erforderlich machte (Willy Baur). Infolge wiederholter
Großbrände, denen die alten, vorwiegend aus Holz erstellten Häuser zum Opfer gefallen sind sowie durch das
Fehlen von Stadtplänen aus jener Zeit läßt sich eine Rekonstruktion dieser Annahme nicht mehr nachweisen.
Ganz klar aber ist die letzte Stadtbefestigung in ihrem
Ausmaß und in ihrem Verlauf. Ihre Entstehung verdankt
sie einem Dekret des Grafen Johann zu Werdenberg d. A.,
Herr zu Sigmaringen, vom 4. Dezember 1459 das bekundet:
„Als Schloß, Stadt und Herrschaft Sigmaringen, die er
bisher als Pfand von den Herren von Württemberg hatte
ganz in seine Hand und die seiner Söhne (Jerg, Ulrich
und Hug) gekommen sind, hat er festgestellt, daß die
Stadt mit Graben, Mauern und anderen Wehrbauten zu
versehen ist und diese in gutem Zustand zu erhalten
sind, was die Bürger ohne seine Hilfe nicht können. Er
hat daher mit Rat seiner Söhne und etlicher Freunde in
der Stadt und im Bereich ihrer Stadtsteuer ein Umgeld
verordnet: Alle, die im Steuerbereich zu Sigmaringen
sitzen und Wein ausschenken wollen, müssen von 15
Maß Wein, die sie ausschenken, 2 Maß der Stadt und
den von der Stadt dazu Verordneten geben lt. der mitgeteilten Umgeldordnung: Niemand soll ein Faß Wein
Wirt 1 lb h Umgeld gibt, sollen ihm die Umgeldrechner
für die Eich aufgeschrieben und solches erlaubt haben,
damit sie wissen, was der Stadt davon gehört. Niemand
soll Wein verkaufen oder sonst Taglöhnern oder Handwerksleuten als Lohn geben außer mit Einwilligung eines
Schultheißen. Zuwiderhandelnde sollen das entsprechende Faß ganz verumgelten wie ein Wirt. Sobald ein Wirt
ein Faß ausschenkt, soll er in den nächsten acht Tagen
das Umgeld davon entrichten, widrigenfalls er der Stadt
5 ßh zahlen muß. Die Umgeldrechner sollen einem Wirt
das Ausschenken aus einem neuen Faß erst dann erlauben, wenn das Umgeld vom vorigen Faß bezahlt ist.
Wer Wein ausschenkt und kein Wirt ist, soll das Umgeld
innerhalb eines Monats geben, nachdem ihm das Faß anzustechen und auszuschenken erlaubt ist. Bei Weinverkauf unter vier Eimern muß er das ganze Faß, woraus
er den Wein hat, verumgelten. Von vier Eimern und darüber braucht niemand das Umgeld geben. Sooft ein
Wirt 1 lb h Umgeld gibt, sollen ihm die Umgeldrechner
1 ßh für seinen Trinkwein abziehen. Jeder Wirt kann
zweierlei Wein ausschenken: weißen und roten oder weißen und Elsässer oder sonst einen anderen (fürbunt).
Der A. verzichtet für sich, seine Erben und Nachkommen
auf das Umgeld, das der Stadt Sigmaringen zufallen soll
unter der Bedingung, daß es die von Sigmaringen mit
Wissen und Willen des A., seiner Erben und Nachkommen zum Nutzen der Stadt verbauen und anlegen."
Das Umgeld hat lt. Stadtrechnung z. B. betragen:
im Jahre 1621 = 260 fl, 1622 = 579 fl, 1623 = 1101 fl
und 1624 = 454 fl.
Der Umgelderheber wurde mit jährlich 1,20 fl entschädigt. Aus der Stadtrechnung geht hervor, daß die Auslagen zum Unterhalt der Stadtmauern und Tore bei weitem nicht den Betrag ausmachten, der durch das Umgeld
aufgekommen ist. Das übrige Geld muß also anderen
Kanälen zugeflossen sein.
So also hat Graf Johann (Hans) der Ältere zu Werdenberg die Grundlage für den Bau und die Unterhaltung
der Stadtbefestigung seiner Stadt geschaffen.
43
b) Stadtbefestigung,
Stadtmauer, Stadttürme-
und -tore.
Die Stadtmauer verlief vom Ostrand des Schloßfelsens,
vom herrschaftlichen Brauhaus, hinter den ersten Häuser der linken Seite der Schwabstaße über den südwestlichen Teil des heutigen Leopoldplatzes, hinter der rechten Häuserreihe der Antonstraße entlang bis zu einem
Rundturm „Rondell" genannt. Von dort zog sie sich hinter dem heutigen Gasthaus zur Krone entlang nach Norden, bis sie hinter dem jetzigen Hoftheater wieder Anschluß an den Schloßfelsen fand. Reste dieser ca 6 m
hohen und 1,2 m starken Kalkbruchstein-Mauer sind an
verschiedenen Stellen entlang der Antonstraße heute
noch sichtbar. Die damalige Hauptstraße, die spätere
Markt- und heutige Fürst-Wilhelm-Straße war am Anfang und am Ende durch ein Tor abgesperrt. Das östliche oder Mühltor, so genannt nach der Schloßmühle
am Fuße des Schloßfelsens, war durch einen Torturm
geschützt. Wie aus dem Stadtplan des Hofrats Schnell
um 1800 (siehe Beilage zur med. Topographie von Dr.
Franz Xaver Mezler) deutlich zu sehen ist, stand das
Mühltor in Höhe der Grenze zwischen den Häusern
Schwabstraße 1 und Fürst-Wilhelm-Str. 9. Das Turmglöckle war gestiftet und kam 1824 in das Türmchen
auf dem Rathaus. Das Mühltor wurde 1812 abgebaut
und das Material den beiden angrenzenden Hausbesitzern überlassen, die dafür ihre Häuser verputzen lassen mußten, da sie wahrscheinlich beim Abbruch des
Tores Not gelitten hatten. Das Türmle, das Glöckle und
die Uhr, die auf dem Torbau gewesen waren sowie das
hölzerne Tor behielt sich die Stadt vor.
In der südlichen Stadtmauer in Höhe der heutigen Weingasse war nur das Milchtörle, ein kleines Tor, angebracht
welches die Verbindung mit dem außerhalb der Stadtmauer gelegenen herrschaftlichen Sennhaus - heutiges
Landeshaus - herstellte. Dieses Milchtörle diente aber
auch noch dem Zweck, verspätete Heimkehrer des nachts,
nachdem die Stadttore geschlossen waren, Eingang ins
Städtle zu verschaffen. Für auf- und zumachen des Törles mußte die betreffende Person 2 Kreuzer zahlen.
An dem Fußweg nach Hedingen lag gleichfalls außerhalb der Stadtmauer, - heute Hofbuchhandlung Liehner und ehem. Deutsches Haus - der im Jahre 1744 angelegte Friedhof mit Friedhofkapelle. Vor dem fanden
die Beisetzungen der in Sigmaringen Verstorbenen auf
dem Friedhof bei der Kirche in Laiz statt, da Sigmaringen bis 1464 zur Pfarrei Laiz gehörte.
Das westliche Tor der Stadtbefestigung, das sogenannte
Laizer Tor befand sich in Höhe der jetzigen Fürst-Wilhelm-Straße oberhalb zwischen Hoftheater und Cafe
Schön am „Scheibenberg". Sein Abbruch erfolgte anläßlich der Stadterweiterung am 12. Dezember 1831. Das
Abbruchmaterial wurde um 125 Gulden, 30 Heller, dem
Schreiner Wiedemann, genannt „Schreinermichele" verkauft. Nach Dr. Alex Frick, einem Heimatforscher und
Sohn der Stadt Sigmaringen, gab es bei jedem der beiden Tore einen Wächter.
Um die Stadtmauer zog sich außerhalb ein tiefer Graben,
auf dem heute im südlichen Teil rechtsseitig die Häuser
der Antonstraße stehen. Dieser Graben wurde vor der
Überbauung für Gärten nutzbar gemacht.
Mit Ausnahme des Bauhofes, der Hofmühle, des Sennhauses und der Häuser im Vorstädtle befanden sich um
1800 nur einige wenige Häuser außerhalb der Stadtmauer. Während die Gemarkung Sigmaringen im Jahre
1511 schon so groß wie heute, 3469 ha, 79 a, 27 qm
und damit die größte Markung in Hohenzollern war
(Frick) betrug die Einwohnerzahl in Sigmaringen im
Jahre 1780 unter 1000 Einwohner. 1805 waren es nach
Mezler 1201 Seelen in 165 bürgerlichen und 16 - 17
44
Herrschaftsgebäuden. Alle Bürgerhäuser waren aus Holz
gebaut, 22 Jahre lang wurde - nach Mezler - kein
neues Haus gebaut. Auf dem Marktplatz war der einzige
Brunnen der Stadt.
Der erste Hebel zur Stadtverschönerung und damit ihre
Erweiterung wurde im Jahre 1815 angesetzt, nachdem
Fürst Anton Aloys von Hohenzollern vom Wiener Kongreß zurückgekehrt war. Dieser Kongreß bestätigte die
durch den Rheinbund 1806 erlangte Souveränität und
erlegte dem Fürstenhause die Verpflichtung auf, der neuen Macht und Würde auch äußeren Ausdruck zu geben.
Nach einem Brand in der Innenstadt wurde der Marktplatz vergrößert und das alte Rathaus von 1657 durch
ein neues (1826) ersetzt, das 1926 wiederum einem Neubau, dem jetzigen, auch schon wieder zu kleinen Rathaus, weichen mußte.
c) Der runde Turm der
Rondell genannt.
Stadtbefestigung,
Bei der Anlage der letzten Stadtbefestigung wurde in
der Südwestecke, an der die südliche mit der nördlich
verlaufenden Stadtmauer aufeinander stießen ein runder
Befestigungsturm errichtet, der mit einigen Schießscharten versehen war. (Die letzte dieser Schießscharten wurde bei der jetzigen Renovierung bedauerlicherweise unsichtbar gemacht). Dieser runde Turm war typisch werdenbergisch. Wie heute noch am Schloßportal zu sehen,
bauten die Werdenberger vorwiegend Rundtürme. Es
scheint jedoch so zu sein, daß die Stadtbefestigung im
dreißigjährigen Krieg sehr gelitten hat und teilweise zerfiel. So auch der runde Turm. Nicht anders ist es zu erklären, daß im Jahre 1707 das „Rondell", erstmals unter
diesem Namen erwähnt, lt. Ratsprotokoll an den Kronenwirt Johannes Dannegger verkauft werden soll.
Offenbar kam aber der Verkauf nicht zustande, da im
Jahre 1723 Bürgermeister Franz Schaible das Rondell
um 30 Gulden erwerben wollte. Auch dieser Kauf wurde
offenbar nicht abgeschlossen, denn im Jahre 1730 will
Anton Herburger zum erkauften Rondell von der Stadt
ein Plätzle haben. Da auf der Seite der heutigen Antonstraße der Stadtgraben war, wird es sich wohl um einen
kleinen Platz gegen die Innenstadt gehandelt haben. Dieser Platz neben dem Frühmeßhaus, Schwabstraße 29,
hieß der Saumarkt (Frick). Offenbar war die Stadt, wie
aus den Ratsprotokollen hervorgeht noch sehr darauf
bedacht, daß in die Stadtmauer keine Löcher oder Fenster gemacht wurden. So ist anzunehmen, daß auch die
Kaufbemühungen des Anton Herberger gescheitert sind.
Erst mit einem Gesuch vom 28. 8. 1737 an den Rat der
Stadt gelang es einem Franz NEDOWITI, Waldhornist,
das Rondell zu erwerben, um ein „Häusel darauf" zu
bauen. Seinem Gesuch wurde entsprochen unter der Bedingung, daß er das Sigmaringer Bürgerrecht erwerbe,
was auch geschah. Er bezahlte für das Rondell 24 Gulden und dem Rat außerdem noch 6 Gulden. Eine weitere Bedingung war, daß weder er noch seine Rechtsnachfolger eine Tür gegen den Graben machen dürfen.
Am 3. 10. 1738 beantragt Franz Nedowiti beim Rat der
Stadt, man möge ihm in des Johann Martin Buckens
Garten (Stadtgut) ein Sekret machen zu lassen, gestatten.
Der Rat beschloß eine Besichtigung. Seit 1737 also war
das Rondell in Privatbesitz.
Nach wenigen Jahren scheint Nedowiti, der in den Ratsprotokollen auch gelegentlich Nowotny genannt wurde,
(der wahrscheinlich ein böhmischer Musikant war) Sigmaringen wieder verlassen zu haben. Denn von ihm
kaufte der Hirschwirt Josef Wetz (Wez) aus Ettisweiler das Rondell und baute 1743 einen Keller ein. Der
Hirsch war damals das zwischen dem heutigen Konsumgebäude und dem Fidelishaus stehende Haus Nr. 188 in
der Fidelisstraße. In folgenden Jahren lassen sich - nach
Frick - nachstehende Besitzer des Rondells nachweisen:
1742 - 1748 Josef Wetz,
1750 - 1784 Johann Georg Wetz, Sohn des Josef,
1787
Johann Georg Wetz alt, Hirschwirt 1/2
Josef Lauchert (Schwiegersohn) Hirschwirt 1/2 aus Ennetach (Großvater des
Hofmalers Richard Lauchert)
1799
Fidelis Wetz, Maler 1/2, ältester Sohn des
(oberer Teil des Hauses) Johann Gg. Wetz
Josef Graf, Hirschwirt 1/2 Müller aus
Hornstein
1809 - 1819 Fidelis Wetz
1820 - 1821 Peter Herburgers Witwe, Elisabeth
geb. Wetz
Ein bis zum jetzigen Umbau durch Georg Zimmerer
über dem Türausgang zur Antonstraße angebrachtes
Eisengitter mit der Jahreszahl 1830 und den Buchstaben
H K (Heinrich Karl) läßt darauf schließen daß es dem
damaligen Besitzer des Rondells erstmals gelang, eine
Türe gegen die Antonstraße hin zu errichten. (Das Eisengitter ging bei dem jetzigen Umbau leider verloren).
Unter dem Besitzer Heinrich Karl, Fürstl. Forstrat
scheint das Rondell auch „Karlsburg" genannt worden
Aus Villinger Stadtarchiv-Beständen
In dem zweibändigen „Inventar über die Bestände des
Stadtarchivs Villingen" (Rodersches Repertorium), bearbeitet von H. J. Wollasch (Ringverlag Villingen, 366
und 297 Seiten mit Personen- und Ortsregister) finden
sich zerstreut auch Nachrichten über hohenzollerische
Orte und Geschlechter. So erscheint vor 1435 zu Tübingen ein aus Hechingen stammender Priester Berthold Winstain (Nr. 361). Ein Johann Schäu (Scheu) aus Burladingen war 1780 Schreiber der Schuhmacherbruderschaft zu Villingen (Nr. 327 u. 1933). Einige Herren von
Werstein sind in einer Urkunde von 1324 aufgeführt
(Nr. 62). Ritter Jos von Hornstein erscheint im Register
irrig als Josef, statt richtig als Jodokus. Einige Einwohner von „Nüffra an der Vöhlin" in der Herrschaft Rettingen (natürlich verschrieben für Hetlingen und im Register nicht gedeutet!) werden zum Jahr 1591 aufgezählt: Oelser (d. h. Elser!, Armbruster, Leitzing, Agger,
Letsch, Deckeler (Daikeler), Zech, Redlein, Dietman,
Huber, Herrin, Barth, Hirnlinger, Exlin, Wolfer, Lebherz und Müller. Sie hatten 1588 eine Zinsverschreibung
ausgestellt (Nr. 1583). Die in Hohz. Heimat 1958 28 behandelten Adeligen von Trochtelfingen sind 1339 vertreten durch den St. Georger Propst Ulrich von Trochtelfingen (auch geleg. Truchtelfingen geschrieben, Nr. 92),
als er wegen eines Hofes zu Obereschach mit einem Villinger Bürger stritt. In den Jahren 1347 bis 1368 war
er dann Abt dieses Schwarzwaldklosters (Nr. 1355).
Über ihn bringt Alb. Krieger im Topografischen Wörterbuch von Baden II, Sp. 754, mehrere Daten. Viele
Nachrichten finden sich über die Herren von Neuneck
zu Glatt (im Register teils als „Neueneck" irrig von
zu sein. Das Rondell führt seit 1.7. 1873 die Gebäude
Nr. 178.
Als Eigentümer des Rondells sind seit diesem Zeitpunkt
bekannt:
Buhl Karl, Kaufmann,
Wetzel Johann Witwe, Therese geb. Schnitzer,
Topp Wilhelm, Ehefrau geb. Lehle,
Mendler Hermann und Frau Louise geb. Heinzelmann
(seit 1950)
Georg Zimmerer, Geh. Hofrat und Juwelier (seit 1970)
Die Fundamente aus Kalkbruchsteinen sind im Erdgeschloß 150 cm stark. Im ersten Stock weisen die Mauern
120 cm Stärke auf. Das Obergeschoß, das von Franz
Nedowiti um 1738 aufgesetzt wurde, besteht aus Fachwerkaufbau. Interessant ist die runde Dachkonstruktion,
die auch durch den Umbau in ihrer ursprünglichen Form
erhalten blieb.
Mit viel Liebe und erheblichen Kosten hat der Ehrenbürger der Stadt Georg ZIMMERER das Rondell zu
einem Heimatmuseum umgebaut. Leider war es ihm
nicht vergönnt, das große Geschenk an die Stadt zu
übergeben, die sich seit Jahrzehnten vergeblich um den
Erwerb des Rondells bemühte. Georg Zimmerer verstarb
am 10. Januar 1972 in Sigmaringen.
Sein Andenken wird bei den Bürgern unserer Stadt in
seinem Vermächtnis und in Dankbarkeit weiterleben.
Neuneck unterschieden, auch muß man hier nochmal
extra nach den Taufnamen suchen). Am auffälligsten erscheint (Nr. 584) ein Ortolf Yntaler von Nüwneck, genannt Oertlin. Sehr oft: taucht mit alten und neuen Nachrichten der Truchseß Georg von Ringingen als Villinger
Bürger auf mit Besitz zu Ueberauchen, Klengen und der
Waremburg. Er wurde im Hohz. Jahresheft 1952, Seite
106-107, behandelt. Im Jahre 1458 hat ein Hans Iselin
gegen ihn einen Holzfrevel begangen (Nr. 469). Am
1. Sept. 1466 verkaufte er die von Österreich an die
Herren von Tierberg und dann durch seine Frau an ihn
gekommenen Einkünfte der Waremburg, Lehen Österreichs, an die Stadt Villingen (Nr. 505). Ein Bernhard
Stromer und Heinrich Iseli haben um 1470 versucht, den
Jörg Truchseß von Ringingen niederzuwerfen und auf
die Feste Krähen zu entführen (Nr. 528/29). Im gleichen Jahr bestätigte Jörg seine Schenkung des Schlößles
Ueberauchen an seine zweite Frau Agatha Roetin (deren
Zuname bisher nicht bekannt war) und seine Kinder
(Nr. 534). Damals besaß er auch den Seelgerätshof zu
Klengen (Nr. 542). Am 11. September 1477 wird Georgs
Erbe durch seine Witwe Agatha Roetin und ihre Kinder
Georg, Endlin (Anna) und Magdalena (diese beiden bisher unbekannt) vor dem Hofgericht zu Rottweil verhandelt. Ihre Anwälte sind Hans Hafemberg, Bürgermeister und Heinrich Vischäß des Gerichts der Stadt
Urach. Sie verkaufte damals das Schloß Ueberauchen
(Nr. 591). Von der Hand Georgs sind noch zwei Rödel
von 1441 erhalten, worin die Einkünfte der Burg Waremberg von ihm beschrieben sind (Nr. 2923 und 2924). Ein
weiteres Verzeichnis liegt von 1466 vor (Nr. 2926).
Joh. Adam Kraus
45
JOSEF DESCHLER
Bingen, ein Reichsdorf ? - Vom Dorfgericht Bingen
Das Dorf B i n g e n , das ursprünglich ein Freidorf
(Reichsdorf) gewesen sein soll, einzelne, überlieferte Zeugenaussagen, die große Gemarkungsfläche, der im Verhältnis zu anderen Orten große, eigentümliche nicht
lehenspflichtige Grundbesitz der Bauern 1 und der angebliche Ausspruch des Grafen Felix von Werdenberg 2
lassen darauf schließen, hatte also anfangs hinsichtlich
des Gerichtswesens den gleichen Stand wie die Reichsdörfer. Diese Reichsdörfer unterstanden keinem Territorialsgerichtsherrn sondern traten unter dem Vorsitz
eines kaiserlichen Landrichters zu ihrem Freigericht zusammen. Aber schon im Habsburger Urbar, (um 1300)
das namentliche Güter zum ersten Male in Bingen
schriftlich überliefert, heißt es unter Bingen: „Zuo Buningen richtet jeder man über sine liute", mithin bestand
kein Freigericht mehr, allerdings gab es auch noch keinen allgemeinen Gerichtsherrn. Daher dürften sich auch
die große Freiheit, Ungebundenheit und Zügellosigkeit
erklären, die von allen Zeugen in den verschiedenen
Protokollen beim Streit zwischen den Grundherrschafcen erwähnt werden 3 . Um einige Ordnung in das Dorf
zu bringen, ließen sich die zu Bingen begüterten Grundherrschaften Ulrich von Hornstein zu Bittelschieß, sein
Vetter Hans von Hornstein zu Schatzberg und Heinrich von Reischach zu Scheer 1431 von König Sigismund
ein Gericht über Frevel, Geldschuld, Eigen und Erb bewilligen. Es drehte sich also um die niedere Gerichtbarkeit, wogegen die hohe Gerichtsbarkeit die Grafen von
Sigmaringen inne hatten.
Wilhelm von Reischach, der inzwischen größter Grundherr in Bingen geworden war, erhielt im Jahre 1507
von Kaiser Max von neuem ein Dorfgericht, dessen Zusammensetzung (ein redlicher, vernünftiger Mann als
Amtmann, Richter und Stabhalter und 12 aufrechten,
unversprochenen Männern als Urteiler) und dessen Befugnisse (allgemeine Sachen, als Erb, Eigen, Schulden,
Frevel, Bußen und anderes, so für sie kommt und das
Leben, Leibstraf und Malefiz nicht berühren) mit geringen Änderungen bis zum Verkauf der Herrschaft
Hornstein an Sigmaringen im Jahre 1787 die gleichen
blieben.
Neue Ordnung der
Gerichtsbarkeit.
Durch den sogenannten Riedlinger Vertrag vom Jahre
1578/79 zwischen dem Grafen Karl II. von Hohenzollern-Sigmaringen und dem Freiherrn Bruno von und
zu Hornstein, und erneut durch den Mengener Vertrag
vom Jahre 1610 zwischen Graf Johann von Hohenzollern und Balthasar von Hornstein wurde die Gerichtsbarkeit so geordnet, daß Graf Karl und seine
Nachfolger die hohe Obrigkeit in- und außerhalb Etters 4
der Gemeinde Bingen allein, und Bruno von Hornstein
die hohe und die niedere Obrigkeit in Hornstein allein
besitzt5, während die niedere Gerichtsbarkeit in Bingen
von beiden Grundherren gemeinsam ausgeübt werden
soll und zwar „sollen nemblich und zum vorderisten alle
Einwohner in Bingen beiden Herrschaften geloben und
schwören, wie die Parteien sich einer Formel eines Ayds
miteinander vergleichen werden, alsdann soll über Fäll,
so sonsten Inhalts der paynlichen Halsgerichtsordnung
für malefitzisch nit zuo halten, auch Frevel, Bußen und
Strafen, so in- und außerhalb Etters geschehen, durch
einen gemeinsamen Ambtmann, so von beiden Theilen
46
bestellt, angenommen und verpflichtet, in beyd Herrschaft Namen abgehandelt, eingezogen, jährlich verrechnet und jedem Theil das halbe Theil zugestellt werden.
Es solle auch in Bestellung und Annehmung eines Ambtmanns also gehalten werden, daß eine solche Persohn
zu einem Ambtmann bestellt, so tauglich und beiden
Herrschaften ahnnehmlich ist, welcher den Stab (sein
Amtzeichen) in beider Herrschaften Namen führen und
ein gemeiner Ambtmann seyn solle6. Im Falle aber
die Herrschaften für sich selbsten oder die ihrigen von
Obrigkeitswegen in Bingen etwas verrichten, solle eine
ein Jahr umb das andere den Stab führen, allso und
der Gestalten, daß sowohl gedachter Graf Karle im
ersten Jahr, anfangs dieses Vertrages darmit anfahen,
und allso forthin ein Jahr umb das andere darmit abgewechselt werden. Nachdem es auch in Bingen kein
eigen Gericht gehabt7, so sollen sich beide Theil Zollern
und Hornstein etlicher Gerichtsmänner aus dem Zollerischen, Hornsteinischen auch vom Kloster Zwiefalten
erkauften und anderer Freyerkauften (mithin gab es
leibfreie Leute) zu Bingen vergleichen, dieselbigen mit
gewöhnlichem Richterayd beladen, auch ein besonders
Gerichts und ander Ordtnung oder Dorfbuch des gemeinen Fleckhens mit gemeinem Rath und Zuthun machen und aufrichten, deren obbemelter Ambtmann, Stabhalter und Urthelsprecher von beider Herrschaft nachsetzen und darob halten solle 8 . Vor diesem Gericht
sollen alle Einwohner von Bingen in ihren vorfallenden,
spänigen Sachen Rechtens geben und nehmen und von
anderen Außgesessenen als ihrem ordentlichen Gericht
ersuchet werden. Da sich aber jemandt eines Urthels so
an solchem Gericht ergangen, beschwert finden und davon zu Appelieren begehrte, so solle die Appelation für
und an das Hofgericht der Grafschaft Sigmaringen
gehen. Auch war bestimmt, wenn das Gericht einen Fall
schieben und nicht entscheiden könne oder wolle, daß
die Sache in einem verschlossenen Brief vor ein anderes
unpartheiisches Gericht als nemblich Pfullendorf oder
Riedlingen verschoben und alldorten wegen und in derselben Sach darauf hin Recht gepflogen werde".
Die Zuständigkeit des Gerichts umfaßte Vergehen,
die mit einer Geldstrafe bis zu 10 Gulden bestraft wurden und Tätlichkeiten bei denen Blut floß.
Die Strafen.
Die Strafen, die das Gericht aussprechen konnte, waren teils Geldstrafen bis zu 10 Gulden, teils Körperstrafen - Prügel bis zu 20 Stück, teils Freiheitsstrafen
— Gefängnis, Verwahrung und Gehorsame, teils entehrende Strafen - Spanischer Mantel, Strohdegen,
Halsgeige, Strohkanz und Strohzopf, teils Botengänge
nach Sigmaringen, Scheer, Mengen, teils Bußgänge mit
Gebet für die Herrschaften. Daneben waren Gerichtskosten zu entrichten, die zwischen 20 und 40 Kreuzer
betrugen.
Uber die Gefangenen und Abstrafung wird bestimmt:
„Wenn sich bürgerliche, strafbare Sachen begeben und
zutragen, so solle die Abbüßung in beider Herrschaften
Namen durch den Ambtmann geschehen. Demnach aber
bishero (1578) kein Gefangnus in Bingen gewesen, als
ist von beyden Thailen betätiget und verwilliget, daß
sie sich eines Platzes vergleichen und auf ihre Kosten
eins bauen wollen", was dann geschah.
Das Gericht.
Wie schon berichtet setzte sich das Gericht aus dem
Amtmann auch Amtsschultheiß oder Schultheiß genannt,
aus den 12 Richtern, dem Gerichtsschreiber und den
Anwälten der Herrschaften zusammen. Daneben gab
es noch die sogenannten „Sechser", die als Vertreter
der Gemeinde und als Ersatzleute fungierten. Ober die
Gerichtsbesatzung vom 20. September 1638 wird berichtet, daß von Seiten der Gerichtsherren anwesend
waren "ex parte Zollern Herr Johann Bücheler, Untervogt, Johann Frikh, Protokolist und Bartli Sturm, Notarius, sodann ex parte Hornstein Herr Johann Pfeifer
art. üb. Magister und hornsteinischer Vogt auf Hornstein. Zum geschworenen Ambtmann und Schultheiß
wurde von den Genannten gewählt: Enderli Andreas
Rebholz
zu Richtern:
1. Melchior Amann
2. Christoph Fischer
3. Hans Zimmermann
4. Hans Mendler
5. Hans Engel
6. Hans Reiser
7. Peter Nollin
8. Kasper Schreck
9. Theis Gerber
10. Fridlin Bugg
11. Jakob Käppeler
12. Balthas Schreck
zu Sechsern:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Georg Kuene
Basti Pfeifer
Jakob Schneid(er)
Peter Heiding
Jakob Rettich
Kasper Werner
Gerichtsschreiber ist neben seinem Schulamte Christoph
Fischer". Dieser Christoph (Stoffel Fischer), der neben
seinem Schulamte auch lange Zeit Gerichtsschreiber war,
und dem wir viele Aufzeichnungen verdanken, scheint
kein ungebildeter Mann gewesen zu sein. Im übrigen ist
zu bemerken, daß es im Jahre 1615 in Bingen eine
Schule gab, denn der Genannte sagte im Jahre 1671
bei einem Zeugenverhör im Alter von 84 Jahren (er
hatte mithin den ganzen 30jährigen Krieg mit Hunger,
Not und Pest überstanden) folgendes aus: "Im Jahre
1615 sei er Schulmeister im Dorfe gewesen. Er habe
allen Solennen Gottesdiensten in der Pfarrkirche anwohnen, bei Aemtern und Vespern den Chor führen
müssen. Er sei 30 Jahre Schulmeister gewesen unter den
Pfarrern Chrysostomus Fischer und Nikolaus Fischer".
Das Dorfgericht sollte „allerwegen auf Hilary (13.Januar) neu besetzet werden, darzu muß der Büttel oder
Banwarth am Abend zuvor jedem Insaßen zu Haus
verkhünden und hernach des folgenden Tags Hilary
nach Gelegenheit und Bevelch des Amtmanns vor Anfang mit der gewöhnlichen Gemeindtglokke leuten, im
völligem leuten solle sich männiglich jung und alte
Mannspersohnen auf das Rathaus verfügen". Neben
diesem Vogt- oder Jahresgericht fanden, soweit nötig
noch andere Gerichtstage statt, ebenso wie das Ruggericht, das alle Vierteljahre vor sich ging, und in dem
kleinere Vergehen in Feld und Wald wie das Grasen
mit und ohne Sichel in den jungen Wäldern auf den
Samen, an den Rainen, auf den eigenen oder fremden
Wiesen, das Lauben in den Jungwäldern und das Auslösen eines entronnenen Stück Viehs aus dem Pfandhof
gerügt (getadelt) und mit Strafen von 6 Kreuzer bis
zu 1 Gulden gebüßt wurden.
Welches waren nun die Vergehen und Verbrechen
für die unsere Ahnen, wie wir mit Vorzügen und Mängel
behaftet - vor dieses Gericht zitiert und von ihm abgestraft wurden?
Gotteslästerung, Schwören und Fluchen wurden mit
Gefängnis bis zu 8 Tagen bei Wasser und Brot, oder
mit 3 Pfund Heller Strafe belegt9
Verbotenes Spielen, Würfeln und Karten mit
hohem Einsatz kostet 3 Pfund Heller der Obrigkeit und
5 Schilling dem Amtmann. - Blutrissig machen, Verwunden, es geschehe mit gewehrter Hand, man habe
Stuhl, Stein, Holz, Messer oder anderes kommt 6 Pfund
Heller, 5 Pfund der Obrigkeit, 1 Pfund dem Ambtmann.
- Truckenfrevel kostet 3 Pfund Heller, dem Ambtmann 5 Schilling. - Freventliche, üppige und unzüchtige Scheltworte werden mit 2 Pfund und 3 Schilling
gebüßt. - Lugstrafen und luegen heißen kosten 1 Pfund
und 3 Schilling.
Auswischen und Zucken: Wenn einer aufsteht und
gegen den anderen dringt, so daß man ihn heben muß
oder machet eine Faust oder zucket über sich gegen
den andern, es wäre Messer, Stuhl, Kanten Holz oder
Stein der kommt um 2 Pfund und 5 Schilling. - Uebermäßiges Trinken und Zutrinken ist verboten. Der Pfarrer muß alle Sonntage das Volk fleißig verwarnen.
Strafe für Trinker und Krakeeler der Spanische Mantel.
- Unterlassene Anzeige eines Frevels kostet 1 Pfund
3 Schilling. Schwängerung vor der Ehe und unzüchtige
Beiwohnung wurde entweder mit 4-8 Gulden je Person
oder mit Leibesstraf (Prangerstehen) belegt. - Überfahren, überhauen, übermähen, überackern in Feld und
Wiese kostet 1 Gulden 30 Kreuzer.
Bei Raufhändel, für Nachtschwärmer und Übertreter
der Polizeistunde (9 Uhr abends) gab es für ledige
Burschen 10 Stück Prügel. - Wer gestohlenes Gut an
sich bringt (der Hehler) wird mit 10 Pfund Heller,
9 Pfund der Herrschaft 1 Pfund dem Amtmann bestraft. - Ungenehmigtes Zerteilen der Lehensgüter wird
annulliert und mit 3 Pfund Heller 3 Schilling belegt. Unerlaubtes Pfänden kostet 3 Pfund 5 Schilling. Unberechtigtes Holzhauen im Gemeindewald wird mit
3 Pfund und 5 Schilling bestraft. 2 Pfund gehen an die
Obrigkeiten, 1 Pfund an die Gemeinde und 5 Schilling
dem Amtmann. - Die Strafe der Weiber betrug mit
Ausnahme der Schwängerung und Unzucht die Hälfte.
Aus den Protokollen des Dorfgerichts Bingen
(Gemeindearchiv Bingen Fascikel Nr. 186 a, b, c, d.)
Es mögen zur Illustration einige typische Fälle aus der
Zeit von 1620 bis 1788 folgen. Zunächst ein Beispiel,
wie die Verhandlungsweise vor sich ging.
Aktum Donnderstag, den 15. Aprilis Anno 1632
Anwaldt klagt, daß Stoffel Fischer und Basti Schreck
einander geschlagen und die Bärth herausgerauft, bitt,
selbige in Strafe zu verdammen.
Stoffel Fischer, der Schuolmeister ließ hierauf Antwort geben. Als sie wegen des Zehnten im Wirthaus
gewesen, er Fischer hinaus gegangen, ein Wasser zu
machen, sei Basti Schreck, der Schmied, gleich nach
ihme geloffen, und ohn gewarnter Sach, er ihn angefallen und den Bart herausraufen wollen, er sich auch
gewehrt, so gut er hab können, hab ihm Schreck nie
nichts Arges erwiesen.
Basti Schreck, der Schmied gibt hierauf Antwort,
sie haben einander geschlagen und Schuolmeister gesagt,
er Baste habe ihn geschlagen wie ein Schelm und Dieb.
Weilen er ein Biedermann begehr er seiner Ehr halber
Kehr und Wandel, auch Kosttens und Schadens.
Anwaldt. Weil auch ehrenrührige Wort mitgeloffen,
so woll er auch, daß diese Wort gebessert gegen die
Obrigkeit werden.
47
Christian Danner, Kramer, Caspar Harscher, Peter
Schneider, Schmid, Fidelis Kiene, Salier, Josef Engel,
Metzger, umb weilen dieselben so scharpf spielen, sonderbar mit Würfeln und Karten sowohl hier als an anderen Orthen, sonderlich bei letztern gehaltenen Heudorfer Kirchwey, daß alldort nach Aussag von vielen
Leuten bis auf 40, 50 und noch mehr Gulden verspielt
oder gewonnen worden, allwo doch das teuer und
scharpf Spiehlen, sonderbar das Würfeln schon vor etlichen Jahren von beiderseits gnädigster und genädiger
Herrschaften bei scharpfer und verpfindlicher Straff
verbotten worden.
Fischer sagt, er sei ihme gleich auf dem Fuoß nachgeloffen und gleich auf ihn geschlagen, er sag noch, er
Baste hab nit biedermännisch mit ihm gehandelt, daß
er ihn ohngewarnter Sach also geschlagen und den Bart
ausgerauft.
Schreck ist dessen geständig, aber er hab ihn geschlagen wie ein Biedermann und nit wie ein Schelm oder
Dieb.
Fischer will seine Sach beweisen mit Hansen Mayer
von Bilafingen und der Wirtin dem Mariele.
1. Zeug Hans Mayer genannt der Bilafinger, bezeugt
bei seinem Aydt, daß er von ihm Basti Schreck gehört,
daß er gesagt, daß der Schuolmeister ein Ursach sei, daß
das Mariele nit mehr bei ihm schmieden thue, wann er
ihn wo treffe, er ihm Schuolmeister eine Tatschen gebe,
weiteres ihm nit bewußt. Derne ist Stillschweigen ufferlegt worden.
2. Zeug Maria Kienin, die Wirtin bezeugt, daß der
Schuolmeister gesagt, wie sie mit dem Wagner gerechnet, wieviel uff die Schmied und Wagner gehe, sonsten
er Schuolmeister des Basti nie gedacht. Finite examine
dimissus.
Die Partheien begehren, daß die Kundschaften möchten eröffnet werden. Nachdeme die Zeug eröffnet, haben die Partheien diesen Ehr- und Rechtshandel zue
Recht gesetzt:
Endurthel: In Sachen rechtens sich haltend zwischen
Anwaldt beider Niedergerichtsherren zu Bingen Klägers an einem, gegen und wieder Stoffel Fischer und
Basti Schreck Schmidt daselbsten Beklagte am andern,
ist uff Klag, Antwort, Red, Widerred, verhörter Kundschaft und getanem Rechtssatz mit einhelligem Urthel
zue Recht erkannt, daß Stoffel Fischer, Schuolmeister,
wegen daß er einen blutrissigen Frevel begangen auch
den Schreck geschanden und geschmäht, sodann Basti
Schreck einen truckenen Frevel begangen in beider Gerichtsherren Straf gefallen, wie wir sie dahin verdammen, beineben solle jeder seine erlegten Gerichtskosten
selbsten haben und tragen.
Gerichtsbescheid: Diejenigen so 2 Täg auf Heudorf
zum Spiehlen gegangen, nemblich Christian Danner,
Fidele Kuene Sailer und Josef Engel Metzger sollen
jeder denen Obrigkeiten verfallen sein zur Straf um
3 Pfund Pfennig, dem Löblichen Gericht jeder 40 Kreuzer Gerichtskosten bezahlen".
Wegen unmäßigem Spielen wurde 1778 ein lediger
Mann in den Spanischen Mantel gestellt.
Anmerkungen:
1
2
3
4
5
6
Die Strafe für einen blutrissigen Frevel betrug nach
der Rechnung vom Jahre 1620/21 2 Gulden 32 Kreuzer,
für einen truckenen Frevel 1 Gulden 30 Kreuzer. Die
Gerichtskosten beliefen sich auf 20 bis 40 Kreuzer.
Während anfangs der formelle Ablauf der Verhandlung
in der beschriebenen Weise sich vollzog, wurden später
in den Protokollen nur die Tatsachen und die Strafen
erwähnt, wie folgt:
7
8
Unerlaubtes Spielen. Bingen, den 7. November 1764.
„Es sind vor das löbliche Gericht gerufen worden
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein in V e r b i n d u n g mit den S t a a t lichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
748 Sigmaringen, K a r l s t r a ß e 3. Druck: M . Liehners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen,
K a r l s t r a ß e 10.
Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n z o l l e r n mit
der Geschichte ihrer H e i m a t v e r t r a u t machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch p o p u l ä r
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,
die im Schulunterricht verwendet w e r d e n k ö n nen.
Bezugspreis: 2,00 D M halbjährlich
K o n t e n der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt S t u t t g a r t
48
Die Autoren
9
dieser
Dr. Hans Speidel,
Hechingen
Das Lagerbuch von 1736 weist an eigenen Feldern der Bauern von
der Gesamtfläche des Feldbodens von 2257 Jaucherc r u n d 800 J a u c h e n als Eigentum aus, mithin r u n d 28 P r o z e n t .
Auch der angebliche Ausspruch des G r a f e n Felix von Werenberg
als Inhaber der G r a f s c h a f t Sigmaringen „Wenn die Bingener ein
Freidorf wollen, so sollen sie die Gräben und Wehren umb das
Dorf herumb abtun, d a m i t man frei w a n d e l n k ö n n e " l ä ß t auf ein
ursprüngliches Freidorf schließen.
„Kommst mir zur Kirbe nach Bingen und ich will mein H e r z an
dir erkühlen und dich pantschen. Es hätte aber niemand Frefel
g e f o r d e r t . Etliche Gesellen hätten sich so geschlagen, d a ß man sie
auf Bähren habe heimtragen müssen, aber da gab niemand S t r a f e . "
Etter ist der D o r f z a u n , der das ganze Dorf umschließt und durch
Gräben und Wehren v e r s t ä r k t ist mit Lucken zum Ausgang ins
Feld, teils kleine Holzstiegele, teils größere bewegliche Tore
(Gatter) aus H o l z . Bingener Flurname „Bei der Lucket" Gem.
Rechnung von 1640 Michel Bugg lidlohn (Taglohn) so er an den
Weren verdienet: 1 Gulden 10 K r e u z e r . H a n s Mendlern, N a g e l schmid vor Nägeln zu den Weren zu machen 3 G u l d e n .
D a h e r gab es in H o r n s t e i n einen Galgen auf dem Galgenbühl als
Zeichen des Hochgerichts. 18. 4. 1734.
Er w a r mithin der Beauftragte der H e r r s c h a f t e n , nicht der D o r f gemeinde und hatte als solcher an den meisten G e l d s t r a f e n einen
gewissen Anteil, was seinen Eifer und seine Dienstbereitschaft
bestimmt vergrößerten.
Das stimmt nicht, denn schon 1507 erhielt Wilhelm von Reischach
v o n Kaiser Max ein Dorfgericht mit gleicher Zusammensetzung
und gleichen Befugnissen.
Eine N e u f a s s u n g des Dorfbuchs mit Bott u n d Verbott, Gebräuch,
Gewohnheiten, Gerichtordtnung zu Bingen w u r d e 1680 auf der
G r u n d l a g e des Riedlinger und des Mengener Vertrags zwischen
Fürst Maximilian von H o h e n z o l l e r n und Freiherr J o h a n n Heinrich
von Hornstein errichtet und befindet sich im Gemeindearchiv.
1 P f u n d Heller - 240 Heller - 120 P f e n n i g - 20 Schilling 10 Batzen - 2/3 G u l d e n .
Nummer:
L a n d r a t a. D.,
J. A. Kraus, Erzb. Archivar i. R.,
Freiburg-Littenweiler
A. H. Buckenmaier,
Sigmaringen
B a n k d i r e k t o r a. D.,
Manfred
Pfarrer, Neufra
Hermann,
Dr. Herbert Burkarth,
Gammertingen
Johann Wannenmacher,
Rangendingen
prakt. Arzt,
Redaktionsaussdjuß:
H u b e r t Dedc, K o n r e k t o r
745 Hechingen, Tübinger Straße 28
Telefon 07471/2937
Walther Frick, Journalist
748 Sigmaringen, H o h e T a n n e n
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Die mit N a m e n versehenen A r t i k e l geben die
persönliche Meinung der Verfasser w i e d e r ;
diese zeichnen f ü r den I n h a l t der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung
sind als solche gekennzeichnet
R e k t o r a. D.,
Karl Fröhlich,
Sigmaringen
S t a d t a m t m a n n a. D.,
M a n u s k r i p t e und Besprechungsexemplare w e r den an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten.
Josef Deschler,
Oberlehrer i. R., Ablach
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische
H e i m a t " weiter zu empfehlen.
HÖH ENZOLLERISCHE
HEIMAT
23. J a h r g a n g
N r . 4 / D e z e m b e r 1973
W 3828 F
Herauegegeben oom
Hohenzollerifdien
Gefchichteoerein
in V e r b i n d u n g m i t d e n
Staatlichen S c h u l ä m t e r n H e c h i n g e n
und Sigmaringen
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Allen Freunden
Hobenzollerns
ein friedvolles
wünscht
Weihnachtsfest
die „Hohenzollerische
und ein gesegnetes Neues
Heimat"
Jahr
( G e b u r t Christi aus der „Reise nach J e r u s a l e m " des K o n s t a n z e r R i t t e r s B r e y d e n b a c h , 1518
F. H . H o f b i b l i o t h e k . ) R e p r o : Leonie Frick
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WALTHER FRICK
Eine Tür geht zu - eine T ü r geht auf
Kalender begleiten uns durch jedes Jahr
Wenn wir uns etwas nicht vorstellen können, dann ist es
die Abwesenheit der Zeit, von der dennoch die Geheime
Offenbarung voraussagt, daß sie einmal nicht mehr sein
wird. Gleichwohl ist auch die Zeit, die jede Sekunde geschieht, vorbeiläuft, vertropft - wie immer man sagen
will - unerklärlich. Der Prediger Salomo befaßte sich
vor 3000 Jahren mit ihr, alle Philosophen rätselten an
ihr herum, und Immanuel Kant erklärte sie mit dem
Raum für die beiden Grundbefindlichkeiten jeglichen
Denkens, allerdings mit der Einschränkung, daß Verhältnisse anderswo denkbar wären, wo diese beiden Voraussetzungen nicht gelten. „Sichtbar" wird die Zeit für uns
durch den Aufgang von Tag und Nacht und durch das
Altern aller Geschöpfe. Das geschieht in der modernen
Physik in Millionstel-Bruchteilen von Sekunden, und andererseits dauert das Altern Jahrhunderte: Wie lange
steht ein Sühnekreuz aus Stein, ehe es fast in den Boden
versunken ist. Das Aufflackern von Elementarteilchen in
modernen Betatronen in kürzester Zeit, und die Wirkung
einer langen Zeit, in der ein Stein in den doch vermeintlich festen Untergrund einsinkt ist beides dasselbe. Wir
wissen im Grunde nicht, was eine kurze und eine lange
Zeit ist. In einem orientalischen Märchen führt jemand
90 000 Gespräche mit Allah während eines Traums und wie er erwacht, ist das Wasser noch nicht einmal ausgelaufen aus dem Krug, den der Träumende beim Einschlafen umgestoßen hat.
Vor solchen Hintergründen versuchen wir die Zeit einzuteilen und festzuhalten durch Kalender, durch die Ordnung der Tage, Wochen und Monate. Der Kalender ist
seit der Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Beginn
des gegenwärtigen Jahrhunderts auch in Hohenzollern
in vielen Häusern das einzige Buch neben der Bibel gewesen - und diese gemahnte den Kalender immer an das
einmal kommende Ende der Zeit. Das Ländchen Hohenzollern war nicht zu klein, eigene Kalender zu schaffen,
aber bei weitem zu gering, um ein klassisches Kalenderland zu werden. Das aber haben wir nahebei: wir meinen
Oberbaden. Der „Lahrer Hinkende Bote", das Symbol
des Invaliden aus den napoleonischen Kriegen, der seinen
Lebensunterhalt durch das Hausieren mit Kalendern fristete, ist berühmt. In der Ortenau verfaßte Grimmelshausen seinen „Ewigwährenden" Kalender, der es
zweimal ist; einmal, weil alle Monate nur mit ihren Tageszahlen, nicht aber für ein bestimmtes Jahr mit wechselnden Wochentagen verzeichnet sind, zum anderen, weil
dies ein relativ unsterbliches Stück deutscher Literatur
ist. Und dann schließlich Johann Peter Hebel, dessen Kalendergeschichten nicht nur in die Lesebücher von Schulkindern deutscher Sprache eingegangen sind. Grimmelshausen führt schon vor mehr als 300 Jahren eine Vielzahl
von solchen Kalendern an, die weit über das eigentliche
Zählwerk der Tage für ein Jahr hinausgingen mit ihrem
rn und den Bürger, für bestimmte Bereiche, wie für das
Inhalt: es gab und gibt heute noch Kalender für den BauFürstentum Sigmaringen zum Beispiel, wovon noch die
Rede ist; es gab Wappenkalender - zum Beispiel zu Beginn dieses Jahrhunderts in München - Kalender für die
„gebildeten Stände" für Frauen, für Kinder. Von der
50
heutigen Kalenderflut wollen wir nicht einmal andeutungsweise reden.
Alle die alten Kalendermacher sind Meister der Psychologie gewesen, auch ohne einschlägiges Studium. Sie wußten, was die Stände interessiert; daß der Bauer wissen
will, wann wo Markt sei; daß er eine Tabelle mit den
unterschiedlichen Währungen (vor 1870) bekam, eine
gleiche Tabelle der ebenfalls unterschiedlichen Hohlmaße,
nach denen das Getreide berechnet wurde, und auch
Übersichten über die ungefähren Preise an den Hauptorten des Handels, wie für unser Land etwa Riedlingen
und Überlingen. Wie der Mond stand, war von ganz
großer Wichtigkeit, denn eine Vielzahl von Dingen tat
man mit dem Mond - und übrigens auch mit den Heiligentagen. Wiederum ist es Grimmelshausen, der vom
Rübenstecken über die Heuernte bis zum Obstbaumschneiden alles besonderen Heiligentagen zuordnet. Daneben aber wollte man auch etwas fürs Gemüt haben,
und der Ausdruck „Kalendergeschichten" ist geradezu
sprichwörtlich geworden. Begebenheiten irgendwo in der
Welt, die lange nachzitterten im Gedächtnis, das Erdbeben von Lissabon, ein Wirbelsturm auf Haiti, Hof-Angelegenheiten im fernen Rußland, seltsame Gewohnheiten von farbigen Völkern, die man nie selber sah, weil
es noch keine Flugtouristik gab, das alles fand in oft umständlicher Beschreibung seinen Platz. Der große Kriminalfall durfte nicht fehlen und auch nicht das Kalb mit
den zwei Köpfen. Erst recht war ein Komet am Himmel
der Aufmerksamkeit und Beschreibung wert.
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Und nun zu dem genannten Kalender „Zum Gebrauche
und Nutzen des Bürgers und Landmanns der Hohenzollern'schen Landestheile des Königsreichs Preußen", der
uns in mehreren Exemplaren vorliegt (gibt es auch andere
hohenzollerische?) Ein bescheidenes Heftchen von nur
32 Seiten, vorne mit den damals - wir nehmen den von
1874 - lebenden Mitgliedern des Hauses Preußen, dann
denen des Hauses Hohenzollern, gefolgt von unterschiedlichem Wissen. Man erfährt, daß Papst Pius IX. im 29.
Jahr regiert, daß seit der Erschaffung der Welt 5823
Jahre vergangen sind und seit der Entdeckung Amerikas
das 382ste. Für die Juden ist es das Jahr 5635, und seit der
Erfindung der Pendeluhren angeblich das 217. Jahr. Es
folgen die Monate, immer mit einer Leerseite, es folgen
Angaben über die Jahreszeiten und den Sonnenstand, ein
bischen Astrologie ist sogar dabei, und natürlich fehlen
die Märkte nicht. Der Kalender ist wirklich benutzt worden, denn der unbekannte Besitzer notiert auf einem
Leerblatt etliches, darunter z. B. daß er am 8. Februar
„die Scheckenkuh geführt" hat. Das Heft versteigt sich
sogar zu einer recht präzisen Wettervorhersage für alle
Wochen, untermischt mit Bauernsprüchen wie „Bringt
Sankt Michael Regen, muß man im Winter den Pelz anlegen", oder: „Brachte Rosamunde den Sturm und Wind,
ist Sibilla gelind", was sich auf den 3. und 29. April bezieht.
Endlich fehlen auch die gemütvollen Teile nicht. Eine
kurze Novelle „Eine Klostergründung im Mittelalter"
wird gefolgt von einer Monographie des Sperlings, derzufolge man den „armen Tropfen im schlichten grauen
Kittel" weit herum in der Welt findet. Schließlich sind
auch ein paar Anekdoten drin, von denen wir eine anführen wollen: Bei einer Verlosung ruft der Veranstalter
eine Nummer aus mit den Worten: „Nr. 183, ein fettes
Schwein. Eine sehr corpulente Person, welche auf jene
Nummer gesetzt hatte, schnellte sofort in die Höhe und
rief: 'Das bin ich'". Darüber lachte der Urgroßvater.
A N T O N H C H . BUCKENMAIER
Der Brand des ehemaligen Dominikanerinnenklosters
zu Stetten bei Hechingen vor 75 Jahren
In der Nacht vom 23. auf den 24. September 1898 läuteten die beiden Glocken im Dachreiter der ehemaligen
Klosterkirche zu Stetten im Gnadental (bei Hechingen)
Sturm. Ein lauter Knall und lohender Feuerschein rief
die Bewohner des Klosterhofes an die Fenster. Die Klostergebäude außer der Kirche standen in hellen Flammen.
In einem Bericht über die Katastrophe, wohl der größte
Brand in der Geschichte des Dorfes, schildert Frau Witwe
Ramsperger, die damals Klosteraufseherin war.
„In der Nacht vom Freitag auf den Samstag (23./
24. 9. 1898) erwachte ich durch einen Knall und vermutete, es sei auf der Burg (Hohenzoller) oder irgendwo
geschossen worden. Zu gleicher Zeit hörte ich einen Hund
heulen, sah zum Fenster hinaus und bemerkte, daß auf
der Ostseite auf der nordöstlichen Ecke an dem ehemaligen großen Refektorium Flammen herausschlugen. Ich
weckte nun die Schielesche Schwester, die auch auf der
Ostseite des Klosters wohnt, ging dann in mein Zimmer
zurück, um mich anzukleiden. Bald darauf rief mir Herr
Schiele (damals Schuhfabrik in den Klosteranlagen), ich
möchte doch Sturm läuten. Ich ging nun gegen die Kirche
hin und weckte im Vorbeigehen den Forstassistenten
Lehner und die Familie Haas (Lehner und Haas waren
Fürstl. Hohenzoll. Forstleute), läutete hierauf Sturm.
Als ich in meine Wohnung durch den Gang auf der Südseite zurück wollte, war dieser Gang schon voll Rauch
und rief mir mein elfjähriger Sohn zu: „Mutter, komme
oder wir ersticken!"
Ich raffte nunmehr noch schnell meine Papiere zusammen und verließ die Wohnung; von meinen Sachen
konnte ich nichts, nicht einmal die Kleider retten. Mein
Mobiliar ist mit 3270 Mark in der Mobiliarversicherung,
außerdem hatte ich auch noch bei mir die Einrichtung meiner verstorbenen Eltern, der Förster Zunzerschen Eheleute und der Witwe Hirwchauer, die sich zur Zeit im
Dienst befindet, vorübergehend bei mir stehen und waren
diese und die Sachen meiner Eltern nicht versichert.
Als ich auf die Straße herauskam, standen auch schon
alle drei Flügel des Klosters in Brand und schlugen die
Flammen überall aus den Dächern heraus."
Dieses Protokoll über den Brand wurde von dem damaligen F. H. Domänenrat Schmid aufgenommen.
In der Brandnacht war dieser dienstlich in Sigmaringen.
Noch in der Nacht um 3 Uhr 38 Min. wurde ihm ins
Deutsche Haus in Sigmaringen folgendes Telegramm aus
Hechingen übermittelt: „Klostergebäude Stetten brennt
und soll das Feuer in der Schuhfabrik angegangen sein.
Die Kirche dürfte gerettet werden."
Da es aber den Anschein hatte, daß auch die Kirche in
Brand geriete, nahm die Schwester des Fabrikanten Schiele das Allerheiligste aus dem Tabernakel und brachte es
noch in der Nacht nach Hechingen.
Die Löscharbeiten waren wegen Wassermangels schwer
behindert, und es wurde daher zum Löschen auch Jauche
benützt. Außer der Feuerwehr aus Stetten, Boll und
Hechingen hatte sich auch die Besatzung der Burg Hohenzollern zu den Löscharbeiten eingefunden. Das Ubergreifen des Feuers auf die Klosterkirche konnte durch den
tatkräftigen Einsatz einzelner Feuerwehrleute verhindert
werden. Noch zeugen einige angesengte Balken auf der
Bühne der Klosterkirche und im Dachgeschoß von den
Auswirkungen des Brandes.
Bei der Brandbekämpfung hatten sich besonders ausgezeichnet: Ernst Bausinger, Lehrer Kästle, Josef Buckenmaier, Witwe Ramsperger, der F. H. Gärtner Caspar
Münch und Zimmermeister Buckenmaier, alle aus Stetten, ferner Wild aus Hechingen, die beiden Feuerwehrkommandanten Josef Löffler d. Aloys aus Boll und
Schreinermeister Zöhrlaut aus Hechingen. Lobend erwähnt wurden von der F. H. Verwaltung auch die
Mannschaft des 6. Bad. Infanterie Regiments Kaiser
Friedrich III. No. 114 unter ihrem Kompaniechef Hauptmann Koch. Sie alle erhielten Photos von der Brandstätte
oder auch Geldgeschenke.
Daß es zu einer so großen Brandkatastrophe kommen
konnte, hatte den Grund in der Lagerung von Farbstof51
fen, Harz, ö l , Petroleum und Benzin in dem Keller unter den Fabrikationsräumen.
Eine gerichtliche Untersuchung des Brandfalles verlief im
Sand, so daß „eine strafrechtliche Verfolgung einzuleiten" nicht gegeben war, wie der Erste Staatsanwalt bei
dem Königlichen Amtsgericht in Hechingen der F. H.
Verwaltung mitteilte.
Verdächtigungen kursierten natürlich im Dorf, und es
kam zu einer Privatklage zwischen den beiden Stettener
Schuhfabrikanten.
Da die Klosterflügel nicht mehr aufgebaut wurden, zahlte die Feuerversicherung nur 23 638,90 Mark. Fabrikant
Schiele soll nach den Akten im F. Haus- und Domänenarchiv in Sigmaringen 195 000 Mark Brandentschädigung
erhalten haben.
Die angesengte Kirche wurde wieder hergestellt, die Seitenaltäre herausgenommen, die Johanniskapelle gesäubert und erneuert. Leider ist der darin befindliche Renaissancealtar, auf dem Begebenheiten aus dem Leben
Johannes des Täufers dargestellt waren, dem Brande zum
Opfer gefallen. Verbrannt ist auch ein Christus auf einem
Palmesel, wahrscheinlich das „Zollerische Bild", das den
Tod der Zollergrafen und -gräfinnen angezeigt haben
soll, Tafelbilder, Musikinstrumente, sogenannte Nonnengeigen.
Fürst Leopold verfügte, daß „Steine mit künstlerischem
Gepräge, profilierte Steinreste" nicht verkauft werden
dürften und die Fragmente aufbewahrt werden sollten,
dabei soll man die Grenzen nicht zu eng eher zu weit
ziehen. Der Abbruch der Brandruinen zog sich längere
Zeit hin. Was irgendwie brauchbar war, wurde verkauft,
selbst der Brandschutt als Dünger an die Bauern, die von
der Fürstlichen Verwaltung Grundstücke gepachtet hatten. Der Preis für den Zentner Asche und Schutt betrug
20 Pfennige (!). Anscheinend war aber der Bedarf nicht so
groß, denn als nach dem zweiten Weltkrieg Prinz Karl
Anton von Hohenzollern mit dem Schreiber dieses Artikels und einigen Waldarbeitern nach alten Grabsteinen
des Hauses Hohenzollern, die nach dem Brand aus der
Kirche entfernt worden waren und zum Abdecken eines
früheren Mühlkanals Verwendung fanden, gruben, stiessen sie hinter dem Chor der Kirche auf Brandschutt, der
den früheren Nonnenfriedhof vollständig bedeckte. Die
stehengebliebenen Ruinen des Refektoriums und der
Ziehbrunnen im Klostergarten sind die einzigen Zeugen
der ziemlich großen Klosteranlage. Auch diese werden,
wenn nicht bald sich jemand darum kümmert, abgetragen
werden müssen, da sie ständig zerstörenden Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. (Anm. Akte Fürstl. Rentamt
Hechingen 12 463 neu verzeichnete Akten.)
JOSEF DESCHLER
Bingen, ein Reichsdorf? - Vom Dorfgericht Bingen
(Fortsetzung aus dem Oktoberheft
und Schluß)
Übermäßiges Trinken 1727/28
„Den 24. Merzen wird klagt, daß Mathias Refle,
Miller allhier ganz bezecht in Josef Engels Haus gewesen und mit ihm selber geredt im vollen Rausch, es
seien alle im Gericht lauter Schelme und Diebe und
der Schultheiß darzu, welches er aber nicht besteht
(eingesteht) und er wisse nichts davon. Demnach glaubwürdig vorkommen, er hätte es nit gewußt und sei halber im Traum geschehen, als wird ihme ein solches in
soweit von Gerichtswegen nachgesehen, aber er muß jeden Richter 10 Kreuzer für Wein und dem Schultheiß
2 Maß (etwa 3 Liter) bezahlen und Abbitte tun. (1727
kostete eine Maß Wein 10 Kreuzer).
Sein Sohn Franz Reffle wird 1734 wegen Trunkenheit und Krakeelerei in den Spanischen Mantel gestellt.
Schwängerung vor der Ehe und Unzucht
Dieses Vergehen kommt in fast allen Protokollen und
Abrechnungen vor, sowohl schon 1621 als auch 1787.
Im allgemeinen ist es wie folgt bezeichnet: 1621 N N
(die Namen führe ich nicht an) hat sein Weib vor der
Hochzeit geschwängert, soll jedes 4 Gulden Straf bezahlen. Es waren 6 Paare und eine ledige Magd. In der
Jahresrechnung von 1729 kostete das gleiche Delikt pro
Person 8 Gulden, ja ein Mann, der zu den Richtern
gehörte, wurde zu 12 Gulden, seine Partnerin zu 6 Gulden Strafe verurteilt. Konnten die armen Sünder nicht
bezahlen, so wurden sie am Leibe bestraft, wie folgender
Eintrag vom 27. November 1763 besagt: „Weilen sich
Lorenz Fischer von Vöringen-Stadt und Annemarie
Sehr, von hier wieder das 6. Gebot verfehlet haben,
und solche Armutshalber nit haben an Geld gestraft
werden können, seynd sie Beyde mit Verwilligung beidseits der Obrigkeiten an dem Leib gestraft worden. Der
Kärle mit dem Spanischen Mantel und Strohdegen und
sye mit der Geigen und dem Strohkranz sind vor die
52
Kirche gestellt worden und haben müssen stehen wie das
Volk in die Kirchen und wieder aus der Kirchen gegangen" 10.
Fluchen und Schwören 1729, 1778
Josef Müller von Hornstein ist umb willen er in
Josef Engels Wirthaus geflucht und geschworen hat, mit
einer Straf belegt worden von 2 Gulden. Johann Schneider alt Glaser wegen solcher und anderer Ursach 3 Gulden Straff. Übergabe eines Säufers, Fluchers und Schwörers an die kaiserlichen Werber, da untauglich 10 Stück
Prügel vom Büttel.
Schelten und Raufen 1726, 1728, 1787
Die Brigitta Schneiderin, die gegen Josef Kiene verleumderische Wort gebraucht hatte, muß zur Strafe
3 Rosenkränz beten. Den 8. 8beris (Oktober) 1728 klagt
Maria Stefanin wider Martin Stefans Weib, sie habe
öfter gesagt, sie sei eine Hex. Demnach es die Mutter
ist, so wird derselben es nachgesehen, solle einen Gang
(Bußgang) nach Hitzkofen, die Tochter einen nach Bittelschieß (Kapelle) verrichten.
Den 25. 9bris 1787 ist Thomas Kiene wegen einiger
Reden, so er gegen Herrn Schultheiß ausgegossen in
die Gehorsame (Arrest) verwiesen worden. Da dem Gerichtsbannwarth befohlen worden, den Kiene in die Gehorsame zu sperren, welches auch geschehen. Da hat
der Kiene den Bannwarthen persuadiert (überredet) er
solle hineingehen, ob es darinnen säuberlich seye oder
nit. Worauf er den Bannwarthen in die Gehorsame geschlossen. Worüber sich der Bannwarth bey Herrn Schultheißen und löblichem Gericht beschwert, daß es ihm
der Kiene so gemacht, worüber der Gerichtsspruch ergangen, daß der Kiene so frech gewesen und den Bannwarthen eingeschlossen habe, so seye er in die obrigkeitliche Straf gefallen mit 1 Pfund Pfennig.
Josef Mayer wegen Scheltens und Raufens 3 Gulden
Straf. Ingleichen Martin Engel 3 Gulden und Gerichtskosten. Für 2 ungescheite halbgewaxene Buben gab es
1783 für Streitigkeiten und leichtfertigen Umgang mit
einem offenen Messer je 12 Stück Prügel. Für ohnnützige
Wort vor ganzer Gemeind wird Josef Buckh, Kiefer
1 Stunde in das bürgerliche Gefängnis gesteckt.
Streithandel 1726
Georg Stehle muß zur Buße für Teilnahme an einem
Streithandel nach Absitzen von 3 Wochen im Turm
einen Botengang nach Engelswies, Scheer und Ennedach
machen.
Ungehorsam 1738, 1758, 1756
Unarten auf der Borkirchen werden nach Anzeige
der Kirchenordner mit dem Spanischen Mantel abgebüßt.
„Bingen, den 21. Oktober 1758 wird Gericht gehalten und kommt vor Gericht Michael Rebholz, Gabriel
Rebholz und Johann Miller, daß sie am Maytag in der
Nacht einen birkenen Mayen gehauen und auf die Gasse
gestekt, worauf Schultheiß von obrigkeitswegen befohlen,
den May zu seinem Haus zu bringen, aber dem Befehl
nicht nachgekommen und den May verhauen und liegen
lassen, solle jeder beiden Herrschaften zur Straf 1 Pfund
Pfennig, dem Gericht 15 Kreuzer bezahlen. 1776 muß
eine Frau wegen Ungehorsam für die Herrschaften einen
Psalter (3 Rosenkränze) beten. Für ledige Burschen gab
es wegen Ungehorsam und Ubertreten der Polizeistunde
entweder 10 Prügel oder 2 Stunden im Spanischen Mantel.
Lugstraf gen und lügen heißen 1620
Stoffel Schreck, so den alten Schefolten lügen gestraft,
soll Straf 30 Kreuzer. Jerg Schefolt der Alt hat Stoffel
Schrecken heißen lügen wie ein Schelm soll Straf 1 Gulden 30 Kreuzer.
Überfahren, überhauen, überschneiden und übermähen
Basti Schreck hat den Hornsteinischen Kaplan (sein
Feld) in Birmisfeld überfahren, soll deswegen 1 Gulden
30 Kreuzer. Thres Stefan Schultheiß und sein Sohn
haben Hansen Mayern, Schneidern, freventlicher Weis
überloffen, soll jeder 45 Kreuzer bezahlen. Neben diesen
mehr criminellen Straftaten und Vergehen befaßte sich
das Dorfgericht auch mit civilen, bürgerlichen Streitigkeiten und polizeilichen Problemen, wie folgendes Protokoll ausweist:
„Bingen, den 22. Juny 1766. Es erscheinen vor dem
löblichen Gericht Josef Schröck, Schmid und Matheus
Flaisch Maurer mit Anbringen, wie, daß sie schon geraume Zeit einen Streit miteinander haben bey Ihren
Häusern von wegen außgießen des s. v. (sit venia mit
Verlaub) Nachtwassers, so die Flaischen von ihren
Kammern ausgießen, und welches aber dem Schmid
jederzeit für seine Stalltür hinspritzet, welches er nit
leiden will auch deswegen schon 3 Mahle ein Augenschein eingenommen worden, solches aber niemalen mit
einander verglichen, daher bäten sie beidseits um einen
Gerichtsspruch.
Bescheidt: Weilen s. v. das Nachtwasser ohne Nachteil des Schmids nicht länger werde ausgegossen werden
können, und die Flaischen auch keinen anderen Platz
ohne ihren Nachteil des Hauses sonderlich der unteren
Kammern machen können, so sollen die Flaischen eine
Mauer aufführen, so hoch, daß das Nachtwasser nicht
mehr drüberspritzen könne, und sollen zwischen ihrem
Haus und des Schmids Schmitten einen Ablegergraben
führen, daß es fortlaufen könne". Eine Umweltverschmutzung gab es also auch schon vor 200 Jahren.
Ihre damalige Lösung dürfte allerdings heute nicht mehr
gangbar sein.
Das Problem der Ortsarmen tauchte auch schon früher
auf. Es fand nach wiederholten Beratungen und Lösungen in den verschiedenen Zeiten durch nachfolgenden
Beschluß eine teilweise Ordnung.
„Bingen, den 21. X. 1787 ist durch Herrn Schultheißen
und löbl. Gericht zu der neu eingerichteten Bettelordnung als Bettelvogt ernennet worden der Wunibaldt
Schmidt. Und sollen alle die Nachstehenden ad iterim
(bis auf weiteres) alle Mittwoch in den Gottesdienst
in die Kirchen gehen für ihre Guttäther alldort beten
und nach vollendtem Gottesdienst sollen sie beim Pfarrhof den Anfang machen mit Beisatz, daß sie alle namentlich miteinander den hl. Rosenkranz anfangen laut zu
beten, bis und solange sie im ganzen Dorf herum sind.
Nebst diesen wird der verordnete Bettelvogt mit ihnen
herumgehen und vor ihnen das Almosen einsammlen,
zugleich sie in Ordtnung halten, zum Beten anhalten
und so fort und wenn dieses vollendet, so wird der Bettelvogt diesen Nachstehenden ihr eingesammeltes Almosen ihnen nach Proportion, wie es gerichtlich gemacht
worden, ordentlich verthailen". Es waren 12 Empfänger.
Die Größe der Portion an Geld oder Lebensmitteln hing
von der jeweiligen Gebefreudigkeit der anderen Dorfgenossen ab.
Daß die Fasnet schon lange in Bingen im Gebrauch
und im Schwange war, bezeugen die fast alljährlichen
Ermahnungen an die „Ledigen Pursch ihres Aufführens
halber bei den Lichtstuben, an Sylvester und zur Fastnachtszeit". Schon am 7. Februar 1689 soll der Mißbrauch des Braitelt werden, wie es an der Fasnet pfleget
zu geschehen, durchaus abgeschafft werden. Ebenso das
Vollsaufen, hernach mit den Spiehlleut umb das Dorf
während der hl. Meß herumb, Jollen, Jutzgen und
Schreyen, daß es ein Greyel, soll durchaus abgetan sein.
Endlich im Jahre 1788 wird nachstehende Fastnachtsordnung erlassen.
Fastnachtsverordnung
des Dorfes B i n g e n vom 3. Februar 1788
Den 3. Februari 1788 ist durch Herrn Schultheiß
und löblichem Gericht denen ledigen Gesellen ihrer Aufführung halber vorgetragen und vorgelesen worden, wie
hier im Protokoll beigelegt ist:
N o t a was den ledigen Pursch den 3. Februari 1788
vorgetragen worden:
1 mo: Solle sich an dem Fasnachtsdienstag als am
Feste der hailigen Agata unser Landesfeyerspatronin
sowohl in vorgehender Nacht, morgens und bis nach
dem Gottesdienste, keiner mit unanständigen Ausgelassenheiten zum Beyspihl mit Jollen, Jausgen, Maschgeren
gehen, närrischen Unruhen und dergleichen sehen und
blicken lassen.
2 do: Sollen sich alle in der Kirchen, bei dem Gottesdienste fleißig einfindig machen, die hailige Agata als
Feyerspatronin andächtig verehren, damit Gott der Allmächtige durch dero Vorbitte uns von allen, besonders
dem gailen Sündenfeyer gnädiglich bewahren wolle.
3 tio: Solle zur nächtlichen Zeith das Maschgerieren
gäntzlich verbotten seyn, wann endlich an dem Tag die
ledige Pursch von einem Würtshaus in das andere einen
maschgerierten, freundschaftlichen Besuch machen wollen, mag es ihnen gestattet werden, aber in Frieden und
ehrbar, zur Nacht aber solle es ohne Ausnahmb verbotten seyn.
4 to: Sollen die ledigen Weibspersohnen sich nicht
länger als bis um 9 Uhr im Wirtshaus blicken lassen,
53
sondern vorher, oder längstens bis dieser bestimmten
Zeith, wie es ehrlichen Jungfrauen gebirht, ehrlich nach
Hauß gehen. Auf die übertretenden die Geigenstraf
gelegt.
5 to: Solle am Aschermittwoch das Maschgerieren
und besonders das Fasnachtsbegraben nöhst dem contenuierlichem Tantzen gäntzlich verbotten seyn.
6 to: Solle in Zukunft den ledigen Pursch, auch vielmehr denen Mannen das nächtliche, unmenschliche,
spott- und schandmäßige Geschrey, Jollen, und Unruh
machen, besonders aus der Zeith gäntzlich verbotten
seyn; und abarthe die Fasten hindurch, damit man auch
unter denen Zeithen ein Unterschied mache und nicht
das ganze Jahr zur Kirchweih und Fasnacht mache.
7 timo: Solle den ledigen Pursch haubsächlich verbotten seyn, auswärtige Pursch, besonders Hitzkofer
oder Hornsteiner, wann sie noch in rechter Zeith, als
vor 9 Uhr in ehrlichen Häusern im Beysein von Vater
und Mutter, oder anderer ehrlicher Leuthen bei dem
brinnenden Licht, wekh zu nehmen und in das Wasser
zu werfen. Es seye dan Sach, daß sie sich mit einer
Weibspersohn an einem verdächtigen Orthe haimlich aufhalten. Solche Fäll haben gar keine Zeith, und es unter
Tag bey hellem Sonnenschein seyn sollte.
Dieser Brauch, fremde Burschen, wenn sie sich um
Bingener Mädchen bewarben, in das Wasser der Lauchert
zu werfen, zu baden, scheint schon alt gewesen zu sein,
wie folgenden Nota des Dorfgerichts vom 30. November
1725 ausweist. „Hans Ulerich Harscher mit Consorten
nehmen einen Webergesellen mit Namen Jerg Stehle
gebirtig von Emerfeld aus und werfen ihn in das Wasser.
Die Gesellen hier sagen, er Weber habe hier getanzt
und nachher hab er bey den Medien im Hausgang gestanden, so sie ihn gefragt, wer er seye, hab er gesagt,
es gehe sie nichts an, sollen nur ihres Wegs gehen. Darauf haben sie noch mehr zusammen berufen und den
Gesellen von den Medien hinweggenommen und in das
Wasser geworfen. Er habe zwar 30 Kreuzer wollen geben, sie haben aber 45 Kreuzer haben wollen. Demnach
Volkskunst auf dem Hochberg
Zugleich mit dieser Nummer der „Hohenzollerischen
Heimat" erscheint rechtzeitig zum weihnachtlichen Gabentisch unter dem obigen Titel ein Buch von Pfarrer
Manfred Hermann in Neufra. Der Hochberg ist die Kapelle bei Neufra, die viele und besonders schöne Zeugnisse religiöser Volkskunst beherbergt. Leider ist auch da
schon einiges gestohlen worden. Pfarrer Hermann hat im
Frühjahr 1973 die Besucher der Kunstfahrt des
Geschichtsvereins durch die Kirchen von Hettingen und
Feldhausen geführt, sowie durch die Muttergotteskapelle
von Neufra.
Frick
Wo ist das? Wo stand dieses Hans, das der Darstellung
dieses
¡ruhen
Fotos nach wohl um 1880—1890
abgebrochen
wurde?
Eine Veröffentlichung
im „Schwarzwälder
Boten"
dieses
Jahr
brachte keinerlei Antworten.
Vielleicht weiß jemand von unseren Lesern Näheres. Das Repro fertigte Dr. Herbert
Burkarth
nach einem Negativ
in der Hechinger
Landesbibliothek.
54
er aber vorher gesagt, sie Seyen nicht (unleserlich jedenfalls nicht imstande) ihn in das Wasser zu werfen, so
haben sie desto ehnder denselben hineingeworfen".
Nachdem der Freiherr Marquard von Hornstein nach
vielen Prozessen und Streitigkeiten das Rittergut Hornstein und seine Hälfte des Dorfes Bingen um die Summe
von 170 000 Gulden an den Fürsten Anton Alois von
Hohenzollern Sigmaringen verkauft hatte, hatte „das
bishero daselbst bestandene gemeinherrschaftliche Gericht seine Endschaft erreichet, somit die allein Herrschaft mit der unumschränkten Landeshoheit an Uns
und Unser Fürstliches Haus gelangt ist, und dem zufolge
in der Zukunft alle Vorkommnisse bey Unserer Fürstlichen Regierung anzuzeigen, zu untersuchen und abzuwandeln sind, so will es die Notwendigkeit erfordern,
gewisse Satzungen und Verordnungen aufzustellen, nach
welchen sich Schultheiß, Gericht und Bürger und Gemeind zu benehmen und zu verhalten haben", was dann
durch die von Fürst Anton eigenhändig unterzeichnete
Bingische Dorfordtnung vom 26. May 1789 geregelt
wurde.
Anmerkungen:
10
Am Pranger (vor der Kirche) stehen mit Spanischem
Strohdegen, Halsgeige, Strohzopf und Strohkranz.
Quellen:
Mantel,
Gemeindearchiv Bingen.
A. Dorfbuch enthaltend: Die zwischen Graf Karl von HohenzollernSigmaringen und Braun von Hornstein aufgestellte Dorfsordtnung,
Obrigkeit, Gebrauch, Gewohnheiten, Bott und Verbott zu Bingen ums
J a h r 1850.
Die zwischen dem Fürsten Maximilian von Hohenzollern-Sigmaringen
und dem Freiherrn Johann Heinrich von und zu Hornstein erneuerte
D o r f o r d n u n g , Gericht, Gebrauch, Bott und Verbott in Bingen vom
Jahre 1680.
Abschrift des Riedlinger Vertrags vom Jahre 1579/80.
Abschrift des Mengener Vertrags vom J a h r 1610.
B. Protokolle des Dorfgerichts Bingen von 1621—1787 mit Unterbrechungen.
Rechnungen des Dorfgerichts von 1621 und 1739.
Rechnung der Gemeinde Bingen vom Jahre 1640.
C. Bingische D o r f o r d n u n g vom 26. May 1789 durch Fürst Anton Alois
von Hohenzollern-Sigmaringen.
M. H E R M A N N
Zur Geschichte der Sebastianskapelle in Feldhausen
Durch die Verlängerung und geschmackvolle Renovation
der Pfarrkirche mit ihrer kostbaren Innenausstattung 1
und durch die Erneuerung des ehem. Ritterhauses 2 haben
zwei Baudenkmäler Feldhausens entscheidend gewonnen
und überörtliche Aufmerksamkeit verdient, wie es durch
den Besuch des Hohenz. Geschichtsvereins am 14. Juli
1973 zum Ausdruck kam. Ein weiterer interessanter Bau
ist die Sebastianskapelle am Friedhof, die sich nach außen
hin gefällig darbietet, jedoch im Innern wenig anziehend
wirkt und in nicht allzu ferner Zeit eine Renovation verdient hätte.
wie es angelegt worden Sollen sy alle Jar ambt anderen
Kirchen Pflegeren ordenlichen verraithen, Jnnsamblen
vnnd auffheben, Dem Priester damit er dest vleyßiger
dem Gotsdienst abwarthe, sein gebürnus dauon bezalen.
Vnd da wir solches alles wie obsteet nit halten wurden,
so solle Ehrngedachte vnnser gnedige Fraw, deren Erben
Über die Entstehung der Kapelle wußte man bisher wenig zu sagen, das Sigmaringer Kunstdenkmälerwerk '
setzt den Bau „um 1590" an, zumal im achteckigen Dachreiter mit welscher Haube eine Glocke von 1592 hängt.
Natürlich fällt beim Vergleich der Nischen mit gedrückten Eselsrücken-Bögen zuseiten des Einganges und an der
Südwand mit solchen der 1591 erbauten Muttergotteskapelle eine deutliche Verwandtschaft auf, welche sogar auf
einen gemeinsamen Baumeister schließen läßt. Leider findet sich an dem Gebäude nirgendwo eine Jahreszahl,
welche über die Erbauungszeit Auskunft geben könnte.
Außerdem sind bisher keine schriftlichen Nachrichten
veröffentlicht worden, die etwas über den Stifter bzw.
Bauträger hätten aussagen können.
Beim Durchblättern des Feldhausener Tauf-, Ehe- und
Totenregister 1706-1819 im dortigen Pfarrarchiv fand
ich nun auf die Innenseite des rückwärtigen Buchdeckels
eine Urkunde mit schwer lesbarer Schrift geklebt, welche
unerwartet über die Entstehung der Sebastianskapelle
Auskunft gibt. Genauer gesagt, ist es die Kopie einer Urkunde, welche einst in der „Capitels laden" gelegen hat,
wie ein Postscriptum verrät. Eine weitere Original-Ausfertigung findet sich heute im. Staatsarchiv in Sigmaringen 3. Ausgestellt ist das Schriftstück am 12. Mai 1592
vor dem Bürgermeister und dem Gericht zu Hettingen
durch „Schuldthais Haimburgen vnd gantze Gmaindten
beeder Flecken Veldt vnd Harthausen vff der Alb". Der
unter gleichem Datum ausgestellte eigentliche Stiftungsbrief der Kapelle ist offensichtlich nicht mehr vorhanden.
„Nachdem vns die Edel Ehrntugentreich Fraw Dorothea
Spetin von Zwifalten, geborne von Rechberg von Hohenrechberg zu Hettingen vnd Gamertingen witib, vnnser gnedige vnd gepüetende Fraw, Aus Christlichem gemüeth vnd rechter andacht willen, Zu Lob vnd Ehr der
Hailigen Dryueltigkait, der himel khunigin Maria, der
hailigen Martirer Fabiani Sebastiani vnd Dorotheae, mit
zugeben Irn gnaden Adenlichen geliebten Söhnen, den Zehendten ab deren von Veldthausen aignen triben so sy
gepawen vnd des tribs halber entrathen mögen (vermög
eines sonderbaren Stiftsbrief disem am Dato gleich) zu
gmainem nuz vnd erhalt der Cappellen vff dem Gozackher daselbsten gestifft vnd verordnet, vff wachsenden
schaden damit zu fürkomen, Hierauf sollen vnd wollen
wir verschaffen vnd bestellen, daß vnssere Pflegere mer
gedachter Cappellen solchen Zehendter, was vnnd wieuil
er Järlichen ertragen mag, zu der Cappellen besten nutzen angelegt Vnnd dauon die Cappellen in paulichem
wesen erhalten werde, vnd in kheinen Abgang komen
laßen, Was dann Järlichen von demselben vßgeben, vnnd
vnnd Nachkhomen vollen macht vnnd gwalt haben, solchen Zehendten wider zu Iren hannden zu ziehen, selbsten nuzen vnd niessen oder Ires gefallens an anndere
Ort verwennden ohn verhindert vnnser vnd vnnserer
Nachkomen vnd selbst meniglich von vnsert." Zur Beurkundung haben dann die Aussteller den Bürgermeister
und das Gericht zu Hettingen gebeten, das dortige Gerichtssiegel dem Schriftstück anzuhängen, „weil wir Vns
aignes nit gebrauchen".
In dieser Urkunde geht es also um das Versprechen der
Gemeinden Feldhausen und Harthausen, über das in
Form von Zehnt-Einkünften gestiftete Vermögen der Sebastianskapelle Pfleger zu setzen und es in der rechten
Weise verwalten zu lassen. Freilich dürfte es sich nicht
um stetig fortlaufende Einkünfte gehandelt haben; sie
sind nämlich nur dann geflossen, wenn die Feldhauser
normale Weidefluren (trieb = Viehtrieb = Weideflächen) für den Ackerbau benutzt haben für den Fall,
daß sie diese entbehren konnten. Zwar wird in der Urkunde nichts über den Bau der Kapelle gesagt, doch wird
er nahegelegt. Frau Dorothea Speth von Zwiefalten zu
Hettingen und Gammertingen, eine Geborene von Rechberg zu Hohenrechberg, die Witwe des 1582 verstorbenen
Orts- und Patronatsherrn Philipp Dietrich Speth 4 und
Mutter des erbenden, 1586 verstorbenen Hans Dietrichs
Speth, dürfte die Kapelle gestiftet haben zu Ehre der hl.
Dreifaltigkeit, der Muttergottes, der Märtyrer Fabian
und Sebastian und ihrer Namenspatronin, der hl. Dorothea. Jedenfalls war die Stifterin nicht nur um den Bau
bemüht, sondern auch um den weiteren Unterhalt.
55
Somit erweist sich die Sebastianskapelle nicht, wie die
alten Feldhauser gern erzählen, um die einstige Pfarrkirche des Ortes (die seit eh und je auf demselben Platz gestanden haben dürfte), sondern um die Kapelle des äußeren Gottesacker 6 , sicherlich im Jahre 1592 errichtet, wie
es schon das Entstehungsdatum der Glocke nahelegt.
Frau Dorothea Speth muß eine ungewöhnlich fromme
Frau gewesen sein; denn eine Reihe weiterer Kapellen
verdanken wohl dieser Stifterin ihr Dasein. Da ist die
Muttergotteskapelle in Hettingen aus den Jahren 1582/
83 7, die kaum von der Pfarrei aus gebaut wurde, viel
eher durch eine besondere Stiftung entstanden ist. Was
liegt näher, als an die damalige Ortsherrin zu denken?
Dann hatte Dorothea Speth, wie bereits Johann Adam
Kraus berichtete 8 , im Jahr 1589 in Neufra ein Gartengrundstück vom dortigen Müller Georg Acker gekauft
und damit die Wege für die Erbauung der Muttergotteskapelle durch ihre Tochter Margaretha und ihren Schwiegersohn Hans Philipp Schad von Mittelbiberach geebnet 9. Schließlich verdankt auch die Sebastianskapelle in
Hettingen von 1612 ihre Entstehung Dorotheas Sohn
Ludwig Friedrich Speth und dessen Frau Susanna von
Ratzenried I0 . Innerhalb weniger Jahre sind also im
Raum der Herrschaft Gammertingen vier Kapellen durch
die Familie Speth gebaut worden, von denen zwei dem
hl. Sebastian geweiht sind.
In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, daß
sich in das Mitgliederbuch der Sebastiansbruderschaft der
Deutschordenskirche in Beuggen am Oberrhein nicht nur
Dorothea Speth, sondern fast alle ihre Kinder und deren
Gatten - soweit sie verheiratet waren - eingeschrieben
haben (1593)
Daraus läßt sich eine besondere Verehrung des Pest- und Ritterheiligen St. Sebastian durch die
Familie herauslesen, wie sie zu dieser Zeit gerne gepflegt
wurde. Eva Zimmermann erklärt die Denkweise der
Menschen von damals folgendermaßen: „Der Heilige,
der durch Gottes Hilfe dem Pfeilregen standgehalten
hatte, schien wie geschaffen zum Fürbitter der Menschheit in den furchtbaren Nöten der Pestzeit; denn der
Pfeil galt damals wie schon im Altertum als Sinnbild
einer plötzlich auftretenden Krankheit. Durch das häufige Ausbrechen dieser Seuche wurde die Verehrung des
Heiligen noch gesteigert. Sebastiansbruderschaften haben
sich der Pflege der Pestkranken und der Bestattung der
Toten gewidmet. Außerdem haben die Schützengesellschaften den hl. Sebastian zu ihrem Patron gewählt" I2 .
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die politische Gemeinde Neufra seit langem den hl. Sebastian
als Schutzpatron besitzt. Hängt dieses Patronat vielleicht
auch mit der Vorliebe der Familie Speth für diesen Heiligen zusammen? Und noch ein erwägenswerter Gedanke:
Sind die alten Friedhöfe bei der Muttergottes-Kapelle
in Neufra, bei der Sebastianskapelle in Feldhausen und
jener bei der gleichnamigen Kapelle in Hettingen nur aus
der Enge des Gottesackers um die Pfarrkirche zu erklären? Könnten sie nicht auch Pestfriedhöfe am Rand bzw.
außerhalb des Dorfes gewesen sein, die später weiterbenützt wurden? Dann hätten die Patrozinien der Kapellen
in Feldhausen und Hettingen noch eine besondere Bedeutung.
Es würde nun zu weit gehen, eine Baubeschreibung der
Feldhauser Sebastianskapelle zu liefern. Es sei nur noch
die Frage aufgeworfen, in welcher Weise dieses einfache
Gotteshaus künftig sinnvoll benutzt und genutzt werden
kann. Nach der Renovation der Pfarrkirche wird die
Kapelle so gut wie nie mehr gottesdienstlich gebraucht
56
und ist daher dem Verfall preisgegeben. Wäre es nicht
von Vorteil, statt einer nebenan geplanten Friedhofshalle, welche sich zudem in baulicher Hinsicht kaum mit
dem wertvollen alten Bauwerk vertragen würde, die Kapelle für diesen Zweck zu benutzen? Pfarrer Bienias von
Feldhausen meint, daß sich ohne große Mühe zwei Kühlsärge darin unterbringen ließen. Dann bestünde für die
Kapelle die begründete Aussicht, eines Tages eine umfassende Renovation zu erfahren, welche für Feldhausen
eine echte Bereicherung wäre. Wer weiß, ob sich nicht
unter dem gegenwärtigen Verputz eine alte RenaissanceBemalung wie in der Gotteskapelle in Neufra vom Jahr
1591 befindet?
Anmerkungen:
1
Die K u n s t d e n k m ä l e r H o h e n z o l l e r n s - hgbn v.
Walther
Genzmer - Bd. II. K r . Sigmaringen, S t u t t g a r t 1948, S.
105 ff.
2
Herbert Burkarth, Das R i t t e r h a u s v o n Feldhausen, i n : H o henz. H e i m a t H e f t 2 / 7 3 , S. 20 f.
3
H o 173, U r k . v. 12. 5. 1592.
4
Sein Grabstein in der P f a r r k i r c h e H e t t i n g e n
H o c h a l t a r , s. A n m . 1, S. 155 N r . 41 u. 42.
5
Sein Grabstein ebenfalls in der P f a r r k i r c h e H e t t i n g e n , s.
A n m . 1, S. 155 N r . 43.
8
In den Feldhauser Totenbüchern des 17. u. 18. J h d t . w i r d
stets zwischen dem „coemeterium i n t e r i o r " und dem „c.
e x t e r i o r " unterschieden.
7
s. A n m . 1, S. 158.
8
H o h e n z . H e i m a t , Jg. 1965 S. 31: N e u f r a kapeile.
9
S. Inschrift über der seitlichen Eingangstüre in der M u t t e r gotteskapelle N e u f r a , welche das B a u d a t u m 1591 u n d die
S t i f t e r nennt.
10
hinter
dem
Muttergottes
s. A n m . 1, S. 159.
11
Bruderschaftsbuch im Erzb. Archiv Freiburg. vgl. Joseph
Wiest, Geschichte der S t a d t G a m m e r t i n g e n u n t e r der S p e t h schen H e r r s c h a f t 1524-1827, G a m m e r t i n g e n 1962, S. 31.
12
Spätgotik am O b e r r h e i n - Ausstellungskatalog des Bad.
Landesmuseums K a r l s r u h e (4. Juli - 5. O k t . 1970), N r . 4 9
bis 51, S. 116.
Hohenzollern-Ausstellung
Das Jahr 1973, das erste „ohne Hohenzollern", politisch
betrachtet, soll nicht zu Ende gehen, ohne daß wir auch
an dieser Stelle der Ausstellung gedenken, die das Staatsarchiv Sigmaringen im Frühjahr zusammengestellt hat.
Fast auf den Tag ein Jahr nach der Ausstellung über den
heiligen Fidelis wurde in den Räumen des Archivs im
Prinzenbau eine großartige Übersicht gezeigt. Nicht
allein Urkunden und Siegel, sondern ebenso Zeugnisse
der Handwerkskunst, des Zunftwesens, der Graphik und
Malerei in Landschafts- und Ortsbildern aus Hohenzollern, und viele andere Zeugnisse setzten einen würdigen
Schlußpunkt unter die lange politische Geschichte des
Ländchens. Dafür dürfen alle die dankbar sein, denen
Hohenzollern auch über dem Sylvestertag von 1972 hinaus ein lebendiger Begriff bleiben wird.
Frick
J O H . WANNENMACHER
Sprichwörter und Redensarten
Der Teufel in der Mundart
Wie aus dem Boden nur Pflanzen sprießen, die gerade er
zu nähren vermag, so formt ein gewisser Erdenfleck in
beachtlichem Umfange auch die dazu gehörigen Menschen
und ihre Kultur. Nirgendwo besteht ein eintöniges Einerlei, sondern überall zeigt sich die Vielfalt in der großartigen Einheit. Dieses Urgesetz der Natur erfaßt wohl
alle Lebensbereiche. Gerade die Vielfalt in unserer heimischen Landschaft schlägt sich auch im seelischen und
geistigen Bereich ihrer Menschen nieder. Davon geben
Gestalt und Inhalt unserer Mundart beredtes Zeugnis.
Alles erfaßt sie auf verschiedenartigste Weise, formt Allgemeingültiges zu Sprichwörtern und Redensarten und
gibt diese von Geschlecht zu Geschlecht als tiefe Erlebnisse und reiche Erfahrungen weiter.
Kommen da plötzlich zwei junge Menschen zusammen,
woran kein Mensch je gedacht hätte, so heißt es in Rangendingen: „Berg und Tal kommet it zemma - aber
d' Leut!" Ist jemand zu vorsichtig und in jeder Hinsicht mißtrauisch, dann hört man: „Dear sieht hinter ara
(einer) jeda Heck a Wetter", d. h. etwas Ungutes. Geht
jemand nur ungern an eine Sache oder Arbeit heran und
muß ständig angetrieben werden, damit sein Wohl nicht
gefährdet und das gewünschte Ziel erreicht wird, dann
reißt dem einen oder anderen schließlich die Geduld, und
er kommt zu der lapidaren Einsicht: „Wenn ma da Hond
zum Jaga traga muaß, no ischt es schau nontz" (nichts).
In diese Lebenssituation paßt auch das Sprichwort:
„Wenn-s it em Holz ischt, no gibts au koa Pfeif." H a t
einer schon genug an Besitz aller Art und verlangt dazu
bei jeder Gelegenheit immer noch mehr an freiwilligen
Gaben und Spenden ohne jede Rücksicht auf andere,
dann kann er abweisend zu hören bekommen: „Do no
ebbes gea (geben), dös wär jo Wasser en Bach traga."
Wer es versteht, seine Haltung und Gesinnung schnell
den jeweiligen Umständen anzupassen, damit er nirgendwo in Ungnade fällt, von dem heißt es: „Dear vestoht
es, sei Mäntele gega da Wend (Wind) zhänget." Was
gute und liebe Worte gegenüber ungebührlicher Strenge,
Härte und Gewalt für eine Macht und einen Vorteil haben, sagt das Sprichwort so: „Mit ama (einem) Tropfa
Honig fangt ma mai Flieaga als mit ama Faß vool Esseg."
Die Gestalt des Teufels nimmt in der Mundart einen
breiten Raum ein. Das ist nicht verwunderlich, wenn man
berücksichtigt, daß im Glauben, Denken und vor allem
in der religiösen Erziehung der Menschen in früherer
Maria Flad gestorben
Am 29. 11. 1973 verstarb in Freiburg i. B. Frau Maria E.
Flad, kurz nach Vollendung ihres 85. Lebensjahres. Maria Flad wurde 1888 in Burladingen als Tochter von Dr.
med. Joseph Burkarth geboren. Ihre Kinderjahre erlebte
sie in Empfingen. 1919 verheiratete sie sich mit Dr. Anton Flad aus Gammertingen. Von Jugend an war sie an
volkstümlichem Brauchtum und Sagen interessiert. Sie
schrieb Gedichte in Mundart und verfasste zahlreiche Er-
Zeit der Teufel eine große Rolle spielte. Er war der Inbegriff alles Bösen, Häßlichen, von allem Schlimmen,
Finsteren und Verwerflichem. So brachte und bringt man
teilweise auch heute noch, wenn auch mit mehr oder weniger Ernst - tiefe Abscheu, Verwunderung und Verwünschungen wie folgt zum Ausdruck: „Pfui Deifel! So
an Deifel! Gang zum Deifel, i will de nemme seah!"
Oder: „Dös ischt an Deifels Kerle! Dear ischt am Deifel
naus komma! Dear ischtam Deifel aus dr Butta (Gelte)
gjuckt! Dear (diea) ischt vom Deifel bsessa! Dear hot da
Deifel em Leib! Dear ischt no schlemmer als dr Deifel!
Dea wud (wird) dr Deifel schau no holla! Dös ischt an
schleachter Kerle, dear hot an Seel so schwa(r)z wia an
Deifel!" Und wenn einem eine Arbeit im höchsten Grade
bedrängt oder zuwider ist, dann „ischt es deifelmäßig".
Der Teufel wird in seinem unguten Wirken auch in allerlei Vergleichen angeführt. Wenn einer skrupellos und
ohne Rast und Ruh alles zusammenrafft, so hießt es:
„Dear ischt ufs Sach nei,wiea dr Deifel ufs Kreuz!" oder:
„Dear nemmts überhaupt wiea dr Deifel Baura!" Weiß
einer bald nicht mehr aus noch ein und gibt sich zuletzt
mit dem Geringsten zufrieden, dann hört man: „In der
Naot (Not) frißt dr Deifel Flieaga!" In der Volksmeinung hilft der Teufel auch stets zum Unrecht, zu denen,
die schon viel Hab und Gut, wenn auch nicht immer auf
ehrliche Weise zusammengescharrt haben. Da heißt es
dann drastisch: „Dr Deifel sch—ßt ällaweil nau uf da
graoßa Haufa, oder det (dort) na, mo schau ebbes ischt."
Der Teufel ist nach altem Volksglauben überall, flink wie
ein Eichhörnchen, hört und sieht mit. Drum wird bei Gefahr oder bei allzulautem Austausch von Heimlichkeiten
oft so gewarnt: „Leise, still; dr Deifel ischt a Aichhörnle!" Wer sich in einer oft geringfügigen Sache gegen vermeintliches Übelwollen von oben allzu starrköpfig zur
Wehr setzt, dem rät man: „Hör uff, du kommscht suscht
(sonst) ens Deifels Küche!" Muß man Schweres zugeben
oder etwas mit Schaden abtreten: „Dann eben in Deifels
Namen". Dreht einer eine unsaubere Sache, so heißt es:
„Do hot dr Deifel d' Hand em Spiel."
So äußert sich das Volkstum in der Mundart ungezwungen. Die besonderen Wahrheiten und Einsichten sind in
dessen Tiefenschichten beheimatet und werden mit der
Sprache weitergegeben. So wirkt die Vergangenheit auch
heute noch bewußt oder unbewußt in die Gegenwart
hinein.
zählungen und Sagen. Seit Gründung des „Zollerländle"
unter der Schriftleitung ihres Schwagers Dr. Eugen Flad,
war sie eine eifrige Mitarbeiterin. Auch in der „Zollerheimat" und nach dem 2. Weltkrieg in der „Hohenz.
Heimat" erschienen viele Beiträge von Maria Flad. Seit
20 Jahren lebte sie in Freiburg. Bis in ihre letzten Lebenstage war sie geistig beweglich. Sie schrieb noch an
ihren Jugenderinnerungen, als ihr der Tod die Feder aus
der Hand nahm.
57
OTTO WERNER
Lehrergehälter an der Stadtschule Hechingen 1835-1840
In seiner Arbeit über den ersten Landtag zu Hohenzollern-Hechingen in den Jahren 1835-1836 (Zeitschrift
für Hohenzollerische Geschichte, 7./8. Band, 1971/72)
kommt Landrat i. R. Dr. Hans Speidel auch auf die Petition der Lehrer um Gehaltsaufbesserung (S. 105-109)
zu sprechen. In der Tat waren die Lehrer des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen recht unterschiedlich besoldet; so erhielt damals der Oberlehrer in Burladingen
185 Gulden, der Lehrer in Bechtoldsweiler nicht ganz
70 Gulden, der in Weilheim sogar nur 45 Gulden; der
Unterlehrer von Grosselfingen bekam 25 Gulden jährlich. Der Abgeordnete Blumenstetter, der den Bericht
über die Petition der Schullehrer im Fürstentum um Gehaltsvermehrung erstattete, führte aus: „Kein Schullehrer
sollte . . . mit weniger als 300 fl., und kein Provisor mit
weniger als 150 fl. besoldet sein. Soweit aber bei uns es
bringen wollen, hieße, wenigstens unter den gegebenen
Umständen, das Unmögliche verlangen. Darum beantragt
ihre Commission einstweilen, für den Lehrer nur 140 fl.,
für den Provisor aber 70 fl. („Verhandlungen des ersten
Landtags zu Hohenzollern-Hechingen im Jahr 183536", S. 41) Die Landesdeputation beschloß denn auch mit
6 gegen 5 Stimmen, den Antrag der Kommission bei
Hochfürstlicher Regierung zu unterstützen
Es mag verwundern, daß kein Lehrer der Stadtschule
Hechingen die Petition unterzeichnete. Die Akten aus
dem Archiv des Kath. Pfarramts Hechingen (Rubrik
XXIII. Schulsachen / Betreff: Schulkommission) geben
uns über die Besoldung dieser Lehrer Auskunft.
Am 23. April 1836 richtete die Fürstl. Schulkommission
auf die „eingekommene Vorstellung der hiesigen Schullehrer Reiner, Bachmann und Kohler, um Gehaltsverbesserung so wie des Lehramts-Candidaten Abele um Anstellung als Schullehrer, und der Witwe des verst. Lehrers
Pfister um ein Gnadengehalt" einen Vorschlag an die
„Hochfürstliche Hochpreisliche Regierung". Dem Vorschlag wurden noch folgende Bemerkungen angefügt,
nämlich „daß 1) Dem Lehrer Reiner in Anbetracht seiner
Verdienste überhaupt, insbesondere aber auch, weil er mit
dem Vollzug verschiedenen Auftrags hinsichtlich der Leitung des Unterrichts sehr oft in Anspruch genommen
wird, den Titel Oberlehrer zu verleihen wäre. 2) Daß
der Candidatus Abele vorläufig nur provisorisch angestellt werden möchte - 3) Daß die Clause des Stadtmagistrats daß von den Lehrern keine Anmeldung bei der
Stadt um Gehaltvermehrung erfolgen solle, sich nicht auf
den dereinstigen Rückfall des Gratials der Wittwe Pfister
erstrecken könne, sondern daß der Betrag dieses Gratials
seiner zeit zur Aufbesserung des Lehrergehalts zu verwenden sey" - Bereits am 16. Mai 1836 kann die Fürstl.
Schulkommission dem Fürstl. Stadtamt zu Hechingen das
Ergebnis ihrer Bemühungen mitteilen: „Nachdem vermöge höchster Resolution die Anträge hinsichtlich auf die
Beförderung des Lehrers Reiner zum Oberlehrer an der
hiesigen Stadtschule wie die Gehaltsaufbesserung für denFußnote:
» D e m g e m ä ß l e g t e d i e R e g i e r u n g 1840 d e n G e m e i n d e n e i n e n G e h a l t v o n 140 fl. f ü r d e n e r s t e n , 100 fl. f ü r
d e n z w e i t e n , 70 fl. f ü r d e n d r i t t e n L e h r e r a u f ; d i e E i n k o m m e n b e z ü g e aus d e n M e ß n e r e i e n s o l l t e n e i n g e r e c h n e t w e r d e n .
D i e G e h ä l t e r d u r f t e n auch in A l l m a n d , H o l z g a b e n u s w . b e stehen, andere N a t u r a l i e n aber, w i e G a r b e n , Mehl, B r o d sollt e n in b a a r G e l d u m g e w a n d e l t w e r d e n . «
J . C r a m e r , die G r a t > d i u l t H o h e n ? . o l l e r n . S t u t t g a r t 1873. S. 445
58
selben und für die Lehrer Bachmann und Kohler, ferner
die provisorische Anstellung des bisherigen LehramtsCandidaten Abele als Lehrer mit angemessenem Gehalte
und die Bestimmung eines jährl. Gratials für die Wittwe
des verstorbenen Stadtlehrers Pfister gnädigst genehmigt
worden sind, so wird hiermit fürstl. Stadtamt davon in
Kenntniß gesezt." - An den Oberlehrer Reiner erging
denn auch am 18. Mai 1836 von der Fürstl. Schulkommission folgender Bescheid: "Auf das erfolgte Ableben
des Lehrers Pfister ist der Jahresgehalt des an der hiesigen Stadtschule angestellten Oberlehrers Reiner mit Georg. 1 J. anfangend folgender maßen regulirt worden.
Derselbe erhält
Aus der Stadtrechnerei die von dem verstorbenen Lehrer
Pfister bezogenen
302 f.
Von der Stadt 10 Klftr. Holz
nämlich
4 Klftr in Natura a: 6 f.
24 f.
4 Klftr. in Natura a: 6 f.
24 f.
für die übrigen 6 Klftr. je 6 f. 36f.
60 f.
Eben daher 10 M Veesen
a. 4 f.
40 f.
Vier M Haber
a. 3 f.
12 f.
Logis im Schulhaus
36 f.
450 f
Für den Lehrer Bachmann lautete der Bescheid:
„Derselbe erhält
Aus der Allmosenpflege wie bis her
Ebendaselbst die von Lehrer Pfister bezogenen
Aus der Mildenstiftung die bisher bezogenen
Aus der Gutleuthauspflege die vorher von
Lehrer Reiner bezogenen
Von der Stiftsverwaltung die bisher bezogenen
4 M Veesen a 4 f
Von der Stadt 3 M Veesen a 4 f
Eben daher 8 Klftr Brennholz nämlich
4 Klftr. in Natura a 6:
24/
für die weiter 4 Klftr. je 6 f
24
Logis im Schulhause nebst Gärtchen
150 f
38 f
20 f
6f
16 f.
Lat. 230 f
12
48 f
30 f
320 f
Alles in allem ein - gegenüber den Landlehrern, die um
Gehaltsaufbesserung eingekommen waren, - „fürstliches
Gehalt". Wie schwer es aber für den Provisor F. C. Sauter war,
mit 150 Gulden Gehalt jährlich sein Leben zu fristen, erhellt die herzerfrischende Bittschrift an die „Hochfürstliche, Hochlöbliche Ober-Schul-Commission" vom 2. August 1840: „Nothgedrungen erlaubt sich der Unterzeichnete Einer Hochfürstlichen Ober-Schul-Commission eine
Bitte vorzutragen.
Als ich im Jahre 1836 von der Fürstlichen Schulkommission geprüft und gleich darauf zum Lehrer an hiesiger
Schule provisorisch ernannt wurde; erhielt ich vom löbl.
Magistrate einen jährlichen Gehalt von 150 Gulden. Da sich aber während dieser Zeit vieles anders gestaltete
- indem sich die Pflichten von Jahr zu Jahr steigern
(: stets ist ja die Rede davon welch große Wirkungen man
von unserer Thätigkeit erwarte:) die Schülerzahl stets
vermehrt, die Holz-Frucht-Preise & täglich im Steigen
sind und ich trotz aller meiner Genügsamkeit kein Gleichgewicht zwischen meinem Verdienste und meinem Verbrauche herzustellen weiß: so wendete ich mich an den
löbl. Magistrat mit der Bitte - meinen Gehalt, rücksichtlich meiner zur Zufriedenheit meiner Vorgesetzten treuen
und eifrigen Pflichterfüllung - zu erhöhen. Was ich nie vermuthet hätte, geschah d.h. ich wurde mit
meiner Bitte abgewiesen obschon ich für jetzt damit zufrieden gewesen wäre (: was ich in der Supplik deutlich
anführte) wenn man mir doch wenigstens einige Klafter
Holz gegeben hätte um doch im Winter nicht zu erfrieren
oder wenigstens eine Krankheit zuziehen. - Allein was
konnte ich thun. Ein löbl. Magistrat hatte gerade im Jahr
1836 einige Zeit vor meiner Anstellung beschlossen, daß
kein Lehrer berechtigt sein sollte um Zulag einzukommen
(!!) und auf den Grund dieses Protokolls wurde ich mit
meiner Bitte abgewiesen. Daß es aber zuletzt aufs Verhungern hinausgeht bis die
hiesige Gemeinde etwas aus freiem Willen gibt davon bin
ich überzeugt und gerade der Hunger ist es der sich am
wenigsten in die ihm angesonnene Subordination fügen
will. So war also meine Lage vor wie nach meinem Gesuch um
Gehaltserhöhung, traurig und ich konnte nun (wie immer)
nichts Klügeres thun, als die wenigen Stunden die mir
die Schule übrig läßt zu einem Nebenerwerb anwenden
d.h. ich mußte wieder durch Privatinformationen so viel
zu erwerben suchen um doch so viel möglich meine Ausgaben bestreiten zu können. Leider kommt auch bei diesen Privatinformationen nicht viel heraus und bin also
genöthigt täglich 4-5, 6 Stunden zu informiren. Muß ich
aber nicht durch dieses immerwährende Informiren meine
Gesundheit vor der Zeit einbüßen? Und welcher Staatsoder höhere Commundiener möchte wohl 4 Stunden
Schule halten und dann noch 4-5 Stunden in Häusern
informieren? Und mit diesen 8-9 Stunden ist noch nicht
alles abgethan, der Lehrer soll beständig in pädagogischem & Athem erhalten werden: er soll pädag. Zeitschriften lesen & und um sich immer mehr in seinem
.
lilöiw
ftofu M (Ölfiiici (Usili
Fache zu vervollkommnen Sc - Wahr ist, daß der Unterricht im Zeichnen, in französischer (oder lat.) Sprache
besser bezahlt wird; allein ich fand während meiner Präparandenzeit keine Gelegenheit weder das eine noch das
andere so zu lernen um es wieder mit gutem Erfolge zu
lehren. —
I wende mich daher an Eine Hochfürstliche Ober-SchulCommission mit der gehorsamen Bitte
'mir die Erlaubniß auf ein Jahr zu ertheilen
mich im Zeichnen, französischer Sprache & am
'Würtemb. katholischen Schullehrerseminar in
'Gmünd zu vervollkommnen.' Ich halte es für unumgänglich nothwendig hier anzuführen, daß es mir während dieser Zeit (: in welcher ich mich
an einem Lehrerseminar aufhalten möchte :) nicht bloß
darum zu thun wäre mich im Zeichnen & zu vervollkommnen. - Nein! - Meine Hauptabsicht, mein sehnlichster Wunsch ist - zum künftigen Schulmann gebildet
zu werden. Daß ich diesen Zweck nirgends besser als in
einem Lehrerseminar erreichen kann wird Eine Hochfürstl. Ober-Schul-Commission wohl zugeben; - Auch
das Gelderwerben ist nicht der Impuls, warum ich mich
zu vervollkommnen suche. - O nein! sondern um später
mit mehr Nutzen und größerem Vortheile für andere in
meinem Amte zu wirken, und überhaupt: um bei meiner
Zurrückkunft, wo dann Herr Lehrer Kohler eine PrivatRealschule errichtet haben wird, vereint mit ihm zu wirken (:daß dieser Gedanke bei Jedermann freudigen Anklang gefunden hat, davon bin ich überzeugt:) - wo
dann auch ich mein Schärflein dazu beitragen werde, daß
unsere Stadt auf den stürmischen Wogen der gegenwärtigen Concurrenz nicht untergehe, sondern ihre bessere
Existenz durch Erweiterung und Erhöhung technischer
Kenntnisse und Fertigkeiten - sichert. In der angenehmen Hoffnung mit meiner Bitte nicht abgewiesen zu werden verharre ich mit unbegrenzter Hochachtung Einer
Hochfürstlichen, Hochlöblichen Ober Schul-Commission
ergebenster F. C. Sauter, prov. Lehrer."
Genau vor }o Jahren,
zur Jahreswende
von 192}
auf
1924,
endete der Spuk der Inflation.
Die Tageszeitungen
landauf,
landab
haben im ablaufenden
Jahr vielfacher
lokaler
Geldprägungen
von damals gedacht. Wir wollen
mit diesen
drei
Aufnahmen
unser Teil dazu beitragen.
Sie zeigen laut
Aufschrift Notgeld
des hohenz. Kommunalverbandes.
Die
Gruppierung auf dem jo-Mark-Schein
mit den Gestalten,
Wappen
und Bannern
sieht man noch heute in Glas im Aufgang
des
Landeshauses
in
Sigmaringen.
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59
MANFRED STÜTZLE
Die Burg Hohenzollern und ihre nähere Umgebung im Dreißigjährigen Krieg
A. EINLEITUNG
Der vorliegende Aufsatz versucht, abrißartig das vordergründige Geschehen um die Burg Hohenzollern und ihre
nähere Umgebung zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges
zu schildern. Dabei können die in diesem Zusammenhang
interessanten Fragen der unmittelbaren Kriegseinwirkungen wie Einquartierungen, Bevölkerungsverluste etc. hier
nicht untersucht werden.
Obwohl der Krieg selbst erst Ende 1632 auf Hohenzollern übergriff, kam es doch schon sehr früh mit ihm in
Berührung: Der Albpaß bei Burladingen bildete einen
wichtigen Durchmarschpunkt für viele Heere in Richtung
Oberschwaben und Neckartal. Auch die Handelsstraße
Frankfurt-Schaffhausen, die an Hechingen und am Fuße
der Burg vorbeiführte, wurde viel von Soldaten benutzt.
1. Zur politischen Lage der Grafschaft vor dem Ausbruch
der Kriegsereignisse in Süddeutschland.
Die katholische Grafschaft Hohenzollern-Hechingen gehörte der unter der Führung des Herzogs von Bayern
stehenden katholischen LIGA an, die in Verbindung mit
der Macht Kaiser Ferdinand II. über die protestantischen
Stände das Übergewicht errungen hatte. Im Osten grenzte
die Grafschaft an Hohenzollern-Sigmaringen, im Westen
an Hohenzollern-Haigerloch. Diese beiden Grafschaften
waren österreichische Lehen. Im Süden und Norden bildete das evangelische Württemberg die Grenze.
Graf Johann-Georg, der von 1605 bis 1623 regierte, widmete sich unter den Kaisern Rudolf II., Mathias und Ferdinand II. dem Staatsdienst und stieg bis zum Reichshofratspräsidenten empor. Seine dadurch bedingte häufige
Abwesenheit gab den Untertanen die Möglichkeit, sich
gegen die drückenden Lasten, Vorenthaltung der freien
Pirsch, Frondienst beim Ausbau der Zollerburg usw. des
Landesherrn aufzulehnen, wie die Rebellionen 1605 und
1619 erkennen lassen. Hier zeigte sich auch die innere
Ungefestigtheit der Grafschaft zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges.
Wohl als Dank für die geleisteten Dienste wurde Graf
Johann-Georg am 28. März 1623 auf dem Regensburger
Reichstag zum Reichsfürsten erhoben.
2. Zur militärischen Lage
Als ob Graf Johann-Georg geahnt hatte, was dem Land
bevorstand, hatte er im Jahre 1617 mit dem Ausbau der
Burg Hohenzollern zur Festung begonnen. Allerdings
sind aus den darüber vorhandenen Rechnungen keine genauen Aufschlüsse zu erhalten, was gebaut wurde. Bis
zum Tode des Fürsten im Jahre 1623 wurden im nördlichen Flügel Rüstkammern und Zeughaus neu gebaut.
Vermutlich wurde auch der südliche Flügel neu aufgebaut. Erwiesen ist, daß in der Zeit von 1618 bis 1623 die
Basteien der Burg gebaut wurden.
Die Burgbesatzung war in der damals üblichen Weise mit
Harnisch, Schützenhauben und Hakenbüchsen bewaffnet.
Neben den vorhandenen 5 Geschützen wurden für die
Burg Hohenzollern vor dem Krieg 10 neue angeschafft.
60
B VORBOTEN DES KRIEGES
Truppenbewegungen.
in Hechingen.
Das Werbebüro
Wallensteins
In den ersten anderthalb Jahrzehnten des Dreißigjährigen Krieges bekam unsere Gegend verhältnismäßig wenig
von ihm zu spüren, denn die Kampfgebiete lagen in
Norddeutschland, Böhmen und der Pfalz. Truppen, die
aus dem österreichischen Breisgau und aus dem Elsaß nach
Böhmen geführt wurden, marschierten dabei durch das
Fehla- und Killertal.
Diese anfangs vereinzelten, später zahlreicheren Truppendurchzüge - verbunden mit Einquartierungen und
als Folge davon eine Teuerung - waren bis zum Ende
der zwanziger Jahre die Hauptlasten des Krieges. Doch
genügten diese indirekten Kriegseinwirkungen schon, um
die betroffene Bevölkerung in Armut und Elend zu stürzen.
Ein amtliches Hechinger Schreiben vom 27. Oktober 1621
verordnet, daß sich die Einwohner Tag und Nacht in den
Wohnungen finden lassen sollen, daß bei Tag und Nacht
in den umliegenden Dörfern und auf dem Feld gut Wache gehalten und alles, was von Soldaten bemerkt werde,
auf dem schnellsten Wege nach Hechingen gemeldet werden solle.
Am 15. Juli des folgenden Jahres bestimmte der Generalleutnant des Schwäbischen Kreises, Graf Egon von
Fürstenberg, die Stadt Hechingen zum Sammelplatz für
die Landwehr und die Schanzer. Heranrückende gegnerische Truppen sollten durch 3 Glockenschläge angezeigt
werden.
Nachdem sich aber der Krieg nach Niedersachsen verlagert hatte, wurden in unserer Gegend die Aufzeichnungen über Truppenbewegungen spärlicher. Ab dem Jahr
1628 werden die Truppendurchzüge wieder zahlreicher,
da die ligistischen Truppen in Schwaben ins Winterquartier gingen.
Als der württembergische Herzog Friedrich sich von der
protestantischen Union trennte und 1622 in Heilbronn
die Anerkennung der Neutralität seines Landes erreichte,
ließ Wallenstein daraufhin in Württemberg Werbeämter
einrichten. Auch Hechingen erhielt im Jahre 1627 ein solches Werbeamt. Die dafür abgeordneten Soldaten mußten
selbstverständlich auf Kosten der Stadt verpflegt werden.
Seit März 1628 lag eine kaiserliche Kompagnie in der
Grafschaft Hechingen und blieb bis zum Frühjahr 1629,
obwohl Fürst Eitelfriedrich um Abzug bat, da die Grafschaft zu verarmen drohe.
Der Grund für die Verarmung der von Truppendurchzügen und Einquartierungen betroffenen Bevölkerung liegt
im Heerwesen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges:
Noch gab es keine stehenden Heere. Bei einem Krieg
wurden vom „Kriegsherr" Truppen geworben und nach
dem Krieg wieder entlassen. Dazu bevollmächtigte er
einen Führer, der Werbeplätze und einen Musterplatz
suchte, an dem sich die Geworbenen sammelten. Die
Heere hatten kein geregeltes Nachschubwesen, die gesamte Verpflegung wurde den Bewohnern der Gebiete
auferlegt, durch die marschiert wurde. Die meisten Soldaten hatten Weib und Kind bei sich, die ebenfalls mitversorgt werden mußten. Der Troß umfaßte daher oft
ebensoviel Personen, wieviel Soldaten beim Heer waren.
Das Einfalltor, durch das die meisten Truppen kamen,
war der Albpaß bei Burladingen. Plündernd und die Bevölkerung erpressend, zogen sie das Killertal abwärts
nach Hechingen. Diese und entsprechend die umgekehrte
Marschrichtung läßt sich an den Chronikeinträgen der
Orte im Killertal genau verfolgen, die fast überall gleich
lauten.
Daß sich Truppen, die in einem Ort Quartier machten,
auch aus anderen Orten meist unter Androhung von Gewalt Lebensmittel besorgten, ist z. B. aus der Chronik
von Jungingen ersichtlich, wo es 1629 heißt:
„Item 500 zue Fuß samt viler von Lindau uns zue
gmarschiert, sy zu Burlendingen eine Nacht quartiert und wir dahin zu Hilf gaben 5 Malter Haber
zu je 4 G. . . . Als ermelte Völker von uns gen Aubingen glossiert, mußten wir ihnen dahin zu Hilf
geben 42 G."
C. DIE KRIEGSEREIGNISSE
1. Die Verteidigung der Burg und ihre Übergabe an
Württemberg
Durch das Eingreifen der Schweden auf protestantischer
Seite erfuhr der Krieg einen Umschwung, der sich in den
folgenden Jahren in unserer Gegend sehr stark bemerkbar machen sollte.
Als sich das bisher schwankende Württemberg endgültig
auf die schwedisch-protestantische Seite schlug, erschien
anfangs 1633 die schwedische Armee unter Feldmarschall
von Horn in Württemberg. Die Burg Hohenzollern, die
den Zugang zum Neckar- und zum Donautal kontrollierte, mußte auf die Truppen wie ein Magnet wirken.
Der junge Herzog Eberhard III. von Württemberg hatte
inzwischen von den Schweden u. a. die Herrschaft Hohenzollern-Haigerloch geschenkt erhalten. So war das
Fürstentum Hechingen von 3 Seiten von den Württembergern eingeschlossen. Herzog Eberhard wartete nur auf
eine günstige Gelegenheit, sich das kleine Ländchen einzuverleiben. Diese kam, als die Schweden heranrückten.
Graf Karl von Haigerloch zog sich auf die Burg Hohenzollern zurück. Der schwedische Oberst von der Brenken
besetzte das Land und die Stadt Hechingen, die von nun
an allerlei Plünderungen zu ertragen hatten. Da die 40
Mann Zollerbesatzung unter dem Kommando des Leutnants Mathäus Weinmann aus Hechingen ebenfalls durch
Plünderungen ihren Proviant besorgen mußte, wurden
auch einige benachbarte württembergische Dörfer in Mitleidenschaft gezogen. Daraufhin erteilte Herzog Eberhard am 3. Juli 1633 seinem Oberst und Kriegsrat Jost
Faber den Befehl, „zur Blockade desselben ( = des
Zollers) zu schreiten und zu suchen, solchen auf jede
Weise in Besitz zu bekommen".
So erschienen am 5. Juli 2 Kompagnien zu Fuß und 1
Kompagnie zu Pferd und besetzten die Stadt. In die zwischen Hechingen und der Burg gelegene Heiligkreuzkapelle wurde eine Wache gelegt. Die Zollerbesatzung
wagte kühne Ausfälle und lockte die Belagerer - meist
schnell ausgehobene württembergische Bauern - immer
wieder in Hinterhalte. Als Antwort darauf zogen die
Württemberger den Ring um die Burg immer enger und
luden den zollerischen Untertanen noch mehr Abgaben
und Lasten auf, so daß diese den abwesenden Fürsten
Eitelfriedrich inständig baten, Hauptmann Weinmann zu
veranlassen, die Belagerer nicht noch mehr zu reizen. Indes wuchs die Not der Belagerten immer mehr. Nachts
mußten kleine Kommandos durch einen unterirdischen
Gang und durch die Reihen der Belagerer schleichen, um
Lebensmittel aus Hechingen und den umliegenden Orten
zu besorgen, was mit der Zeit immer schwieriger wurde.
Da sich auch das Verhältnis zwischen Graf Karl und
dem Burgkommandanten Weinmann immer mehr trübte,
verschlechterten sich die Aussichten der Belagerten zusehends.
Durch die Gefangennahme eines Boten, der Briefe des
Fürsten Eitelfriedrich und einiger kaiserlicher Feldherren
bei sich trug, erkannten die Belagerer die prekäre Situation der Burgbesatzung. Graf Karl beschloß, selbst nach
Überlingen ins kaiserliche Heerlager zu reiten, um Hilfe
zu erbitten. In der Nacht zum 23. Dezember 1633 schlich
er sich mit 4 Begleitern durch den Ring der Belagerer und
entkam. Erfolglos geblieben, starb er im März 1634 in
Überlingen.
Inzwischen war die Lage auf der Burg aussichtslos geworden. Proviant und Munition waren völlig ausgegangen,
selbst das Wasser mußte außerhalb der Burg im sog.
„Fuchsenloch" auf der nordwestlichen Seite des Zollerberges geholt werden. Schließlich bedrängten die Soldaten
den Kommandanten Weinmann, um ihrer Weiber und
Kinder willen die Burg zu übergeben. So schloß am
3. April 1634 Herzog Eberhard mit Weinmann nach
neunmonatiger Belagerung die Übergabe der Burg an
Württemberg ab.
Vor dem Abzug hielt sich die Burgbesatzung an den aufbewahrten Wertsachen für den geschuldeten Sold schadlos. So wurde u. a. der Schatz des Klosters Stetten geraubt.
2. Die Belagerung und Besetzung der Burg durch die
Bayern
Für einen Zeitraum von fast IV2 Jahren lag nun eine
württembergische Besatzung von zunächst 38 Mann auf
der Burg. Sie verproviantierte sich ebenfalls nach dem
Grundsatz „Der Krieg ernährt sich selbst", was schon im
Mai Herzog Eberhard veranlaßte, seinen Oberamtmann
in Hechingen aufzufordern, nach dem rechten zu sehen.
Daraufhin wurde ein Albrecht Schmidtlapp zum Kommandanten der Zollerburg berufen.
Der Sieg Kaiser Ferdinands bei Nördlingen am 6. September 1634 bereitete der württembergischen Herrschaft
im Zollerland ein Ende. Herzog Eberhard mußte aus
Stuttgart nach Straßburg fliehen, seine Räte und Beamten
wurden aus Hechingen vertrieben, aber die württembergische Besatzung blieb auf der Burg.
Kurfürst Maximilian von Bayern, das Haupt der katholischen Liga, ließ im Juli die Burg mit relativ schwachen
Kräften einschließen. Erst im Herbst wurde die Belagerung unter dem neuen bayerischen Kommandanten von
Karthausen mit Nachdruck angegangen. Dieser bediente
sich einer List: Eines Nachts hörte die Burgbesatzung am
Fuße des Berges großen Lärm und Schüsse. Am folgenden
Morgen meldete ein bayerischer Bote dem Kommandanten Schmidtlapp auf der Burg, daß ein an ihn geschickter
Kurier gefangengenommen worden sei. Gleichzeitig übergab er ein Schreiben Herzog Eberhards, in dem dieser die
Übergabe der Burg befahl.
Da Unterschrift und Siegel des Herzogs echt waren, bestand für Schmidtlapp kein Grund, an der Echtheit des
Schreibens zu zweifeln. Doch erst nach 14tägiger Bedenkzeit, in der auch Lebensmittel und Munition knapp geworden waren und die Pest die Besatzung dezimiert hatte, entschloß sich Schmidtlapp zur Kapitulation.
Als die württembergische Besatzung bei Herzog Eberhard in Straßburg ankam, wurde erst die List entdeckt.
Oberst von Karthausen hatte bei der Besetzung Hechingens im Schloß ein unbeschriebenes Blatt Papier mit des
61
Herzogs Siegel und Unterschrift gefunden. Diese Gelegenheit hatte er entschlossen ausgenützt.
Die neue - diesmal bayerische - Burgbesatzung stand
ihren Vorgängern in nichts nach. Deshalb wandte sich
1636 die Hechinger Regierung an Fürst Eitelfriedrich,
der sich bei Wallenstein befand, und bat ihn, die bayerische Besatzung durch eine zollerische unter dem früheren
Burgkommandanten Weinmann ersetzen zu lassen. Diesen Wunsch konnte Eitelfriedrich jedoch erst im Mai 1637
durchsetzen.
Doch Kurfürst Maximilian schien sich nicht mit dem Verlust der Burg abfinden zu wollen. Im Juli 1639 schrieb
er an seinen Feldzeugmeister von Mercy, der sich bei Tübingen befand, er solle sich „unterm Prätext, das Haus
zu besichtigen, sich dessen (zu) bemächtigen . . .".
Wieder bedienten sich die Bayern einer List. Mercy ließ
sich in der Nähe der Burg sehen und von Graf Leopold
zu einer Besichtigung einladen, lehnte aber pro forma ab,
da er nur wenige Begleiter mitgenommen hatte, um keinen Verdacht zu erwecken. Am anderen Tag schickte er
einen Oberst, der mit einer Gräfin von HohenzollernSigmaringen verheiratet war, auf die Burg. Arglos öffneten die Wachen auch dem nachfolgenden von Mercy
das Tor und wurden sogleich überrumpelt.
Als Fürst Eitelfriedrich die neuerliche Besetzung der Burg
erfuhr, befahl er von Wien aus den Abzug der Bayern.
Doch dieser Befehl wurde nicht befolgt.
Obwohl der am 24. Oktober 1648 geschlossene Friede
von Münster und Osnabrück, der sog. Westfälische Friede, den Dreißigjährigen Krieg beendete, war für unsere
Gegend das Kriegsende noch nicht Wirlichkeit geworden.
Noch 2 ganze Jahre hielten feindliche Soldaten das Fürstentum besetzt, bis die rückständigen „Satisfaktionsgelder" bezahlt waren. So mußte die Hechinger Regierung
an die Schweden 2935 fl. bar nach Ulm abliefern.
Auf der Burg hauste die bayerische Besatzung nicht viel
anders als in Feindesland. Sie litt Not und nahm u. a.
1649 den Hechinger Bauern das Vieh von der Weide am
Zollerberg, so daß es sogar zu einem bewaffneten Konflikt kam, in dessen Verlauf Kurfürst Maximilian die
Stadt vorübergehend besetzen ließ. Erst im Juli 1650 zogen die Bayern ab, die Burg kam wieder in zollerischen
Besitz.
Hauptsächlich benutzte
Literatur:
Baur, Fidelis: Geschichte der hohenzollernschen Staaten H e chingen und Sigmaringen. Sigmaringen 1834
Cramer, ].: Die G r a f s c h a f t H o h e n z o l l e r n - ein Bild süddeutscher Volkszustände 1400-1850. S t u t t g a r t 1873.
Egler, Ludwig: C h r o n i k der S t a d t Hechingen, Hechingen 1906.
Eisele, Karl-Friedrich:
Studien zur Geschichte der G r a f s c h a f t
Zollern und ihrer N a c h b a r n . S t u t t g a r t 1956.
Heinz: Die Hohenzollernschen L a n d e w ä h r e n d des D r e i ß i g jährigen Krieges. I n : Mitteilungen des Vereins f ü r Geschichte und A l t e r t u m s k u n d e in H o h e n z o l l e r n . X X X I J a h r g a n g
1897/98.
Krezdorn, Siegfried: K a r l , der letzte Graf von H o h e n z o l l e r n Haigerloch - ein Lebensbild. I n : Hohenzollerische Jahreshefte, 11. Band, 1962.
Manns, P.: Geschichte der G r a f s c h a f t H o h e n z o l l e r n im 15. und
16. J a h r h u n d e r t (1401-1605), Hechingen 1897
Stellien: Nachrichten über die königliche S t a m m b u r g H o h e n zollern. Berlin 1863.
Weiler, Karl: Württembergische Geschichte. 1. A u f l a g e , Berlin
u n d Leipzig 1916.
WALTHER FRICK
Gute Beispiele verderben (hoffentlich) schlechte Sitten
Für die Geschichtsfreunde in Hohenzollern war es nie
eine Frage, daß sie auch Heimatfreunde sind; wer sich
liebevoll mit der Vergangenheit befaßt, ist wenigstens tamquam desint vires - mit dem Herzen auch ein Schützer des überkommenen Gutes. Aber: ewig still steht, nach
Schiller, die Vergangenheit. Das heißt hier, daß die Zeugnisse, Urkunden, Siegel alle wohlverwahrt in den Archiven vorhanden sind. Ihnen geschieht nach menschlichem
Ermessen nichts Böses. Viel trauriger sieht es aus, wenn
man durch die Lande fährt und Verfall und Abbruch
sieht. Man kann nicht alles retten, aber wem ist das einzige Fachwerk - und zugleich das älteste Haus in Krauchenwies dieses Jahr zum Opfer gefallen? Dem Straßenverkehr. Warum will das Landesstraßenbauamt das
Strüb-Haus in Veringenstadt abbrechen lassen? Wegen
des Straßenverkehrs. Warum haben sich viele Sigmaringer Bürger gegen das Abholzen von nur zwei Bäumen
so erbittert gewehrt in den letzten Wochen? Weil sie meinen, daß damit unnützerweise wieder ein Stück Vergangenheit dahingeht; hier ist es das schwer zu beschreibende
Atmosphärische einer ganzen Straße, der Karlstraße.
(Siehe Schwarzwälder Bote vom 2. November und
Schwäbische Zeitung vom 6. November.
Man kann freilich nicht alles retten, und im Fall des
Hauses des Malers Peter Strüb, der - vielleicht - der
Meister von Meßkirch war, ist den Veringenstädtern
schwerlich das Recht auf eine Umgehungsstraße zu bestreiten, bei dem gigantischen Verkehrsaufkommen im
Tal der Laudiert. An der Stelle des Strübhauses soll ein
Tunnel beginnen. Was einst strategisch eine glänzende
62
Leistung war, nämlich die Stadtgründung in dieser wohlgeschützten Lage von Veringenstadt, das ist heute die
Verzweiflung der Straßenbauer. Das muß man auch sehen. Dennoch glaube ich, daß Vieles unnütz zerstört
wird. Zum Beispiel schätze ich mich glücklich, noch ein
richtiges Stück mittelalterliche Hinterhaus-Romantik als
Kind spielend erlebt zu haben. Hinterhaus nicht im Sinn
von Zille und sein Miliöh, sondern ich meine den mit
Katzenköpfen gepflasterten Hof der „Traube" in Sigmaringen, der in Jahrhunderten sich kaum verändert haben
dürfte. Da kam der Bierfuhrmann in den 30er Jahren
noch mit Roß und Wagen. Es gab ein hölzernes Flügeltor, verwinkeltes (und allerdings auch verpinkeltes)
Fachwerk, und das Ganze wirkte so, wie ein Holzschnitt des 16. Jahrhunderts oder ein holländischer Maler
der gleichen Zeit so etwas zeigt. Heute ist alles sauber,
luftig und mit Asphalt zugedeckt.
Aber es soll ja die Rede sein von guten Beispielen, die
dem einen Riegel vorschieben könnten. Nun, die Gebrüder Schoser in Trochtelfingen haben vor mehr als zehn
Jahren ja wohl wirklich Stadtgeschichte gemacht, als sie
nach und nach sieben Fachwerkhäuser aus dem Putz
schälten, und ihre Stadt damit unendlich bereicherten.
Mit dem Werdenbergischen Schloß und der Kirche, in den
letzten etwa fünfzehn Jahren nach und nach renoviert,
das Mesner-Haus nicht zu vergessen, hat Trochtelfingen
wieder ein Gesicht, s e i n Gesicht, zurückerhalten. Oder Feldhausen, worüber Dr. Herbert Burkarth unlängst in diesem Heft berichtete mit seinem „Ritterhaus".
Hier neben steht ein Bild eines ebenfalls erst in den letz-
Das VUsinier
Clubhaus
der
Fotografen.
ten Monaten wieder hergestellten Fachwerkhauses, das in
Vilsingen steht und in unsagbar jämmerlichem Zustand
war. Was wurde daraus? Das Haus eines lokalen Filmund Foto-Amateurclubs! Die Mitglieder haben es selber
mit großer Mühe und in vielen hundert Arbeitsstunden,
ohne Denkmalpflegemittel, innen wie außen so hergerichtet. Innen ist alles hochmodern und auf die Bedürfnisse
dieses Clubs zugeschnitten mit Archivschränken, Studio,
Dunkelkammer und dergleichen. Aber außen hat nun
Vilsingen wieder eine Schönheit mehr. Dieses Fachwerk
ist gewiß keine feine Arbeit und die Proportionen sind
nicht berühmt. Aber in die Reihe der guten Beispiele
gehört es ganz bestimmt und verdient damit einen Platz
in der Hohenzollerischen Heimat.
Wieviel schon vor unseren Lebzeiten verloren ging, mag
auch das große Bild zeigen, das Dr. Burkarth aus den
Glas-Negativbeständen der Bücherei in Hechingen kopiert hat. Es erschien vor einigen Monaten bereits im
Schwarzwälder Boten mit der Frage, ob jemand wüßte,
wo das gewesen sein könnte. Es hat sich niemand gemeldet, weshalb das Bild hier noch einmal gezeigt sein soll.
Da die Aufnahme aus der Landesbücherei stammt, müßte
es ja wohl in Hohenzollern entstanden sein. Vielleicht
geben die Häuser im Hintergrund einen Anhalt; die
könnten ja heute noch stehen. Das Bild selber wird, grob
gerechnet und in Anbetracht dessen, was die Leute anhaben, zwischen vielleicht 1870 und 1900 entstanden sein.
Es zeigt den Abbruch des einst sicherlich schönen Hauses,
das heute eine Zierde wäre, stünde es noch. Wo dergleichen Häuser noch stehen, etwa in Büsingen das Haus, in
dem die Schaffhausener den Eberhard im Thurm gefangennahmen, s i n d sie wohlgepflegte Zierden ihrer Gemeinden.
J O H A N N ADAM KRAUS
Maximilian Schaitel gestorben
Am Dienstag, den 4. Dezember 1973 verstarb im Kreiskrankenhaus Hechingen der weitum bekannte Heimatforscher Diplomlandwirt Maximilian Schaitel im Alter
von 82 Jahren. Der Verstorbene, der lange Zeit in Sigmaringen und zuvor in Hechingen lebte, hat zahlreiche
heimatkundliche Beiträge für Tageszeitungen und Heimatblätter, auch das Gemeindeblatt Heiligenzimmern verfaßt.
Geboren wurde er am 10. Oktober 1891 in Heiligenzimmern als ältester Sohn einer kinderreichen Bauernfamilie.
Er besuchte das Gymnasium und studierte nach dem Abitur in Straßburg. Kurz nach Kriegsausbruch 1914 wurde
er jedoch zum Militär eingezogen und diente beim Infanterieregiment i n in Rastatt. Mehrmals wurde er
schwer verwundet. Als Kompanieführer geriet er schließlich in britische Gefangenschaft. In einem Lager in den
schottischen Bergen zog er sich eine tückische Krankheit
zu, die ihn sein ganzes Leben lang plagte.
Wieder in Freiheit, studierte er in Bonn auf der landwirtschaftlichen Hochschule und legte das Staatsexamen als
Diplomlandwirt ab. Wegen des Kriegsleidens konnte er
den Beruf allerdings nicht ausüben. Er kam als Angestellter unter Landrat Paul Schraermeyer an das Landratsamt
in Hechingen und betreute die Kriegsversehrten und
Kriegshinterbliebenen von 1928 bis 1938. Dann übte er
dieselbe Tätigkeit auf der Landesfürsorgestelle bei der
Hohenzollerischen Landeskommunalverwaltung in Sigmaringen aus.
Am 24. Oktober 1938 verehelichte er sich (hier in Sigmaringen) mit Maria Magdalena Wienold. Mit ihr konnte
er sich in einem stillen heimeligen Winkel in der idyllischen Residenzstadt niederlassen. Neben seiner Arbeit im
»Verband der Kriegsbeschädigten« galt sein besonderes
Interesse der Heimatforschung und der Bibliothek im
Landeshaus. Man sah ihn noch im Ruhestand fast täglich in den Archiven in Sigmaringen, bis sein Leiden ihn
am Ausgehen hinderte. Er war eifrig im Hohenzollerischen Geschichtsverein tätig und wurde später Ehrenmitglied. Seine kundigen Beiträge wurden von den Redaktionen der Heimatblätter gern angenommen. Immer war
er erfüllt von einem Drang nach Wissen und sein unermüdlicher Forschergeist förderte manches Wertvolle zutage.
Maximilian Schaitel war ein schwäbischer Bauernsohn
und in seinem Heimatboden und seinem überkommenen
katholischen Glauben verwurzelt. Jeder, der ihn kannte,
mußte ihn achten und ihm Wertschätzung entgegenbringen. Er machte auch kein Hehl aus seinen Enttäuschungen
wegen der derzeitigen Wirrnissen seiner geliebten Kirche.
Im Oktober dieses Jahres 1973 begab sich der Betagte mit
seiner ebenfalls gebrechlich gewordenen, aber ihn liebevoll
betreuenden Frau nach Haigerloch ins St.-JosefshausAltenheim. Hier waren ihm nur wenige Wochen vergönnt,
bis er aus diesem Leben abberufen wurde. Ein großer
Freundes- und Bekanntenkreis wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Am 7. Dezember hat man ihn in seiner
Heimat Heiligenzimmern zur letzten Ruhe gebettet.
63
J O H A N N ADAM KRAUS
Die Daigger : Herkunft, Name und Verbreitung
Über die Familien Daigger in Ringingen und anderswo
wurde in Hohz. Heimat 1967, 60-61 berichtet. Inzwischen haben sich neue Gesichtspunkte ergeben sowohl zur
Erklärung des Namens, als auch über dessen Verbreitung.
1) Zum Namen wurde damals gesagt, er werde manchmal als Teiger erklärt, was einen Mann bezeichne, der
mit Teig umgeht, also einen Bäcker. Diese Deutung kann
in keiner Weise befriedigen, vor allem nicht, wenn man
die verschiedenen geschichtlichen Namensformen vergleicht. Zwar finden wir im Jahre 1622 in Ringingen
einen Christian Daikher, 1637 einen Michael Daiger, im
herrschaftlichen Urbar von 1728 heißen viele bzw. alle
Vertreter dieses Namens Daiker, auch ist 1735 ein Aureli
Daicker bzw. Daygker erwähnt, während die Kirchenbücher schon seit 1680 ausschließlich die Form Daigger verwenden. Man schrieb offenbar rein nach dem Gehör! Jedoch im Jahre 1615 erscheint in Ringingen ein Melchior
Deckher, der als Vater obigen Christians und Michaels
angesehen werden muß. Dieser Melchior gab damals aus
2 herrschaftlichen Jauchert im hinteren Täle auf Kirchholz
8 Simri Frucht als Landgarbe, hatte aber sonst keine
Grundstücke. In Ringingen wohnte 1595 als Frau des
Hans Mauz eine Katharina Deuckherin, Tochter des verstorbenen Hans Deuckher von Schlatt. Und zum Überfluß findet sich obiger Melchior i. J. 1606 als Melchior
Degger, herrschaftlicher Viehhirt zu Ringingen, der dann
1609 als Melchior Teuger, bzw. Deuger die herrschaftlich
fürstenbergischen Ochsen daselbst hütete. Er dürfte identisch sein mit dem Melchior Deückher zu Hausen i. Kill.,
der am 15. Nov. 1595 die Anna Schmidtin von Ringingen heiraten durfte, die sich von der Leibeigenschaft Fürstenbergs löste und zollerisch wurde. Später ist dieser
Eintrag durchgestrichen, weil beide offenbar wegzogen,
nämlich nach Ringingen. Deückher hatte nur 1 Jahr in
Hausen gelebt. Denn die dortige Namensliste (f.h. Arch.
Sigm. R 103, 22) meldet: Ein Schneider Melchior Deckher
von Salmendingen hat hier mit seiner Frau Margaretha
Maier am 5. November 1594 das Bürgerrecht erlangt. Es
handelt sich wiederum um den gleichen Mann, dessen
erste Frau offenbar früh starb, worauf der die Ringinge-
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerisdien
Geschichtsverein in V e r b i n d u n g mit den Staatlichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. Verlag: HohenzollerischerGesdiichtsverein
748 Sigmaringen, K a r l s t r a ß e 3. Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen,
K a r l s t r a ß e 10.
Die Zeitschrift „Hohenzollerische
Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n z o l l e r n mit
der Geschichte ihrer H e i m a t v e r t r a u t machen.
Sie bringt neben fadihistorischen auch p o p u l ä r
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,
die im Schulunterricht v e r w e n d e t werden können.
Bezugspreis: 2,00 D M halbjährlich
Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt S t u t t g a r t
64
Die Autoren
rin ehelichte. Wieder 4 Jahre früher finden wir im Jahre
1590 Wendel Deggers Kinder: Melchior und Maria Degger zu Starzein als zollerische Leibeigene. Melchior löste
sich später um 4 Gulden und heiratete nach auswärts,
offenbar nach Salmendingen. Er ist zweifellos der früheste der Ringinger Daigger. An anderer Stelle erfahren
wir, daß Melchior Degger und Margaretha Mayerin und
ihre beiden Kinder Maria und Teus (Matheis) 1597 zu
Hausen im Killertal als zollerisch leibeigen eingetragen
waren. Wie wir oben sahen, war Melchior Degger 1606
zu Ringingen Viehhirt und 1609 herrschaftlicher Ochsenknecht und 1615 bebaute er 2 Jauchert Feld. Als weitere
Kinder Melchiors müssen obiger Christian Daikher von
1622 und Michael Daiger 1637 zu Ringingen gelten. Den
Vater Wendel Decker als württembergischen Leibeigenen
zu Starzein finden wir im Jahre 1548 (f. h. Archiv. Sigm.
R 103, 9 pag. 135) mit seiner Frau Barbara und ihren
Kindern Augustin, Anna (die später zu Neufra ist), und
Barbara (die dann nach Bitz heiratet). Melchior ist offensichtlich als jüngerer Sohn nicht dabei. (Die Leibeigenen
wurden etwa 14jährig ins Verzeichnis eingetragen.) Vier
Jahre zuvor (d. h. nach Hagens Lagerbuch von 1544)
lebte dieser Wendel noch nicht zu Starzein. Dagegen steht
in der Erneuerung der Beuroner Klostergüter zu Starzein
vom Jahre 1559 die interessante Bemerkung: „Wendel
Deicker (bzw. Decker) von Starzein dient dieser Zeit dem
Kinig von Engeland als ein Kriegsknecht und ist selbst
persönlich nicht anwesend." (Zollerheimat 1937, 47). Es
sei erinnert, daß seit 17. November 1558 Nachfolgerin
des Königs Philipp und Anna der Katholischen von England Heinrichs des Achten Tochter Elisabeth, die Grausame, Königin war!
Um 1565/70 haben Wendel Deckers (bzw. Daickhers)
Kinder von Starzein Teile des Hundübels Hofes des Killemer Heiligen inne, offenbar obiger Augustin, der dann
im J. 1597 mit seiner zweiten Frau Agatha zollerisch, die
Kinder der ersten Frau Lehna Kestlin aber westerstettisch
angegeben sind (a. a. O. R 103, 67). Ob Wendelin vom
Krieg wieder zurückgekehrt ist, wissen wir nicht.
wird fortgesetzt
dieser
Nummer:
A. H. Buckenmaier,
Sigmaringen
B a n k d i r e k t o r a. D.,
Manfred
Pfarrer, Neufra
Hermann,
Johann Wannenmacher,
Rangendingen
Josef Deschler,
R e k t o r a. D.,
O b e r l e h r e r i. R., Ablach
Manfred Stühle, Oberlehrer,
Hechingen-Stein
Otto
Werner,
R e k t o r , Hechingen
/ . A. Kraus, Erzb. Archivar i. R.,
Freiburg-Littenweiler
Redaktionsaussdiuß:
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745 Hechingen, Tübinger Straße 28
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