Marco Wittler – Der Flug zum Mond 1 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 2 Marco Wittler – Der Flug zum Mond 3 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Impressum: Marco Wittler *** Commander Finn und seine verwegene Crew Band 01 – Der Flug zum Mond www.commander-finn.de www.commander-finn.com Verlag '366 Geschichten' Hemer Juli 2016 Alle Rechte am Werk liegen beim Autor: Marco Wittler Kuhbornstraße 17 58675 Hemer www.366geschichten.de Umschlagbilder: Cover – Sabrina und Marco Wittler Erstauflage Herstellung: createspace.com ISBN-13: 978-1534962569 ISBN-10: 1534962565 4 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Wir befinden uns in einer nicht ganz so fernen Zukunft. Es ist das Jahr 2024. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA hat sich vor ein paar Jahren dazu entschlossen, wieder ein eigenes Shuttleprogramm ins Leben zu rufen, um von den russischen Kollegen von ROSKOSMOS unabhängiger zu werden. Seit dem letzten Start der alten Space Shuttles sind mittlerweile dreizehn Jahre vergangen. Daher ist es schon etwas ganz Besonderes, sich den Flug ins Weltall live vor Ort in Florida anzuschauen. Diese Idee hat, neben sehr vielen Menschen von der ganzen Welt, der vierzehnjährige Finn aus Deutschland. Er trifft sich mit seinen vier Freunden vor Ort, um sich das Spektakel gemeinsam mit ihren Eltern anzusehen. Doch dann kommt alles ganz anders als geplant. Trotz der vielen Vorbereitungen und Sicherheitsvorkehrungen durch die NASA geht etwas schief und verändert damit alles. »Der Flug zum Mond« ist als Band 1 der Auftakt zu einer neuen Science Fiction Serie für Kinder. Jeden Monat wird ein neuer Band erscheinen und die Abenteuer um »Commander Finn und seine verwegene Crew« fortsetzen. 5 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 30. Dezember 2019 – Washington D.C., USA Im Presseraum des Weißen Hauses wartete eine große Gruppe Journalisten und Reporter von den verschiedensten Zeitungen und Fernsehsendern auf die amerikanische Präsidentin. So kurz vor Jahresende hatte sie noch einmal zu einer Pressekonferenz geladen, um ein paar wichtige Neuigkeiten persönlich der Öffentlichkeit mitteilen zu können. Noch wurde viel im Raum getuschelt. Man diskutierte darüber, um welche wichtigen Themen es wohl gehen könne. Ein paar Minuten später öffnete sich eine Seitentür. Ein paar große, kräftige Männer mit schwarzen Anzügen und passenden Sonnenbrillen kamen mit schnellen Schritten herein und verschafften sich einen Überblick. Einer von ihnen nickte schließlich zur Tür. Die Präsidentin kam lächelnd herein. Die anwesenden Journalisten erhoben sich und warteten darauf, von der wichtigsten Frau der Welt zum Sitzen aufgefordert zu werden. »Setzen sie sich bitte, meine Damen und Herren.«, begann die Präsidentin nach ein paar Sekunden. »Ich freue mich, dass sie kurz vor Silvester so zahlreich erschienen sind. Ich hoffe, dass es sich für sich auch lohnen wird.« Es wurde still. Nur noch das Klicken von Knöpfen an Fernsehkameras, Aufnahmegeräten und Fotokameras war zu hören. »Ich habe am heutigen Tag ein Telefonat mit dem russischen Präsidenten geführt. Inhalt dieses Gesprächs war die gemeinsame Arbeit in der ISS, der internationalen Raumstation.« 6 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Sie machte eine kurze Pause und ordnete noch einmal ihre Unterlagen. »Wie sie vielleicht wissen, laufen die Verträge über die Nutzung im Jahr 2024 aus. Es wurde also langsam Zeit, über eine mögliche Zukunft zu reden. Nun muss man bedenken, dass die politischen Verhältnisse zu den Russen seit Jahren nicht mehr die Besten sind. Man könnte sagen, dass wir ein frostiges Klima haben. Aus diesem Grund hat sich der russische Präsident entschlossen, die Verträge mit uns nicht weiter zu verlängern. Im Sommer 2024 werden sie ihre Module von der ISS abkoppeln und damit eine eigenständige Raumstation aufbauen.« Im Raum entstand leises Gemurmel. Die Anwesenden waren sich der Konsequenzen offensichtlich bewusst. »Ohne die russischen Module sind unsere eigenen nicht mehr nutzbar. Sie würden unkontrolliert zur Erde stürzen und in der Atmosphäre verglühen. Ich bin der Meinung, dass unsere Wissenschaftler auch in Zukunft eine Möglichkeit brauchen, ihre Forschungen im Weltall fortzusetzen. Außerdem müssen wir verhindern, dass sich die Russen uns gegenüber einen Vorsprung erarbeiten. Unser Ziel ist noch immer die erste bemannte Reise zum Mars. Ohne eigene Raumstation wird das nicht möglich sein. Aus diesem Grund habe ich vor einer Stunde mit Vertretern der europäischen Weltraumorganisation ESA gesprochen. Wir werden mit unseren ISS Modulen eine neue Raumstation aufbauen, die ISS 2.« Die Präsidentin machte wieder eine Pause und sah in die Runde, bis die erste Frage gestellt wurde. 7 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Frank Miller, New York Times. Wie sollen die neuen Module ins All gebracht werden? Noch immer machen das die Russen für uns. Ich gehe davon aus, dass sie, trotz der hohen Einnahmen durch uns, dies bald nicht mehr machen werden.« »Sie haben Recht. Mit Auslaufen des Vertrags werden auch die Transporte eingestellt.« Sie seufzte. »Schon seit Ende des Space Shuttle Programms zur Jahrtausendwende haben wir eng mit Privatunternehmen zusammen gearbeitet. Wie sie wissen, gab es schon diverse Auftragsvergaben, um neue Shuttles und Raumschiffe zu entwickeln, die unsere Astronauten und Ausrüstungen ins All bringen sollten. Doch bisher ohne größeren Erfolg. Noch immer gibt es viele Probleme, regelmäßige Unfälle. Wir werden in Zukunft auf diese Unternehmen verzichten. Es hat sich gezeigt, dass wir diesem Weg nicht vertrauen können. Ab sofort kümmern sich wieder die Ingenieure der NASA allein darum. Spätestens im Jahr 2024 werden wir in Eigenarbeit neue Module für unsere Raumstation ins All bringen. Ein entsprechender, finanzieller Etat wurde bereits in den Haushalt eingebracht und entwickelt. Am Ende dieser Pressekonferenz werden meine Mitarbeiter entsprechende Unterlagen an sie verteilen.« Sie sah noch einmal in die Runde. »Noch Fragen? Keine? Dann bedanke ich mich für ihr Kommen und ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche ihnen noch einen guten Start ins nächste Jahr.« Damit verabschiedete sich die Präsidentin und verließ den Raum wieder durch die Seitentür, während die 8 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Journalisten bereits an ihren Handys hingen und die Neuigkeiten in die Welt hinaus trugen. 4. Juli 2023 – Cape Canavaral, Florida, USA Im Pressegebäude der amerikanischen Weltraumbehörde NASA saßen der Leiter der NASA, General Haze, fünf Wissenschaftler und sechs Astronauten hinter einem langen Tisch. Ihnen gegenüber Journalisten aus aller Welt, die auf die Präsentation des neuen Weltraumshuttles warteten. In den letzten zweieinhalb Jahren war nichts nach außen gedrungen. Die Geheimhaltung des Projekts war perfekt gelaufen. Aber nun war es endlich so weit. »Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren.«, begrüßte General Haze die geladenen Gäste. »Schön, dass sie den Weg nach Florida gefunden haben und dem derzeitig sehr schwülen Wetter trotzen.« Er grinste wie ein kleiner Lausbub. »Heute werden wir endlich das Geheimnis um die Zukunft der amerikanischen und europäischen Weltraumforschung lüften. Heute stellen wir ihnen und der restlichen Welt unser neues Shuttleprogramm vor. Ja, sie haben richtig gehört. Wir setzen unsere Hoffnungenwieder auf Shuttles. Die Nutzung von Einwegraketen erschien uns nicht mehr Zeitgemäß. Wir wollen die Natur und den erdnahen Weltraum so wenig wie möglich mit unserem Müll belasten.« Auf einen Knopfdruck des Generals öffnete sich hinter ihm ein roter Vorhang, der nun die Sicht auf eine große Leinwand frei gab. 9 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Die Maggellan. Unser neues Shuttle. Vor einem Monat haben es unsere Ingenieure fertig gestellt. Es ist ab sofort einsatzfähig.« Tosender Applaus brandete dem General entgegen, während eine Computersimulation zeigte, wie das Shuttle über die Startbahn raste und sich in die Lüfte erhob. »Wie sie sehen, braucht unser Shuttle keine Raketenbooster mehr. Er startet von allein wie ein normales Flugzeug. Das verdanken wir den neuartigen magnetoplasmadynamischen Antrieb. Labortests haben eine Gasaustrittgeschwindigkeit von rund vierzig Kilometern in der Sekunde ergeben. Wie sich das auf unser Shuttle auswirkt, werden dann die Tests der nächsten Monate ergeben. Zunächst werden wir das Shuttle unbemannt in die Luft bringen. Gesteuert wird es dann vom Kontrollzentrum in Houston. Wenn die ersten Tests abgeschlossen sind und wir sicher sein können, dass unseren Männern nichts passiert, wird es die ersten bemannten Flüge geben. Am Ende steht dann der erste Start in den Weltraum, der medienwirksam in die ganze Welt ausgestrahlt werden soll. Die Planungen sehen dafür ...« Er sah noch einmal in seinen Unterlagen nach, bevor er weiter sprach. »den kommenden Sommer vor. In einem Jahr also haben wir wieder ein eigenes Raumfahrtprogramm. Von da an ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir die ersten Männer auf den Mars bringen.« Die anwesenden Journalisten stimmten einen tosenden Applaus an. So viel Begeisterung hatte es seit der 10 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Ankündigung durch Präsident Kennedy in den Sechziger Jahren nicht mehr gegeben. Damals war der Weltbevölkerung versprochen worden, den ersten Menschen auf den Mond zu schießen. »Und diese Männer ...«, fuhr General Haze nun fort, »sind unsere sechs Astronauten, die die Testflüge und im nächsten Jahr den Flug zum Mond vornehmen werden.« Eine Stunde später standen sie alle gemeinsam auf dem neuen Rollfeld, dass in den letzten zwei Jahren gebaut worden war. Dort stand nun das neue Shuttle Maggellan. Es war großzügig mit amerikanischen Fähnchen und Wimpeln geschmückt worden. Das einzige, was bisher fehlte, war der Name. »Warum trägt das Shuttle noch keinen Namen, obwohl es schon einen bekommen hat?«, wollte ein Journalist wissen. Der General drehte sich überrascht um. »Stimmt. Der Name fehlt. Offensichtlich von den Technikern vergessen worden. Aber das wird noch vor dem ersten Testflug nachgeholt, das kann ich ihnen versichern.«, erklärte er mit einem breiten Grinsen. 20. Juli 2024 – in einer kleinen Stadt im Sauerland »Los, Papa. Beeil dich. Das Flugzeug fliegt sonst ohne uns ab. Dann werden wir alles verpassen. Und das werde ich dir nie verzeihen.« Finn klopfte immer wieder gegen die Tür der Toilette. Aber von drinnen bekam er nur ein leises Stöhnen als Antwort. 11 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Musst du gerade jetzt Durchfall bekommen? Kannst du das nicht irgendwie auf nächste Woche verschieben? Du weißt doch, wie wichtig mir das ist.« Finn zog das zerknitterte Foto aus der Hosentasche, das er nun schon seit fünf Monaten tagtäglich mit sich herum trug und es immer wieder ansah. »Das Shuttle wird nicht auf uns warten. Es hebt auch ohne uns ab. So wichtig sind wir nicht.« Auf dem Foto war das brandneue Shuttle der NASA abgebildet. Die amerikanische Weltraumbehörde hatte es vor einem Jahr vorgestellt und seitdem nur ein paar Testflüge innerhalb der Erdatmosphäre unternommen. Aber in zwei Tagen war der erste richtige Flug ins All geplant. Dann sollten sechs amerikanische Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS fliegen, um den Neuanfang als ISS 2 in die Wege zu leiten. Finn hatte die letzten zwölf Monate Tag und Nacht davon geträumt, bei diesem besonderen Ereignis dabei zu sein. Ein halbes Jahr hatte er gebraucht, um seine Eltern von dieser Idee zu überzeugen. Und nun stand der Flug nach Amerika kurz bevor. »Papa, nun mach schon. So einen Start erlebt man nur ein einziges Mal im Leben. Ich will beim ersten Mal dabei sein und es mir anschauen.« Wieder erklang das Stöhnen. Dann war das Reißen des Toilettenpapiers zu hören, gefolgt von der Spülung. »Vergiss nicht, dir die Hände zu waschen, da sind jetzt ganz viele Bakterien dran. Du willst schließlich niemanden anstecken.« Die Hände wurden ausgiebig gewaschen. Nach etwa einer Minute kam Papa heraus und atmete tief durch. »Du siehst ja schrecklich aus.« 12 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Finn dachte kurz nach. Aber dann verwarf er seinen Gedanken sofort wieder. »Normalerweise würde ich dir ja anbieten, dass wir zu Hause bleiben und du dich im Bett erholen kannst. Aber in diesem Fall machen wir wohl lieber eine Ausnahme und sehen zu, dass wir rechtzeitig am Flughafen sind. Heute kann ich einfach keine Rücksicht auf dich nehmen.« Papa seufzte und ging in die Küche. Warum musste er ausgerechnet diese Woche das Opfer eins Magen-DarmInfekts werden, der schon seit einiger Zeit in Deutschland wütete. »Ist schon in Ordnung. Versprochen ist versprochen. Außerdem kann ich so kurz vor dem Flug die Tickets nicht mehr zurückgeben. Ich nehme eine Tablette und hoffe, dass es mir dann in ein paar Stunden wieder besser geht.« Draußen auf der Straße hupte ein cremefarbenes Fahrzeug. »Nimm die Tablette unterwegs. Das Taxi ist da.« Papa steckte seine Medikamente in die Hosentasche, griff nach dem Koffer und verließ mit seinem Sohn das Haus. »Dann muss ich Mama eine WhatsApp schicken. Ihr jetzt noch einen Zettel zu schreiben wird zu knapp.« Er schloss die Haustür ab und nahm auf dem Vordersitz Platz. »Es geht zum Flughafen Düsseldorf.«, gab er die Anweisung an den Fahrer, bevor er endlich seine Tablette nehmen konnte. Er würgte sie trocken den Hals hinunter, da er in der Eile seine Wasserflasche auf dem Küchentisch vergessen hatte. 13 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Bäh, ohne Getränk schmeckt sie doppelt so widerlich.« Das Taxi setzte sich in Bewegung. Würden sie den ersten Flieger zum großen Flughafen in Frankfurt am Main noch erreichen? Der Taxifahrer gab jedenfalls ordentlich Gas und flog regelrecht um die Kurven. 20. Juli 2024 – Cape Canavaral, Florida, USA In der Shuttlehalle herrschte reges Treiben. Überall liefen Techniker und Ingenieure hin und her. Sie alle waren damit beschäftigt, den ersten amerikanischen Start ins All seit dreizehn Jahren vorzubereiten. Über allem wachte General Haze von seinem Büro aus, damit der Zeitplan eingehalten werden konnte. »Major Tomlins, kommen sie umgehend in mein Büro. Wir müssen den Ablauf noch einmal durchgehen.« Er ließ den Knopf der Gegensprechanlage los. Nur Sekunden später stand der Major im Türrahmen des Büros und salutierte. »Nehmen sie die Hand runter, Tomlins. Wir haben jetzt Wichtigeres zu erledigen.« Tomlins setzte sich in einen der zwei Ledersessel, die vor dem großen Eichenschreibtisch standen, öffnete eine Ledermappe und holte ein paar Zettel hervor. »Wir sind dem Zeitplan um ein paar Stunden voraus, Sir. Die Vorbereitungen werden gegen Abend abgeschlossen sein. Unsere Leute werden also nicht, wie geplant, die Nacht durcharbeiten müssen. Morgen früh werden dann die beiden Shuttles aus der Halle befördert. 14 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Das Testschiff wird in den Museumsblock überführt, während das neue Schiff zur Startbahn transportiert wird.« Haze nickte zufrieden. Er liebte es, wenn alles funktionierte. Der erste Flug ins All seit so langer Zeit. Es sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden. »In Ordnung, Major. Sobald unsere Leute fertig sind, sollen sie sich in die Betten hauen, noch einmal eine Mütze voll Schlaf nehmen und sich gründlich auf Morgen vorbereiten. Die Ingenieure sollen noch einmal alle Testroutinen durchlaufen lassen. Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben. Die ganze Welt schaut uns auf die Finger. Vor allem die Russen sind neugierig auf unseren derzeitigen Stand der Technik. Ich bin schon sehr gespannt, ob ihnen die Augen aus den Höhlen fallen, wenn sie bemerken, dass wir ein paar große Überraschungen eingeplant haben, mit denen niemand rechnet.« Tomlins nickte. Er stand auf und salutierte noch ein weiteres Mal, bevor er wieder verschwand, um die erteilten Befehle weiter zu geben. Der General seufzte. »Der Junge wird es nie lernen, etwas lockerer zu werden.« Drei Stunden später waren die Vorbereitungen im Shuttlehangar beendet. Der Dienst habende Ingenieur sah sich noch einmal um. Zufrieden ließ er seinen Blick über die beiden Shuttles gleiten. »Das ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Wir schicken endlich wieder Astronauten ins All und ich darf bei diesem großen Projekt dabei sein.« 15 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Er grinste wie ein kleines Kind, dem man gerade ein neues Spielzeug geschenkt hatte. Doch nur einen Moment später verschwand das Lächeln wieder. »Oh, nein. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wie konnten diese Idioten das nur vergessen.« Er zog sofort ein Funkgerät aus der Tasche. »Meyers an technische Abteilung. In der Shuttlehalle wurde schlampig gearbeitet. Auf den Raumschiffen fehlen noch immer die Namen. Wie kann man so etwas nur übersehen? Und das ein ganzes Jahr lang? Wie oft soll ich noch darauf hinweisen? Das muss heute Nacht noch erledigt werden.« Die Techniker entschuldigten sich sofort für ihren Fehler. Der Stress der letzten Monate hatte sie für diese Kleinigkeiten vergesslich werden lassen. »Der General wird uns allen den Kopf abreißen, wenn irgendwo etwas nicht nach Plan läuft.« Meyers beendete die Verbindung und schüttelte den Kopf. »Wenn man sich nicht um alles selbst kümmert.« Dann verließ er die Halle, setzte sich in seinen Wagen und fuhr gähnend in seine Unterkunft. 20. Juli 2024 – Flughafen Frankfurt / Main »Papa, ich will ja nicht drängeln, aber das war gerade schon der dritte Aufruf, dass wir unser Flugzeug besteigen sollen. Hast du nicht schon im ersten Flugzeug lange genug auf der Toilette gesessen? Ich will jetzt nach Amerika fliegen. Das ist super wichtig.« Finn konnte nur noch den Kopf schütteln. So viel 16 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Durchfall konnte doch ein einzelner Mensch nicht haben. Irgendwann mussten doch Magen und Darm völlig leer sein. »Wenn es sein muss, fliege ich auch ohne dich.« Doch dann kam Papa aus der Toilette. Er stöhnte noch immer und hielt sich den Bauch. »Geht schon irgendwie. Ich schaff das schon. Wenn doch bloß endlich die Tabletten wirken würden.« Sie mühten sich den Gang hinunter, bis sie vor einer lächelnden Stewardess standen, die nach den Tickets fragte. »Vielen Dank, die Herren. Wenn sie mir die Bemerkung gestatten, es wurde Zeit, dass sie kommen. Sie sind die letzten Passagiere, auf die wir noch gewartet haben. In etwa drei Minuten wären wir sonst ohne sie abgeflogen.« Papa entschuldigte sich für die Verspätung und schlurfte dann die Gangway hinunter. »Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Flug.« Finn verdrehte die Augen, denn er konnte sich lebhaft vorstellen, wie viel Flugzeit er allein verbringen würde. »Zum Glück sitzen wir in der Nähe der Toiletten. Dann musst du nicht zu weit laufen, wenn es wieder los geht.« Papa kniff die Augen zusammen und drückte seinem Sohn die Tickets in die Hand. »Ich glaub, es ist schon wieder so weit.« Dann stürmte er ins Flugzeug und verschwand hinter einer Tür, auf der ganz groß ›WC‹ geschrieben stand. »Das kann ja ein toller Urlaub werden. Ich hoffe nur, dass er mir nicht den Shuttlestart vermasselt. Finn begab sich zu seinem Platz. Davor und dahinter blickte er in die Gesichter weiterer Kinder. 17 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Stargirl?«, fragte er unsicher. Das Mädchen mit den langen, blonden Haaren begann zu lächeln. »Dann musst du wohl Rover sein.« Finn nickte verlegen, als er sich setzte und sich die anderen Kinder vorstellen ließ. »Da haben wir noch Sun, Mars Explorer und Saturn 5. Mit dir wäre dann der Clan komplett an Bord.« Finn grinste. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Seine Freunde, die er über ein Internetforum kennengelernt hatte, waren mit ihm auf dem Weg nach Amerika. Die Weltraum verrückten Kids trafen sich hier das erste Mal und würden sich gemeinsam den Start des neuen Shuttles anschauen. »Dann kann ja nichts mehr schief gehen.« Doch genau in diesem Moment hörte er einen Mann in dunkler Uniform, der immer wieder mit der Faust gegen die Toilettentür klopfte. »Hören sie? Kommen sie sofort da raus. Sollten sie da drin Waffen oder Drogen mit sich führen, dann haben wir zwei gleich ein großen Problem.« Finn erschrak. »Entschuldigt mich, Leute. Ich muss meinem Vater helfen, sonst fliegt er gleich als Terrorverdächtiger aus dem Flieger. Dabei hat er nur ständig Durchfall.« 21. Juli 2024 – Cape Canavaral, Florida, USA Die Tore der großen Halle öffneten sich. Die aufgehende Sonne warf ihre ersten Strahlen in das Innere des Gebäudes und streifte dabei sanft über die weiße 18 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Lackierung der beiden Raumfähren. »Da stehen sie, Mrs. President.«, wurden sie von General Haze stolz präsentiert. »Shuttle Magellan wird in etwa einer halben Stunde zum Museumsblock gebracht. Dort können dann die Schaulustigen das erste Mal einen Blick hinein werfen und schauen, womit unsere Astronauten heute Abend ins All starten.« Sie sahen zur anderen Seite. »Das eigentliche Shuttle wird dreißig Minuten später den Weg zur Startbahn beginnen.« Die Präsidentin nickte zufrieden. »Und sonst läuft alles nach Plan?« Der General sah auf eine Liste. »Der Countdown läuft. Die Fernsehteams stehen bereit. Der Start wird in einhundertzweiundsiebzig Länder übertragen. Die ersten Zuschauer haben sich auch schon auf den Tribünen und an den Zäunen eingefunden. Ich kann ihnen versichern, dass alles so läuft, wie wir es besprochen haben. In zehn Stunden brechen für unser Land neue Zeiten an. Der Reise ins All und später zum Mars steht nichts mehr im Wege.« »Und die besprochenen Extras sind noch nicht nach außen gedrungen?« »Nein. Die absolute Geheimhaltung hat funktioniert. Die Russen werden vor Neid platzen. Erst während der Pressekonferenz werden wir die Karten offen legen.« Die Präsidentin war sichtlich zufrieden. Sie ließ sich mit einer schwarzen Limousine zu einem speziellen Gebäude bringen. Von dort aus würde sie den besten Ausblick zur Startbahn haben. Währenddessen ging Haze noch einmal alles durch. 19 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Dann sah er sich ein letztes Mal die beiden Shuttles an. Irgendwas kam ihm seltsam vor. Stimmte da vielleicht etwas nicht? »Ist sicher nur ein falsches Gefühl. Ich bin überarbeitet, angespannt und müde. Wird wohl Zeit für einen großen Pott schwarzen Kaffee.« Eine Stunde später saß General noch einmal vor er Presse. Dieses Mal allerdings allein mit seinem Adjutanten Major Tomlins. »Herzlich Willkommen zur letzten Pressekonferenz vor dem Start unseres Shuttles. Ich hätte gern noch die Präsidenten zur einen Seite gehabt und unsere Astronauten zur anderen. Aber die Präsidentin befindet sich bereits in ihrem Beobachtungsraum und die Astronauten, wie sie sich vielleicht denken können, sitzen bereits im Shuttle bereit.« General Haze machte eine kurze Pause und wartete, bis die Journalisten ihre Notizen gemacht hatten. »Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich ihnen eine paar Überraschungen verkünden darf. Nummer Eins betrifft den Namen des Shuttles. Wir haben über unsere Profile in den sozialen Medien sehr viele Vorschläge bekommen, wie es benannt werden soll. Die drei meist genannten Namen kamen in die engere Wahl. Wir haben uns gegen 'Enterprise' entschieden. Schon das allererste Space Shuttle ist nach dem Raumschiff der bekannten Fernsehserie der Sechziger Jahre benannt worden. Ich glaube, wir alle sind der Meinung, dass zu viele Wiederholungen irgendwann langweilig werden. Der zweite Vorschlag lautete 'Millenium Falcon'. Aber 20 Marco Wittler – Der Flug zum Mond da unser Shuttle das Kessel-Rennen nicht in weniger als zwölf Parsec schaffte, kam uns diese Benennung ziemlich vermessen vor. Am Ende blieb schließlich eine Idee, die mit unserer eigenen Raumfahrtgeschichte zu tun hat. Der erste Mann, der von der NASA zum Mond geschickt wurde, der erste, der jemals seinen Fuß in den Mondstaub gesetzt hat, war Neil Alden Armstrong. Ihm zu Ehren soll vom heutigen Tag an unser neues Weltraumshuttle den Namen Armstrong tragen.« Auf großen Leinwänden wurde das Bild des Shuttles überall hin übertragen. Im Presseraum, im Museumsblock und vor den Zuschauertribünen konnte man nun miterleben, wie ein Techniker eine weiße Klebefolie von der Außenhülle des Shuttles abzog und damit den Namen 'ARMSTRONG' freilegte. Tosender Applaus war überall zu hören. Erst als dieser abebbte sprach General Haze weiter. Die zweite Überraschung ist eine viel größere. Angekündigt war, dass die Armstrong die vierhundert Kilometer zur ISS fliegen wird, um dort die Abspaltung von den russischen Modulen vorzubereiten. Diese Mission wurde auch geplant, allerdings anders terminiert. Sie wird in einem Monat stattfinden. Stattdessen befindet sich das heutige Ziel rund eintausend Mal so weit von der Erde entfernt. Unsere Astronauten werden nach zweiundfünfzig Jahren endlich wieder auf dem Mond landen.« Den anwesenden Journalisten stockte der Atem. Für ein paar Sekunden war es absolut still. Doch dann brachen sie in lauten Jubel aus. Lediglich ihre russischen Kollegen blieben still. 21 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Ja, sie haben richtig gehört. Wir landen wieder auf dem Mond. Bei unserer Mission geht es darum, zu testen, wie schnell unser Shuttle mit seinem neuen Antrieb am Ziel ankommt, wie gut Landung und Neustart funktionieren. Damit werden wir erneut Geschichte schreiben. Und nun warten wir darauf, dass es los geht.« Die deutsche Besuchergruppe war nach einem langen Flug im Museumsblock angekommen und hatte dort die Pressekonferenz mit Freude und Erstaunen verfolgt. Finn hatte alle seine Freunde und deren Mütter, Väter oder Eltern bei sich. Nur sein eigener Vater stürmte ständig davon. So war es auch in dem Moment, als sie endlich das Testshuttle betreten durften. »Tut mir leid, Kleiner. Geh ohne mich. Ich muss schon wieder zur Toilette.« Er hielt sich beide Hände auf den Bauch und stürmte davon. Finn konnte nur den Kopf schütteln und seufzte. »Ach, wisst ihr was, Kinder? Dann bleiben wir auch hier draußen und schauen uns das Schmuckstück mit der nächsten Gruppe an. Es wäre doch bestimmt eine tolle Sache, wenn ihr allein als Team dort rein gehen könntet, oder?« Der Vater von Emma, die im Internet alle nur als Stargirl kannten, sprach das aus, was sich alle erhofft hatten. »Also, alles an Bord.«, rief Finn grinsend und stürmte die Treppe hinauf. Beinahe hätten sie nicht an Bord gehen dürfen. In der Zugangsschleuse stand ein grimmig schauender Soldat, der die Kinder erst einmal zur Ruhe zwang. Sie mussten 22 Marco Wittler – Der Flug zum Mond langsam gehen und durften nicht zu laut reden. Doch damit konnten sie abfinden. Er ließ sie passieren. »Ist das nicht irre? Wir stehen tatsächlich in einem waschechten Raumschiff.«, staunte Finn. »Ich meine, ich bin gerade vierzehn Jahre alt und darf mich zumindest hier drin umschauen. Wer kann das schon von sich behaupten?« »Raumschiff?«, fragte Emma erstaunt. »Das Ding war doch nur in der Atmosphäre. Wer weiß, ob es überhaupt luftdicht ist und Hitzeschutzkacheln besitzt. Das war doch nur der Testflieger.« Doch Finn wusste es besser. »Nein, nein. Habt ihr denn nicht die ganzen Berichte gelesen, die ich im Forum geschrieben habe? Die beiden Schiffe gleichen sich von vorn bis hinten. Sie sind absolut identisch. Lediglich die Computerprogrammierung ist anders. Es wird sogar darüber nachgedacht, die Magellan später auch noch ins All zu schicken.« »Das ist vollkommen richtig.«, mischte sich der Soldat in gebrochenem Deutsch ein. »Die Kosten für die Shuttles sind zu hoch, um die Magellan hier stehen zu lassen. Sobald wir zwei Raumschiffe brauchen, wird es umprogrammiert und kann ins All starten.« Er lächelte nun das erste Mal. Er hatte nicht erwartet, dass diese Kinder bereits so viel über das Schiff wussten. »Und nun nehmt in den Stühlen Platz. Wir starten die Simulation.« Er schloss das Zugangsschott. Finn und seine Freunde setzten sich in die gemütlichen Sitze, schnallten sich an und warteten darauf, dass auf den Monitoren der 23 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Countdown beginnen würde. Es dauerte nicht lange, da wurden ein paar Zahlen eingeblendet und überall leuchteten unzählige bunte Bedienpulte, Touchscreens und Knöpfe auf. »Wahnsinn.«, hörte man aus fünf Mündern flüstern. Die Kinder staunten Bauklötze, so begeistert waren sie von diesem einmaligen Augenblick. Dann ertönte eine Signal aus Finns Handy. »Du meine Güte. Wir verpassen ja alles.« Er wurde plötzlich hektisch, als er einen Blick auf das Display geworfen hatte. Es sollte nur noch eine Minute dauern, bis die Armstrong ihren ersten Start absolvieren sollte. »Wir müssen hier raus. Sofort!« Er schnallte sich ab. Seine Freunde taten es ihm gleich. Sie stürmten zum Schott und hätten fast den Soldaten umgerempelt. »Wir müssen aussteigen. Wir wollen den Start sehen.« Der Soldat nickte. Er legte seine Hand auf ein Bedienfeld und tippte einen Code ein. Das Schott blieb allerdings verschlossen. »What?« Er war verwirrt und sprach nun englisch. »Sitzen wir hier fest?«, wollte Emma wissen und drehte sich entsetzt im Kreis, in der Hoffnung, dass es einen Notausgang geben würde. Den gab es allerdings nicht. »Irgendwas stimmt da nicht.«, murmelte General Haze immer noch vor sich hin. Er konnte nicht sagen, was es war. Aber in seinem Magen fühlte sich etwas schrecklich falsch an. 24 Marco Wittler – Der Flug zum Mond »Wenn ich nur wüsste, was es ist.« »Alles in Ordnung, General?«, fragte die Präsidentin, der er mittlerweile Gesellschaft leistete und wandte ihren Blick kurz von der Startbahn ab. »Oh, sicher, natürlich. Es könnte nicht besser sein.« Die Präsidentin sah wieder zum Shuttle zurück und grinste über das ganze Gesicht. »Ich bin auf ihre letzte Überraschung gespannt. Sind sie sicher, dass die Geheimdienste unserer russischen Freunde nichts darüber in Erfahrung gebracht haben?« Haze schüttelte den Kopf. Er hatte die Sicherheitseinheiten selbst geleitet und die höchsten Standards eingeführt. Es konnte unmöglich etwas nach draußen durchgesickert sein. »Die Öffentlichkeit weiß mittlerweile, dass wir einen magnetoplasmadynamischen Antrieb benutzen, um das Shuttle selbstständig ins All zu bringen. Aber da gibt es etwas, von dem nur wenig eingeweihte wissen.« Die Präsidentin zog die Augenbrauen hoch und bekam einen ernsten Gesichtsausdruck. »Sie haben Geheimnisse vor mir? Das möchte ich nicht noch einmal hören. Also, um was handelt es sich?« Der General wurde nervös. Eigentlich hatte er das Geheimnis für sich behalten wollen, nun war es ihm aber doch heraus gerutscht. »Nun ja, es handelt sich um den Startvorgang. Wir benutzen eine Art Energiefeld. Es ist in der Lage unser Shuttle in die Luft zu heben. Senkrecht nach oben. Unsere Wissenschaftler haben es durch Zufall entdeckt und können die Funktion selbst nicht genau beschreiben oder definieren. Es sieht wohl so aus, dass es die Schwerkraft in seinem Inneren aufhebt. Dadurch bringen 25 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 wir die Armstrong geräuschlos ins All. Man sieht nicht einmal etwas davon. Es ist physikalisch eigentlich unmöglich, aber es funktioniert trotzdem. Unseren russischen Freunden werden die Augen aus den Köpfen fallen, wenn sie nicht erkennen können, um was für einen Antrieb es sich bei uns handelt. Es wird keine Flammen geben, keine Zündung. Es wird aussehen, als würde die Armstrong von Geisterhand angehoben. Zusätzlich spüren unsere Astronauten nichts vom Start. Das Shuttle kann also sehr hoch beschleunigen, ohne die Männer im Inner zu gefährden.« Nun war Haze von Stolz erfüllt. Nur zu gern hätte er noch viel mehr erzählt, aber nun stand der Start kurz bevor. »Zwanzig!«, sagte eine Stimme, die aus einem kleinen Lauchtsprecher ertönte.« »Jetzt wird der bordinterne Computer von der Bodenkontrolle abgekoppelt. Das Shuttle übernimmt alle Funktionen. Unsere Astronauten übernehmen also sämtliche Kontrollen. Wir sind nur noch Zuschauer. Dadurch haben wir auch die Möglichkeit, das Shuttle auf der dunklen Seite des Mondes zu landen oder auch auf dem Mars.« »Zehn!« »Jetzt aktiviert sich das Energiefeld.« »Sieben!« Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Russen jetzt schon nervös werden, weil nirgendwo etwas zu sehen ist.« »Zwei!« Der General begann zu schwitzen, da ihm nun wieder sein ungutes Gefühl in den Kopf kam. »ABRECHEN!«, rief er entsetzt. 26 Marco Wittler – Der Flug zum Mond »Eins!« »DEN START SOFORT ABBRECHEN!« »Null! Zündung!« Die Zuschauer auf den Tribünen und an den Zäunen hielten den Atem an. Aber dann geschah nichts. Das Shuttle blieb an Ort und Stelle. Es bewegte sich keinen einzigen Zentimeter. Irgendwas war schief gelaufen. Doch dann passierte etwas völlig Unvorhergesehenes. Im Museumsblock begannen Menschen zu schreien. Sie rannten durcheinander, sich gegenseitig um und versuchten, irgendwo Schutz zu finden. »Was geht hier vor, General?« Die Präsidentin fuhr herum und sah sich verwirrt um. Die Armstrong stand noch immer an ihrem Platz. Das Publikum auf den Tribünen wurde ungeduldig und nun schien auch noch im Museum ein Tumult auszubrechen. »Das ist alles ein Fehler, ein großes Missverständnis. Ich habe versäumt, die letzten Vorbereitungen zu kontrollieren. Ich ...« Haze stammelte nur noch vor sich hin, bevor er langsam seine Mütze vom Kopf nahm. »Mrs. President, ich weiß, dass eine Entschuldigung dafür nicht ausreicht, daher muss ich mit sofortiger Wirkung von meinem Dienst zurücktreten.« »Reden sie keinen Blödsinn, Mann. Was passiert hier?« Und dann konnten sie es alle sehen. Während die Armstrong noch immer auf dem Boden stand und sich nicht vom Fleck bewegen wollte, startete im Museumsblock die Magellan Richtung Weltraum. 27 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Die … Techniker haben in der Nacht … die falschen Namen … auf die Shuttles gepinselt. Sie wurden … vertauscht.« Haze brach in sich zusammen. Er erlitt einen Schwächeanfall, während das Gesicht der Präsidentin rot wie ein gekochter Krebs wurde. »Sie verdammter Idiot.«, brüllte sie und verließ in schnellem Schritt den Beobachtungsraum. »Ich brauche sofort meine Berater. Notfallsitzung!« Plötzlich spielten die Kontrollen verrückt. Es schien, als würde die Magellan zum Leben erwachen. Sie bebte leicht. »Zwanzig!«, sprach eine Computerstimme. »Das glaub ich jetzt nicht.«, war Finns unsichere Stimme zu hören. »Ist das immer noch Teil der Simulation?«, fragte er den Soldaten, der gerade blass wurde. »No … äh, nein.« Finn drehte sich zu seinen Freunden um. Er wusste nicht, ob er weinen, lachen, in Panik verfallen oder hysterisch werden sollte. »Zehn!« »Leute, ich bin mir nicht sicher, ob ich euch das gerne sagen will oder nicht, aber wir sind hier nicht an Bord der Magellan.« Sie sahen ihn verwirrt an. Sie hatten ihn zwar verstanden, wollten aber nicht glauben, was sie da hörten. »Fünf!« »Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Es muss eine Verwechslung stattgefunden haben. Wir sind hier an 28 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Bord der Armstrong und werden gleich abheben.« »Eins! … Null! Zündung!« Tatsächlich bewegte sich das Shuttle langsam aufwärts. Zuerst waren es nur wenige Zentimeter. Doch dann wurde es immer schneller. Sekunden später brach es durch das Dach des Museums. »Verdammt. Und mein Vater sitzt auf der Toilette und bekommt das mal wieder nicht mit. Das wäre unglaublich cool, wenn er das mit seinem Handy filmen würde.« Finns Vater trat gerade wieder auf den Flur, als er den Countdown hörte. »Zehn!« Er warf einen Blick auf die Uhr, dann auf die Megallan. Das Zugangsschott war noch immer verschlossen. »Oh, nein. Die Kids sitzen jetzt da drin und verpassen den Start. Und dabei sind wir extra so weit dafür gereist. Das ist doch ein blöder Zufall.« »Zwei!« Plötzlich spürte er ein seltsames Kribbeln auf der Haut. »Eins!« Vorsichtig tippte er mit dem Finger an die Wand, bekam aber keinen elektrischen Schlag. »Aufgeladen bin ich nicht. Wo kommt das bloß her?« »Null! Zündung!« Finns Vater hatte die anderen Eltern erreicht und gesellte sich wieder zu ihnen, als sich das Shuttle langsam erhob. »Was zum Teufel ...« Die Menschen begannen zu schreien. Sie liefen hin 29 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 und her, suchten vergeblich nach Schutz. »Weg hier!«, rief Emmas Vater. Da brach das Raumschiff auch schon durch das Dach und flog davon. 21. Juli 2024 – An Bord des Shuttles Armstrong Panik brach aus. Nicht bei den Kindern, dafür aber bei ihrem unfreiwilligen Begleiter. Major Emmerson war kreidebleich im Gesicht geworden. Er versuchte Luft zu holen, aber das gelang ihm nur schwer. »Wir müssen etwas unternehmen. Wir müssen den Start abbrechen.«, rief Finn und setzte sich in den Sitz des Kommandanten. »Die Station in Houston hat ja keine Möglichkeit mehr, in die Steuerung einzugreifen. Das wird alles vom Bordcomputer gemacht. Sie können nur noch beobachten.« Emmersons Angst steigerte sich weiter. Er stürmte zwischen die Kinder und begann zu schreien. »Don't touch anything. You're no authorized to do something like this.« Verwirrt sahen sie ihn an. Das schien den amerikanischen Soldaten etwas zu beruhigen. Er atmete tief durch, bevor er alles noch einmal in deutscher Sprache wiederholte. »Sorry. Nichts anfassen. Ihr dürft das nicht. Ihr seid dazu nicht ausgebildet.« Emma musste lachen, als sie das hörte. »Hey, Mann. Dann setzen sie sich hier hin und bringen sie uns wieder zurück zur Erde. Das Shuttle ist nämlich 30 Marco Wittler – Der Flug zum Mond darauf programmiert auf schnellstem Wege zum Mond zu fliegen. Und wie es aussieht, war nicht unbedingt vorgesehen, dass wir die ersten Menschen in diesem Jahrtausend sind, die ihren Fuß dort oben in den Staub setzen.« »Ich muss den Kontrollcenter anfunken.« Emmerson setzte sich an die Kommunikationskontrollen und betätigte vorsichtig einen Knopf nach dem anderen. »Tja, wie es aussieht, hat unser Major keine Ahnung von dem, was er da gerade macht.« Finn klatschte sich mit der flachen Hand an die Stirn und schob Emmerson zur Seite. »Dabei stehen die Grundfunktionen jedem im Internet zur Verfügung. Man muss sich nur mal informieren. Los, Alex, kümmer dich mal darum.« Alex, den sie im Internet nur mit Mars Explorer anredeten, schob den Major sanft zur Seite und nahm nun selbst an den Kontrollen Platz. »Hier Shuttle Magellan – äh – Armstrong. Wie auch immer. Kann mich da unten jemand hören?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis auf dem Funkkanal etwas zu hören war. Zuerst rauschte es, dann folgte ein Knistern. Zuletzt waren aufgeregte Stimmen zu hören, die wild durcheinander sprachen. 21. Juli 2024 – NASA Kontrollcenter Houston / Texas Die Katastrophe war perfekt. Das Shuttle stand noch immer am Boden der Startbahn. Stattdessen flog nun 31 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 das leere Testshuttle in diesen Sekunden durch die wenigen Wolken, die den Himmel bedeckten. General Haze war nicht erreichbar und die Präsidentin hatte sich noch nicht zu Wort gemeldet. »Was geht denn da in Florida vor sich?«, wollte General Clark von seinen Leuten wissen. »Wie konnte das passieren? Ich brauche Antworten und zwar sofort. Außerdem muss ein Trupp Soldaten und Sanitäter zum Museum geschickt werden. Wenn Schaulustige verletzt oder getötet wurden, gibt das eine ganz schlechte Presse für das neue Raumfahrtprogramm.« Er sah auf die riesigen Monitore, die an der Wand installiert waren und das fliegende Raumschiff zeigten. Wäre es das richtige Shuttle gewesen, hätte es sich um einen Traumstart gehandelt. »Warum mussten die Ingenieure auch darauf bestehen, alle Steuerungen dem Bordcomputer zu überlassen. Das haben wir nun davon. Das war die dümmste Idee, seit Anbeginn der Raumfahrt.« Grimmig nahm er die frisch gefüllte Tasse Kaffee und wollte sie in einem Zug leer trinken, als plötzlich die Stimme eines Kindes aus den Lautsprechern erklang. »Hier Shuttle Magellan – äh – Armstrong. Wie auch immer. Kann mich da unten jemand hören?« Im Kontrollcenter wurde es still. Alle Anwesenden sahen sich fragend an. Doch dann wurde es nur noch lauter, als alle plötzlich durcheinander redeten. Niemand wusste, was dort vor sich ging und wer den Funkspruch abgesetzt hatte. »Ruhe, verdammt noch mal.«, brüllte der General und versuchte seine Leute zur Ordnung zu rufen. 32 Marco Wittler – Der Flug zum Mond »Verbindet mich sofort mit dieser Person.« Ein Techniker kam sofort mit einem Headset angelaufen, welches sich Clark auf den Kopf setzte. »Hier spricht General Clark vom Kontrollcenter Houston. Wer spricht dort und wie sind sie an Bord unseres Shuttles gelangt? Handelt es sich um eine Entführung und wie sind ihre Forderungen?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Antwort erklang. »Mal ganz langsam. Wer redet denn hier von einer Raumschiffentführung? Wenn hier jemand entführt wurde, dann sind das wir.« Alex versuchte ruhig zu bleiben und schilderte in kurzen Sätzen, was geschehen war. Währenddessen nickte der General immer wieder und machte sich einige Notizen. »In Ordnung. Wir melden uns gleich wieder. Ich muss erst mit den Ingenieuren besprechen, wie wir die Lage unter Kontrolle bringen. Houston Ende.« Clark legte das Headset zur Seite und winkte einige Leute heran, mit denen er sich in sein Büro zurück zog. »Punkt Eins: Es wird sofort eine Nachrichtensperre verhängt. Wenn etwas davon an die Medien dringt, sind wir geliefert. Wir brauchen sofort einen PR-Berater, der den Menschen diese Sache so gut wie möglich verkauft. Die Reporter sollen sich für eine Pressekonferenz in einer Stunde bereit halten. Und schafft mir die Präsidentin irgendwie her. Die Frau darf jetzt auf keinen Fall untertauchen.« Ein Mann nickte und verließ sofort den Raum. »Punkt Zwei: Ein Team soll sich um die Leute im Museumsblock kümmern. Wer verletzt wurde, wird verarztet. Wer etwas weiß und gesehen hat, muss vor der 33 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Presse abgeschirmt werden. Alle sollen Ruhe bewahren.« Wieder wurde das Besprechungsteam um eine Person kleiner. »Und jetzt Punkt Drei: Unsere Computerfreaks sollen heraus finden, wie wir den Bordcomputer überlisten. Sie sollen sich in das System hacken. Und wenn das nicht klappt, sollen sie sich ein paar Internetkids zur Hilfe holen. Die können doch schließlich alles. Wir brauchen schnellstens Ergebnisse. Wir können schließlich keine Kinder auf den Mond schießen.« Der General trat wieder in den großen Kontrollraum und setzte sich erneut das Headset auf den Kopf. »Hier Houston. Ich rufe das Shuttle Armstrong. Bitte melden sie sich.« 21. Juli 2024 – An Bord des Shuttles Armstrong »Hier spricht Alex Bauer, Übergangskommunikationsbediener.« Seine Freunde sahen ihn fragend an. »Übergangsbediener? Was soll das denn sein?« »Mir ist so schnell nichts besseres eingefallen. Ich bin keine Soldat und kein Astronaut, also kann ich doch schlecht Offizier sagen, oder?« Er wandte sich den Kontrollen zu und drückte einen Knopf. »Hallo General, schön von ihnen zu hören, was können wir für sie tun?« Alex konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. »Hier General Clark. Wir arbeiten unter Hochdruck an 34 Marco Wittler – Der Flug zum Mond einer Lösung des Problems. Wir sind bestrebt, die Armstrong wieder runter zu holen. Zuvor möchte ich aber mit dem Offizier sprechen, der sich mit an Bord befinden sollte. Als Soldat ist es seine Pflicht das Kommando zu führen.« Alex seufzte. »Ich würde ihn nur zu gern ans Mikrofon holen, aber es gibt da ein Problem. Der Mann wurde beim Start hysterisch. Er bekam Panik und ist momentan nicht ansprechbar. Ansonsten sind wir hier noch zu fünft. Wir sind zwischen zwölf und vierzehn Jahre alt.« »Fünf?«, sprach der General flüsternd und holte anschließend tief Luft, um sich zu beruhigen. »Also, wie gesagt, wir arbeiten an dem Problem. Ihr fasst bitte nichts an, außer das Funkgerät meldet sich. Wir machen euch für jeden Schaden verantwortlich.« »Und wer übernimmt den Schaden, wenn uns hier drin etwas passiert?«, brüllte Finn von seinem Platz aus. »Wir sind Minderjährige. Da unsere Eltern nicht bei uns sein können, übernehmen automatisch sie die Fürsorgepflicht für uns fünf, General. Ich glaube, das wiegt schwerer, als ein Lackschaden in der Außenhülle des Shuttles, falls wir nicht richtig einparken können.« Aus dem Lautsprecher war nur ein leises Grummeln zu hören. »Vielleicht sollten sich jetzt etwas beeilen, General. Uns läuft die Zeit davon.«, schlug Finn vor und deutete auf einen Monitor. »Was soll das bedeuten? Wollt ihr uns in dieser Situation drohen?«, fauchte Clark zurück. »Das nicht. Aber hier läuft gerade ein Countdown ab. In einer Minute und vierundzwanzig Sekunden passiert 35 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 etwas.« Alle Augen blickten auf den Monitor, der stumm und unaufhaltsam rückwärts zählte. »Was kann das nur bedeuten?, fragte Leonie. »Ich bin mir nicht sicher.«, antwortete Finn. »Aber ich habe da so eine ungute Ahnung. 21. Juli 2024 – Kontrollcenter Houston / Texas »Was hat das zu bedeuten? Was bedeutet der Countdown?«, wollte General Clark erfahren. »Sir, die Armstrong wird gleich in die zweite Phase eintreten. Haben sie das vergessen?«, kam die prompte Antwort. »Gleich wird der magnetoplasmadynamische Antrieb gezündet. Ab diesem Zeitpunkt gibt es kein Zurück mehr. Das Shuttle wird so stark beschleunigt, dass wir es nicht mehr vom Kurs abbringen können, bevor es den Mond erreicht hat.« General Clark nickte. Er kannte die Einzelheiten, musste sie sich nur wieder ins Gedächtnis zurück holen. »Wie lange brauchen unsere Experten zur Überbrückung der Computersteuerung?« »Das wissen sie selbst nicht. Aber es könnte sein, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen. Die Sicherheitsschranken sind ziemlich stark. Damit sollte verhindert werden, dass Hacker unser Shuttle übernehmen und steuern können. Jetzt kämpfen wir selbst dagegen an. Wir sollten sämtliche Vorkehrungen treffen, damit den Kindern nichts passiert.« Clark drückte auf die Sprechtaste und gab ein paar 36 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Anweisung per Funk durch. »Also gut. Unsere Leute arbeiten fieberhaft an eurer Rettung. Es könnte aber sein, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen, bevor der neue Antrieb gezündet wird. Setzt euch in die vorgesehenen Plätze und schnallt euch an. Sorgt dafür, dass Major Emmerson ebenfalls versorgt wird. In seinem Zustand wird er sich wohl nicht allein sichern können.« Finn antwortete sofort. »Dann übernehme ich als Ältester von uns das Kommando, bis sich die Situation so weit beruhigt hat, dass ich es an einen Erwachsenen übergeben kann. In Ordnung, General?« Finn grinste über das ganze Gesicht. »In Ordnung.«, erwiderte der General Zähne knirschend, weil ihm nichts anderes übrig blieb. »Aber sobald Major Emmerson wieder auf den Beinen ist, übergibst du es ihm.« 21. Juli 2024 – Shuttle Armstrong Finn hatte noch immer seinen Blick auf den Countdown gerichtet. »Es wird Zeit. Die sollen sich mal beeilen. Es sind noch neunundzwanzig Sekunden. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir uns anschnallen. Ich gehe jede Wette ein, dass sie das nicht schaffen.« Er drehte seinen Kopf zu Emma, die direkt neben ihm saß. »Ich habe unglaublich große Angst.«, flüsterte er ihr zu. »Aber verrat es den anderen bitte nicht.« 37 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Sie hielt ihm ihre Hand hin, die er dankbar in seine nahm. Die Kinder sahen gespannt auf den Monitor. Die Zahlen ratterten runter und wurden von einer leisen Stimme begleitet. »Vier … Drei … Zwei … Eins … Null.« »Es ist so weit. Haltet euch fest.« »Zündung des Haupttriebwerks.« In der Armstrong wurde es laut. Von einem Moment auf den anderen wurden die Insassen in ihre Sitze gepresst. Die Geschwindigkeit der Raumfähre beschleunigte sich äußerst schnell. Das war kein Vergleich mit den alten Space Shuttles. Hier war etwas ganz anderes am Werk. »Das ist also der neue magnetoplasmadynaische Antrieb. Unglaublich, wie irre schnell der ist.«, war Paul, der sich im Forum immer nur Saturn 5 nannte, begeistert. »Wenn man ihn einmal komplett ausgesprochen hat, ist man schon einmal zum Mond, drumherum und wieder zu Hause.«, witzelte er, um seine Nervosität vor den anderen zu verbergen. »Ob die Sterne gleich als lange Streifen zu sehen sind?«, warf Leonie ein. »So ein Blödsinn.«, kam es von Alex. Das ist ist die Realität. Wir sind hier nicht bei Star Trek und werden nicht schneller als das Licht fliegen.« »Ich bin schon gespannt, wie lange unser Flug dauern wird. Bestimmt wird er einiges kürzer sein, als bei der ersten Mondlandung 1969.«, versuchte Finn seine Freunde auf andere Gedanken zu bringen. Dem stimmten die anderen zu. Sie alle sahen begeistert aus den Fenstern, als ihr Raumschiff die Erdatmosphäre 38 Marco Wittler – Der Flug zum Mond verließ, der Himmel schwarz wurde und die Sterne auftauchten. »Ist das nicht wunderschön? Einfach unglaublich.«, schwärmte Leonie ›Sun‹. »Und schon bald werden wir auf dem Mond landen. Wir werden die ersten Kinder der Menschheitsgeschichte sein, die auf ihm einen Spaziergang machen dürfen.« »Spaziergang?«, fragte Alex. »Wie willst du denn das Shuttle verlassen, wenn wir erst da oben angekommen sind? Finn wird wohl ein Raumanzug so eben passen, weil er so groß ist, aber dir fehlen dafür noch ein paar Zentimeter.« Leonie seufzte. Dass sie so klein war, gefiel ihr selbst nicht. Aber daran ließ sich so schnell nichts ändern. »Egal. Dann bleibe ich am Fenster sitzen und mache ein paar Erinnerungsfotos von euch.« 21. Juli 2024 - Etwa 400 Kilometer über der Erde »Was ist das da vorn?«, fragte Emma und zeigte mit den Fingern durch die große Frontscheibe des Shuttles. »Wo denn?« Finn sah nichts. »Fast genau vor uns. Da glitzert irgendwas und kommt uns immer näher.« Finn sah noch einmal genauer hin. »Stimmt. Jetzt sehe ich es auch. Ich bin mir aber nicht sicher, was das sein könnte.« Er holte sein Handy aus der Tasche und startete eine seiner vielen Weltraum-Apps. »Ich hab da so eine Ahnung, bin mir aber noch nicht sicher. Warte bitte einen Moment.« 39 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Emma kam von hinten und legte ihren Kopf auf Finns Schulter, damit sie besser sehen konnte. »Nun mach es doch nicht so spannend. Ich bin doch so neugierig.« »Warte. Ich habs gleich.« Schließlich nickte er, um sich seine Ahnung selbst zu bestätigen. »Da vorn ist die ISS. Wir werden gleich die Internationale Raumstation passieren. Wenn ich richtig liege, werden nur ein paar wenige Kilometer zwischen uns liegen. Wir werden sie sehr gut sehen können.« »Das ist ja cool.«, freute sich Emma. »Ich hole sofort mein Handy und mache ein paar Fotos. Das muss einfach sein. Diese Gelegenheit bekomme ich nie wieder. Vielleicht gibt es dafür sogar einen Preis für das beste Foto des Jahres.« Sie flitzte los und suchte nahe des Eingangsschotts ihren Rucksack und wühlte darin herum. Nach einer Weile fand sie es und hielt es triumphierend in die Luft. »Da ist es ja.« Dann kam sie zurück zur Frontscheibe und sah hinaus. »Wie? Was?«, war sie entsetzt. »Wie soll ich denn jetzt noch ein Foto machen?« Emma konnte gerade noch sehen, wie das Shuttle an der Raumstation vorbei raste. »Warum sind wir schon vorbei? Ich hab doch gar nicht so lange gebraucht.« Finn grinste. Die ISS hat nur 109 Meter Spannweite. Das ist nicht viel. Und wir sind mit dem neuen Antrieb extrem schnell. Das war leider nur eine Sache von Sekunden.« Emma verzog das Gesicht zu einem enttäuschten 40 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Schmollmund. »Aber vielleicht haben wir während des Rückflugs noch eine Chance für ein tolles Foto.«, sprach Finn schnell weiter. »Vielleicht können wir sogar andocken und die Astronauten besuchen. Wir sollten mal mit General Clark darüber reden. Das wäre doch eine geniale Erweiterung der Mission. Was meinst du?« Emma Gesicht strahlte wieder. »Du bist echt der Beste, Finn. Dich muss man einfach mögen.« Dann drückte sie ihn an sich, bis beide knallrot im Gesicht wurden und schnell wieder in ihren Sitzen Platz nahmen. 21. Juli 2024 – Kontrollcenter Houston Es ware ein paar Stunden vergangen. Im Kontrollzentrum hatte sich die erste Aufregung langsam gelegt. Mittlerweile arbeiteten die Techniker und Ingenieure daran, die Kinder in einem Stück auf den Mond zu bringen. An eine Umkehr war eh nicht mehr zu denken. Über die bestehende Funkverbindung hatten die eigentlichen Astronauten erklärt, wie man das Shuttle steuern und landen musste. Dank einer Bildübertragung konnten sie den Kindern von der Maggellan aus jeden einzelnen Knopf und jedes Bedienmodul im Detail zeigen. Inzwischen hatte sich die Aussicht stark verändert. Der Mond schien nun viel größer zu sein als die Erde, so 41 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 kurz stand die Landung bereits bevor. »Ihr taucht nun in die heiße Phase ein.«, erklärte General Clark. »Die Armstrong wird in dreißig Sekunden mit dem Bremsmanöver beginnen. Schnallt euch an und wartet ab.« Die jungen Passagiere hatten erwartet, beim Einsetzen der Bremsdüsen nach vorn in die Anschnallgurte gerissen zu werden. Sie spürten allerdings nichts. Es war, als würden sie in einem Container voll Watte sitzen. »Irgendwie langweilig, oder?«, kommentierte Paul dieses Gefühl. »Sie scheinen ein Gravitationsfeld im Innern des Shuttles zu haben, dass uns vor jeder Art Beschleunigung schützt. Deswegen schwebt auch keiner von uns durch die Gegend.« Die Mondoberfläche kam immer näher. Selbst die kleinsten Krater waren nun mit dem bloßen Auge zu erkennen. »Wo ist denn unser Landeplatz?«, funkte Finn zur Erde. »Das Shuttle ist auf den Krater Copernikus programmiert. Er befindet sich relativ nah am Mondäquator, auf der derzeit beleuchteten Seite des Vollmonds. Es war vor einigen Jahrzehnten bereits geplant gewesen, einen bemannte Mondlandung dort durchzuführen. Nun holen wir es endlich nach.«, kam die Antwort zurück. »Copernikus ist einer der Gründe, warum das Shuttle ein eigenes Steuerungssystem besitzt und nicht von uns kontrolliert wird. Wir nehmen an, dass die knapp vier Kilometer hohen Kraterwände teilweise den 42 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Funkverkehr stören werden. Daher ist es besonders wichtig, dass der Bordcomputer alles übernehmen kann – oder die Besatzung, falls ersterer ausfällt.. Macht euch also darauf gefasst, dass ihr alles im Kopf habt, was euch unsere Astronauten erklärt haben.« Das war der Moment, in dem sich der Magen des Generals verkrampfte. Er traute den Kindern nicht zu, allein mit dem Raumschiff umzugehen. »Geht klar. Das packen wir schon. Das haben wir in unzähligen Computersimulationen zu Hause ausprobiert.«, war sich Finn sicher. Auf den Monitoren leuchtete wieder ein Countdown auf. »Sechzig Sekunden bis zur Landung.«, sprach eine künstliche Stimme aus den Lautsprechern. Inzwischen war der Flug stark abgebremst worden und die Geschwindigkeit verringerte sich immer weiter. »Fünfzig Sekunden bis zur Landung.« Die Kinder waren aufgeregt. Würden Computer und Autopilot die Armstrong sicher auf die Mondoberfläche bringen? Konnte so kurz vor Ende des Fluges noch etwas schief gehen? »Vierzig Sekunden bis zur Landung.« Nun stand die Armstrong völlig still. »Antischwerkraftfeld aktiv. Leite Landung ein.« Das Shuttle kam der Oberfläche nun langsam näher. »Dreißig Sekunden bis zur Landung. Alle Systeme stabil« »Was ist, wenn die Staubschicht so hoch ist, dass wir darin versinken?«, wollte Leonie plötzlich wissen. »Keine Sorge.«, wurde sie von Finn beruhigt. 43 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 »Die anderen Mondlandungen sind auch nicht darin versunken. Uns wird also nichts passieren.« »Zwanzig Sekunden bis zur Landung.« Die Kinder saßen in ihren Sitzen und sahen sich gegenseitig unsicher an. Um sich etwas zu beruhigen, hielten sie sich nun alle an den Händen und gaben sich so ein wenig Mut. »Zehn Sekunden bis zur Landung. Landestützen werden ausgefahren.« Major Emmerson hielt die Anspannung nicht mehr aus. Er hatte zwar einen Großteil des Fluges nicht mitbekommen, dafür war er aber nun hellwach. Er versuchte sich aus seinen Gurten zu lösen. Er wollte – er musste – raus. »Ich brauche Luft. Ich ersticke. Ich muss das Shuttle sofort verlassen.« Er zerrte verzweifelt an seinen Gurten und seine Atmung ging immer schneller. »Verdammt! Lasst mich endlich hier raus!« »Fünf Sekunden bis zur Landung.« Der Computer überwachte selbständig alle Lebensfunktionen der Passagiere und regulierte automatisch alles, um die Menschen vor Schaden zu bewahren. Also straffte er Emmersons Gurte und hielt ihn richtig fest. »Drei … Zwei … Eins …« Finn hielt die Luft an und schloss die Augen. Unbewusst klammerte er sich an den abgeschalteten Steuerknüppeln vor sich fest. »Null.« Ein leichter, fast nicht zu merkender Ruck ging durch das Shuttle. 44 Marco Wittler – Der Flug zum Mond »Landung ist erfolgt. Abweichung vom festgelegten Ziel beträgt zwei Komma vier Zentimeter. Autopilot schaltet nun ab.« Lauter Jubel war nun aus fünf Mündern zu hören. Major Emmerson sank in sich zusammen und atmete tief ein und aus. »Herzlichen Glückwunsch.«, ertönte nun wieder die Stimme von General Clark. »Ihr seid die ersten Kinder auf dem Mond. Genießt diesen Augenblick.« Es wurde still in den Lautsprechern, aber die Verbindung bestand weiterhin. Offensichtlich wollte der General noch etwas sagen. 21. Juli 2021 – Kontrollcenter Houston Der General stand im Kontrollzentrum und sah auf die unzähligen Monitore. Überall ratterten unendlich viele Daten herunter. Endlich konnten sie alle erleichtert durchatmen. Die Kinder hatten die Landung geschafft. »Ihr könnt euch jetzt eine knappe Stunde lang ausruhen. Danach melden wir uns wieder bei euch. Alle Fernsehsender der ganzen Welt warten schon geduldig auf die ersten neuen Bilder vom Mond. Wir werden also eine Live-Schaltung zu euch machen. Diese Überraschung wird wohl die ganze Erde aus den Socken hauen.« Mit diesen Worten wurde die Verbindung unterbrochen. »Hoffentlich können wir der Welt diese Sensation auch also solche verkaufen.«, murmelte der General. 45 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 21. Juli 2024 - Shuttle Armstrong »Fernsehen? Wir kommen ins Fernsehen? Aber ich weiß doch gar nicht, was ich sagen soll.« Finn wurde nervös. Alles Mögliche hatte er erwartet, aber keinen Auftritt im Fernsehen. »Damit hättest du aber schon rechnen müssen.«, wurde er von Leonie unterbrochen. »Wir sind die ersten Kinder auf dem Mond. Das ist einfach eine unglaubliche Sensation.« Dem stimmten natürlich alle zu. »Where is the camera?« Major Emmerson sah sich um und sah in allen Stauräumen nach, bevor ihm bewusst wurde, dass er deutsch sprechen musste. »Wo ist die Kamera?« Er fand sie hinter der letzten Klappe, die er öffnete und brachte sie oberhalb des Steuerpultes an. Er drückte einen Knopf und stellte eine drahtlose Verbindung mit dem Kommunikationssystem her. »Sonst wird man euch nicht sehen können.« »Oh je.«, erklang Emma gespielt verzweifelt. »Wo ist denn hier das Bad? Ich muss doch noch meine Frisur richten. So, wie ich jetzt aussehe, kann ich mich unmöglich im Fernsehen präsentieren.« Sie erntete die erwarteten Lacher der anderen. »Dann sollten wir uns mal überlegen, was wir der Welt mitteilen möchten.«, unterbrach Finn seine Freunde. »Ein kleiner Schritt für einen Vierzehnjährigen, aber ein großer Sprung für alle Kinder und Jugendlichen ...« 46 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Er grinste breit und lehnte sich gemütlich zurück. Auf diesen Moment und diesen Satz hatte er sich schon den ganzen Flug über gefreut. Nun hatte er endlich die Gelegenheit bekommen, ihn auszusprechen. ENDE 47 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Commander Finn und seine verwegene Crew sind unbeschadet auf dem Mond gelandet. Damit ist die Reise aber noch lange nicht vorbei. Vor ihnen liegt immerhin noch der Rückflug zur Erde. Doch bevor es so weit ist, erleben sie noch das eine oder andere Abenteuer. Im nächsten Band stellen sie sich den unzähligen Fragen der Journalisten von Fernseh- und Radiosendern. Bei ihrem ersten Spaziergang über die Mondoberfläche wartet schon die nächste große Überraschung auf sie, mit der niemand gerechnet hat. Der Titel des zweiten Bandes lautet: »Der Terrorzwerg« und erscheint am 01.08.2016 in den e-Book Formaten epub, pdf und mobi auf der Internetseite www.commander-finn.de oder www.commander-finn.com und als Taschenbuch bei amazon.de 48 Marco Wittler – Der Flug zum Mond 49 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Commander Finns Lexikon Mond Mit dem Begriff 'Mond' bezeichnet man kleinere Himmelskörper, die um einen Planeten kreisen. Ihre Anzahl kann sehr unterschiedlich sein. Der Planet Merkur hat beispielsweise keine Monde, die Erde einen und der Jupiter sogar ganze fünfundsechzig Stück. Im vorliegenden Roman dreht sich aber alles um den Erdmond, der unter Wissenschaftlern und in der Science Fiction oft als 'Luna', den lateinischen Wort für Mond, bezeichnet wird.. Er hat einen Durchmesser von 3476 Kilometern. Damit hat die Erde, die er umkreist einen vier Mal so großen Durchmesser. Er ist von uns rund 363.300 Kilometer entfernt. Das kann mal mehr und mal weniger sein, da seine Umlaufbahn nicht ganz rund ist. Auf seiner Oberfläche gibt es keine Atmosphäre. Somit ist ein Leben auf ihm unmöglich. Wenn man längere Zeit auf ihm verbringen will, muss man Raumanzüge tragen oder eine Raumstation errichten. Der Mond braucht fast achtzundzwanzig Tage, um die Erde einmal zu umrunden. Die gleiche Zeit braucht er, um sich einmal um sich selbst zu drehen. Daher sieht man immer die selbe Seite von ihm. Seine Rückseite kennt man nur durch Fotografien. Man nennt sie die 50 Marco Wittler – Der Flug zum Mond 'dunkle Seite des Mondes'. Dunkel ist ist trotzdem nicht. Sie bekommt genau so viel Sonnenlicht ab, wie der restliche Mond. Die Oberfläche ist von Kratern übersät, da immer wieder kleinere und größere Felsbrocken auf ihm einschlagen. Im Jahr 1969 landeten das erste Mal Menschen auf dem Mond. Der Amerikaner Neal Armstrong durfte als erster einen Fußabdruck im Mondstaub hinterlassen. Dabei sprach er folgende Worte: ›Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.‹ Mittlerweile gibt es sogar ein Mondauto, dass noch immer dort oben steht und darauf wartet, ein weiteres Mal gefahren zu werden. Magnetoplasmadynamischer Antrieb Dabei handelt es sich um eine neuartige Antriebsform, die nicht etwa der Fantasie entspringt, sondern bereits erfunden wurde und derzeit auf der Erde in Laboren getestet wird. Mit Hilfe von elektrischem Strom wird ein starkes magnetisches Feld erzeugt. Sehr hoch erhitztes und ionisiertes Gas (dazu eignen sich Argon, Lithium und 51 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Wasserstoff besonders gut) strömt mit Hilfe des Magnetismus sehr schnell aus der Brennkammer hinaus. In Laborversuchen wurden dabei Gasgeschwindigkeiten von 144.000 Kilometern pro Stunde erreicht. Das sind rund vierzig Kilometer in der Sekunde. Wenn ein Raumschiff dadurch ebenfalls so schnell würde, könnte es den Mond in zweieinhalb Stunden erreichen. 1969 brauchten die Astronauten der NASA dafür ganze drei Tage. NASA Die amerikanische Weltraumbehörde NASA (Abkürzung für ›National Aeronautics and Space Administra-tion‹) wurde 1958 gegründet. Die NASA bezeichnet als ihre Vision „das Leben hier zu verbessern, das Leben nach draußen auszudehnen und Leben da draußen zu finden“. Daraus ergibt sich die Mission „unseren Heimatplaneten zu verstehen und zu schützen, das Universum zu erforschen und nach Leben zu suchen und die nächste Generation von Forschern zu begeistern“. In der Zeit seit ihrer Gründung hat die NASA unzählige Flüge ins Weltall unternommen. Dabei hat sie Menschen hinauf und herunter gebracht, den Mond besucht, Satelliten ausgesetzt, erforschte unser Sonnensystem von der Sonne bis zu seinen Grenzen und mit ihren Space Shuttles an der 52 Marco Wittler – Der Flug zum Mond internationalen Raumstation gebaut. Im Sommer 2011 startete das letzte Space Shuttle zu einer Mission. Danach wurden alle Raumschiffe ins Museum gebracht. In den folgenden Jahren ist die NASA auf die Hilfe der russischen Raumfahrtbehörde angewiesen. ROSKOSMOS Die Weltraumbehörde Russlands arbeitet mit der NASA an vielen Projekten zusammen. Unter anderem gehört dazu der Betrieb der Internationalen Raumstation ISS. Außerdem übernimmt ROSKOSMOS sämtliche Raumflüge für die NASA, egal ob es sich um den Transport von Astronauten oder Ausrüstungsgegenständen handelt. Dafür muss die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika jedes Jahr viele Millionen Dollar bezahlen. esa Die esa ist eine europäische Raumfahrtbehörde. Sie wird von vielen europäischen Staaten betrieben. Dazu gehört auch Deutschland. Die esa hat, wie auch die NASA, keine eigenen Shuttles. Ihre Astronauten und Wissenschaftler nehmen dafür die Hilfe von ROSKOSMOS in Anspruch. Satelliten schießt die esa allerdings selbstständig ins All. Dafür nutzt sie ihren Raumfahrhafen im südamerikanischen Kourou. Im Lexikon erklären wir euch alle schwierigen und unbekannten Begriffe des aktuellen Bandes. 53 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Neuigkeiten aus Raum und Zeit In den Neuigkeiten berichten wir jeden Monat über die interessantesten Dinge aus der Raumfahrttechnik, der Weltraumforschung und allem, was sich zwischen der näheren Umgebung der Erde und den entferntesten Grenzen des Universum gerade tut. Heute geht es an dieser Stelle um Apps für Handys und Tablets, mit denen man in die unendlichen Weiten des Weltraums eintauchen kann. ISS onLive Diese App findest du für dein Handy oder Tablet im App-Store. Nach der Installation kannst du dir live anschauen, wo sich die Internationale Raumstation gerade befindet und wo sie ihre nächsten Runden über die Erde ziehen wird. Außerdem kann man sich live Übertragungen aus der ISS anschauen und die Astronauten und Wissenschaftler bei ihrer Arbeit zuschauen. Im Wechsel dazu gibt es auch Außenkameras, die auf die Oberfläche der Erde zeigen. Wem das nicht reicht, kann sich auch NASA-TV anschauen. Das ist ein eigener Fernsehsender der amerikanischen Raumfahrtbehörde. Das Ganze ist allerdings in englischer Sprache. Solar System Scope In dieser App kannst du dir unser Sonnensystem von außen anschauen. In einer Simulation sieht man die einzelnen Planeten, wie sie sich um die Sonne drehen. Dabei stehen sie so, wie sie es aktuell im Weltall sind. 54 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Zusätzlich kann man sie einzeln vergrößern und sich ihre Planetensysteme mit ihren Monden und vielen Informationen ansehen. Wem das nicht reicht, der kann auch am Kalender drehen und sich anschauen, wie sich die Planeten auf ihren Laufbahnen weiter bewegen. Mondphasen Diese App zeigt dir den Mond, wie er aktuell am Himmel aussieht. Zusätzlich sieht du, wie weit er sich gerade von der Erde befindet und durch welches Tierkreiszeichen er sich gerade bewegt. Man kann den Mond vergrößern und verkleinern und bekommt noch ein paar Informationen über die einzelnen Mondkrater und die Landeplätze aller bisherigen Mondmissionen. Auch hier kann man am Kalender drehen. Sternatlas In Sternatlas kann man sich den Sternenhimmel ansehen. Du sieht die einzelnen Sternbilder, Sterne, Planeten und Galaxien mit ihren Namen und kannst dich genauer über sie informieren. Wenn du deinen aktuellen Standort angibst, siehst du alles auf die Minute genau und kannst endlich herausfinden, wie der eine oder andere helle Punkt am Himmel heißt und zu welchem Sternbild er gehört. Damit könntest vielleicht sogar den Weg zum Mars und anderen Planeten finden, wenn es denn schon schnelle Raumschiffe für jeden gäbe. 55 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 56 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Die Kurzgeschichte des Monats: Das kleine Mädchen vom anderen Stern Das kleine Mädchen saß auf seiner grünen Welt und sah zum dunklen Sternenhimmel hinauf. Über ihr glitzerten unzählige kleine helle Punkte. »So viele Sterne.«, staunte es dann immer wieder. Doch an diesem Abend entdeckte es etwas Neues. Ein neuer Stern war dort oben erschienen. »Nanu? Wer bist du denn?«, wollte das kleine Mädchen wissen. In ihrer Neugier holte es ein Fernrohr aus seiner Tasche und besah sich den Neuling genau. »Oh, ist das eine schöne Welt.«, begann es sofort zu schwärmen. Es hatte einen kleinen Planeten entdeckt, der von grünen Erdteilen und noch mehr blau glitzerndem Wasser bedeckt war. »Wie gerne würde ich dort hin reisen und mich einmal umschauen. Es muss ein richtiges Paradies sein.« Es überlegte, wie es die weite Reise schaffen könnte. Es dauerte eine ganze Nacht und einen weiteren Tag, bis ihm eine Idee in den Kopf kam. Das Mädchen lief in sein kleines Haus und holte einen bunten Sonnenschirm hervor. »Los, Wind, blase. Puste mich hinauf in den Himmel zu dieser paradiesischen Welt.« Es spannte den Schirm auf, hielt ihn hoch und wurde sogleich von einem Windstoß ergriffen und hinweg geweht. Die Reise war anstrengend und lang. Das Mädchen 57 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 musste ständig aufpassen, den Stock seines Schirms nicht los zu lassen. Doch dann hatte sie die Welt mit den grünen Erdteilen und blauen Ozeanen erreicht. Die kleinen Füße des Mädchens landeten auf frischen, grünen Grashalmen, die unter der Sohle kitzelten. »Es ist wirklich schön hier. Aber dieses Paradies ist viel größer als meine Welt und scheint viele schöne Geheimnisse für mich bereit zu halten.« Es sah sich um und entdeckte schon mit dem ersten Blick unzählige Pflanzen, Büsche, Bäume und Kräuter, die es noch gar nicht kannte. Fröhlich begann es über die Wiese zu tanzen. Doch nach ein paar Metern blieb es überrascht stehen, als es unter seinen Füßen etwas anderes spürte. »Oh, nein, was ist denn das?« Eine braune, stinkende Masse klebte unter beiden Füßen. Das Mädchen war in einen großen Hundehaufen getreten. »Das ist ja eklig.« Es sah sich um und entdeckte weitere Häufchen in verschiedenen Größen. »Macht denn hier niemand sauber?« Angewidert öffnete es seinen Schirm und ließ sich ans Meer tragen. Doch als es sich dort umsah, war es schockiert. »Was ist denn das für ein Dreck?« Schwarze Teerklumpen schwappten auf dem Wasser und wurden mit jeder Sekunde ans Ufer gespült. »Wo kommt das denn alles her?« Mitten auf dem Meer entdeckte das Mädchen eine große Fabrik. »Das ist eine Ölbohrplattform.«, erklärte ein alter 58 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Mann, der gerade über eine Düne ans Wasser gekommen war. »Sie holen das Öl aus der Erde und machen daraus Benzin, Plastik, Farben und viele andere nützliche Dinge. Das haben sie uns immer erzählt. Aber seit dieses Ungetüm dort steht, hat es alle Strände in der Umgebung mit seinem Dreck verseucht.« Der alte Mann sah müde und enttäuscht aus. »Aber wie könnt ihr das nur mit eurer Welt machen? Liebt ihr sie denn nicht?«, wollte das Mädchen erbost wissen. Der Alte zuckte mit den Schultern und bat das Mädchen, ihm zu folgen. Hinter den Dünen zeigte er ihr eine große Deponie. »Wir Menschen haben wohl aufgehört, an unsere Welt zu denken, denn wir denken nur noch an uns selbst. Alles, was wir nicht mehr brauchen, und das ist sehr viel, werfen wir weg. Die Dinge werden an Orten, wie diesem gesammelt. Irgendwann schütten sie Erde darüber und vergessen, was sie hier angestellt haben. Alles andere wird verbrannt und verpestet unsere Luft.« Das hatte das Mädchen auch schon festgestellt. Seit sie auf diesem falschen Paradies angekommen war, kratzte es seltsam in ihrem Hals und es musste ständig husten. »Die Abgase von den Autos und den Fabriken steigen in die Luft auf. Dadurch wird es immer wärmer. Eines Tages, so sagen unsere Wissenschaftler, wird das Eis unserer Pole schmelzen und die Küstenländer überschwemmen und weg spülen. Aber daran sind wir alle selbst schuld, weil uns die Welt egal geworden ist.« Der alte Mann seufzte traurig und wollte dem Mädchen noch andere Dinge zeigen. Aber es hatte genug 59 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 gesehen. Auf so einer schmutzigen Welt wollte es keine weitere Minute ihres Lebens verbringen. Es verabschiedete sich, klappte den Sonnenschirm auf und flog wieder zurück nach Hause. Auf dem Heimweg dachte es voller Zorn an die Menschen dieser einstmals schönen Welt, wie verschwenderisch und gedankenlos sie damit umgingen. »Wie schön, dass das Wasser steigen und dann alles fort spülen wird. Vielleicht bekommt diese Welt dann noch einmal die Chance neu anzufangen.« Doch dann verflog dieser Zorn und das Mädchen wurde sehr traurig. Es dachte an die Menschen, die ihre Heimat verlieren würden. Es sah noch einmal zurück und entdeckte ein paar Kinder, die traurig aus den Fenstern sahen. Sie hatten bestimmt keine Schuld daran, wie verkommen ihre Welt geworden war. »Ich werde bald zu euch zurück kommen. Und dann werde ich euch helfen, euren schönen blauen Planeten in ein Paradies zurück zu verwandeln.« Als das Mädchen wieder auf seiner kleinen grünen Welt landete, hatte es bereits eine neue Idee im Kopf. Es holte einen Beutel aus seinem Haus und stopfte ihn mit Pflanzensamen voll. »Ich werde mit den Kindern dieser Welt neu anfangen. Wir werden gemeinsam neue Blumen, Büsche, Bäume und Kräuter pflanzen.« Fröhlich singend tanzte es dann über seine Wiese und freute sich bereits auf seinen nächsten Besuch auf der grünen und blauen Welt. 60 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Finns erstes Kommando Finn stand im Flur vor dem großen Kalender, den Mama an die Wand gehängt hatte. Lesen konnte er noch nicht, aber trotzdem wusste er ganz genau, was für den morgigen Tag eingetragen war: 'Finns sechster Geburtstag'. »Mein sechster Geburtstag. Endlich.« Der sechste Geburtstag. Das war etwas ganz Besonderes. Nicht so gewöhnlich, wie der Vierte oder Fünfte. Es war der Sechste. Schon bald würde er in die erste Klasse der Grundschule gehen dürfen. Dann würde er kein kleines Kindergartenkind mehr sein. »Dann gehöre ich endlich zu den Großen.« Er dachte nach. »Dann werde ich auch keine Kinderspiele mehr machen. Ich bin ab Morgen ein großer Junge. Dann spiele ich auch nur noch Sachen, die die Großen gern machen.« Was das sein sollte, wusste er selbst nicht. Aber er nahm sich vor, nie wieder im Sandkasten zu spielen. Finn lief in sein Zimmer und sah sich um. »Aber was spielen große Jungs?« Er sah nichts. Nur zu gern hätte er seine alten Spielzeuge aus den Regalen geräumt und Neue besorgt. Aber was bloß? »Vielleicht fällt mir Morgen früh etwas ein. Denn jetzt bin ich ja noch klein.« Er machte sich zum Schlafen fertig, ließ sich von Mama noch eine Gute Nacht Geschichte vorlesen und freute sich beim Einschlafen auf Morgen. Am nächsten Morgen war Finn schon sehr früh wach. 61 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Als dann endlich der Wecker klingelte, sprang er sofort von seinem Bett in seine Klamotten und Schuhe. »Ich bin wach! Ich bin wach!. Jetzt bin ich sechs. Ich bin ein großer Junge!« Finn stellte sich vor den großen Spiegel im Flur, in dem sich Mama jeden Tag ihre schicken Kleider ansah. »Ist ja seltsam.«, murmelte Finn enttäuscht. »Ich sehe gar nicht größer aus. Ist irgendwie alles wie gestern.« Er zuckte mit dem Schultern. »Ich gehöre jetzt trotzdem zu den Großen.« Als er später im Kindergarten war, überlegte er ziemlich lange, womit er sich die Zeit vertreiben sollte. Sein Freund Lukas lud ihn ein, gemeinsam eine Sandburg zu bauen. »Sandburgen? Nicht mit mir.«, lehnte Finn ab. »Das ist was für Kleine. Als großer Junge macht man sowas nicht mehr.« Lisa, ein Mädchen, mit dem er schon öfter gespielt hatte, kam mit einer anderen Idee auf ihn zu. »Magst du mit mir Vater, Mutter, Kind spielen? Ich bin die Mama, du der Papa und meine Püppi ist unser Baby. Ist doch cool, oder?« Finn verdrehte aber nur die Augen. »Ich mache keine Kindergartenspiele mehr. Ich bin sechs Jahre als. Das ist nichts mehr für mich.« So ging es den ganzen Tag weiter. Finn wollte nichts mit den anderen Kindern spielen. Er wusste auch nicht, was er als großer Junge spielen sollte. Niemand war da, um ihm einen Tipp zu geben. Leider gab es im Kindergarten keine anderen großen Jungs, denn Finn war der Älteste hier. Unzufrieden verzog er sich in den Gruppenraum und 62 Marco Wittler – Der Flug zum Mond setzte sich an einen der Tische. Er holte sich ein Blatt Papier, einen Buntstift und begann, etwas zu kritzeln. »Was wird denn das?«, fragte Kindergartentante Fritzi. »Ich schreibe.«, antwortete Finn genervt. »Ich versuche jedenfalls zu schreiben. Ist gar nicht so einfach, wenn man die Buchstaben nicht kennt. Aber große Jungs müssen das können.« Fritzi setzte sich lächelnd mit an den Tisch. »Aber warum willst du unbedingt schreiben können? Das lernst du doch bald in der Schule.« »Weil ich jetzt sechs Jahre alt bin. Ich bin ein großer Junge. Und große Jungs machen keine Kindergartenspiele mehr.« »Hm.«, machte Fritzi. »Ich glaube, ich habe da eine Idee. Als ich sechs wurde, wollte ich auch keine Kindergartenspiele mehr machen. Und meine Kindergartentante hat mir dann einen ganz tollen Tipp gegeben. Sie schlug mir ein ganz neues Spiel vor. Es heißt 'Kindergarten.« »Kindergarten?«, fragte Finn. »Was soll das denn für ein komisches Spiel sein? Das hört sich aber gar nicht cool an.« »Das ist es ja gerade. Es ist so cool, dass es die anderen gar nicht bemerken. Man tut so, als wäre man ein kleines Kindergartenkind. Aber weil man schon groß ist, kennt man bei allen Spielen die Regeln und ist meist besser als die anderen.« Das leuchtete ein. Finn grinste und lief nach draußen. »Danke, Fritzi. Ich gehe jetzt Kindergarten spielen.« Am Abend kam Papa von der Arbeit. Finn zeigte ihm stolz seine vielen Geburtstagsgeschenke, die er am 63 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 Nachmittag bekommen hatte. Danach erzählte er ihm von seinem großen Problem. Er hoffte darauf, dass Papa ihm zeigen konnte, was große Jungs gern spielen. Immerhin war Papa auch mal ein Junge. »Hm.«, machte Papa. »Lass uns mal in dein Zimmer gehen. Wir schauen uns einfach um und finden was für dich.« Während Papa sich alle Schränke und Regale ansah, blickte Finn gelangweilt aus dem Fenster und sah zum dunklen Himmel hinauf. Plötzlich hatte er einen Einfall. »Jetzt weiß ich es.«, rief er. »Ich will Astronaut spielen und in den Weltraum fliegen. Das machen wirklich nur große Jungs.« Wieder machte Papa »Hm. Ich kann aber nichts finden. Keine Spielzeugraumschiffe, keine Astronautenfiguren. Du hast auch keine Bücher über den Weltraum. Da wirst du noch etwas warten müssen.« Finn schüttelte den Kopf. »Keine Spielzeuge. Ich will richtig Astronaut spielen. Oder noch besser: Ich will ein Raumschiffkommandant sein. Dann kann ich auf meinem bequemen Kommandantensessel sitzen und meiner Mannschaft Befehle geben.« Er dachte an eine Serie, die vor ein paar Tagen im Fernsehen lief. Darin war es auch so gewesen. »Wir haben kein Raumschiff.«, entschuldigte sich Papa. »Brauchen wir auch nicht.« Finn verdrehte die Augen. »Wir spielen doch nur. Können wir nicht aus unserem Auto ein Raumschiff machen? Mein Kindersitz ist der Kommandantensessel und du bist der Pilot. Gemeinsam fliegen wir dann von einem Planeten zum nächsten. 64 Marco Wittler – Der Flug zum Mond Papa schwieg und dachte wohl noch über diesen Vorschlag nach. »Bitte, bitte, bitte.«, bettelte Finn. »Na gut. Zieh dir deine Jacke an. Wir fliegen in ein paar Minuten ab.« Kurze Zeit später saßen sie zu zweit im Auto. »Maschinen starten.«, befahl Finn. Papa drehte den Zündschlüssel um. »Steuermann, bringen sie uns raus.« Papa gab langsam Gas und fuhr den Wagen von der Garage auf die Straße. »Wo soll es hingehen, Sir? Welche Richtung?«, fragte er nach hinten. Finn dachte nach. Sollte es zum Mond gehen? Zur Sonne? Oder irgendwohin, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen war? Schließlich erinnerte er sich an eines seiner Lieblingsbücher, das ihm Mama so oft vorgelesen hatte. »Flieg einfach vorbei am zweiten Stern von rechtsund dann immer geradeaus bis zur Morgendämmerung.« »Aye, Sir.«, antwortete Papa und fuhr los. Finn setzte sich seinen Fahrradhelm auf, den er nun als Astronautenhelm benutze. Dabei grinste er von einem Ohr zum anderen. »War gut, dass mir Mama immer wieder Peter Pan vorgelesen hat. Aber ab jetzt will ich nur noch Weltraumgeschichten vor dem Schlafen hören.« 65 Commander Finn und seine verwegene Crew – Band 01 66
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