sterling ruby

Wien, 7. Juli 2016
Winterpalais
Himmelpfortgasse 8
1010 Wien
Öffnungszeiten:
täglich 10-18 Uhr
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belvedere.at/presse
Pressekontakt:
Julia Aßl
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S.R.BELVEDERE.1, 2016, Courtesy Sterling Ruby Studio
STERLING RUBY
8. Juli bis 16. Oktober 2016
Die barocken Prunkräume des Winterpalais bilden vom 8. Juli bis 16. Oktober 2016 die Kulisse für die erste
große Werkschau des US-Amerikaners Sterling Ruby (* 1972) in Europa. Ruby, der durch seine „Spray
Paintings“ bekannt wurde, zählt heute nicht nur in Los Angeles, sondern international zu den
faszinierendsten und zugleich umstrittensten Künstlern seiner Generation.
In Wien zeigt er Arbeiten aus den letzten zehn Jahren, darunter Keramiken, Skulpturen aus Bronze, Stahl und
Urethan. Außerdem sind seine Soft Sculptures, Mobiles und eine neue Serie von Wandteppichen zu sehen.
Im Fokus steht die Auseinandersetzung mit militärischem Imperialismus und Kriegsrhetorik als deutlicher
Verweis auf den Bauherrn des Winterpalais, Prinz Eugen von Savoyen.
„Sterling Ruby greift in seinem vielfältigen Œuvre mitunter Themen auf, die viele als unbequem erachten.
So spiegeln seine Arbeiten neben autobiografischen Aspekten auch sozialpolitische Missstände, Probleme
der Gesellschaft und Gewalt. Besonders freue ich mich darüber, dass Ruby nach Olafur Eliasson bereits der
zweite Künstler ist, der die Herausforderung annimmt, eigens für das Winterpalais Arbeiten zu konzipieren.
Die so entstehenden zeitgenössischen Positionen gehen eine Symbiose mit den Prunkräumen und der
Geschichte dieses Hauses ein, die einzigartig ist“, so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und
des 21er Haus.
„In seinen Arbeiten bedient sich Sterling Ruby der Aggression, er stellt sie dar und verurteilt sie zugleich
wirkungsvoll – eine erzwungene und explosive Eroberung. Die Art und Weise, wie Ruby an die traditionellen
Materialien der Kunst, von Leinwand über Keramik und Eisen bis hin zu Bronze, herangeht und diese zu
misshandelten, verletzten, befleckten Bildern zersprengt, erinnert an die verheerende Brutalität von Angriff
und Zerstörung“, so Kurator Mario Codognato.
Die Collage mit ihrem subversiven Potenzial für Zweideutigkeit und Irritation durchdringt Sterling Rubys
gesamtes Werk. Der Künstler übernimmt Materialien, Techniken, Bilder und Objets trouvés, Redensarten
und Slang, statisches Gleichgewicht, Kräfteverhältnisse und Modelle, um deren Sinn und Aussehen völlig zu
verändern und so ganz neue, eigenständige visuelle Arbeiten zu schaffen. Exemplarisch dafür steht die Serie
SCALES. Das sind Mobiles, deren Objekte befreit von Masse und Gewicht von der Decke hängen. Ruby
kombiniert Bruchstücke aus Stahl und Ketten, die zusammengeschlossen schön gezeichnete Bögen formen,
mit Drogentest-Kits, Flaschen für Bleichmittel, Mülltonnen und Verpackungsmaterialien. In diesen
dreidimensionalen Collagen erinnert er an Künstler wie Alexander Calder und Bruce Nauman.
Sterling Rubys berühmte Soft Sculptures wirken wie riesige anthropomorphe Gestalten oder mumienartige
Figuren mit langen Tentakeln. Diese Skulpturen aus Stoff thematisieren Geschlechterrollen, Häuslichkeit
und „weibliches“ Handarbeiten wie das Nähen und das Herstellen von Quilts. Bei den FIGURES handelt es
sich um puppenartige Körper, die untrennbar miteinander verbunden sind. CANDLES stellen die
Verwandlung von Wachs in Plüsch dar.
ACTS ist ein Akronym aus Absolute Contempt for Total Serenity (absolute Verachtung totaler Gelassenheit).
Die Serie mit diesem Titel bezeichnet Skulpturen, in denen flüssige Farbe in durchsichtige Blöcke aus
Urethan gegossen wird. Diese Blöcke „ruhen“ auf Sockeln aus Resopal, Gewicht und Schwerkraft
negierend. Die Metallskulpturen der Werkserie MS hingegen erinnern in ihrer reduzierten Do-it-yourselfÄsthetik an Gewehre und Wolkenkratzermodelle.
Die FLAGS, riesige Wandteppiche, die exklusiv für das Winterpalais gefertigt wurden, bestehen aus
gebleichtem Denim und gefärbtem Leinen in grellem Pink, Gelb, Blau und Rot. Die bis zu sieben Meter
langen Tapisserien changieren zwischen Malerei und Handarbeit. Sie zitieren die amerikanische Flagge,
Robert Rauschenbergs postmoderne Kompositionen und traditionelle Quilts der Amish. Unter den beiden
Keramiken aus der Serie Basin Theology sticht Sandal besonders hervor: eine Sandale mit zerschlissenem
Rand, die Form der fünf Zehen wirkt wie eingegraben, das Fleisch hinweggerafft und der Abdruck im
Material zum Fossil erstarrt.
Besucherinnnen und Besucher sind eingeladen, ihre Fotos und Eindrücke mit #SterlingRuby und
#Winterpalais zu teilen.
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Foto: © Melanie Schiff, Courtesy Sterling Ruby Studio
ÜBER DEN KÜNSTLER
Sterling Ruby, er lebt und arbeitet in Los Angeles, wurde 1972 auf dem Luftwaffenstützpunkt der US Air
Force in Bitburg, Deutschland, geboren. Seine Ausbildung schloss er mit einem BFA der School of the Art
Institute of Chicago und einem MFA des Art Center College of Design in Pasadena, Kalifornien, ab.
Rubys Arbeiten waren in diversen Ausstellungen zu sehen, u.a. Made in L.A. 2016: a, the, though, only im
Hammer Museum, Los Angeles, Whitney Biennial im Whitney Museum of American Art, New York (2014),
Taipei Biennial im Taipei Fine Arts Museum (2014), Gwangju Biennale (2014). Einzelausstellungen seiner
Werke gab es im Baltimore Museum of Art (2014), in der Fondazione Memmo, Rom (2013), im Museo d’Arte
Contemporanea, Rom (2013), in der Kunsthalle Mainz (2013), im Centre d’Art Contemporain, Genf (2012),
in der Bonniers Konsthall, Stockholm (2012/13), im FRAC Champagne-Ardenne, Reims, Frankreich (2012),
in der GAMeC – Galleria d’Arte Moderna e Contemporanea di Bergamo, Italien (2008/09), im Drawing
Center, New York (2008), und im MOCA – Museum of Contemporary Art, Los Angeles (2008).
Seine Arbeiten sind Teil zahlreicher öffentlicher Sammlungen, dazu zählen u. a. das Solomon R.
Guggenheim Museum, New York, das Whitney Museum of American Art, New York, das MCA – Museum of
Contemporary Art, Chicago, das Walker Art Center, Minneapolis, das MOCA – Museum of Contemporary
Art, Los Angeles, das LACMA – Los Angeles County Museum of Art, das Hammer Museum, Los Angeles, das
MoMA – Museum of Modern Art, New York, das SFMOMA – San Francisco Museum of Modern Art, das
Montreal Museum of Fine Arts, das Centre Pompidou, Paris, das Louisiana Museum of Modern Art,
Dänemark, das Moderna Museet, Stockholm, Istanbul Modern und die Tate Modern, London.
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VORWORT DES KURATORS
Von Mario Codognato
„Dein Bild folgt mir ins Innerste der Wälder.“ Jean Racine, Phädra, 1677
„Ein und dieselbe Aufgabe, die ursprünglich von Wachtürmen erfüllt worden war, wiederholte sich immer
wieder, über Fesselballone bis hin zu Aufklärungsflugzeugen und Fernerkundungssatelliten, wobei das Auge
als Waffe fungiert.“ Paul Virilio, Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, 1984
In der auf den Lehren des chinesischen Generals Sunzi basierenden und vermutlich im 4. Jahrhundert v.
Chr. verfassten berühmten Schrift Die Kunst des Krieges werden Schlachtfelder in neun Kategorien
eingeteilt: auseinandergesprengt, leicht, umstritten, offen, Gelände mit sich kreuzenden Straßen, gefährlich,
schwierig, eingeengt oder hoffnungslos. Das Feld der Kunst scheint alle diese Kategorien auf einmal in sich
zu vereinen. Eine Ausstellung, die für das Winterpalais in Wien entwickelt wird und dort Gestalt annimmt,
lässt unausweichlich an jene historische politische Persönlichkeit denken, die dieses Bauwerk in Auftrag
gegeben hat: Prinz Eugen von Savoyen, Ende des 17. Jahrhunderts einer der bedeutendsten und
einflussreichsten militärischen Anführer seiner Zeit wie wohl auch in der Geschichte des modernen Europa.
Der Geist, die Darstellungen und die Ikonologie seiner militärischen Großtaten und somit seines Einflusses
auf die geopolitischen Strukturen seiner Zeit durchdringen die Räumlichkeiten des Winterpalais. Dynamik
und Strategie zur Sichtbarmachung avantgardistischer kultureller Strömungen im Allgemeinen und
zeitgenössischer Kunst im Besonderen wurden sehr oft metaphorisch, und manchmal beinahe
paradoxerweise, mit militärischen Bewegungen in Verbindung gebracht; so als würden das Kunstwerk und
seine Botschaft mit militärischen Mitteln ein Gebiet besetzen, dasselbe Gebiet, das durch die Oberfläche
des Werks und seinen weiter gefassten, immateriellen Wirkungs- und Einflussbereich auf die Gesellschaft
definiert wird. Im Œuvre von Sterling Ruby wird diese Dynamik noch deutlicher, tritt ihre Metapher noch
stärker hervor und trifft darauf umso mehr zu.
In seinen Arbeiten bedient sich Sterling Ruby der Aggression, er stellt sie dar und verurteilt sie zugleich
wirkungsvoll – eine erzwungene und explosive Eroberung. Der Einsatz unterschiedlichster breitest
gefächerter Techniken, Collage und Dekonstruktion von Bildern aus verschiedensten Quellen, das ständige
Umschalten zwischen dem Figurativen und dem Abstrakten, dem Amorphen und dem Ready-made, die
Größenordnung, von der die Objekte deutlich überlagert werden, und der verblüffende Ausflug in die
Bereiche Design und Mode gleichen einer umfassenden Kriegsstrategie, bei der man alle Kräfte zielgerichtet
auf einer unersättlichen Bühne aufmarschieren lässt – der Arena der zeitgenössischen Kunst. Die Art und
Weise, wie Ruby an die traditionellen Materialien der Kunst, von Leinwand über Keramik und Eisen bis hin zu
Bronze, herangeht und diese zu misshandelten, verletzten, befleckten Bildern zersprengt, erinnert an die
verheerende Brutalität von Angriff und Zerstörung. Die rationale und zweckgerichtete Geometrie der
Objekte und Bauformen wird wie bei einem Bombenangriff oder einer Explosion angepasst und zielgerichtet
in Angriff genommen. In seinen Arbeiten ist die eigentliche menschliche Gestalt, ob sie im Werk vorhanden
ist, angedeutet oder simuliert wird, immer deformiert, lädiert, ausgelöscht oder zu einem Fleck oder einer
formlosen Masse verflacht; sie kann auch auf einen Körperteil oder einen Kleidungsfetzen reduziert sein, auf
unnatürliche Schlaffheit. Auch Anordnungen verschweißter Eisenstangen oder Platten aus anderen Metallen
offenbaren schlussendlich ihre anthropomorphe Natur, wobei die vertikale Ausrichtung an das Wesen des
menschlichen Körpers erinnert, skelettartig oder grausam unterernährt, während die horizontale
Ausrichtung auf verstümmelte, fragmentierte oder abgetrennte Gliedmaßen oder Rippen verweist.
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Die Vertikalität der Figuren von Giacometti bzw. die Horizontalität der liegenden Köpfe von Brancusi
spiegeln sich in der reduzierten, quasi vorstädtischen Do-it-yourself-Ästhetik der zusammengefügten
Metallteile – spektrale Architekturen in einer Stadt, die in Trümmern liegt, oder in einem Bezirk, in dem die
Stadtentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Unter Rubys Keramiken sticht eine Sandale mit
zerschlissenem Rand hervor, die Form der fünf Zehen wie eingegraben, das Fleisch hinweggerafft und der
Abdruck im Material zum Fossil erstarrt. Sie wirkt nicht, als sei sie in einem Keramikofen gebrannt worden,
sondern vielmehr als wäre sie in einem atomaren Holocaust entstanden, am Schauplatz eines
Massenmordes zurückgelassen worden, eine gepeinigte Gradiva, deren graziöse Bewegung unterbrochen
wurde. In einer anderen Keramik, Basin Theology/FFMRC (2011), verwandelt sich eine runde Schüssel, in
der sich eine halbkreisförmige Röhre befindet, in einen Votivhalter, wie der Titel anklingen lässt; sie ist
insofern ambivalent, als sie von Mandelin-Reagenz zugleich kontaminiert und bewahrt wird, einem Reagenz,
mit dessen Hilfe man dank einer spezifischen Farbskala das Vorhandensein toxischer Substanzen und
synthetischer Drogen wie Ecstasy nachweisen kann – daher die Assoziation mit der theologischen
Dimension, inspiriert von der Verbindung der Wirkung dieser Substanz mit der Ekstase barocker Heiliger.
Eine chemische und symbolische Transsubstantiation, die wie in einer Collage, auch einer linguistischen,
durch die zerstörerische, kumulative Fragmentierung des Bildes zu einem ebenso plastischen Kurzschluss
führt.
Tatsächlich scheinen gerade die Collage und ihr Potenzial für Verwirrung und ewige Zweideutigkeit Sterling
Rubys gesamtes Werk zu durchdringen. Ruby übernimmt Materialien, Techniken, Bilder und Objets trouvés,
Redensarten und Slang, statisches Gleichgewicht, Kräfteverhältnisse und Modelle, um in der Folge deren
Sinn und Aussehen völlig zu verändern und so ganz neue und eigenständige visuelle Aggregate und
Apparate zu formen, die dennoch zugleich vorsätzlich mit den Überbleibseln und Trümmern ihres Ursprungs
gefüllt sind; so vollbringt er die von André Breton beschriebene vollständige Umkehrung des Gegenstands,
indem er sie ihrem Zweck entfremdet und eine Berücksichtigung dieser Objekte auslöst, de facto bedingt
durch die Zweifel, die sich bezüglich ihrer zuvor beabsichtigten Verwendung ergeben können. Exemplarisch
stehen für diesen Prozess die SCALES, Mobiles, in denen Objekte, von ihrer Masse und ihrem Gewicht
getrennt und befreit, von der Decke hängen. Wie die Mobiles von Alexander Calder definieren sie, wenn sie
in Bewegung sind, den sie umgebenden Raum ständig neu; und wie die Objets trouvés in den Scales von
Robert Rauschenberg erlangen sie durch die ansprechenden bunten Verpackungen der Objekte oder wie
bei SCALE (5415) S.R. CLOR. (2015) durch die Spritzer auf einer einfachen Stoffhose eine Bildhaftigkeit im
Grenzbereich zwischen realem und gemaltem Gegenstand, die auf die informelle oder abstrakte Tradition
des Expressionismus verweist.
In einer weiteren Werkserie, die im Vorjahr im Rahmen einer großen Ausstellung in Paris präsentiert wurde,
ließ Ruby die Teile eines ausgemusterten U-Boots der US Navy, die zufällig auf einer Art Schrottplatz in der
Nähe seines Studios in Los Angeles aufgetaucht waren, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen.
Was ehemals eine große Kriegsmaschine war, wurde zu einem Hybrid, einem metallenen Cadavre exquis,
der in einer Collage aus riesigen mechanischen Bauteilen das unheilvolle, beunruhigende Ziel, dem er einst
dienen sollte, nämlich die Kriegsführung, zurücksetzt und als beinahe spielerisch monumental entschlüsselt,
ganz bewusst ein Selbstzweck, als Junggesellenmaschinen, die das subversive Potenzial des künstlerischen
Akts unterstreichen, indem sie geschichtliche Faktoren neu mischen. Die großen Wandbehänge, an denen
Ruby in den letzten Jahren gearbeitet hat, gehen in dieselbe Richtung; sie sind in den Räumen des
Winterpalais so präsentiert wie im 17. Jahrhundert, der Zeit, als das Palais für Prinz Eugen gebaut wurde, die
flämischen Tapisserien, die sehr oft vergangenen wie aktuellen Schlachten und militärischen Erfolgen Beifall
zollten. In völliger Umkehrung der feierlichen und zweckbestimmten Absichten des Krieges dekonstruieren
und dechiffrieren diese Werke die Kriegsrhetorik und bringen zugleich durch die Verwendung visueller
Strukturen, die sich eindeutig auf zeitgenössische Kriegsführung beziehen, dessen bildliche Darstellung auf
den neuesten Stand.
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Die Farben oder Symbole amerikanischer Flaggen oder der Flaggen jener Länder, die von den USA in den
vergangenen Jahrzehnten besetzt wurden, oder auch die Frottage vom Boden seines Studios rekonstruieren
und suggerieren die Luftaufnahmen einer Wüstenlandschaft, wie sie von militärischen Drohnen gemacht
werden. Letztere sind mit Nachdruck in die kollektive Bildwelt eingegangen, da ihre Bilder in den Medien
ständig wiederholt werden, und stellen wahrscheinlich das innovativste, revolutionärste und umstrittenste
Element in der jüngeren Geschichte internationaler Konflikte dar, nicht nur vom militärischen Standpunkt
aus, sondern auch im Hinblick auf ethische und politische Aspekte. Wie Jean Baudrillard schon während des
Ersten Golfkriegs (1991) erkannte, wurden alle Bilder des Konflikts, die in die Medien gelangten, von
AWACS-Radarflugzeugen und Spionagesatelliten aufgenommen, die direkt der Kontrolle des USMilitärkommandos unterstanden; sie konnten daher nicht von unabhängigen Quellen überprüft werden und
wurden tatsächlich zensuriert und konstruiert. Dieselben Technologien drangen danach als Anwendungen,
die wir täglich nutzen, in unser Leben vor, z. B. GPS oder Google Earth, welche wiederum dieselbe Ästhetik
ständiger allumfassender Sichtbarkeit reproduzieren und darstellen, dieselben ethischen Problemfelder
potenzieller und tatsächlicher Kontrolle und Einschränkung militärischer Drohnen, und die auch Ruby in
seinen Wandbehängen einsetzt. Die kreative Faszination, die die Mondlandung oder die Eroberung des
Weltraums auf Kunstschaffende in den 1960er-Jahren ausübten, verwandelt sich im dritten Jahrtausend in
die Angst vor der übermäßigen Überwachung des Individuums und vor der Hyperrealität der neuen
bilderzeugenden Flugtechnologien, die zwar weitaus leistungsfähiger sind als das menschliche Auge, deren
Wahrnehmung jedoch in Bezug auf das Auflösungsvermögen Grenzen gesetzt sind. Ruby beleuchtet diese
Probleme mittels der synoptischen Möglichkeiten der Kunst in einer Collage, die nicht nur Bilder, sondern
auch die Fragen und Widersprüche, für die diese stehen, sammelt und neu zusammenstellt, wobei sie die
Ambivalenz der Fragmentierung des Realen ebenso behauptet und wiedergibt wie jene der Welt der Medien.
Ruby verleiht Bildern, die sonst virtuell sind und jedenfalls immer von elektronischen Geräten übermittelt
werden, Form und Körper. Die Themen Körperlichkeit und Berührbarkeit ziehen sich durch eine weitere
Werkserie des Künstlers, die in dessen Œuvre an entscheidender Stelle steht, die berühmten Soft
Sculptures – riesige anthropomorphe Gestalten, von denen Laying Figure (2013) vielleicht die in diesem
Zusammenhang symbolträchtigste ist: Eine Art enorm lang gezogenes Kissen, eine Mischung aus Fluggerät
und menschlichem Wesen ohne Gliedmaßen, ist wie eine ägyptische Mumie mit Stoff umwickelt oder eher
darin gefangen; der Stoff verweist auf die Symbole der amerikanischen Flagge. Wie ein überproportional
gewachsenes Spielzeuggewehr bringt die Figur unsere Wahrnehmung von Konflikten auf einer spektakulären
Ebene ins Spiel und kontrastiert jene kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen Menschen wirklich
unter Bombenangriffen leiden. Bei anderen Figures handelt es sich um anthropomorphe Wesen mit langen
Tentakeln, deren mutmaßliche Sicherheit und vermeintlich angenehme Glätte und Weichheit angesichts
ihrer unheilvollen Größenverhältnisse, ihrer leichenhaften Positionierung und Einbalsamierung schwinden –
das Oxymoron einer Totenstarre, bei der die Steifheit der Muskeln im Widerspruch zur Weichheit des
Materials steht.
Im Gegensatz dazu imitieren die Urethan- und Formica-Platten der ACTS (Akronym aus Absolute Contempt
for Total Serenity) die verewigende Monumentalität, das Hieratische und die Gewichtigkeit von Marmor,
wobei sie zugleich Instabilität und Labilität ausstrahlen, auch aufgrund der Tatsache, dass die beiden
Blöcke, die jeweils ein Ganzes bilden, einander nicht entlang der Hauptachse überlagern. Eine
Achsenverschiebung, die in allen Werken Rubys mit Absicht das Unsichere sicher macht, das Sichere
unsicher, das Zweideutige vertraut, das Vertraute zweideutig, die Fiktion wahrscheinlich und die Fälschung
zu etwas, das verifiziert werden kann.
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ÜBER DAS WINTERPALAIS
Einst für Prinz Eugen von Savoyen als prachtvoll ausgestattetes Wohn- und Repräsentationspalais errichtet,
im 18. Jahrhundert von Kaiserin Maria Theresia erworben, bald für die Hofkammer und dann als
Finanzministerium genutzt, ist dieses Barockjuwel wieder zu einem Ort für Kunst und Kultur geworden.
Aufbauend auf dem historischen Erbe und dem umfassenden Wirken des Weltbürgers treffen in den
Prunkräumen barocke Ausstattung, die Sammlungen des Belvedere sowie zeitgenössische Kunst
zusammen.
KUNSTVERMITTLUNGSPROGRAMM
Überblicksführungen
Jeweils Samstag, 11 Uhr
€ 4,– (exkl. Eintritt) | Dauer: 1 Stunde | keine Anmeldung erforderlich
Führungen für Freunde des Belvedere
Sonntag, 21. August, 10 Uhr l Führung mit Karla Starecek
Ferienprogramm für Kinder von 6 bis 12 Jahren
Innere Stadt spielt - Die Geheimnisse des Prinzen von S.
Frei nach dem Motto „Schlau durchs Winterpalais“ erwartet dich eine spannende Führung mit kniffligen
Fragen rund um den Hausherrn Prinz Eugen. Mithilfe eines kostbaren Kartenspiels erfährst du viel
Wissenswertes über die barocke Lebenswelt und die prachtvolle Architektur.
Mittwoch, 13. Juli, 10.30 Uhr und Dienstag, 30. August, 14.30 Uhr
Mit dem Innere Stadt spielt-Heft: € 3,– pro Kind | € 8,– pro Begleitperson
Dauer: 1 Stunde | Anmeldung erforderlich
Kontakt
Kunstvermittlung Belvedere & Winterpalais
+43 (0) 1 795 57-134
[email protected]
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ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Ausstellungstitel
Sterling Ruby
Ausstellungdauer
8. Juli bis 16. Oktober 2016
Ausstellungsort
Winterpalais
Himmelpfortgasse 8, 1010 Wien
Katalog
Sterling Ruby
Herausgeber: Agnes Husslein-Arco, Mario Codognato
Grafikdesign: Grafisches Büro, Wien
Druck und Bindung: Grasl FairPrint, Bad Vöslau
Seitenanzahl: 112
220 x 320 mm, Hardcover
Deutsch & Englisch in einem Band
ISBN 978-3-903114-08-1
€ 29,-
Kurator
Mario Codognato
Öffnungszeiten
Täglich von 10 bis 18 Uhr
Regulärer Eintritt
€ 9,-
Kontakt Führungen
Kunstvermittlung Belvedere & Winterpalais
+43 (0) 1 795 57-134
[email protected]
Pressekontakt
Österreichische Galerie Belvedere
Julia Aßl, Leitung Presse 21er Haus
+43 (0) 1 79 557-185
[email protected]
Pressekontakt Sterling Ruby
PR CONSULTING
Pierre Rougier
304 Hudson Street, 7th Floor
New York, NY 10013
+1 (212) 228-8181
[email protected]
Kontakt Studio Sterling Ruby
Sterling Ruby Studio
Tyler Britt, Director
4900 S Soto St
Vernon, CA 90058
+1 (323) 843 4005
[email protected]
Bilder stehen unter www.belvedere.at/presse
kostenlos für Pressezwecke zum Download zur
Verfügung.
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