stationen vier: provisorien und bau Der Bau ist das Ende vom Anfang des Bahnhofs. Fakten und Geschichten über das Umleiten, Vorbauen, Aufbauen, Umbauen und Fertigbauen. Projekt Hauptbahnhof Wien Dokumentation #4 / 2015 provisorien & bau Prolog Beim Bauen ist das Bauen erst der letzte Schritt – die vierte große E tappe nach dem Abbruch, der Planung und der Kommunikation. Alles auf Schiene Gebrachte läuft nun ein in die Realität. Viele Gleise führen zusammen, treffen sich in ihrem neuen Zentrum, dem Bahnhof, der nicht mehr Kopf-, sondern Durchgangsbahnhof ist, Hauptbahnhof und nicht mehr Endstation. Der Bau endet im Anfang der Abfahrten und Ankünfte. Mit der Eröffnung hat er sein Ziel erreicht. Doch auch dem Bauen muss man vorbauen: Bauten errichten zu dem Zweck, dass überhaupt mit dem eigentlichen Bau begonnen werden kann. Wer ein Haus baut, braucht zuerst eine Zufahrt. Dieses Prinzip, auf ein internationales Verkehrszentrum angewandt, lässt den Aufwand an Bauvorbereitungen exponentiell wachsen. Erst wenn weiträumige Um fahrungen möglich sind, kann mit der Errichtung begonnen werden. Die Eisenbahn war das erste Netzwerk der Geschichte. Der von Fahrplänen gesteuerte Schienenverkehr bildet ein System. Ändert sich ein Element darin, hat dies weitreichende Wirkungen auf das Ganze. Auch wenn sich der fertige Bahnhof stolz als Gebäude zeigt, ist dies nur die äußere Hülle einer komplexen Maschine. Logistik steht an erster Stelle. Jeder Quadratmeter Baugrund muss als Zwischenlager genutzt werden. Die Gewerke folgen aufeinander im Stafettenlauf – von außen nach innen, von unten nach oben bis zum Dach. Der Bau ist die Summe seiner Vorbereitungen. Seine Dokumentation ist mit diesem vierten Band abgeschlossen. Alle Himmelsrichtungen zu verknüpfen und von einem Punkt aus erreichbar zu machen, war die Vision. Im Hauptbahnhof ist sie verwirklicht. Damit hat für Wien, Österreich und Europa eine neue Ära der Mobilität begonnen. Wolfgang Pauser station & drehscheibe Mittlerweile läuft der neue Wiener Hauptbahnhof in Vollbetrieb. Bei den Fahrgästen durchaus beliebt und von den KritikerInnen vorwiegend gewürdigt, ist die neue Verkehrsdrehscheibe im Stadtzentrum in nur kurzer Zeit eine wichtige Landmark in der österreichischen Bundeshauptstadt g eworden. Ein/-e kritische/-r BeobachterIn könnte sich nun fragen, wie man eigentlich so einen Bahnhof baut. Eine gute Frage, aber fast zu trivial gestellt. Sie müsste wahrscheinlich in etwa so lauten: Wie baut man einen Bahnhof, der zwei alte Kopfbahnhöfe ersetzt, während der Bahnbetrieb voll aufrechterhalten werden soll, und das mitten im dicht bebauten und bewohnten Stadtgebiet und in einem mehr als ambitionierten Zeitrahmen? Diesen überaus komplexen Prozess, der hinter dieser noch immer simplifizierten Frage steckt, versuchen wir in den vier Bänden „stationen“ zur Errichtung des Wiener Hauptbahnhofs darzustellen. In dem Ihnen vorliegenden vierten Band kommen wir zur Sache an sich: zum Bau selbst. Bau klingt in diesem Kontext fast schon gewöhnlich. Der vorliegende Band heißt auch nicht umsonst „provisorien & bau“. Denn der neue Wiener Hauptbahnhof wurde eben nicht einfach auf der grünen Wiese gebaut und pünktlich zum Stichtag in Betrieb genommen. Was bei der vorliegenden Lektüre vielleicht nach einem „klassischen“ Bauprojekt klingen mag, war ein wohlkonzertierter, logistischer Hochseilakt ohne Netz und ohne Platz für Fehler und Verzögerungen. Nur möglich mit einem Team von SpezialistInnen, die im Rahmen dieses Großprojekts hochprofessionelles Projektmanagement und Teamwork bewiesen haben. Oder anders gesagt: Mit dem Bau des Wiener Hauptbahnhofs wurde ein lebenswichtiges Organ – wenn man so will: das Herzstück im Bahnbetrieb der österreichischen Ostregion – geschaffen. Und Ihnen liegt nun die Dokumentation über den Bau dieses Jahrhundertprojekts vor. Franz Bauer, Vorstand ÖBB-Infrastruktur AG stationen #4 4–7Kontextprojekte 8–9 Busbahnhof Waldmanngründe 10–11 Neues elektronisches Stellwerk Wien Süd 12–15 S-Bahn-Station Südtiroler Platz 16–17 Der verkürzte Ostbahnhof 18–21 High-Tech-Stützpunkt Matzleinsdorf 22–24 Bahnhof Wien Meidling 24 Prerequisites for Vienna Main Station (Summary) 26–27 Kathedralen der Moderne 28–31Abriss 31 Demolition (Summary) 32–33Umfahrungsgleise 34–35 Aushub Verkehrsstation 36–41Rohbau 41 Frame (Summary) 42–47 Rautendach und Halle Nord 47 Diamond-Shaped Roof (Summary) 48–49Umwelt 49 Environment (Summary) 50–53Haustechnik 54–57 Innenausbau und Pächterausbau 58–61Inbetriebnahmen 61 Commissioning (Summary) 62–65Voraussetzungen 66–67 Gut gelaufen stationen 3 kontextprojekte 4 stationen LUFTIGE, LEICHTE KON STRUKTION. Um eine weitere Verbindung zur Ostbahn und zum Flughafen Wien zu schaffen, wurde 2012 zudem mit dem Bau der sogenann ten „Klederinger Schleife“ zwischen Ostbahn und Donauländebahn begonnen. Signifikant die Brücken am Weg Richtung Flughafen EIN NEUER KNOTEN IM NETZ Ein Projekt wie der Hauptbahn hof kann nicht für sich alleine gesehen werden. Im Zuge der Pla nung waren daher vorbereitende und begleitende Maßnahmen zu setzen, die sich bis weit in das Wiener Umland zogen. B die bahn wird elektrisch DIE ZUKUNFT DER ÖBB hat ein großes E und das steht für Elektroantrieb. Entsprechend wurde der neue Produktionsverbund in Wien Matzleinsdorf (siehe: „Ein neuer zentraler Service-Stützpunkt“, Seite 18) bereits auf das Service und die Wartung elektrisch betriebener Fahrzeuge ausgerichtet. Das bedeutet aber nicht, dass dieselbetriebene Züge den Hauptbahnhof nicht mehr anfahren können. Denn einige Jahre nach Inbetrieb nahme werden – insbesondere auch für Ver schubfahrten – noch Dieselloks im Einsatz sein und können bis dahin in Matzleinsdorf auch noch betankt und serviciert werden. Geplant ist aber, dass in rund zehn Jahren das gesamte Bahnnetz der ÖBB elektrifiziert sein wird. is zu 100 Kilometer rund um den Großraum Wien erstreckten sich jene Maßnahmen, die es brauchte, damit man den Hauptbahnhof Wien überhaupt bauen kann. Oder besser gesagt, so bauen kann, dass der Bahnbetrieb von, nach und in Wien aufrechterhalten werden kann. Als „Kontextprojekte“ wurden diese Maßnahmen bezeichnet, die einen indirekten Einfluss auf die Bauabwicklung hatten, am Ort des Geschehens jedoch unsichtbar blieben. Vor allem dienten diese Projekte dazu, Kapazitäten für den Verkehr zu schaffen, der von den Einschränkungen im Bereich der Baustelle betroffen war. Ganz besonders galt das für den Güterverkehr. Denn während man die Personen im Falle von Sperren auch mit Bussen transportieren konnte, war das mit Tonnen von Gütern wesentlich schwerer möglich. GÜTERZUGROUTE WEST. Um die Bauphasen für die Errichtung des Hauptbahnhofs wie geplant durchführen zu können, war es erforderlich, Güterzüge großräumig umzuleiten. Auf der sogenannten „Güterzugroute West“ bot sich dafür eine Umfahrung über Tulln und Herzogenburg an. Eine Route, über die auch der Zentralverschiebebahnhof Wien-Kledering – Österreichs größter Rangierbahnhof – erreichbar war, ohne dass man dazu den Bahnhof Wien Meidling oder den im Bau befindlichen Hauptbahnhof befahren musste. Außerdem war die Güterzugroute West eine Strecke, deren Modernisierung und Verstärkung als Teil der Neubaustrecke Wien–St. Pölten ohnedies im Ausbauplan für die Bahnin frastruktur durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) vorgesehen war. Einziger Haken: Nach den damals aktuellen Investitionsplänen wäre diese neue Strecke deutlich zu spät verfügbar gewesen. Um den Güterverkehr aber bereits mit der Sperre des Südbahnhofs Ende 2009 über die Güterzugroute West umleiten zu können, mussten daher Teile der Ausbaumaßnahmen vorgezogen und andere beschleunigt werden. Allen voran der zweigleisige Ausbau der Strecke Herzogenburg– St. Pölten Hauptbahnhof. Diese Maßnahmen konnten so weit vorangebracht werden, dass die für den Umleitungsverkehr benötigte Strecke rechtzeitig zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 in Betrieb genommen werden konnte. Um auch die mögliche Kapazität auf derselben Strecke durch eine sogenannte Blockverdichtung zu erhöhen, wurden zusätzliche Sicherungsanlagen (Signale, Ampeln, Schranken etc.) installiert. Außerdem wurden im Bahnhof Herzogenburg Entlastungsmaßnahmen in Form einer Begegnungs- und Überholmöglichkeit geschaffen, um auf der Strecke auch mehr Flexibilität im Betrieb zu erreichen. Als sehr zeitkritisch gestaltete sich jedoch die Einbindung der Güterzuggleise in die dortige Sicherungsanlage. Die große Anzahl an neu zu errichtenden Signalen und anderen für einen stationen 5 kontextprojekte PROVISORIEN sicheren Bahnbetrieb notwendigen Installationen konnte im vollen Umfang erst bis Mai 2010 fertiggestellt werden. Der Ausbau der Güterzugroute West war jedoch kein Provisorium, sondern auch ein Vorprojekt, das für die betriebliche Abwicklung des Güterverkehrs im Zentralraum Wien und insbesondere im Raum St. Pölten langfristig Nutzen stiftet. GÜTERZUGROUTE NORD. Für die Güterzugroute Nord spielte die Sanierung und Ertüchtigung der Tullner Donaubrücke eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle. Denn im Zuge einer Generalsanierung sollten sämtliche Tragwerke ausgetauscht werden. Ein Vorhaben, dessen Realisierung bis 2010 vorgesehen war. Für die geplante Umleitung von Teilen des Güterverkehrs über die Güterzugroute Nord war jedoch auch hier eine Fertigstellung bis Ende 2009 notwendig. Die geplanten Arbeiten mussten also beschleunigt werden. Um die Züge nicht über den zu kleinen Bahnhof Absdorf-Hippersdorf führen zu müssen, wurde eine Schleife gebaut. Die Errichtung dieser „Stetteldorfer Schleife“ war ebenfalls unabhängig vom Bau des Hauptbahnhofs geplant und musste daher „nur“ beschleunigt werden. Dazu war auch die Neuerrichtung eines elektronischen Stellwerks in Absdorf-Hippersdorf notwendig, von dem aus die Weichen der neuen Schleife gesteuert werden konnten. Zudem wurde im Bereich des Bahnhofs Hausleiten eine Betriebsausweiche zum sicheren Begegnen und Überholen der Züge errichtet, um das Mehr an Verkehr möglichst flexibel abwickeln zu können. Und es mussten hier jene Gleise, die für den Güterverkehr vorgesehen waren, entsprechend verlängert werden. Trotz der Genehmigungen, die für diese Maßnahmen früher eingeholt, und der Grundstücke, die erst abgelöst werden mussten, und vor allem trotz des Zeitdrucks konnten alle diese Maßnahmen rechtzeitig vor dem 13. Dezember 2009 realisiert werden. Ein Fixtermin, der nicht verschiebbar war. Denn der Südbahnhof musste aufgrund der damit verbundenen massiven Änderungen für Reisende genau zum Fahrplanwechsel außer Betrieb genommen werden. Und ein Fahrplanwechsel, der europaweit immer in der Nacht vom zweiten Samstag auf Sonntag im Dezember stattfindet, war nicht verschiebbar. 6 stationen VERKEHRSANBINDUNG. Mit dieser Brücke wurde der Weg vom Hauptbahnhof über den Zentralverschiebebahnhof Wien-Kledering zum Flughafen geöffnet bitte rechts halten! Ein Umstand, der bei allen Terminplanungen rund um die Errichtung des Hauptbahnhofs zu berücksichtigen war – von der Schließung des Südbahnhofs bis zur Vollinbetriebnahme im Dezember 2015. WEITERE VORPROJEKTE. Zu den weiteren Kon- textprojekten, die im Zuge der Errichtung des Hauptbahnhofs Wien geplant, beschleunigt oder realisiert wurden, zählen auch der Lainzer Tunnel und der Wienerwaldtunnel. Beide wurden bis 9. Dezember 2012 fertiggestellt und verbinden seither die Weststrecke mit dem Hauptbahnhof. Um eine weitere Verbindung zur Ostbahn und insbesondere zum Flughafen Wien und weiter Richtung Bratislava und Budapest zu schaffen, wurde 2012 zudem mit dem Bau der sogenannten „Klederinger Schleife“ zwischen Ostbahn und Donauländebahn begonnen, die bis zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2014 fertiggestellt war. AUF DEN ZWEIGLEISIGEN STRECKEN der ÖBB wurde historisch bedingt – trotz des Gleis wechselbetriebs – in der einen Richtung hauptsächlich auf dem rechten und in der Gegenrichtung hauptsächlich auf dem linken Gleis gefahren. Auf der Weststrecke erfolgte bis 1991 der Wechsel von Links- auf Rechtsverkehr in Amstetten. Erst seit diesem Zeitpunkt wird auf der Weststrecke rechts gefahren. Auf der Nord- und der Südbahn wurde links gefahren. Mit der Inbetriebnahme des Lainzer Tunnels am 9. Dezember 2012 wurden im Westkopf des Bahnhofs Wien Meidling sowie im Abschnitt von Wien Meidling bis zum Hauptbahnhof die bereits im Rechtsverkehr geführte West- und Ostbahn mit der im Linksverkehr geführten Süd- und Nordstrecke verknüpft. Hätte man diese verwirrende Situation bei behalten, hätte diese ab dem Fahrplanjahr 2013 zu massiven Trassenkonflikten im hoch belasteten Abschnitt zwischen der Westeinfahrt in Wien Meidling und dem Hauptbahnhof geführt. Aus diesem Grund wurde im Zuge der Planungen für den Hauptbahnhof die generelle Umstellung auf Rechtsverkehr beschlossen. Für diese Umstellung mussten unter anderem auf der Südbahn seitenrichtige Überholgleise errichtet und die Randbahnsteige adaptiert werden. Umgesetzt wurde die endgültige Um stellung des ÖBB-Bahnverkehrs von Linksver kehr auf Rechtsverkehr am 6. August 2012. Errichtung Stetteldorfer Schleife Voraussetzung: ESTW Absdorf-Hippersdorf AbsdorfHippersdorf Traismauer Ertüchtigung Tullner Donaubrücke Entlastungsmaßnahmen Herzogenburg - Errichtung ESTW - Blockverdichtung Traismauer–Herzogenburg - Zulegung Güterzuggleise Tullnerfeld Errichtung Bahnhof Hausleiten Stockerau Hausleiten Tulln Errichtung Tullner Weststrecke Heiligenstadt Vorgezogene Teilinbetriebnahme Bahnhof Tullnerfeld (Ende 2009) Herzogenburg Neubaustrecke Wien–St. Pölten Wien Hütteldorf St. Pölten Hbf. EINE TRAGENDE ROLLE spiel te die Sanierung und Ertüch tigung der Tullner Donaubrü cke für die Güterzugroute Nord. Im Zuge einer General sanierung wurden sämtliche Tragwerke getauscht Floridsdorf Wien Hbf. Atzgersdorf Maßnahmen Umstellung Rechtsfahren Südbahn (Überholgleise, Randbahnsteige, ...) BrunnMaria Enzersdorf Baden Fbf. Legende: Alternative Güterzugroute West; ein- bzw. mehrgleisig Alternative Güterzugroute Nord; ein- bzw. mehrgleisig Korridorstrecken; ein- bzw. mehrgleisig Sonstige Strecken; ein- bzw. mehrgleisig KONTEXTPROJEKTE, um Kapazitäten für den Verkehr zu schaffen, der von den Einschränkungen im Bereich der Baustelle am Hauptbahnhof betroffen war, reichten bis zu 50 km um Wien Als „Kontextprojekte“ wurden Maßnahmen bezeichnet, die einen indirekten Einfluss auf die Bauabwicklung hatten, auf der Bau stelle des Hauptbahn hofs jedoch unsichtbar blieben. stationen 7 busbahnhof waldmanngründe PROVISORIEN EIN BUSBAHNHOF ÜBERSIEDELT Um Platz für den Hauptbahnhof zu schaffen, musste während der Bauzeit für den Busbetrieb am Südtiroler Platz ein Ausweich quartier gefunden und ein Provisorium errichtet werden, mit allem Drum und Dran. E in großer Bahnhof braucht auch ein würdiges Entree. Und dazu gehört nun mal ein großer Vorplatz. Für den neuen Hauptbahnhof wurde dazu der Bereich auserkoren, wo sich bis zur Sperre des Südbahnhofs der „Busbahnhof Südtiroler Platz“ befand. Die Pläne sahen vor, einen großzügigen und einladenden Platz zu schaffen, der allen Reisenden, egal ob sie zu Fuß, mit dem Rad oder mit der Straßenbahn beziehungsweise dem Taxi kommen würden, einen optimalen Zugang zum künftigen Hauptbahnhof ermöglichen sollte. Aber wohin mit dem Busbahnhof? Dieser wurde nicht nur von zahlreichen nationalen und internationalen Buslinien angefahren, sondern war auch ein wichtiger Halt für Tou- 8 stationen ristenbusse. Bis zur Fertigstellung des neuen Busbahnhofs 2014 musste daher ein Provisorium geschaffen werden, das während der Bauzeit aber trotzdem alle Stückerl spielen sollte, die für einen Busbahnhof notwendig sind. HERBERGSSUCHE, ABBRUCH UND AUFBAU. Um den Busbetrieb aufrechtzuerhalten, musste also ein Ausweichquartier gefunden werden. Im Bereich der Baustelle war dafür kein Platz – zumal der alte Busbahnhof über der S-Bahn-Station „Südtiroler Platz“ lag, die ebenfalls umgebaut werden sollte. Also musste man anderswo suchen, wobei dieses Anderswo möglichst nahe gelegen, gut zu Fuß und auch auf vier Rädern erreichbar sein sollte sowie über ausreichend Platz verfügen musste. Keine leichte Aufgabe mitten in der Stadt. Gleich gegenüber, neben der Laxenburger Straße und westlich des neuen Wiener Hauptbahnhofs wurde man fündig. Dort lagen die sogenannten Waldmanngründe, die im Süden durch die Südbahn (bzw. die Schnellbahn) und im Norden durch den Wiedner Gürtel begrenzt waren: 18.200 Quadratmeter, einst Standort der Metallfabrik Waldmann und mittlerweile wer betreibt einen busbahnhof? BEVOR JEDOCH DIE ERSTEN BUSSE auf den ehe maligen Waldmanngründen ein- und ausfahren konnten, stellte sich eine nicht unwichtige Frage: Wer betreibt den als Eisenbahnanlage gewidmeten provisorischen Busbahnhof? Busbahnhöfe sind keine Schieneninfrastruktur und können daher nicht von der ÖBB-Betrieb AG – diese verantwortete 2006 das Manage ment der Schienen und Bahnhöfe – betrieben werden. Aber auch die Postbus GmbH, eine Tochter der ÖBB-Betrieb AG, kam nicht infrage, da sie kein Eisenbahnunternehmen ist und so mit keine Eisenbahnanlagen betreiben darf. Ein juristisches Problem, bei dem es vor allem um Haftungsfragen ging, das aber mit einer zuge gebenermaßen etwas komplexen Konstruktion gelöst werden konnte. Die ÖBB-Personen verkehr AG (PV) wurde Mieter und Betreiber der Anlage. Die Nutzung erfolgt auf Basis der „Allgemeinen Bedingungen für die Inbestand gabe von Immobilien“, der „Besonderen Bedin gungen für die Inbestandgabe von Eisenbahn anlagen der ÖBB-Infrastruktur Bau AG“ und der „Besonderen Bedingungen für die Inbestand gabe mit Verrechnung gemäß AfA-(Absetzung für Abnutzung-)Bestandentgelt“. BUSBAHNHOF WALDMANN GRÜNDE. Bis zur Fertigstel lung des neuen Busbahnhofs 2014 musste ein Provisorium geschaffen werden, das wäh rend der Bauzeit alle Stückerl spielen sollte, die für einen Busbahnhof notwendig sind (links) MIT 21 HALTESTELLEN und 24 Busparkplätze ausgestattet, bietet der „Busterminal Haupt bahnhof Wien“ einen direkten Zugang zu den Zügen der ÖBB, zu U-Bahn, Straßenbahn … (links) WALDMANNGRÜNDE. Im Süden durch die Südbahn und im Norden durch den Wiedner Gürtel begrenzt: 18.200 Qua dratmeter, einst Standort der Metallfabrik Waldmann (rechts) im Eigentum der ÖBB. Groß genug und ideal gelegen, um Reisenden möglichst kurze Umsteigezeiten und eine gute Erreichbarkeit zu ermöglichen. Bevor man dort aber einen kompletten Busbahnhof für mehrere Jahre aus dem Boden stampfen konnte, mussten einige Dinge gelöst werden. So befanden sich auf dem Areal noch ein dreistöckiges Bürogebäude, alte Lagerhallen, Krananlagen und andere Einrichtungen der früheren Metallfabrik. Diese mussten abgetragen werden. Die Gebäude wurden jedoch zeitweise von Unterstandslosen als Quartier genutzt, was eine Räumung und den Abbruch problematisch machte. Zuerst musste also auch für diese Menschen ein Ausweichquartier gefunden werden. Durch die gute Zusammenarbeit mit den zuständigen Dienststellen der Stadt Wien, der Caritas sowie den Behörden konnte diese „Absiedelung“ erfolgreich durchgeführt und mit den Bauarbeiten rechtzeitig begonnen werden. Der Plan sah die Errichtung von 26 Haltestellen mit durchgehenden Flugdächern, 24 Busparkplätzen, zwei Containerbereichen für das Expedit und von diversen anderen Ein- richtungen vor, die ein voll funktionsfähiger Busbahnhof benötigt. Ende April 2007 wurde mit den Arbeiten begonnen, Anfang Juni 2007 erfolgte bereits die Übernahme durch die ÖBB und der provisorische Busbahnhof Südtiroler Platz nahm seinen Betrieb auf. Gleichzeitig konnten die Arbeiten für die neue S-Bahn-Station Südtiroler Platz beginnen. Im Dezember 2014 wurde der neue Busterminal, der unter dem Tragwerk für den Hauptbahnhof an der Laxenburger Straße errichtet worden war, in Betrieb genommen. Mit 21 Haltestellen und 24 Busparkplätze ausgestattet, bietet der „Busterminal Hauptbahnhof Wien“ einen direkten Zugang zu den Zügen der ÖBB, zu U-Bahn, Straßenbahn und innerstädtischen Buslinien. Insbesondere Busse, die von hier im Rahmen des Verkehrsverbundes Ost-Region (VOR) Verbindungen etwa nach Eisenstadt, Himberg oder Maria Lanzendorf fahren, nutzen den neuen Terminal. Busse aus Osteuropa sowie Touristenbusse fahren weiterhin die Waldmanngründe an. Dazu wurde Ende 2014 mit der Stadt Wien ein Übereinkommen getroffen, den Busbahnhof bis 2016 aufrechtzuerhalten. Die Pläne sahen vor, einen großzügigen Vorplatz zu schaffen, der allen Reisenden einen optimalen Zugang zum künfti gen Hauptbahnhof ermöglichen sollte. Nur der alte Busbahn hof stand den Plänen im Weg. stationen 9 neues elektronisches stellwerk wien süd PROVISORIEN HERZ UND HIRN FÜR DEN BAHN BETRIEB Heute steuert das „Neue elekt ronische Stellwerk Wien Süd“ (NSTWS) täglich mehr als tau send Zugfahrten im Osten Öster reichs. Aber schon während der Bauphase für den Hauptbahnhof musste das NSTWS rund um die Uhr funktionieren. D as für die Steuerung der Züge, die künftig den Hauptbahnhof frequentieren sollten, wichtigste Vorprojekt war die Errichtung des neuen elektronischen Stellwerks Wien Süd. Stellwerke sind das Herz und das Hirn eines sicheren Bahnbetriebs. Als Teil der Netzinfrastruktur dienen sie zur Steuerung von Weichen und Signalen und unterstützen damit LokführerInnen, FahrdienstleiterInnen und BetriebsmanagerInnen bei der sicheren Abwicklung von Zug- und Rangierfahrten. Einst mechanisch bedient, werden Stellwerke im modernen Bahnbetrieb zentral und elektronisch gesteuert. Das NSTWS sollte als neu zu schaffende zentrale Einheit vier bestehende Stellwerke in Wien ersetzen. Zwei Stellwerke in Matzleinsdorf, von denen eines bereits elektronisch war, dazu ein weiteres elektronisches Stellwerk 10 stationen in Hetzendorf und ein mechanisches am Südbahnhof. Insbesondere wegen der Außerbetriebnahme des Stellwerks am Südbahnhof musste das neue elektronische Stellwerk bereits zum Zeitpunkt der Sperre des Südbahnhofs Ende 2009 realisiert sein. Nur so konnte die Betriebsführung im Bereich Südbahnhof während der Bauzeit weiterhin gewährleistet und die anstehenden Umbauarbeiten im Frachtenbahnhof Matzleinsdorf sicherungstechnisch abgewickelt werden. PLANUNG MIT WEITBLICK. Das Projekt sah den Neubau eines Stellwerks an der Laxenburger Straße 2 vor, ca. 300 Meter westlich des zukünftigen Hauptbahnhofs. Die Situierung und Konfiguration erfolgten in enger Abstimmung mit den Plänen für den Hauptbahnhof. Des Weiteren wurde dabei berücksichtigt, dass neben dem Stellwerk in einem neuen Bürogebäude die ÖBB-Betriebsführungszentrale Wien untergebracht werden sollte. Neben seiner Funktion als Stellwerk dient das Gebäude am Standort Laxenburger Straße 2 außerdem als Stützpunkt der Infrastruktur-Service-Gruppe und beherbergt Büros der Gebietsleitung der ÖBB-Infrastruktur AG. Im März 2007 wurde mit der Planung begonnen, bereits Anfang Juni 2007 begannen die Bauarbeiten. Dazu mussten aber zuerst alte, nicht mehr benötigte Bauwerke – unter anderem auch Abstellgleise und eine Stützmauer – abgetragen werden. Um die verbleibenden Gleisanlagen vom NSTWS aus versorgen zu können, war zudem zur Aufrechterhaltung des laufenden Bahnbetriebes die Errichtung einer provisorischen Verbindung zum alten Stellwerk notwendig. Ende August 2008 waren der Rohbau und der Ausbau des neuen Stellwerk-Gebäudes fertig. In den folgenden Monaten erfolgte die Ausrüstung des Stellwerks durch die Fach expertInnen. Parallel dazu wurden auch die signal- und elektrotechnische Ausrüstung sowie die Telekom-Ausrüstung installiert, sodass der Betrieb planmäßig im Dezember 2009 aufgenommen werden konnte. Die in der Folge errichteten Anlagen und Leitungen für den Hauptbahnhof wurden laufend in das neue Stellwerk integriert. Um Störungen im Bahnsystem so gering wie möglich zu halten, wurden diese Erweiterungen und die damit ein- BETRIEBSFÜRHUNG. Sieben Mitarbeiter an Arbeitsplätzen mit je zehn Monitoren über wachen rund 1.000 Zugfahrten über 375 Weichen und 514 Signale IM ALTEN ZENTRALSTELLWERK am Ende des nördlichsten Bahnsteigs (19) des Südbahnhofs, wurden die Weichen bis Dezember 2009 gesteuert. Ab der Sperre des Südbahnhofs im selben Jahr übernahm das neue Stellwerk schräg vis-à-vis auf der anderen Seite der Gleise hergehenden Neuinstallationen der Software – soweit möglich – in der Nacht durchgeführt. GEBALLTE BAHNKOMPETENZ. Das neue Stellwerk ist wegen der Zugfrequenz, die über dieses gesteuert wird, das größte seiner Art in Österreich. Mehr als tausend Zugfahrten pro Tag werden so erst möglich gemacht. Im Endausbau werden es 375 Weichen und 514 Signale sein, die von hier aus zentral gestellt und überwacht werden. Das NSTWS steuert aber nicht nur den Hauptbahnhof, sondern auch den neuen Produktionsverbund in Matzleinsdorf, den Bahnhof Meidling sowie alle Gleise von der Haltestelle Rennweg bis Wien Atzgersdorf im Süden und von der Verbindungsbahn Maxing im Westen bis zur Donauländebahn in Wien Inzersdorf. Künftig sollen sogar alle Weichen und Signale in Wien, in Niederösterreich, im Burgenland und bis in die Steiermark hinein zentral vom neuen Stellwerk gesteuert werden. Überwacht wird das ganze System rund um die Uhr von sieben MitarbeiterInnen an Arbeitsplätzen mit je zehn Monitoren. Fünf davon dienen zur Information über Zugbewegungen, die anderen sind für den operativen Einsatz gedacht. Das sorgt zum einen für den perfekten Überblick zu jeder Zeit, zum anderen können von hier aus auch dispositive Aufgaben (Stellen von Weichen und Signalen) durchgeführt werden. In dem neuen Bürogebäude neben dem Stellwerk ist zudem die Verkehrsleitzentrale (VLZ) der ÖBB-Infrastruktur AG, die zuvor am Westbahnhof angesiedelt war, untergebracht. Von hier aus wird rund um die Uhr der gesamte heimische Eisenbahnverkehr überwacht. Sämtliche operativen Entscheidungsträger konzentrieren sich in der VLZ und können im Störungsfall rasch notwendige Ersatzmaßnahmen einleiten. Damit ist sichergestellt, dass bei Behinderungen oder Störungen die Auswirkungen auf die BahnkundInnen so gering wie möglich gehalten werden und der Bahnverkehr immer im Fluss bleibt. DIE PLÄNE sahen den Neubau eines Stellwerks an der Laxen burger Straße 2 vor, ca. 300 Meter westlich des zukünfti gen Hauptbahnhofs Künftig sollten alle Weichen und Signale in Wien, in Niederösterreich, im Burgenland und bis in die Steiermark hinein zentral von einem Stellwerk gesteuert werden. stationen 11 s-bahn-station südtiroler platz ENTFERNEN DER DECKEN PLATTEN. Mittels hydraulischer Pressen wurden die Tunnel deckenteile von den Tunnel wänden „abgedrückt“ und mit einem 290-Tonnen-Raupenkran weggehoben PROVISORIEN VERKEHRSKNOTEN UNTER DEM VERKEHRSKNOTEN Der Umbau der Schnellbahn- Station Südtiroler Platz war ein Projekt, das bereits vor dem Bau des Hauptbahnhofs begonnen wurde und vor dessen Eröffnung den entscheidenden „Durch bruch“ brachte. D ie S-Bahn-Stammstrecke, die von Meidling im Südwesten nach Floridsdorf im Nordosten Wiens führt, ist die am stärksten genutzte Bahnstrecke Österreichs. Alleine die Station Südtiroler Platz frequentieren an einem typischen Wochenende bis zu 58.000 Menschen. Eine Station, die teilweise aus den 1950er-Jahren stammte und die finster, verwinkelt sowie im Laufe der Jahre mehr als unübersichtlich geworden war. Seit den 1970er-Jahren kreuzte sich hier unterirdisch die S-Bahn mit der U-Bahn-Linie U1. Die Wege von der U-Bahn zur S-Bahn, zu den Straßenbahnlinien O, 18, den Buslinien 69A sowie weiteren regionalen Buslinien glichen einem Spießrutenlauf in einem Labyrinth. Wer sich nicht auskannte, war verloren. Die Station Südtiroler Platz war also bereits zum Start der Planungen für den Hauptbahnhof Wien alles andere als State of the Art und vom Fahrgastaufkommen heillos überfordert. Um daher eine dem neuen Hauptbahnhof entsprechende Verknüpfung zum öffentlichen 12 stationen Verkehr der Bundeshauptstadt zu schaffen, beschlossen ÖBB und Wiener Linien, die gesamte Verkehrsstation Südtiroler Platz in einem Gemeinschaftsprojekt einer Rundum-Erneuerung zu unterziehen. Der neue Verkehrsknoten sollte kundenfreundlich, hell und barrierefrei werden und möglichst kurze Wege vom Bahnhof zu U-Bahn, S-Bahn und zu den Bussen schaffen. VIEL GEWONNEN DURCH ZUSAMMENARBEIT. Da die Projektteile der Wiener Linien und der ÖBB baulich und funktional nicht trennbar waren, wurden die Planung und der Bau des Verkehrsbauwerks Südtiroler Platz gemeinsam durchgeführt. Hätten die beiden Auftraggeber ihre Leistungsteile gesondert vergeben, hätten zwei Auftragnehmer auch zwei Baustelleinrichtungsflächen für teilweise gleiche Leistungen schaffen müssen. Durch die enge Zusammenarbeit konnten daher unnötige Kosten und unnötige Verzögerungen vermieden werden. Ebenso wie umfangreiche Haftungsfragen, die sich aufgrund der vielen Schnittstellen, insbesondere im Tiefbau, ergeben hätten und durch die gemeinsame Vergabe vermieden werden konnten. Da insgesamt vier große Bauabschnitte – Sanierung des Bestandsbauwerkes, Verlängerung der S-Bahn-Station, Errichtung der Fußgängerpassage zwischen U1 und S-Bahn sowie Errichtung neuer Zugänge zur S-Bahn-Station – nahezu gleichzeitig und räumlich verbunden zur Ausführung gelangten, wurde auch ein ge- ein konkurs und ein provi sorium als rettende idee TAG DREI DER S-BAHN-SPERRE im Sommer 2008: Alles ist vorbereitet und die Steine, mit denen die Gestaltung der Bahnsteige starten soll, sind ebenfalls bereits geliefert. Der Ablauf ist aufgrund der begrenzten Zeit minutiös geplant. Auch das Eintreffen der Arbeiter der Verlege firma lässt nichts Böses ahnen. Noch … Als diese jedoch, statt die Arbeit aufzunehmen, ihr Werkzeug einpacken, ist Feuer am Dach. „Tut uns leid. Wir machen Schluss hier. Unsere Firma ist in Konkurs“, lautete die knappe Erklä rung. Die Projektleiterin des Wiener Hauptbahn hofs, Judith Engel, erinnert sich: „Die Telefone sind heiß gelaufen und nachdem klar war, dass die Firma wirklich in Konkurs ist, war die Frage: Was tun? Und zwar: sofort!“ Rasch war klar, dass weder ein anderer Verleger noch Material in der Zeit der Sperre zur Verfügung stünden. Also brauchte es bereits einen Plan C. Die rettende Idee: Mit den vorhandenen Stei nen könnte man zumindest die erste Reihe zum Gleis hin verlegen und dahinter ein Betonprovi sorium errichten. Gesagt, getan. Engel: „Damit konnten wir während der S-Bahn-Sperre alle Arbeiten in unmittelbarer Gleisnähe in der vor gesehenen Zeit abschließen.“ Erst später wurde mit einem neuen Steinmetz das Betonprovi sorium entfernt und der Belag der Bahnsteige fertiggestellt. Engel: „Da mussten aber nur mehr Teile der Bahnsteige und nicht mehr die ganze Station für den S-Bahn-Verkehr gesperrt werden.“ stationen 13 s-bahn-station südtiroler platz PROVISORIEN meinsames Baustellenablaufkonzept erstellt. Gut so, denn die Realisierung der neuen S-Bahn-Station Südtiroler Platz war ohnedies Herausforderung genug. Nicht nur für die Wiener Linien, die ÖBB und die mit der Errichtung beauftragten Firmen, sondern auch für die Stadt. Gleich zweimal mussten im Zuge der Bauarbeiten im Sommer zwei Spuren des Wiedner Gürtels, eine der am stärksten befahrenen Straßen Österreichs, gesperrt werden. Auch der Betrieb der Schnellbahn, die in diesem Bereich üblicherweise mit mehr als 650 Zügen pro Tag unterwegs ist, musste zweimal eingestellt werden. Zwar erfolgten diese Sperren in den Oster- beziehungsweise in den Sommerferien. Staus und Verzögerungen waren trotzdem unvermeidbar. WEG MIT DER DECKE. Bautechnisch eine Herausforderung war insbesondere der Tausch der Tunneldecke über den Gleisen der S-Bahn, der im September 2007 in Angriff genommen wurde. Tagsüber wurden die 35 Zentimeter starken Plattendecken mit Diamantsägen vorgeschnitten und Löcher zur Anbringung der Kranketten emma stürzt den kran VOM 29. FEBRUAR bis zum 2. März 2008 zog der Orkan Emma über Mitteleuropa hinweg und forderte 14 Menschenleben und verursach te Schäden im Ausmaß von rund einer Milliarde Euro. Auch die Baustelle für den Hauptbahnhof blieb nicht verschont. Hier stürzte der Sturm am 1. März einen 60 Meter hohen und 250 Tonnen schweren Turmdrehkran um. Der Kran fiel dabei quer über die Bahnsteige 11 bis 19 des Südbahnhofs und beschädigte Gleise, Oberleitungen, Signale und die Außenwand des angrenzenden Bahnsteigs 19. Glück im Unglück: Der „Umfaller“ passierte an einem Samstag und in einem Zeitfenster, zu dem kein Zug unterwegs war, sodass niemand verletzt wurde. Die Aufräumarbeiten und Re paraturen benötigten vier Tage, in denen der Südbahnhof gesperrt war. Dadurch mussten rund 10.000 Reisende in dieser Zeit bereits am Bahnhof Meidling ein- und aussteigen. Ein er zwungenes Notprogramm, das als ein unfreiwil liger, aber wichtiger Probelauf für die endgülti ge Sperre des Südbahnhofs im darauffolgenden Jahr gesehen werden konnte. 14 stationen gebohrt. Das komplette Durchschneiden und Entfernen der Deckenplatten erfolgte aus Sicherheitsgründen in der Nacht, während der S-Bahn-Verkehr eingestellt und die Fahrleitung stromlos war. Mittels hydraulischer Pressen wurden die Tunneldeckenteile von den Tunnelwänden „abgedrückt“ und mit einem 290-Tonnen-Raupenkran weggehoben. Insgesamt wurden derart mehr als 100 Deckenteile mit jeweils 18 Metern Länge, 3,3 Metern Breite und ca. 50 Tonnen Gewicht entfernt, recycelt und durch neue Elemente ersetzt. Diese Arbeiten sowie das Einsetzen der neuen Betondeckenfertigteile, bei denen rund 2.900 Kubikmeter Beton verarbeitet wurden, waren im Sommer 2008 abgeschlossen. Im Zuge der zweimaligen Sperre der S-Bahn wurde der gesamte Bahnsteigbereich umgebaut und so weit wiederhergestellt, dass eine belagsfertige Mindestbreite über die gesamte Bahnsteiglänge gegeben war. Rund 40 MitarbeiterInnen der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft arbeiteten im Schichtbetrieb rund um die Uhr, um den Zeitplan einzuhalten. Zwischen der noch tiefer liegenden U1 und der S-Bahn sowie der Straßenbahnlinie 18 wurde bei laufendem Betrieb ein neues Verbindungsgeschoss errichtet. Bei laufendem S-Bahn-Betrieb begannen die ÖBB, ihren Teil der Verbindungspassage Richtung U1 zu graben. Den anderen, längeren Teil der Verbindungspassage gruben die Wiener Linien (von der U1 weg) unter dem Wiedner Gürtel hindurch, was die oben erwähnte Sperre der Fahrstreifen notwendig machte. Ab September 2008 erfolgten der Innenausbau in der Station sowie die Verlegung der Straßenbahnlinie O, die aufgrund der Bauphasen zweimal durchgeführt werden musste. DER SÜDTIROLER PLATZ WIRD BARRIEREFREI. Bis Dezember 2010 wurden die S-Bahn-Steige fertiggestellt und aufseiten der ÖBB wurde der Ausbau der Verbindungspassage zwischen U1-Station und dem Hauptbahnhof Wien fortgesetzt. Parallel dazu erfolgte durch die Wiener Linien der Ausbau der Haltestellenbereiche Südtiroler Platz mit den neuen Auf- und Abgängen zur Straßenbahnlinie 18 und 0. Bereits im August 2009 waren die Rohbauarbeiten für die unterirdische Passage von der U1, unter dem Wiedner Gürtel sowie unter der GLASKANAL. Die Gleise 1 und 2 des Wiener Hauptbahnhofs sind zugleich die S-Bahn-Station. Die Trasse der sogenannten Stammstrecke führt über den Zugang zur U-Bahn und ist gut von unten einsichtig Schnellbahn hindurch zum zukünftigen Hauptbahnhof abgeschlossen, ebenso wie die neue Brandrauchentlüftungszentrale. Seit diesem Zeitpunkt verfügt das gesamte Verkehrsbauwerk außerdem über barrierefreie Zugänge mit drei neuen Liften und einer Rolltreppe. Die Anhebung der Bahnsteige ermöglicht zudem ein niveaugleiches, bequemes Einsteigen in die S-Bahn. ERÖFFNUNG UND NOCH KEIN ENDE. Trotz der Komplexität des Bauvorhabens und des knappen Zeitplans konnte die Neuerrichtung der S-Bahn-Station Südtiroler Platz erfolgreich durchgeführt werden. Nicht einmal der Kon- IM ZUGE der zweimaligen Sperre der S-Bahn wurde der gesamte Bahnsteigbereich um gebaut und so weit wiederher gestellt, dass eine belagsfertige Mindestbreite über die gesamte Bahnsteiglänge gegeben war (links) MODERNE VERKEHRSTATION für einen wichtigen Halt auf der meistbefahrenen Strecke Österreichs. Die Anhebung der Bahnsteige ermöglicht zudem ein niveaugleiches, bequemes Einsteigen in die S-Bahn (unten) zahlen, daten & fakten Das Projekt „S-BAHN-STATION SÜDTIROLER PLATZ“ war ein Gemeinschaftsprojekt der Wiener Linien und der ÖBB-Infrastruktur AG. Das Projekt bestand aus: er Errichtung einer Fußgängerpassage ►d zwischen U1 und S-Bahn, er Sanierung des Bestandsbauwerkes, ►d er Verlängerung der S-Bahn-Station und ►d er Errichtung neuer Zugänge zur S-Bahn- ►d Station DER ÖBB-ANTEIL umfasste folgende Maßnahmen (Auszug): mbau der S-Bahn-Haltestelle mit Bahnsteig ►U verlängerung auf 215 m und Hebung auf 55 cm über Schienenoberkante (SOK) nderung der Erschließung der Randbahnsteige ►Ä (Stiegen, Aufzüge) rneuerung der Schnellbahntunneldecke ►E im Projektbereich DER ANTEIL DER WIENER LINIEN umfasste folgende Maßnahmen (Auszug): rrichtung einer neuen Fußgängerpassage ►E mit mindestens 2,9 m lichter Höhe erbindungswege (Stiegen, Fahrtreppen, ►V ufzüge) zu den Bahnsteigen der Linie 18 A und an die Oberfläche mbauarbeiten im bestehenden Verkehrs ►U bauwerk Da die Projektteile der Wiener Linien und der ÖBB nicht trennbar waren, wurden Planung und Bau gemeinsam durchgeführt. kurs des mit Verlegearbeiten auf den Bahnsteigen beauftragten Steinmetzes oder Sturm „Emma“, der am 1. März 2008 einen Kran umstürzte, konnte die planmäßige Umsetzung vereiteln (siehe Infokästen). Die Eröffnung der neuen Station und der Passage erfolgte am 17. Dezember 2010. Das alte Labyrinth war ab diesem Tag für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich, wurde aber teilweise für Betriebs zwecke und Wartungsarbeiten adaptiert, um Platz für Geschäfts- und Serviceeinrichtungen der neuen Passage zu schaffen. Am Ende der Passage trennte da aber noch eine Wand den Aufgang der Passage zur künftigen Haupthalle des Hauptbahnhofs. Was Vorbeigehende damit nicht sehen konnten, war, dass dahinter unter Einsatz von schweren Geräten und Maschinen noch an der Errichtung des Bahnhofsgebäudes für den neuen Hauptbahnhof gearbeitet wurde. Erst kurz vor der Eröffnung 2014 wurde der Weg für die endgültige Verbindung zu U1, S-Bahn und Straßenbahn frei gemacht. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2012 wurde die S-Bahn-Station in „Wien Hauptbahnhof“ umbenannt. Die Bezeichnung „Wien Südtiroler Platz“ ist, alten Gewohnheiten zur Genüge, aber weiterhin darunter vermerkt. Und auch die U1-Station heißt seither „Südtiroler Platz – Hauptbahnhof “. stationen 15 der verkürzte ostbahnhof PROVISORIEN EIN ROTER SCHUHKARTON Mit Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 schloss der Süd bahnhof endgültig seine Tore. Die Ostseite des Südbahnhofs blieb jedoch als Provisorium „Wien Südbahnhof (Ostbahn)“ bis 9. Dezember 2012 in Betrieb. E s gab viele Ideen, wie man den neuen Hauptbahnhof Wien am besten realisieren könnte. Klar war jedenfalls, dass Bauen bei laufendem Betrieb riskanter, langsamer und teurer sein würde. Und viel komplizierter. Also entschied man sich für eine Sperre, zumindest zum Teil. Dabei dachten die PlanerInnen zuerst an den Ostbahnhof, der aufgrund der Bauplanung einfacher zu schließen wäre. Ein Umstand machte diesen Überlegungen jedoch einen Strich durch die Rechnung: Der Ostbahnhof verfügte über keinen vorgelagerten Bahnhof, der für Reisende aus und nach Wien gut erreichbar gewesen wäre. Anders sah es beim Südbahnhof aus, der mit Wien Meidling einen vorgelagerten Bahnhof hatte, 16 stationen der eine umfassende Anbindung an andere Verkehrsträger, insbesondere die U-Bahn, besaß und auch mit dem Auto erreichbar war. Daher wurde, unter anderem auf Basis einer Simulation, entschieden, den Südbahnhof zu schließen und den Ostbahnhof während der Bauphase aufrechtzuerhalten. Damit das gemeinsame Gebäude des Südund Ostbahnhofs abgetragen werden konnte, mussten jedoch die Gleise, Bahnsteige und Bahnsteigdächer der Ostbahn um etwa 150 Meter verkürzt werden. Denn nur so konnte das Baufeld frei gemacht werden, das für die künftige Errichtung des „Erste-Campus“ – der neuen Unternehmenszentrale der Erste Group – vorgesehen war. Damit einher ging die Notwendigkeit, Fernzüge aus dem Osten, die aufgrund ihrer Länge hier nicht mehr halten konnten, ebenfalls nach Wien Meidling umzuleiten. Als intern genanntes Provisorium „Ostbahnhof kurz“ übernahm der verkürzte Ostbahnhof bis zur Teilinbetriebnahme des Hauptbahnhofs am 9. Dezember 2012 den Verkehr in und aus dem östlichen Umland der Bundeshauptstadt. wohin mit dem abwasser? EINE SPEZIELLE HERAUSFORDERUNG beim Projekt Hauptbahnhof stellte die Entwässerung dar. Eine Kanalbefahrung mit einer ferngesteuerten Roboterkamera hatte ergeben, dass der gesam te Bereich Gürtel/Ghegastraße am ÖBB-Kanal angeschlossen war. Da dieser Strang mit dem Abbruch des Aufnahmegebäudes stillgelegt werden sollte, musste eine neue, möglichst kostengünstige und funktionale Variante für die Entwässerung gefunden werden. Zwei Drittel der Oberflächenwässer konnten die vorhan denen Kanäle in der Arsenalstraße nutzen und weiter in einen Hauptkanal der Stadt Wien geleitet werden. Für das restliche Drittel der Oberflächenwässer musste ein 120 Meter langer Verbindungskanal von der Arsenalstraße Richtung Gürtel in den Kanal unter der Prinz-Eugen-Straße errichtet werden. Auf dieser Strecke wäre der Kanal aber quer durch den S-Bahn-Tunnel verlaufen. Mit tels einer Hebepumpe wird das Abwasser vom tiefer liegenden Kanal über den S-Bahn-Tunnel „gehoben“ und in den Kanal unter der Prinz- Eugen-Straße eingeleitet. Da diese Lösung nicht das gesamte Abwasser bewältigen kann, musste eine zusätzliche Kanalverbindung unter dem Schweizergarten errichtet werden. zahlen, daten, fakten DAS PROVISORIUM „OSTBAHNHOF KURZ“ als ÜBER DEM QUERBAHNSTEIG wurden Container aufgestellt, die drei Jahre ihren Dienst als Bahnhofshalle versahen (ganz links oben). Die letzte Lok vom Ostbahnhof (ganz links unten) INMITTEN DER RUINEN. Mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 nahm der provisorische Bahnhof für drei Jahre seinen Betrieb auf (oben) DER OSTBAHNHOF schnurrt, während die letzten Stücke des Südbahnhofs abgetragen werden und daneben bereits die ersten Rautendächer des Hauptbahnhofs errichtet werden (links) 1.100 REISENDE IN SPITZENZEITEN. Nach einem 2006 berechneten Verkehrsmodell der ÖBB wurden in den Spitzenstunden für den Regionalverkehr am Südbahnhof insgesamt rund 1.500 AussteigerInnen prognostiziert, davon entfielen auf die Ostbahn 1.100 AussteigerInnen (exklusive UmsteigerInnen). Für diese musste auch während der drei Jahre von der Sperre des Südbahnhofs bis zur Teilinbetriebnahme des Hauptbahnhofs ein voll funktionsfähiger Bahnhof zur Verfügung stehen. Aufgrund der verkürzten Bahnsteige war es daher notwendig, zu den bestehenden zehn Bahnsteigen einen zusätzlichen Bahnsteig zu errichten. Außerdem wurde nach Kürzung der vorhandenen Gleise an deren Nordseite ein überdachter Querbahnsteig errichtet, um so einen geschützten, zentralen Zugang zu allen Bahnsteigen zu schaffen. An der Nordkante des Querbahnsteiges wurden Container aufgestellt, die als Räumlichkeiten für Geschäfte, Kunden-WCs sowie für die Fahrdienstleitung, für Büros sowie für Aufenthalts- und Sozialräume und Personal-WCs dienten. Außerdem wurden mehrere Technikcontainer installiert, in denen die für den Bahnbetrieb notwendigen Maschineneinrichtungen untergebracht wurden, etwa Druckluftbehälter für Bremsprüfungen, aber auch Gerätschaften für die Zugvorheizanlage, um Reisenden trotz des Provisoriums angenehm temperierte Waggons anbieten zu können. ALLES, WAS EIN BAHNHOF BRAUCHT. Wie es sich auch für einen provisorischen Bahnhof gehört, gab es auch einen Vorplatz, der sich zwischen Arsenalstraße und dem ersten Bahnsteig befand und auf dem 25 Kiss & Ride-Plätze, zehn Taxistandplätze, Fahrradabstellplätze und eine Bushaltestelle für den 69A eingerichtet wurden. Um den nun etwas längeren und im Freien zurückzulegenden Weg vom provisorischen Bahnhof zur S-Bahn-Station Wien Südbahnhof sowie zur Buslinie 13A und Straßenbahnlinie D bei Wind und Wetter etwas komfortabler zu gestalten, wurde der gesamte Weg überdacht. Trotzdem es sich auch beim Ostbahnhof um ein Provisorium handelte, wurde dieses natürlich barrierefrei gestaltet. Dazu wurde ein rollstuhltauglicher Zugang zum Querbahnsteig errichtet, ein behindertengerechter Fahrkartenautomat installiert und auf allen Maßnahme in Zusammenhang mit dem Abtrag des Aufnahmegebäudes am Südbahnhof und für die Aufrechterhaltung der Funktionen einer Verkehrsstation bestand aus folgenden Projekt teilen: rrichtung einer provisorischen Verkehrs ►E station mit den notwendigen Funktionen in Containern rrichtung eines zusätzlichen Bahnsteigs ►E 10/11 für verbesserte Betriebsabwicklung während der Bauphase Wien Hauptbahnhof ie Bahnsteige 1–9 blieben – wiewohl um ca. ►d 150 Meter verkürzt – unverändert im Bestand iese Bahnsteige 1–11 wurden auf Höhe ►d der Schweizergartenstraße mit einem neuen Querbahnsteig (83 mal 15 m) ausgestattet Bahnsteigen ein Blindenleitsystem aufgetragen. Als Sofortmaßnahme, bis zur Auftragung des Blindenleitsystems, wurde gegen Voranmeldung ein Begleitservice durch geschultes Personal angeboten, da das Blindenleitsystem wegen der Kälte erst später aufgetragen werden konnte. Mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 nahm der provisorische Bahnhof für drei Jahre seinen Betrieb auf. Im Sinne einer einheitlichen Kommunikation wurde die Bezeichnung „Wien Südbahnhof (Ostbahn)“ festgelegt. Mit der Teilinbetriebnahme des Hauptbahnhofs, die mit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012 erfolgte, wurde der provisorische Ostbahnhof obsolet und außer Betrieb genommen. Im Anschluss erfolgte der Abbruch der eisenbahntechnischen Anlagen und der Hochbauten. Ende Mai 2013 waren die Arbeiten planmäßig abgeschlossen. Ende Juni erfolgte die vertraglich vereinbarte Grundstücksübergabe an die Käufer. stationen 17 hightech-stützpunkt matzleinsdorf PROVISORIEN EIN NEUER ZENTRALER SERVICE-STÜTZPUNKT In Wien Matzleinsdorf wurden veraltete und über ganz Wien verteilte Betriebsstandorte der ÖBB zu einem Produktions verbund zusammengefasst. Damit wurde ein Hightech-Stütz punkt für Service und Wartung geschaffen. zentralen und modern ausgestatteten Produktionsverbund zusammenzufassen. Konkret handelte es sich dabei um vier Standorte der ÖBB-Personenverkehr AG (PV), zwei Standorte der ÖBB-Technische Services GmbH (TS) und drei Standorte der ÖBB-Traktion GmbH (TR) – letztere war für die Triebfahrzeuge zuständig und bildet heute gemeinsam mit dem Verschub die neu geschaffene Einheit „Produktion“. EIN HIGHTECH-STÜTZPUNKT für Service und Wartung auf einem linsenförmigen Areal zwischen dem Bahnhof Wien Meidling und dem Haupt bahnhof Wien, ca. 800 Meter lang und an der breitesten Stelle fast 300 Meter breit fliegerbombenalarm DER VERDACHT LAG NAHE, dass man im Bau E inmal im Bahnhof eingefahren, muss ein Zug samt Waggons, bevor es wieder losgeht, im Schnitt alle drei Tage in die Waschanlage, es müssen regelmäßig die WC-Anlagen geleert und laufend der Speisewagen sowie die Schlafwägen neu bestückt werden. Außerdem ist nach einer bestimmten Zahl an Kilometern ein Service und dann und wann auch eine Reparatur fällig. Da aber ein Zug nur zu geplanter Zeit auf den Gleisen rollen kann, ohne den Bahnbetrieb durcheinanderzubringen, müssen solche Maßnahmen frühzeitig und in Abstimmung mit dem Fahrplan organisiert und in der dafür vorgesehenen Zeit durchgeführt werden. In Zeiten, in denen die Bahn immer mehr PassagierInnen gewinnt, ist das ein logistischer Albtraum. Umso mehr, wenn die Anlagen und Einrichtungen, die es braucht, um einen Zug reisefertig zu machen, mehr oder weniger über halb Wien verstreut sind. Es sprach also so gut wie alles dafür, mehrere der ohnedies zum Teil veralteten Betriebsstandorte der ÖBB zu einem 18 stationen ALLES AM LAUFENDEN BAND. Als Standort für so einen Hightech-Stützpunkt für Service und Wartung bot sich der ehemalige Frachtenbahnhof Matzleinsdorf an – ein linsenförmiges Areal, das im Norden von der Schnellbahnstammstrecke und im Süden von der Südbahn umfahren wurde und das ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Bahnhof Wien Meidling und dem Hauptbahnhof Wien liegt: ca. 800 Meter lang und an der breitesten Stelle fast 300 Meter breit. Bis 2007 waren hier Güterzüge eingefahren, um ihre Waren auf Lkws umzuladen, um „zerlegt“, neu formiert oder zwischenzeitlich abgestellt zu werden. Eine Modernisierung stand also auch hier an und das Areal bot vor allem die Möglichkeit, quasi auf der grünen Wiese planen und bauen zu können. Eine Ausgangssituation, die sich beim Gesamtprojekt Hauptbahnhof Wien sonst so gut wie nie bot. Nach Prüfung mehrerer Varianten wurde entschieden, in Matzleinsdorf einen zentralen, gemeinsamen Standort für die Anlagen der bereich auf Kampfmittel aus dem 2. Weltkrieg stoßen würde. Und tatsächlich wurde man fündig. Bei Erdaushubarbeiten stieß man am 29. April 2008 auf einen Bombenblindgänger etwa zehn Meter neben den Gleisen der Südbahn in nur etwa 1,5 Metern Tiefe. Ent sprechend dem festgelegten Alarmierungsplan wurde der Fundort geräumt, gesperrt und die Einsatzkräfte telefonisch verständigt. Da der Kopfzünder beim Aufprall stark gestaucht und der Verdacht nahelag, dass dabei das Gewinde beschädigt worden war, wurde die Evakuierung der Nachbarschaft angeordnet. Dem Ent minungsd ienst gelang es, den Kopfzünder aus dem Blindgänger zu schrauben und die 247 kg schwere Bombe mit 125 kg TNT innerhalb von nur 15 Minuten zu entschärfen. Ein weiterer Blindgänger wurde am Bahn gelände nahe der Schnellbahnstation entdeckt. Der Blindgänger gleichen Typs lag in etwa 3,5 Meter Tiefe und war mit Erd- und Steinmaterial stark verkrustet. Vor der Entschärfung musste der Bombenkörper daher gereinigt werden, außerdem waren auch hier umfangreiche Sperren inklusive einer kurzfristigen Totalsperre der Südbahn notwendig. Aber auch diese Bombe konnte rasch entschärft werden. stationen 19 PROVISORIEN hightech-stützpunkt matzleinsdorf Gesellschaften PV, TR und TS zu errichten. Und das in Form einer Bandproduktion, wo alles „wie am Schnürchen“ ablaufen würde. Demnach sollte künftig ein Zug samt Waggons, statt zwischen mehreren Standorten hin und her verschoben zu werden, im neuen Produktionsverbund Matzleinsdorf in einem Durchgang zur Waschstraße gelangen, danach weiter zur Fäkalienabsaugung für die WC-Anlagen und schließlich zur Innenreinigung und Aufrüstung mit frischer Bettwäsche für Schlafwaggons und frischen Speisen und Getränken für den Speisewagen. Und das mit aller künftig gebotenen Flexibilität. So sollten für die Züge nicht nur verschiedene Waschprogramme zur Verfügung stehen, die Anlage selbst wurde so konzipiert, dass auch wirklich alle von den ÖBB eingesetzten Züge und Waggons hier behandelt werden können. Insbesondere auch die neuen Railjets, die seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2008 im Einsatz sind. Für diese gab es bis dahin noch keine ausreichend große bzw. entsprechend ausgestattete Service- und Wartungsanlage, da niedrigenergie als neuer standard BEIM PROJEKT MATZLEINSDORF sollten nicht nur die Kosten niedrig gehalten werden, „niedrig“ war auch eine Vorgabe, was den künftigen Energieverbrauch im Betrieb betrifft. Um diese zu erfüllen, wurde das zentrale Betriebsgebäu de so gebaut, dass es den Standards entspricht, die für Niedrigenergiehäuser gelten. Für die Hallendächer wurde eine sogenannte Sched dach-Konstruktion (aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem Sägeblatt auch als Sägezahndach be kannt) gewählt. Diese Form schafft eine gleich mäßige natürliche Belichtung und reduziert so den Einsatz von Energie. Außerdem sorgt eine erhöhte Dämmung der Werkshalle dafür, dass die gesetzlich geforderten Wärmedämm werte sogar unterschritten werden. Zusätzlich wurden vor allen Einfahrtstoren Torluftschleier eingebaut, eine Installation, die mittels Gebläse eine Barriere bildet, die den Kaltlufteinfall beim Einfahren der Züge verhindert. Die Beheizung der Halle erfolgt über Fernwär me und mit einer auf die Arbeitsplätze konzent rierten Temperierung. 20 stationen diese als sogenannte „Ganz-Züge“ im Unterschied zu den Intercity-Zügen nicht zerlegt werden können. Eine multifunktionale Bandproduktion und eine entsprechend große Halle würden daher auch diese damals noch offene Frage lösen. DREI AUFTRAGGEBER, EINE MISSION. Um das Gemeinschaftsprojekt auch gemeinsam realisieren zu können, schlossen sich die betroffenen Gesellschaften PV, TR und TS zu einem Finanzierungs- und Produktionsverbund zusammen. Das wiederum brachte zusätzlich den Vorteil, dass das Projekt Matzleinsdorf mit dem Gesamtprojekt Wien Hauptbahnhof sowohl planerisch als auch betrieblich einfacher und damit besser abgestimmt werden konnte. Ende 2005 erfolgte der Grundsatzbeschluss zur Planung des Gesamtvorhabens, Ende 2006 konnte mit der Freimachung des Areals begonnen werden. Damit standen für Errichtung und Besiedlung lediglich 23 Monate zur Verfügung, um rechtzeitig zum Start der Bautätigkeiten für den Hauptbahnhof mit Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 fertig zu sein. Dadurch ergab sich ein sehr gedrängter Zeitplan, der keinerlei Pufferzeiten beinhaltete. Und das obwohl die Bauarbeiten unter laufendem Bahnbetrieb erfolgen mussten. Sowohl die S-Bahn-Strecke als auch die sogenannten Umfahrungsgleise führten (zwar am Rand, aber doch) über das Areal. Darüber hinaus mussten über diese Gleise weiterhin auch der Güterverkehr zum Zentralverschiebebahnhof Wien- Kledering und Verschubfahrten geführt werden. Dieser Verkehr hatte natürlich Auswirkungen auf den Bauablauf. Jede Bauphase war verknüpft mit einer Änderung der betrieblichen Rahmenbedingungen. Ein besonders kritisches Datum war der 12. Mai 2009. An diesem Tag mussten die ehemaligen Gleise, jetzt Umfahrungsgleise, der Südbahn gesperrt werden, um deren Unterbau zu sanieren. Bis zum Abschluss dieser Arbeiten Mitte Oktober musste der Bahnverkehr der Südbahn daher über zwei Verschubgleise geführt werden, wobei besondere Vorsicht geboten war. DIE MANNSCHAFT GEHT AN BORD. Im November 2009 war es aber so weit. Die Besiedelung des gemeinsamen Büro- und Hallenkomplexes, der aufgrund seiner Dimensionen ÖBB-in- FLEXIBILITÄT. So konzipiert, dass auch wirklich alle von den ÖBB eingesetzten Züge und Waggons hier behandelt werden können (oben) IN MATZLEINSDORF befindet sich Öster reichs einzige Tandem-Unterflurradsatz drehbank, mit der Zug-Räder eines ganzen Drehgestelles elektronisch geprüft und auch gleich nachgedreht, im Fachjargon „reprofiliert“, werden (oben) tern auch als „Flugzeugträger“ bezeichnet wird (alleine die Wartungshalle misst 240 Meter Länge und beherbergt acht Gleis-Straßen), begann. Und am 13. Dezember 2009, rechtzeitig zur Sperre des Südbahnhofs, konnte der neue Produktionsverbund seine Arbeit aufnehmen. Rund 1.000 MitarbeiterInnen der ÖBB sind mitsamt Geräten und Maschinen am neuen Hightech-Stützpunkt Matzleinsdorf beschäftigt: 500 LokführerInnen, 300 TS-MitarbeiterInnen und weitere 100 MitarbeiterInnen jeweils von TR und PV. Dazu kommen noch 350 MitarbeiterInnen externer Firmen für Catering, Schlafwagen-Service und für die Fahrzeugpflege. Macht in Summe mehr als 1.600 zahlen, daten & fakten Der neue Produktionsverbund Matzleinsdorf: ZENTRALES PRODUKTIONSGEBÄUDE für Traktion (TR), Technische Services (TS) und Personen verkehr (PV) ervicehalle für Reparatur und Wartung ►S von Garnituren ervicehalle für Reparatur und Wartung ►S von Einzelwagen und Triebfahrzeugen ervicehalle für Arbeiten an Triebfahrzeugen ►S (Sandbefüllung, Außereinigung, Enteisung) etriebsgebäude als zentraler Personalstütz ►B punkt, Lager sowie Büro für die Verwaltung FLUGZEUGTRÄGER wird der Hallenkomplex ÖBB-intern genannt. Die Wartungshalle misst 240 Meter Länge und beherbergt acht Gleis-Straßen (rechts) IN DER HALLE kann etwa ein kompletter Railjet mit einer Länge von 206 Metern in nur vier Stunden gereinigt, gewartet und ausgerüstet werden (links) UNTERFLURRADSATZDREHBANK ilfszuganlage für Reparatur und Wartung ►H der Hilfszuggerätschaften DIESELTANKSTELLE ankstelle für Dieseltriebfahrzeuge ►T agertank für Dieselkraftstoffe ►L 40 TRIEBFAHRZEUG-ABSTELLPLÄTZE mit 2 Schiebebühnen ALLGEMEINE ANLAGEN (Straßen, Parkplatz etc.) ZU- UND NACHLAUFGLEISE zu diesen Anlagen adegleis für Materialanlieferung mit teilweiser ►L Überdachung und Krananlage MATZLEINSDORF I INFRASTRUKTUR Rüstgleise mit 3 Rüstbahnsteigen samt Ein ►7 bauten zur Versorgung wie etwa WCs leeren, Wasser nachfüllen, reinigen … bstellgruppen für Zuggarnituren ►A MATZLEINSDORF II rovisorische Auto-im-Reisezug-Anlage (ARZ) ►p bis zur Inbetriebnahme der ARZ am Haupt bahnhof im Juni 2014 eueinbindung der Streckengleise der ►N Südbahn/Pottendorfer Linie Mehr als 1.600 Menschen führen hier sämtliche Servicearbeiten für alle am Hauptbahn hof Wien verkeh renden Züge durch. Menschen, die hier sämtliche Service- und Wartungsarbeiten für alle am Hauptbahnhof Wien verkehrenden Züge durchführen. So kann etwa ein kompletter Railjet mit einer Länge von 206 Metern in nur vier Stunden gereinigt, gewartet und ausgerüstet werden. Die damit entfallenden Rangierfahrten senken nicht nur die Umweltbelastung, der gemeinsame Produktionsverbund bringt auch eine spürbare Senkung der Investitions- und Erhaltungskosten. So befindet sich in Matzleinsdorf Österreichs einzige Tandem-Unterflurradsatzdrehbank, mit der Zug-Räder nicht nur elektronisch geprüft und auf Schwachstellen abgesucht werden, sondern auch gleich nachgedreht, im Fachjargon „reprofiliert“, werden. Zur Bearbeitung wird das Drehgestell (dieses besteht aus zwei Achsen, daher der Name „Tandem-Unterflurradsatzdrehbank“) nach unten gespannt, sodass die vier Räder in einem Zug „reprofiliert“ werden können. Eine große Zeitersparnis, aber auch eine Wegersparnis, da die Züge nicht mehr zur Unterflurradsatzdrehbank nach Salzburg geführt werden müssen. Eine Investition, die sich so besser rechnet. stationen 21 bahnhof wien meidling PROVISORIEN MEIDLING WÄCHST ÜBER SICH SELBST HINAUS Während der Bauzeit des Haupt bahnhofs musste der Bahnhof Meidling den gesamten Verkehr der Südbahn und den Fernver kehr der Ostbahn bewältigen. W as sich beim Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 am Bahnhof Wien Meidling abspielte, war unvorstellbar, aber doch geplant. Als hätte man mit einem Mal die sprichwörtlichen Schleusen geöffnet, strömten ab diesem Tag bis zu 65.000 Menschen in die neu adaptierte Bahnhofshalle. Denn aufgrund der Sperre des Südbahnhofs – bis dahin der größte Bahnhof Österreichs – war nun Meidling die Ein- und Ausstiegsstelle für alle Reisenden, die Richtung Graz, Klagenfurt oder weiter in den Süden wollten. Ebenso wie für jene nach Budapest, Prag oder Warschau. Nur der Verkehr zwischen Wien und dem östlichen Umland der Bundeshauptstadt verblieb am verkürzten Ostbahnhof (siehe: „Der verkürzte Ostbahnhof“, Seite 16). AUSBAU WAR SCHON AUF SCHIENE. Der Bahn- hof Wien Meidling war aber bereits vor dem Fahrplanwechsel 2009/10 einer der am stärksten frequentierten Bahnhöfe der ÖBB. Mit rund 45.000 Reisenden täglich hatte der Verkehrsknoten im Westen Wiens, der zudem Anschluss an die S-Bahn, die U-Bahn-Linie U6 so- 22 stationen wie an Bus- und Straßenbahnlinien bot, in etwa die gleiche Zahl an Fahrgästen zu bewältigen wie der Wiener Westbahnhof. Entsprechend hoch war auch die Zugdichte. Rund 700 Züge fuhren hier täglich aus und ein. Eine Frequenz, die schon vor Beginn der Planungen für die Errichtung des Hauptbahnhofs zu dem Entschluss geführt hatte, den Bahnhof Meidling einer Rundumerneuerung zu unterziehen. Im Rahmen eines eigenen Projektes war der Umbau des Bahnhofs daher bereits seit 2005 voll im Gange. Ein Vorteil für die Maßnahmen, die zusätzlich benötigt wurden, damit Meidling als Kopfbahnhof für die Südbahn und für den Fernverkehr der Ostbahn einspringen konnte. Die meisten davon waren ohnedies vorgesehen. Deren Umsetzung musste jedoch schneller als ursprünglich geplant erfolgen, wollte man für die Sperre des Südbahnhofs am 13. Dezember 2009 vorbereitet sein. Und, es waren einige weitere Optimierungen sowie auch Provisorien notwendig, um Meidling als „neuen Südbahnhof“ für die sechsjährige Bauzeit des Hauptbahnhofs fit zu machen. MEHR LICHT UND MEHR KOMFORT. 2005 war mit der Errichtung der rund 1.300 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Halle begonnen worden. Nach deren forcierter Fertigstellung wurden hier neue Geschäfte, Lokale und Kundeneinrichtungen wie ein Reisecenter, ein Info-Point und eine Club-Lounge untergebracht. Durch die Öffnung der Halle verkürzten sich zahlen, daten & fakten IM ZUGE DES UMBAUS wurden am Bahnhof Meidling 4.350 Meter Schienen, 42 Weichen, 6.700 Schwellen verlegt und 11.000 Tonnen Gleisschotter ausgetauscht. Folgende Maßnahmen wurden zur Ertüchtigung des Bahnhofs Wien Meidling durchgeführt (Auszug): usbau Halle (Rohbaumaßnahmen, die über ►A Edelrohbau hinausgehen, Lüftung etc.) rtüchtigung für Provisorium Süd (Ausstat ►E tung entsprechend der Bahnhofskategorie, Leitsysteme und Reisendeninformation, 70 zusätzliche Monitore für Fahrgastinformation, Sicherheitstechnik- und Rückbaumaßnahmen) pgrade des Reisezentrums sowie ein im Rei ►U sezentrum integrierter InfoPoint usbau Durchgang (Kerschensteinergasse) ►A samt Errichtung Vorplatz im Bereich der Eichenstraße ulegung Gleis 8 in der Einfahrt Wien Meidling ►Z Richtung S-Bahn (Planung und Bau) ► Errichtung von Weichenverbindungen zur Betriebsabwicklung während der Sperre Süd bahnhof und um eine Blockverdichtung auf der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Haltstelle Wien Matzleinsdorferplatz und Bahnhof Wien Meidling zu ermöglichen für FußgängerInnen die Wege zwischen den Bahnsteigen der ÖBB und der U6. Zudem stehen seit dem Umbau zwischen der ÖBB-Passage und der U-Bahn-Station drei Durchgänge statt nur eines Durchgangs zur Verfügung. Dem vorhandenen sogenannten Westtunnel, von dem aus man auf die Bahnsteige gelangt, wurde ein Upgrade verpasst. Das Reisezentrum wurde modernisiert, darin ein InfoPoint integriert und es wurden neue Gepäckschließfächer errichtet. Auch eine VIP-Lounge wurde installiert. Neu errichtet wurde eine Passage, die auf der Ostseite unter dem Bahnhof von der Eichenstraße im Norden zur Kerschensteinergasse im Süden durchführt und Zugänge zu den Bahnsteigen erhielt. Auf der Seite der Eichenstraße wurde zudem ein Containerprovisorium für ein Reisezentrum mit drei Schaltern, Bankomat, Trafik, WC sowie Büros, Lager und Mitarbeiterräumen errichtet. Damit sich Reisende am neuen Bahnhof Meidling schnell und einfach orientieren können, wurde das Wegeleitsystem angepasst und 70 zusätzliche Monitore installiert. Wer trotzdem nicht weiterwusste, konnte sich rund um die Uhr an eine/-n MitarbeiterIn des InfoPoints in der Halle wenden. Außerdem standen BahnkundInnen ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2009 zehn statt bisher drei Personenkassen und 14 statt bisher acht Fahrkartenautomaten zur Verfügung. HALBE KAPAZITÄT, DOPPELTE LEISTUNG. Um den verstärkten Bahnbetrieb während der Bauphase des Hauptbahnhofs abwickeln zu können, wurden auch die Gleisanlagen und Bahnsteige aufgerüstet. Mit neuen Weichenverbindungen zwischen den Gleisen wurde die betriebliche Flexibilität verbessert. Für den Fernverkehr mussten zudem die Bahnsteige auf 450 Meter verlängert werden. Um wie geplant einen viergleisigen Verkehr zwischen Wien Meidling und dem Hauptbahnhof zu schaffen, mussten die beiden Bahnhofseinfahrten, auf der Ostseite und auf der Westseite, adaptiert werden. Nur so konnte man die gleiche Flexibilität an beiden Enden des Bahnhofs in puncto Erreichbarkeit von Gleisen und Gleichzeitigkeit von Zugfahrten erreichen. Schlussendlich standen in Meidling acht Bahnsteige zur Verfügung, während es am Südbahnhof 19 gewesen waren. Außerdem blieb Meidling ein Durchgangsbahnhof, was bedeutete, dass man – anders als bei einem BAHNHOF MEIDLING. Einund Ausstiegsstelle für alle Reisenden, die Richtung Graz, Klagenfurt oder weiter in den Süden wollten. Aber auch Querverbindungen von Süden in den Westen wie von Wiener Neustadt nach St. Pölten wer den einfacher und schneller Als hätte man mit einem Mal die sprich wörtlichen Schleusen geöffnet, strömten ab diesem Tag bis zu 65.000 Menschen in die neu adaptierte Bahnhofshalle. stationen 23 bahnhof wien meidling Kopfbahnhof – keine Züge vorab bereitstellen konnte. Um das Mehr an Verkehr trotzdem bewältigen zu können, wurden daher in der Mitte der Bahnsteige zusätzliche Signaleinrichtungen installiert. Damit war es möglich, zwei Züge in unterschiedliche Richtung gleichzeitig abzufertigen und insgesamt die am Bahnhof Wien Meidling benötigte Kapazität herzustellen. PROVISORIEN MEIDLING IST „DAS NEUE HÜTTELDORF“. Grundla- ge für diese Umbauarbeiten, die den Bahnhof Wien Meidling auch über die Bauphase für den Hauptbahnhof hinaus aufwerten, war unter anderem eine Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung (ÖIR). Diese attestierte Meidling in Hinblick auf die Zahl der Reisenden sogar eine annähernd gleiche Bedeutung, wie sie dem Hauptbahnhof zukommt. Durch die Verknüpfung von S-Bahn, Regionalzügen, Fernverkehrszügen, U-Bahn, Straßenbahn und Bus ist Meidling auch künftig einer der größten Verkehrsknotenpunkte Österreichs. In einem sogenannten „Doppel-Hub“ bildet der Bahnhof Wien Meidling mit dem Hauptbahnhof eine Einheit und hat eine wichtige Funktion als Umsteigeverbindung zwischen dem Süden und dem Westen. Und, vor allem ist Wien Meidling seit der Vollinbetriebnahme des Hauptbahnhofs am 13. Dezember 2015 und der damit einhergehenden Führung der Züge von der Weststrecke durch den Wienerwald- und den Lainzer Tunnel zum Hauptbahnhof auch „das neue Hütteldorf“ – der erste Halt für Reisende aus dem Westen in der Bundeshauptstadt. In einem sogenannten „Doppel-Hub“ bildet der Bahnhof Wien Meidling mit dem Hauptbahnhof eine Einheit. 24 stationen NEUE KAPAZITÄTEN. Um den verstärkten Bahnbetrieb abwickeln zu können, wurden die Gleisanlagen und Bahnsteige aufgerüstet prerequisites for vienna main station The measures involved in re alizing Vienna Main Station spread up to 50 kilometers around Vienna because even during construction trains still had to run from and to Vienna. The Vienna Main Station construction project was not realized on a green meadow. Instead, it was built in the heart of the city and at a location where there were not just two train stations, but also a concentration of a number of other important rail-traffic functions. Keeping all these in operation during construction necessitated a number of provisional arrangements as well as measures – socalled context projects – which had to be implemented before construction began. On December 13, 2009, South Train Station (“Südbahnhof”) shut its doors once and for all. All trains which up to that point had been entering and leaving this station, now headed for Meidling Train Station. The same went for long-distance trains which travelled along the Eastern Route (“Ostbahn”). But not all trains to the east could be detoured. To accommodate this traffic, East Train Station (“Ostbahnhof”) was temporarily kept in operation as “South Train Station (Eastern Route)” (“Wien Südbahnhof [Ostbahn]”) right up to the first partial commissioning of the new train station in December 2012. Only the platforms had to be shortened to avoid interfering with clearing property on the site. More extensive adaptions were necessary in the case of Meidling Train Station where literally overnight up to 65,000 passengers had to be managed. The upgrading of Meidling Train Station was, however, not a makeshift solution. In a so-called double hub with Vienna Main Station it is the first stop for long-distance travelers from the west and south and as a result of the connections available there to suburban, regional and long-distance trains, the subway, street cars and buses one of the largest traffic hubs in Austria today. Even the entire redesigning of Südtiroler Platz was realized in the context project with a view to its future role to connect Vienna Main Station with Vienna’s public transportation system. The same was true of the establishment of the central production network in Vienna: Matzleindorf. Here, several in part outdated operation sites of ÖBB (Austrian Federal Railways) were amalgamated to form a real high tech center for servicing and doing maintenance on trains and wagons. Perhaps the most important preliminary project was the establishment of a new electrical switch tower from which more than a thousand trains per day are controlled. Temporary solutions had to be found for the bus terminal and the car train facility both of which had to make way for construction work on the new train station. Although they were set up temporarily elsewhere, both the bus terminal and the car train facility had to meet all requirements and safety regulations. The same applied for the generous detouring of freight trains, which were rerouted around the construction site wherever possible. Even train stations and a bridge over the Danube had to be adjusted. But these measures were seen as a long-term investment in the competitiveness of the railway as a sustainable mode of transportation. bau stationen 25 kathedralen der moderne DIE VIERTE GENERATION BAU Der neue Wiener Hauptbahnhof ist der mittlerweile vierte Bahn hofskomplex an dieser Stelle. Eine Begehung von über 150 Jahren Bahnhofsgeschichte. 20 Jahre nach Grün dung der Eisenbahn in Österreich sind jährlich bereits 3 Mio. Menschen nach Triest gereist – davor waren es nur 10.000. 26 stationen ERSTMALS UNTER EINEM DACH. Süd- und Ostbahnhof durch die große Halle am Gürtel verbunden (oben) DER MARKUSLÖWE. Ab 1854 war der Südbahnhof sozusa gen das Visavis von Triest und Venedig und die vene zianischen Löwen ein erstes Empfangskomitee (links) SÜDBAHNHOF UM 1880. Tempelartige Architektur vor den Toren Wiens. Eleganz wie auf den Ringstraßen (rechte Seite oben) RAABER UND GLOGGNITZER BAHNHOF. Der Ost- und der Südbahnhof noch getrennt und außerhalb des Linien walles im Jahre 1850 (linke Seite oben) DER ZWEITE OSTBAHNHOF war der Nachfolger des Raaber Bahnhofs und das Pendant zum Südbahnhof, von dem er sich im Stil mit seinen Stahl-Glas-Konstruktionen sehr wohl unterschied (oben) KRIEGSSCHÄDEN. Die Bomben hatten es auf die Infrastruktur abgesehen und hinterließen auf den Bahnhöfen einen Trüm merhaufen (links und großes Bild Mitte) STAATSBAHNHOF. Der spätere Ostbahnhof zeigte sich von seiner klassizistischen Seite (links) stationen 27 abriss DAS ENDE VOR DEM ANFANG 28 stationen NEBEN DEM BETONABBRUCH fielen auch wiederverwert bare Wertstoffe wie Metalle, Holz und Glas an. Aber auch 10.000 Leuchtstoffröhren wurden demontiert und gesammelt Bevor der Bau des Hauptbahn hofs beginnen konnte, musste erst Bestehendes abgebrochen werden. 1,7 Millionen Tonnen Material wurden entsorgt und, soweit möglich, für die Wieder verwertung aufbereitet. R und 109 Hektar groß ist das Areal, auf dem nicht nur der neue Hauptbahnhof steht, sondern rundherum ein ganz neues Stadtviertel entsteht. Nach der endgültigen Realisierung aller im Masterplan der Stadt Wien vorgesehenen Projekte werden es 550.000 Quadratmeter Büros, 5.500 neue Wohnungen, sieben Hektar Park und ein Bildungs-Campus mit Kindergarten sein. Insgesamt werden hier rund 33.000 Menschen arbeiten und wohnen. Doch bevor der berühmte Stich mit dem Spaten für den neuen Hauptbahnhof gesetzt werden konnte, mussten erst 170 Jahre Bahngeschichte beseitigt werden. GESCHICHTE TRITT ANS LICHT. Die ersten Bahnhö- fe auf dem Gelände waren zum Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden: der Gloggnitzer und der Raaber Bahnhof, die zum Symbol der einsetzenden Industrialisierung wurden und 1874, im Jahr der Weltausstellung, vom zweiten Südbahnhof abgelöst wurden. Ein historischer Ort also, dessen Spuren in Form von Mauerresten auch bei den Bauarbeiten für den Hauptbahnhof sichtbar wurden. Im Laufe der Geschichte war das Areal zu einem Komplex mit vielen Gebäuden gewachsen und hatte ebenso dunkle Zeiten des Krieges wie helle Zeiten des Aufbruchs erlebt. Die Entscheidung, hier den neuen Hauptbahnhof zu bauen, war jedenfalls eine des Aufbruchs. Und zwar in eine ganz neue Zeit. Der eigentliche Abbruch begann im Oktober 2008 mit fast 100 Gebäuden im Frachtenbahnhof, der Bahnverladung und dem Postkomplex hinter dem Südbahnhof. Letzterer war das erste und zugleich größte Abbruchprojekt. Der Komplex, wo die Post- und Paketverzollung und -verteilung stattgefunden hatten, bestand aus mehreren, untereinander verbundenen Objekten, bis zu 35 Meter hoch und elf Meter tief. Insgesamt eine Baufläche von ca. 41.000 Quadratmetern und ein umbauter Raum von 550.000 Kubikmetern. Der zwischen 1960 bis 1980 gebaute und immer wieder erweiterte Komplex bestand durchwegs aus Stahlbeton, der den Abbruchmaschinen einiges abverlangte. Bis zu 15 Großgeräte und bis zu 35 Mann waren mit der schweißtreibenden Arbeit beschäftigt. GESCHICHTE BLEIBT ERHALTEN. Insgesamt fielen alleine beim Postkomplex rund 100.000 Kubikmeter Material an. Gleich vor Ort wurde dieses sortenrein getrennt und aufbereitet. Drei Viertel davon waren Betonabbruch, der auf der Baustelle als Schüttmaterial wiederverwertet werden konnte. Der Rest waren vor allem wiederverwertbare Wertstoffe wie Metalle, Holz und Glas. Aber auch 10.000 Leuchtstoffröhren wurden demontiert und gesammelt. Unerwartet wurden Asbest-Vorkommen entdeckt, deren Entsorgung den Zeitplan geringfügig verzögerte. Die „Entsorgung“ der Kupferleitungen hingegen hatten zuvor schon dreiste Diebe übernom- stationen 29 abriss BAU men. Immer wieder wurden zwielichtige Gestalten mit metallgefüllten Koffern gesichtet und weggewiesen. Am Frachtenbahnhof war bereits ab 2004 vereinzelt mit dem Abbruch von Gebäuden begonnen worden. Insgesamt standen hier 64 Gebäude oder 580.000 Kubikmeter umbauter Raum auf einem 350.000 Quadratmeter großen Gelände, das als Umschlagplatz für Güter vom Lkw auf die Schiene und umgekehrt gedient hatte. 2009 waren endgültig alle Gebäude abgerissen. Aber auch Gleise, Weichen und Schwellen mussten abgetragen und entfernt werden. Fast noch schwieriger als diese Arbeit war die Auflösung der Bau- und anderer Nutzungsrechte von 33 Firmen, die neben den ÖBB auf dem Frachtenbahnhof tätig waren. In Summe 200 Verträge mussten zu einem guten Ende gebracht werden. Zudem gab es auch hier leer stehende Magazine, wo Obdachlose Unterkunft gesucht hatten und sich offensichtlich auch zwielichtige Figuren Zutritt für Ablagerungen aller Art verschafft hatten. RESPEKT UND FEINGEFÜHL. Dem Bahnhof selbst wurde erst nach der Sperre im Dezember 2009 Mitte Dezember zu Leibe gerückt. Immerhin ging es um eine Fläche von 20.000 Quadratmetern mit Gebäuden – bis zu 23 Meter hoch und sieben Meter tief. Das Gelände samt Gleisen und Bahnsteigen umfasste 80.000 Quadrat- Vor dem Spaten stich für den neuen Hauptbahnhof muss ten erst 170 Jahre Bahngeschichte fest gehalten und doku mentiert werden, um sie dann beseitigen zu dürfen. 30 stationen ALTE GEMÄUER. Da, wo sich die Gleise 1–11 des letzten Südbahnhofs befanden, wurden während des Abrisses Mauern des Südbahnhofs von 1875 freigelegt kriegsrelikten auf der spur BAHNHÖFE SIND NICHT NUR Orte der Be meter, 20.000 davon mit Gebäuden, die bis zu 23 Meter in die Höhe und bis zu sieben Meter in die Tiefe gingen. In Summe 1,5 Millionen Kubikmeter umbauter Raum, die mitten in der Stadt dem Erdboden gleichgemacht werden mussten. Auch hier wurden die Räumlichkeiten zuerst von Einrichtungsgegenständen und Müll aller Art geräumt – „Entkernen“ nennen das die ExpertInnen –, bevor mit dem Betonabtrag begonnen werden konnte. Ein Job, der von 20 bis zu 70 Tonnen schweren Abbruchbaggern, zahlreichen Kleingeräten und bis zu 100 MaschinistInnen, HilfsarbeiterInnen und FacharbeiterInnen erledigt wurde. Diffizil gestaltete sich die Zerlegung der beiden Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich unter der Bahnhofshalle befanden. Da eine Sprengung unter anderem zum Schutz der AnrainerInnen nicht möglich war, mussten die bis zu drei Meter starken Mauern teilweise mit Diamant-Seilsägen zerschnitten und anschließend mit hydraulischen Meißeln zerkleinert werden. Aber nicht nur dabei, sondern von Beginn an wurde bei den Abbrucharbeiten Wert auf gute Nachbarschaft gelegt: Vernebelungsanla- gegnung, sie sind auch Orte strategischen Interesses. Vor allem in Kriegszeiten. Da der Südbahnhof im Laufe seiner langen Geschichte auch zwei Weltkriege erlebt hatte, war man vorgewarnt, dass man auch auf Relikte aus d ieser Zeit stoßen würde. Nicht immer waren diese aber so offensichtlich wie der Fund von zwei Fliegerbomben bei den Bauarbeiten am Areal des Frachtenbahnhofs (siehe: „Kampfmittel“ in stationen eins: der abriss, Seite 45). Dass der Boden unterhalb der Diesel-Tankstelle am Frachtenbahnhof – ÖBB-in tern „Kuwait eins“ und „Kuwait zwo“ genannt – derart mit Diesel kontaminiert war, stellte die Verantwortlichen vor ein Rätsel. Bis 17 Meter in die Tiefe war die Erde verunreinigt. Weitaus mehr, als durch normalen Betrieb erklärbar ist. „Möglicherweise ist dort im Krieg ein voller Öl tank zerschossen worden oder sind ganze Tanks ausgelaufen“, waren mögliche Erklärungen, die die zuständige Projektleiterin Judith Engel schließlich fand. Die Diesel-Kontamination wurde mithilfe von Öl zersetzenden Bakterien, die mit Wasser ins Erd reich gepumpt wurden, durchgeführt. Die Kon tamination sollte jedoch nicht das einzige Kriegs relikt bleiben, auf das man bei den Bauarbeiten stieß. Neunzehn Bomben, mehr als eine Tonne Werfer- und Artilleriegranaten, MG-Munition und so weiter, dazu eine Vierlings-Flak und eine russische Panzerabwehrkanone kamen im Zuge der Abbrucharbeiten zutage. Sogar ein Panzer, genauer: ein gepanzerter schwerer Ladungs träger vom Typ Borgward IV, wurde gefunden. gen und Wasserverdüsungen (vulgo Schneekanonen) verhinderten eine allzu große Staub entwicklung, Einhausungen für die Betonbrecheranlagen minimierten die Lärm- und Staubbelästigung und grundsätzlich wurden ausschließlich lärmarme, abgasgenormte Baumaschinen und Transportfahrzeuge eingesetzt. Sogar Reifenwaschanlagen für die aus der Baustelle ausfahrenden Lkws wurden aufgestellt, um eine Verschmutzung der Straßen ringsum zu vermeiden. Sichtfenster für PassantInnen, Broschüren und Flugblätter und ein Ombudsmann sorgten darüber hinaus für Transparenz und laufende Information. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung von Band eins der Schriftenreihe: „stationen. eins: der abriss“ FRONT DES SÜDBAHNHOFS kurz vor dem „Fall“. Verne belungsanlagen und Wasser verdüsungen verhinderten eine allzu große Staubent wicklung demolition: the end of the beginning Before the construction of Vienna Main Station could start, the existing structures had to be torn down. 1.7 million tons of material were disposed and wherever possible salvaged for recycling. The area measures 109 hectares in total and will not only be the home to the new train station, but also the site of a whole new city district. After realizing all of the envisioned projects in the master plan developed in cooperation with the City of Vienna, there will be 550,000 square meters in offices, more than 5,000 new apartments, seven hectares of park and a school campus with a kindergarten. A total of around 33,000 people will be able to work and live here. But before the ground breaking for the new train station could take place, 170 years of railway history had to be removed. In October 2008, the actual demolition of countless buildings in the freight station, the railway loading equipment and the postal building behind South Train Station (“Südbahnhof”) and East Train Station (“Ostbahnhof”) began. The train station itself was tackled in January 2010 after its closure in December 2009. After all, the area in question encompassed 20,000 square meters with buildings up to 23 meters high and seven meters below ground level. The area including the tracks and platforms measured 80,000 square meters. In total, 1.5 million cubic meters of enclosed space had to be levelled in the heart of the city. The buildings were first cleared of all kinds of furnishings and garbage (experts use the term “gutting”) before work could start on removing concrete. A job which was accomplished with the help of 20- to 70-ton heavy-duty demolition excavators and up to 100 people. stationen 31 umfahrungsgleise QUER DURCH DIE BAUSTELLE BAU Um eine Verbindung zwischen Süd- und Ostbahn aufrecht zuerhalten, musste der Verkehr drei Jahre lang auf provisorischen Gleisen direkt durch die Baustelle geleitet werden. N atürlich wäre es einfacher und billiger gewesen, den Hauptbahnhof Wien „auf der grünen Wiese“ zu errichten. Dazu hätten jedoch für mehrere Jahre sämtliche Verbindungen zwischen Ost- und Südbahn gekappt werden müssen. Das war weder den BahnkundInnen für so lange Zeit zumutbar noch betrieblich möglich. Zum einen mussten Fernzüge, die von Norden und Osten kamen, zum Bahnhof Meidling geführt werden, zum anderen wären der für Güterzüge wichtige Zentralverschiebebahnhof Kledering und die Zentralwerkstätte in Simmering von der Südbahn aus nicht mehr erreichbar gewesen. Daher wurde 2006 entschieden, dass während der Bauzeit zwei Betriebsgleise „ständig offen gehalten“ werden müssen. RUNDHERUM STATT UNTENDURCH. Ursprünglich war die Hauptverbindung für den Güterverkehr zwischen Süd- und Ostbahn durch den sogenannten Steudeltunnel verlaufen. Dieser begann, von Richtung Matzleinsdorf kommend, kurz vor dem Tunnel vor der Einfahrt 32 stationen in die S-Bahn-Station Südtiroler Platz und trat im nördlichen Bereich des Frachtenbahnhofs wieder ans Tageslicht. Güterzüge gelangten von dort über den Frachtenbahnhof Wien Süd auf die Ostbahn und zum Zentralverschiebebahnhof. Aufgrund seiner Lage unterhalb der künftigen Verkehrsstation musste der Tunnel jedoch aufgelassen und bis auf Rohre für die Einbauten mit Beton gefüllt werden (siehe: „Aushub Verkehrsstation“, Seite 34). Und auch eine bestehende oberirdische Gleisverbindung (bekannt als Gleis 120, welches hauptsächlich als Betriebsgleis für Verschubfahrten zwischen Süd- und Ostbahn genutzt wurde) lag der Baustelle für den neuen Hauptbahnhof im Weg. Es musste also ein Ersatz gefunden werden, zumindest bis 2012 die ersten Gleise des neuen Hauptbahnhofs fertig wären. Zunächst dachte man an eine Folge von Hilfsbrücken über das gesamte Baugelände, aus Kostengründen wurde diese Lösung aber verworfen. Stattdessen wurde als Ersatz für den Steudeltunnel an der Stelle der heutigen Bahnhofshalle eine 859 Meter lange, zweigleisige Umfahrung errichtet. PROVISORIUM FÜR ZWEIEINHALB JAHRE. Von März 2010 an wurde zweieinhalb Jahre jener Verkehr über diese Gleise abgewickelt, der nicht großräumig umgeleitet werden konnte (siehe: „Kontextprojekte“, Seite 4). Bis zur Sperre des Südbahnhofs 2009 waren täglich 195 Güter-, Dienst- und Personenzüge über das Steudelgleis und das Gleis 120 gerollt, über die provisorischen Umfahrungsgleise waren es nur 135 Fahrten. Fahrten, die ohne Zwischenfälle verliefen, obwohl das dichte Nebeneinander von Bahnbetrieb und Baustelle für alle Beteiligten eine permanente Herausforderung darstellte – für die beschäftigten Baufirmen und ihre ArbeiterInnen in puncto Logistik und Arbeitssicherheit ebenso wie für die LokführerInnen, die zeitweise an einem mehr als 20 Meter tiefen Loch vorbeifahren mussten (siehe: „Aushub Verkehrsstation“, Seite 34). Nachdem die ersten Gleise des neuen Hauptbahnhofs fertiggestellt waren, konnten die Umfahrungsgleise im August 2012 stillgelegt und abgetragen werden. Damit war der Weg frei für den Aushub der Haupthalle (Halle Nord), aber auch die beiden nördlichsten Bahnsteige und das Einkaufszentrum konnten erst ab diesem Zeitpunkt weitergebaut werden. BRÜCKENPFEILER. Die Bahn verbindet und wo der Schienen strang trennt, wird überbrückt wie hier durch die „Südbahn hofbrücke“ (links oben) BAUPROVISORIUM. Im nördlichen Bereich der heutigen Verkehrsstation wurde eine 859 Meter lange, zweigleisige Umfahrung errichtet, die mitten durch die Baustelle führte (oben) NACHDEM DIE ERSTEN GLEISE des neuen Hauptbahnhofs fer tiggestellt waren, konnten die Umfahrungsgleise im August 2012 stillgelegt und abge tragen werden (links Mitte) DER STEUDELTUNNEL war ursprünglich die Hauptverbin dung für den Güterverkehr zwi schen Südbahn und Ostbahn. Er wurde aufgelassen und mit Beton gefüllt (links unten) Fahrten, die ohne Z wischenfälle verliefen, obwohl das dichte Nebeneinander von Bahnbetrieb und Baustelle eine permanente Herausforderung darstellte. stationen 33 aushub verkehrsstation MACHU PICCHU AM HAUPTBAHNHOF BAU Bevor die Verkehrsstation gebaut werden konnte, musste ein großes Loch gegraben werden. Und das direkt neben den Gleisen, über die währenddessen der Verkehr rollte. F ür die LokführerInnen, die zu Beginn der Bauarbeiten für den Hauptbahnhof die Baustelle passierten, muss es sich angefühlt haben wie eine Zugfahrt durch die Schluchten der peruanischen Anden. Direkt neben den sogenannten Umfahrungsgleisen klaffte ein Riesenloch – mehr als 20 Meter tief, mit einem Gefälle von fast 80 Grad und einer Länge von 300 Metern. Hier mussten sie drüber, um nach der Sperre des Südbahnhofs mit Personen und Gütern zum provisorischen Kopfbahnhof Wien Meidling zu gelangen. Das Loch selbst war notwendig, um Platz zu schaffen für die neue Verkehrsstation samt Einkaufszentrum und Tiefgeschossen für Parkplätze und Technikräume. GRABEN UNTERHALB DER BAHN. Dazu musste aber zuerst der Aushub vorgenommen werden. Und zwar knapp unterhalb des Bahndamms, über den die provisorische Verbindung aufrechterhalten werden musste, bis 2012 die ersten Gleise des neuen Hauptbahnhofs befahrbar wären. Erst danach konnte auch der weitere Abtrag und 34 stationen Aushub insbesondere für die Bahnhofshalle Nord erfolgen. Bis es aber so weit war, durften die Umfahrungsgleise keinesfalls unterbrochen oder bei den Bauarbeiten beschädigt werden. Also begann man, unterhalb des Damms zu graben – zwar mit schwerem Gerät, aber mit großer Vorsicht und immer tiefer hinunter. Die Steilwand, die sich so ergab, wurde mit Bohrpfählen, Ankern und Spritzbeton gesichert. Die nächste große Frage war: Wohin mit dem Aushubmaterial? 400.000 Kubikmeter schiebt man nicht einfach so beiseite. Zudem sprach einiges dagegen, das Material zu verführen. Die Entsorgung über eine Deponie wäre aufgrund der Menge erstens nicht billig gewesen, zweitens benötigte man später Material für das Fundament und Aufschüttungen, das man dann kaufen müsste. Doppelte Kosten also ebenso wie doppelte Lkw-Fahrten, die man dem eigenen Budget, aber auch der Umwelt und den AnrainerInnen ersparen wollte. Was an Material später wieder verwendbar war, wurde daher auf der Baustelle zwischengelagert. Deponiert wurde nur, was aufgrund der Zusammensetzung oder aufgrund von Kontaminationen nicht mehr verwendbar war. Solange zwei Verladegleise des stillgelegten Frachtenbahnhofs noch zur Verfügung standen, konnte das nicht mehr verwendbare Material sogar umweltfreundlich per Bahn abtransportiert werden. Natürlich musste dazu aber erst auch eine Deponie mit Gleisanschluss gefunden werden. Drei bis vier Züge mit je 14 Waggons und das ende des steudeltunnels EIN „LOCH“, DAS SCHON DA WAR, aber nicht mehr gebraucht wurde, war der Steudeltunnel. In diesem verlief eine eingleisige Verbindung zwischen Südbahn und Ostbahn, die nicht mehr benötigt wurde. Den Tunnel einfach stillzulegen ging nicht, da er unterhalb der künftigen Ver kehrsstation bzw. unter der neuen Eisenbahn brücke über die Laxenburger Straße lag. Schon grundsätzlich ist ein Hohlraum unter Funda menten nie gut, beim neuen Hauptbahnhof sollten aber auch noch tragende Stützen auf der Tunneldecke stehen. Der 100 Meter lange Tunnel musste also verfüllt werden, und zwar mit Beton: 3.000 Kubikmeter wurden benötigt, um den Steudeltunnel vollständig zu schließen. Diesen einfach reinlaufen zu lassen, ging aber auch nicht. Zuvor wurde noch ein Abwas serkanal für die neue Verkehrsstation darin untergebracht. Danach wurden Schlitze in die freigelegte Tunneldecke geschnitten und in diesen, hinunter bis zur Tunnelsohle, Stützmau ern errichtet, die später als Fundament für die Tragwerke der Verkehrsstation dienten. Auch für die Pfeiler der neuen Brücke über die La xenburger Straße mussten Stützmauern in den Steudeltunnel hineingebaut werden. einer Beladung von rund 850 Tonnen verließen in der Hauptaushubzeit pro Tag die Baustelle. In Summe verblieben jedoch rund 70 Prozent des gesamten Abbruchs und Aushubs auf der Baustelle und wurden wiederverwertet – insgesamt waren es 670.000 Tonnen. GEBÄUDE WURDEN RECYCELT. So auch der alte Süd- WO GEBAGGERT WIRD. Mit einer Tiefe von im Schnitt zehn bis zwölf Metern ergab sich ein Aushub von mehr als 400.000 Kubikmeter (oben) ABTRANSPORT. Rund 850 Tonnen verließen in der Hauptaushubzeit pro Tag die Baustelle, jedoch zumeist mit Zügen (rechts) EIN BOHRPFAHL ENTSTEHT. Die Schnecke wird langsam nach unten gedreht. Dann wird die Schnecke wieder gehoben und der Aushub außerhalb der Bohrung abge schüttelt.Insgesamt waren für den Bau des Hauptbahnhofs 45.000 Meter Bohrpfähle notwendig (links) bahnhof, zumindest zu einem großen Teil. Das Gebäude wurde abgetragen und vor Ort in zwei eigens installierten Brecheranlagen recycelt. Dabei wurden Metalle, Kunststoffe, Ziegel und anderes ungeeignetes Material ausgesondert und deponiert. Der gebrochene Beton hingegen war ein hervorragendes Schüttmaterial, das – fast symbolisch – im Fundamentbereich des neuen Hauptbahnhofs sowie der neuen Gleisanlagen eingesetzt wurde. 120.000 Tonnen oder rund 50.000 Kubikmeter Material mussten so nicht zuerst entsorgt und anschließend wieder herbeigeschafft werden. Ausgehend von einem Lkw mit 22 Tonnen Nutzlast brachte alleine das in Summe eine Einsparung von fast 11.000 Lkw-Fahrten. Aber nicht nur die alten Gebäude wurden recycelt, auch der Aushub wurde andernorts auf der Baustelle wiederverwertet. Vor allem als Aufschüttung für die neue Verkehrsstation und die neue Gleisanlage. Denn diese musste als Durchgangsbahnhof irgendwo den Niveauunterscheid von viereinhalb Metern zwischen der alten Südbahn und der alten Ostbahn ausgleichen. Dazu wurde Richtung Osten eine Erd rampe errichtet: über die gesamte Breite der Gleisanlagen von rund 100 Metern und auf einer Länge von mehr als 600 Metern sanft abfallend. In Summe wurden alleine dafür rund 175.000 Kubikmeter Schüttmaterial benötigt. Insgesamt verblieben fast 300.000 Kubikmeter Material zur späteren Verwendung auf der Baustelle. Dessen Manipulation und Zwischenlagerung war zwar aufgrund der ohnedies beengten Verhältnisse eine ständige Herausforderung, am Ende brachte dies aber enorme Einsparungen an Kosten, Lkw-Fahrten und Ressourcen. stationen 35 rohbau EIN PROTOTYP FÜR DIE EWIGKEIT BAU Beim Bau des Hauptbahnhofs wurde einiges anders gemacht, als es üblicherweise getan wird. Nur dadurch war es aber möglich, den Rohbau in der Zeit und in der gewünschten Qualität zu errichten. D ass einiges auf sie zukommen würde, wussten alle am Bau des Hauptbahnhofs Beteiligten. Der Betrieb der Bahn, der trotz Baustelle aufrechtzuerhalten war, Bauen mitten in der Stadt und ein Zeitplan, der so gut wie keinen Spielraum für unvorhergesehene Dinge ließ, waren an sich schon Herausforderung genug. Dass aber schon zu Beginn der Bauarbeiten die Planung fundamental geändert wurde, brachte alle vom Start weg auf eine „Betriebstemperatur“, die während der fünfjährigen Bauzeit nie wirklich abfallen sollte. TIEF ODER DOCH FLACH FUNDIEREN? Etwas, was für die Ewigkeit gebaut werden soll, braucht jedenfalls ein solides Fundament. Üblicherweise eines, das in die Tiefe geht. Dazu werden Pfähle so tief in die Erde gebohrt, bis diese ausreichende Tragfähigkeit erreichen und die Last des künftigen Bauwerks über den Druck und die Reibung dieser Bohrpfähle abgeleitet werden kann. Eine solche Tiefenfundierung ist jedoch ein aufwendiges, teures und bisweilen riskan- 36 stationen tes Verfahren, denn nicht immer weiß man, welche Schichten oder auch Hohlräume einen im Boden erwarten. Damit geht auch eine nur schwer zu berechnende Bauzeit einher – Zeit, die man nicht hatte. Leichter und schneller zu realisieren ist hingegen eine Flachfundierung, die mit weit weniger Bohrpfählen und einer umso dickeren Bodenplatte auskommt. Um das Risiko zu minimieren und Zeit zu sparen, wurde daher die ursprünglich geplante Tiefenfundierung für den Hauptbahnhof verworfen und durch eine Flachfundierung ersetzt. Eine solche muss jedoch noch exakter berechnet und ausgeführt werden als eine Tiefenfundierung, um die erforderliche Statik für das darauf errichtete Gebäude zur gewährleisten. Auch mussten kleinere Nachteile in der Gestaltung der Stützenraster im Inneren des Gebäudes in Kauf genommen werden. Damit einher gingen gleich zu Beginn der Bauarbeiten für die Verkehrsstation Änderungen in der Planung, die sich vom Tiefgeschoss über den Stützenraster für das Gebäude bis zu den obersten Tragwerken des Daches und der Gleisanlagen durchzogen. Zudem braucht man für eine Flachfundierung viel Beton in kürzester Zeit. Sehr viel Beton, um wie beim Hauptbahnhof ein Fundament mit einer Fläche von 34.000 Quadratmetern und einer Dicke von einem Meter in einem Zug betonieren zu können. Mit Betonmischern, die den Frischbeton über den Gürtel (eine der DIE VERBINDUNG der Stahl träger mit der Bewehrung war echte Millimeterarbeit und ver gleichbar mit einem Igel, der versucht, mit seinen Stacheln in die Löcher eines umgedreh ten Siebes zu kommen (oben). Im November 2013 werden die letzten Hybridträger einge baut, der Rohbau der Haupt halle und die Verbindung mit der U-Bahn sind im vollen Gange (unten) zahlen, daten & fakten DIE RAUTENDACH-KONSTRUKTION lässt den Hauptbahnhof luftig leicht aussehen und genau genommen führen die Gleise über eine Brücke im vierten Stock, was nicht heißt, dass darunter nicht massiv und solide gebaut wurde. etonabtrag: ca. 48.000 m3 ►B odenabtrag/-aushub: ca. 1.250.000 m3 ►B chalung: ca. 420.000 m2 ►S ewehrung: ca. 46.000 t ►B etonkubatur: ca. 305.000 m3 ►B ohrpfähle: ca. 45.000 m ►B ragschichten: ca. 108.000 m3 ►T chottereinbau (ohne Oberbau): ca. 70.000 m3 ►S abeltröge: ca. 30 km ►K leisanlagen: ca. 100 km ►G stationen 37 rohbau am stärksten befahrenen Straßen Wiens) anliefern müssten, wäre das aber mit zu viel Risiko verbunden. Ganz zu schweigen von der Zahl an Lkw-Fahrten. Um beides zu minimieren, wurde auf der Baustelle eine Betonfabrik eingerichtet, die den Beton vor Ort produzierte. Eine Entscheidung, die sich auch über die Fundierung hinaus bezahlt machte – ökonomisch und ökologisch (siehe: „Umwelt“, Seite 48). AUF BRÜCKEN VON SÜDEN NACH OSTEN. Eine Besonderheit, die sich auf den Bau auswirkte und bereits im Vorfeld in die Planung eingeflossen war, war der Höhenunterschied zwischen tonnenschwer, aber millimetergenau BAU UM DIE VERTEILERHALLE mit einer Breite von 30 Metern (lichte Spannweite) stützenfrei zu überspannen, hatte man eine spezielle Konst ruktion entworfen: Hybridträger aus Stahl und Beton, die die Qualitäten beider Materialien am besten vereinten – Zugfestigkeit und leichteres Gewicht beim Stahl, höherer Widerstand gegen Brand und andere Einflüsse von außen beim Be ton. Um diese Verbindung zusätzlich zu stärken, waren auf den Trägern Stahlbolzen geschweißt, Noppen, wie ein Feld kleiner Schwammerl, die sich später beim Betonieren fest mit dem Beton verkrallen werden. Eine echte Herausforderung war jedoch die Verbindung der Hybridträger mit dem Quer träger. Denn dazu mussten die Stahlbolzen der Stirnseite des Trägers so in die Aussparungen der Stahlbewehrung des Querträgers eingeführt werden, dass sich Stahl und Stahl nicht berühr ten. Die Bewehrung musste aber möglichst dicht sein, um auch beim Querträger höchste Zugfestigkeit zu garantieren. Die Montage war daher echte Millimeterarbeit und vergleichbar mit einem Igel, der versucht, mit seinen Stacheln in die Löcher eines um gedrehten Siebes zu kommen, aber ohne es zu berühren. Und wenn es dann gleich beim ersten Mal nicht klappt, könnten andere bei insgesamt 24 Trägern, die auf diese Weise zu montieren sind, wohl leicht den Mut verlieren. Nicht aber die am Bau des Hauptbahnhofs Beteiligten, für die seit Beginn das Motto galt: Probleme sind da, um gelöst zu werden. 38 stationen der um viereinhalb Meter höher gelegenen Südbahn und der Ostbahn. Im ehemaligen gemeinsamen Bahnhofsgebäude konnten diese viereinhalb Meter über eine Treppe bzw. Roll treppe überwunden werden. Für einen modernen Durchgangsbahnhof war das keine Option mehr, da die neuen Bahnsteige horizontal sein mussten. Daher war entschieden worden, das Niveau der Südbahn bis in den Bahnhofsbereich durchzuziehen. Erst danach sollten die Gleise über eine sanft abfallende Rampe Richtung Osten auf einer Strecke von rund zwei Kilometern auf das Niveau der Ostbahn gebracht werden. Daraus ergab sich, dass die Verkehrsstation samt Einkaufszentrum unterhalb der Gleise errichtet werden musste und dass die Züge im ersten Stock des Bahnhofs ein- und ausfahren würden. Das ist etwas, was man – wenn möglich – vermeidet, schließlich müssen dabei enorme dynamische Kräfte, die von den bremsenden oder beschleunigenden Zügen ausgehen, ebenso berücksichtigt werden wie unterschiedlichste Unfallszenarien. Wenn sich schon die temperaturbedingte Dehnung bei einem Bahnsteig im Zentimeterbereich bewegt, kann man sich zumindest ausmalen, welche Kräfte ein einfahrender und bremsender Railjet verursacht. Gebaut wurden die Bahnsteige und Gleisanlagen der Verkehrsstation daher als Eisenbahnbrücken. Insgesamt sind es elf Tragwerke, die zusammen die oberste Geschossdecke des Gebäudes bilden. Sechs davon sind Gleis-Trag werke, tragen also die Gleise, fünf sind Bahnsteig-Tragwerke, bilden also die Bahnsteige. Während jedoch die „Gleisbrücken“ in Fahrt richtung liegen, liegen die einzelnen Bahnsteige bautechnisch ganz streng genommen quer. Und zwar mit jeweils einer Seite auf dem zugehörigen Gleis-Tragwerk aufliegend, ohne aber fix mit diesem verbunden zu sein – sie schwimmen quasi auf den Gleisbrücken mit. Wozu das gut ist? Die Bahnsteige machen jede Bewegung der Gleise mit – egal in welche Richtung: nach oben, unten, vor, zurück, links, rechts. Und damit wiederum ist sichergestellt, dass Bahnsteigkante und Waggoneinstieg stets auf demselben Niveau sind. Eine Lösung, die nicht nur bautechnisch eine Herausforderung darstellte, sondern auch logistisch und terminlich. Denn um ein Bahn- VIEL BETON, um wie beim Hauptbahnhof ein Fundament mit einer Fläche von 34.000 Qua dratmetern und einer Dicke von durchschnittlich einem Meter betonieren zu können (oben) steig-Tragwerk zu errichten, mussten zuerst die beiden Gleis-Tragwerke betoniert werden, erst danach konnte das Bahnsteigtragwerk aufgesetzt werden. Das Maß aller Bautätigkeiten war aber nicht nur dabei die Schienenoberkante. Auch alles darunter musste auf diese abgestimmt errichtet werden. VON OBEN NACH UNTEN, VON SÜDEN NACH NORDEN. Baut man eine Bahnstrecke, ist die Schie- nentrasse die Höhe, von der alles ausgeht. Liegt diese jedoch quasi im Dachgeschoss eines Gebäudes, muss man den Bau von oben nach unten denken. Und nicht wie eigentlich üblich von unten nach oben. Theoretisch mag das MASSIVER UNTERBAU. Mit jeder neuen Stütze, mit jeder neuen Zwischendecke steigt der Druck auf den Boden, aber auch auf die Etage darunter (links) Gebaut wurden die Bahnsteige und Gleisanlagen der Verkehrsstation als Eisenbahnbrücken. Elf Tragwerke bilden die obere Geschossdecke. jetzt nicht so einen großen Unterschied machen, wenn man aber wie beim Hauptbahnhof zwei Etagen unter der Erde zu bauen beginnt, sehr wohl. Denn ein Bauwerk setzt sich. Das beginnt bereits beim Fundament. Durch dessen Aushub lässt darunter der Druck nach, die Erde hebt sich. Betoniert man dann ein Fundament, senkt sich der Boden wieder. Ein Effekt, der sich nach oben fortsetzt. Mit jeder neuen Stütze, mit jeder neuen Zwischendecke steigt der Druck auf den Boden, aber auch auf die Etage darunter. Zwar kann man diese Kräfte berechnen, aber nicht immer treten die Setzungen im berechneten Ausmaß bzw. in der berechneten Zeit ein. Und wenn wie QUERSCHNITT. Die Verkehrs station samt Einkaufszentrum wird unterhalb der Gleise errichtet, während die Züge im ersten Stock des Bahnhofs bereits rollen (oben) bei der Verkehrsstation zwischen Fundament und Schienentrasse vier Ebenen und 21 Meter liegen, sind es bis zu zehn Zentimeter, in denen sich die Senkung bewegen kann. Drei Zentimeter waren es, die dann letztlich den Unterschied zwischen Plan und Wirklichkeit ausmachten. Bei den Gleisen konnte das unter anderem mit der Stärke des Schotterbettes ausgeglichen werden. Beim Stahlbau gelten jedoch andere Gesetze: Was einmal geschweißt wurde, bleibt so. Daher mussten die Maße für die Stahltürme der Aufzüge den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden, damit auch die Türen der Liftkabinen niveaugleich mit der Bahnsteigkante öffnen. stationen 39 rohbau Der Bau des Hauptbahnhofs musste aber nicht nur von oben nach unten gedacht werden. Aufgrund der Notwendigkeit, den Bahnbetrieb aufrechtzuerhalten, musste er auch von Süden nach Norden realisiert werden. Und nicht wie sonst bei der Errichtung eines Gebäudes üblich geschossweise von unten nach oben. Damit ging einher, dass, während im Norden Richtung Südtiroler Platz noch am Rohbau betoniert wurde, im Süden Richtung Sonnwendgasse bereits der Innenausbau starten musste. Solange aber keine Ebene rohbaumäßig wirklich abgeschlossen war, war auch die Entwässerung noch nicht 100-prozentig und die Überdachung schon gar nicht. Deutlich spürbar wurde das nach starken Regenfällen, die immer wieder zu Wassereinbrüchen in den unteren Geschossen führten. Dem Rohbau konnten diese nichts anhaben und auch den parallel startenden Innenausbau konnte das Wasser nicht wirklich stoppen. Pro darüber laufende Schiene wurde ein solcher Hybridträger hergestellt, in Summe sind es 24, welche die Decke der Verteilerhalle bilden. Die in Gleislängsrichtung gelegten Träger wurden an ihren Enden – auch wieder über Kopfbolzen – mit einem Querträger aus Beton verbunden, der ebenfalls mit einer Stahlbewehrung verstärkt war. Die Verbindung der beiden Träger verlangte viel Fingerspitzengefühl und war echte Millimeterarbeit, wie sich gleich bei der Montage des ersten Trägers herausstellte (siehe Infokasten Seite 38) Doch auch diese „Feuertaufe“ konnte die zeitgerechte Fertigstellung der Rohbauarbeiten für die Verkehrsstation nicht beeinträchtigen. Die erste Teilinbetriebnahme erfolgte im Dezember 2012. Termingerecht! Drei Jahre nach Baubeginn. ANPASSUNGSARBEIT. Bei der Vorbereitung der Bewehrung wird der Bewehrungsstahl mit Draht zusammengeflochten (oben) BAU DAS BESTE VOM STAHL, DAS BESTE VOM BETON. Eine spezielle Lösung musste für die Überdachung der sogenannten Verteilerhalle, von der aus die Reisenden zu den Bahnsteigen kommen, gefunden werden. Aufgrund der Planung hatte diese nur eine Raumhöhe von 3,50 Metern, dafür aber auf einer Länge von 90 Metern eine Breite von rund 30 Metern, die nicht zuletzt in Hinblick auf eine mögliche Evakuierung stützenfrei bleiben sollten. Trotzdem fuhren auch hier die Züge übers Dach – die Decke musste also einiges aushalten. Reine Betonträger wären zwar geeignet, hätten aber so dick sein müssen, dass man gebückt durch die Verteilerhalle hätte gehen müssen. Reine Stahlträger kamen aus Gründen von Brand- und Korrosionsschutz nicht infrage. Also entwickelte man eine Mischung, einen sogenannten „Hybridträger“. Dieser bestand aus einem schmalen, hohen I-Träger aus Stahl, auf den eine Stahlbetonplatte montiert wurde. Damit diese den Kräften der darauf ein- und ausfahrenden Zügen standhalten würde, waren auf dem Stahlträger sogenannte Kopfbolzen, vergleichbar mit Noppen, angeschweißt, die in die Stahlbetonplatte einbetoniert wurden und so für eine schubfeste Verbindung sorgten. Eine wahre Ingenieursleistung, die sich die höhere Zugfestigkeit von Stahl ebenso zunutze machte wie die Qualitäten von hochfestem Beton, welcher einen höheren Zementgehalt aufweist. 40 stationen ERSTER EINBLICK. Unter dem massiven I-Träger wird bereits die zukünftige Verteilerhalle sichtbar, von der die Men schen auf die Bahnsteige strömen werden (unten) HYBRIDTRÄGER bestehen aus einem schmalen, hohen I-Träger aus Stahl, auf den eine Stahl betonplatte gegossen wurde (oben) VON SÜDEN NACH NORDEN. Während im Norden Richtung Südtiroler Platz noch am Roh bau betoniert wurde, startete im Süden bereits der Innen ausbau (oben) frame: a prototype for eternity Reine Betonträger wären zwar geeig net gewesen, hätten aber so dick sein müssen, dass man gebückt durch die Verteilerhalle hätte gehen müssen. During the construction of Vienna Main Station, a few things were done differently than would otherwise be the case. This was the only way to complete the structure in the given time frame and in the desired quality. Whenever something is built to last, it needs a solid foundation, typically one that goes down deep. But building such a deep foundation is time consuming, expensive and sometimes risky because it is hard to know what to expect in terms of layers or even hollows in the ground. It is easier and faster to build a shallow foundation with fewer bored piles and a thicker foundation slab. To minimize the risk and save time, the original plan for the train station’s deep foundation was dismissed and replaced with a shallow foundation. This had to be calculated and executed more exactly than a deep foundation in order to ensure the required static for the train station to be built on top. Another unique element which impacted construction was the height difference between the high- er Southern Route (“Südbahn”) and the Eastern Route (“Ostbahn”) of around four and a half meters. The plan was to have the level of the Southern Route (“Südstrecke”) maintained right into the train station. Only afterwards were the platforms to be lowered to the level of the Eastern Route (“Ostbahn”) by way of a gently sloping platform for a stretch of around two kilometers. In order to implement this goal, the platforms and tracks in the station were built as railway bridges – one of the many unique aspects of Vienna Main Station. stationen 41 rautendach und halle nord BAU WIE SICH FORM UND FUNKTION TREFFEN Das Rautendach macht den Hauptbahnhof zu einer Land mark. Als Überdachung der Bahn steige hat es aber auch wichtige Aufgaben zu erfüllen. V on Beginn der Planungen an bestand der Wunsch, dass der Hauptbahnhof als Herz eines neuen Stadtteils auch architektonisch einen Meilenstein setzt. Er sollte eine echte Landmark sein – ein Bauwerk, das neben seiner Bedeutung als Verkehrsdrehscheibe auch in seiner Form etwas ganz Besonderes ist. Da sich der größte Teil des Hauptbahnhofs unter der Erde befindet, kam dafür nur das Dach infrage – ein Bauwerk, das sich in der Fläche abspielt und nicht in der Höhe. Eine außergewöhnliche Aufgabenstellung, die das Architektenteam Hotz/Hoffmann/Wimmer in der mit der Umsetzung beauftragten ARGE „Wiener Team“ jedoch mit seinem bereits mehrfach ausgezeichneten Entwurf hervorragend umsetzen konnte. 14 Rauten mit einer Länge von jeweils 76 Metern bilden zusammen eine Fläche von rund 22.500 Quadratmetern – 260 Meter an der längsten und 120 Meter an der breitesten Stelle und bis zu 15 Meter über dem Niveau 42 stationen MIT RAUTEN UND KANTEN. So schön die Form des Dachs ist, so schwierig ist es, einen solchen Entwurf in die Realität zu übertragen der Bahnsteige. Richtung Osten geht die dynamische Rauten-Struktur in ein System von Flachdächern über, welche die einzelnen Bahnsteige vor der Witterung schützen. Insgesamt wird damit eine Fläche von mehr als 35.000 Quadratmetern überspannt. FÜR EXTREME GERÜSTET. So schön die Form des Dachs ist, so schwierig ist es, einen solchen Entwurf in die Realität zu übertragen. Denn dabei gilt es, bauliche Vorgaben ebenso wie behördliche Auflagen zu berücksichtigen. Umso mehr, wenn es sich um einen Bahnhof handelt, für den Statik, Brandschutz und Sicherheit für Reisende auch in einem Notfall an oberster Stelle stehen. Dabei gilt es, die schlimmsten Eventualitäten zu berücksichtigen. So etwa auch, dass ein brennender Zug in den Hauptbahnhof einfährt und unter dem Dach stehen bleibt. VOGELPERSPEKTIVE. Beim Überflug wird die viel zitierte Rautenform (englisch noch edler: diamond-shape) noch besser sichtbar (links) zahlen, daten & fakten ntwurf: ARGE „Wiener Team“ ►E usführung: Unger Steel Group (Stahlbau) ►A auzeit: Juni 2011 bis Februar 2014 ►B läche: 37.000 m² Dachfläche sowie Unter ►F sichten, davon: ca. 22.500 m² Rautendächer (insgesamt 14 Rauten)/12.870 m² Einzelbahn steigdächer/1.554 m² Piazzaüberdachung erarbeiteter Stahl: 7.000 t (entspricht der ►V Menge des Eiffelturms) auteile: rund 57.000 Profile, 286.000 Bleche ►B und 340.000 Schraubengarnituren für das gesamte Rautendach inkl. Piazzaüberdachung uszeichnungen: Österreichischer Stahlbau ►A preis (2013), Europäischer Stahlbaupreis (2015) stationen 43 BAU rautendach und halle nord In einem solchen Fall müsste das Dach lange genug halten, um alle Menschen evakuieren zu können, und der entstehende Rauch müsste trotz Dach ableitbar sein. Um am Hauptbahnhof Wien auch für ein solches Horrorszenario gerüstet zu sein, wurde als sogenannte „Brandlast“ eine frei werdende Energie von 80 Megawatt angenommen. Das entspricht in etwa einem mit Brennholz voll beladenen Güterwaggon. Zumindest 30 Minuten sollte die Dachkonstruktion einem solchen Feuer standhalten. Ausreichend Zeit, um alle Menschen aus dem Gefahrenbereich evakuieren zu können. Da die Konstruktion aus Stahl ist, musste diese daher mit einer adäquaten Brandschutzverkleidung und nach oben mit einem speziellen Brandschutzschild versehen werden. Bei den Einzelbahnsteigdächern konnte man darauf verzichten, da dort die entstehende Hitze ohne Probleme seitlich entweichen kann. Große Gefahr würde aber auch von entstehendem Rauchgas ausgehen. Dafür wurden in den Vertikalelementen der Rauten Lamellen vorgesehen, die sich im Falle eines Brandes öffnen und so den Rauch aus dem Bahnsteigbereich ableiten. Sogar die Entgleisung eines Zuges wurde in der Planung berücksichtigt. Eine solche könnte was für ein rahmen DER „BLICKFANG“ eines jeden Bahnhofs ist die zentrale Anzeigetafel. Einer, der beim Haupt bahnhof Wien auch nicht zu übersehen ist. 40 Quadratmeter ist diese groß, was einem durchaus großen Wohnzimmer entspricht, und überspannt mit einer Breite von 18 Metern den Eingang zur Verteilerhalle, von der man zu den Bahnsteigen gelangt. Was den Blicken jedoch nahezu verborgen bleibt, ist, wie diese Anzeigetafel montiert wurde. Denn – um den Fluchtweg frei zu halten – es konnten keine unterstützenden Säulen vor gesehen werden. Also brauchte es einen Rah men, der bautechnisch Kastenträger genannt wird. In dieser Spannweite ist aber auch ein Kastenträger nicht alltäglich, weshalb dieser in zwei Teilen angeliefert und vor Ort verschweißt werden musste. 44 stationen zu einer Beschädigung einer oder mehrerer Stützen führen. Entsprechend musste die Statik des Dachs so ausgelegt sein, dass dieses auch einem derartigen Unfall standhalten würde. IMMER IN BEWEGUNG BLEIBEN. An die Statik des Rautendachs waren aber ohnedies besondere Anforderungen gestellt. Denn die Gleise und Bahnsteige liegen auf Brücken-Tragwerken, die die darunter befindliche Verkehrsstation samt Einkaufszentrum überspannen. Eine Konstruktion, die von den Kräften, die beim Ein- und Ausfahren der Züge entstehen, bewegt wird. Und das einige Zentimeter nach vor und zurück, nach oben und unten sowie auch seitwärts. Bewegungen, die das Dach mitmachen muss. Und zwar auch in der Fläche, die aus Aluminiumplatten besteht, die zudem Temperaturschwankungen und unterschiedlicher Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Mit Falzungen zwischen den Platten wurde auch dafür Vorkehrung getroffen und verhindert, dass sich das Dach in einem heißen Sommer vielleicht wellt. Die Energie der Einstrahlung wurde jedoch auch für die Stromerzeugung durch Fotovoltaik genutzt. Im Sinne der Nachhaltigkeit war vorgesehen, wo möglich, Solarmodule zu installieren. Die Leistung der installierten Fotovoltaikanlage von 128 Megawattstunden pro Jahr reicht aus, die Pumpen für die Temperierung mittels Geothermie zu betreiben (siehe: „Umwelt“, Seite 48). Somit wurde in Kombination aus Geothermie und Fotovoltaik ein nachhaltiges System der Energienutzung erreicht. REGEN UND SCHMUTZ MÜSSEN RAUS. So schön das Rautendach des Hauptbahnhofs ist, die Konstruktion hat einige Besonderheiten, die es zu meistern galt – wie etwa bei Regen. Während bei einem „normalen“ Dach das Wasser seitlich über Dachrinnen abgeleitet werden kann, müssen diese hier zwischen den Rauten, also innen, liegen. Zudem können sich in den Einschnitten Schmutz und Schnee sammeln. Etwas, was man bei einem Flach- oder Steildach nicht hat und möglichst vermeiden würde. Auch Schneeverwehungen mussten ebenso statisch berücksichtigt werden wie auch für die Reinigung der Dächer entsprechende Vorkehrungen geschaffen werden mussten. Dazu wurden im letzten Drittel der flachen Bahnsteigdächer Aufstiege DETAILARBEIT. Rund 57.000 Profile, 286.000 Bleche und 340.000 Schrauben garnituren wurden für das gesamte Rautendach aufgewendet (oben) STAHLQUERRAHMEN. Sogar die Entglei sung eines Zuges wurde in der Planung berücksichtigt. Eine solche könnte zu einer Beschädigung einer oder mehrerer Stützen führen, entsprechend musste die Statik des Daches ausgelegt sein (oben) 14 Rauten mit einer Länge von jeweils 76 Metern bilden zusammen eine Fläche von rund 22.500 Quadrat metern. EIN DACH WÄCHST auf insge samt 37.000 m² Dachfläche sowie Untersichten, davon ca. 22.500 m² Rautendächer mit 14 Rauten und 12.870 m² Einzelbahnsteigdächer (links) kein domino bei der haupthalle NEBEN DEM RAUTENDACH war auch für die Haupthalle, die sogenannte Halle Nord, eine Stahlkonstruktion vorgesehen. Lieferprob leme in der Türkei hätten aber beinahe den sogenannten kritischen Pfad und damit den Fertigstellungstermin des Gesamtprojekts ins Straucheln gebracht. HUNDERTTAUSENDE TEILE. Schrauben, Winkel, Unter lagsbleche wurden vorab im Werk mit einem Code ver sehen, um den Überblick zu bewahren (links) SOLIDE KONSTRUKTION. Für jede einzelne der 14 Rauten wurde ein Monat Konstruk tionszeit berechnet – jede ist ein Unikat (links) Als kritischen Pfad bezeichnet man den genau festgelegten Ablauf einer Baumaßnahme: Wann muss was fertig sein und welcher Schritt folgt auf welchen, damit am Ende alles zu einem guten Ende führt. Gibt es auf diesem Weg jedoch irgendwo ein Problem, droht der bekannte Dominoeffekt. Bei der Halle Nord war es der Lieferant eines Lieferanten der ausführenden Firma, der das Rohmaterial nicht zeitgerecht geliefert hatte. Von der Fertigstel lung der Halle Nord wie geplant hingen jedoch die Errichtung und die Einrichtung einer Tech nikzentrale auf deren Dach ab. Und zwar der Technikzentrale, ohne die die gesamte Haus technik des Hauptbahnhofs nicht in Betrieb gehen konnte. Eine mehr als kritische Situation, zumal auch noch Dezember war. Ein Monat, in dem zu meist Winter ist und der jedenfalls viele Feierta ge hat. Trotzdem gelang es der ausführenden Firma dank des milden Wetters und indem schließlich sogar in drei Schichten und auch an den Feiertagen gearbeitet wurde, die verlorene Zeit wieder wettzumachen. Der fixierte Mei lenstein „Fertigstellung bis zum Jänner/Februar 2014“ konnte so gehalten werden. Oder anders gesagt: Der Dominoeffekt konnte rechtzeitig gestoppt werden. stationen 45 rautendach und halle nord installiert, über die man auf das Dach gelangt. Einmal oben hätte es Gitterstege und Handläufe gebraucht, um das Dach vollständig begehbar zu machen. Kein schöner Anblick für eine Landmark. In Abstimmung mit den zuständigen Behörden wurde eine alternative Lösung gefunden. Seilsicherungen, wie sie Bergsteiger benutzen, und statt der Gitterstege eine Mischung aus Sand und Epoxidharz, die als „Gehwege“ auf die Aluminiumhaut aufgebracht wurde und so für eine raue, trittsichere Oberfläche sorgt, ohne der Optik Abbruch zu tun. BAU KEINE RAUTE GLEICHT DER ANDEREN. Bei der Pla- nung des Rautendachs war somit jede Eventualität berücksichtigt. Die Errichtung selbst stellte trotzdem eine Herausforderung dar. Denn die Stahlbetonsäulen, auf die das Dach aufgesetzt wurde, mussten auf den halb fertigen Bahnsteigen errichtet werden. Und die stellten mit einer Breite von maximal 13 Metern – teilweise verjüngen sich die Bahnsteige sogar auf nur zehn Meter – eine äußerst beengte Arbeitsfläche dar. Aber nicht nur deswegen wurde das Rautendach in vielen – sehr vielen – kleinen Teilen angeliefert. Denn der beste Brand- und Korrosionsschutz für Stahl ist Verzinken – ein Vorgang, der in einem Zinkbad erfolgt und daher die Größe der Teile ohnedies limitiert. Nur die Querrahmen waren zu groß und zu schwer, um sie vorab verzinken zu können. Diese waren alle 38 Meter in Bahnsteigrichtung vorgesehen und mussten vor Ort in mehreren Arbeitsschritten beschichtet werden. Ein mühsamer Vorgang, bei dem Genauigkeit trotzdem die oberste Maxime war. Da war es fast schon einfacher, die in Summe einige Hunderttausend Teile (inklusive Schrauben, Winkel und Unterlagsbleche), die vorab im Werk mit einem Code versehen und möglichst „just in time“ angeliefert wurden, zu verschrauben oder zu verschweißen. Trotzdem eine Aufgabe für Puzzlefreunde, denn die Enden des Hauptbahnhofs liegen in einem Bogen und das hat zur Folge, dass keine Raute der anderen gleicht. Richtung Osten geht die dynamische Rauten-Struktur in ein System von Flachdächern über, welche die einzelnen Bahnsteige vor der Witterung schützen. LICHTBLICK. Form und Funk tion vereinen sich in den Lichtdurchlässen. Hier wird das Rautenthema wieder auf genommen und wiederholt (rechts) 46 stationen kein bahnhof für tauben THOMAS BRUNNER war als Projektkoordinator unter anderem für das Rautendach des Haupt bahnhofs zuständig. Brunner: „Die Taubenab wehr war ein großes Thema, nicht nur beim Rautendach, sondern beim gesamten Bahnhof. Die Taubenabwehr war sogar ein eigenes Paket in der Ausschreibung.“ Die Vorgabe lautete, Tauben so wenig Sitzoder Nistplätze wie möglich anzubieten. Beim Rautendach wurden daher Beleuchtungen und andere Installationen, soweit möglich, in die Dachuntersicht integriert. Was nicht verbaut werden konnte wie Anzeigetafeln und Beschil derungen, wurde mit einer Taubenabwehr versehen. Brunner: „Wir haben uns alle Systeme angeschaut, die elektrische Taubenabwehr mit Niedervoltspannung funktioniert am besten.“ Dabei handelt es sich um spannungsführende Drähte, die z. B. entlang der gläsernen Lärm schutzwände, Anzeigetafeln, Hinweistafeln etc. im Abstand von einigen Zentimetern gespannt sind und verhindern, dass sich Tauben direkt auf die Objekte setzen können. Sollten es die Tauben trotzdem versuchen, bekommen sie einen unangenehmen, aber nicht tödlichen Stromschlag. Ergänzend wurden auch soge nannte Taubenschaukeln installiert. Drähte, die mit einer Feder fixiert sind und sich bewegen, sobald sich Tauben daraufsetzen. Und das mö gen Tauben auch nicht so gerne. LOGISTISCHE HERAUSFORDE RUNG. Vom ersten Stahlquerrah men bis zur fertigen Untersicht musste über die gesamte Fläche jeder Schritt im Voraus geplant werden (oben) SKELETT MIT INHALT. Hier führen unter anderem Strom-, Wasser- sowie Datenleitungen hindurch, auch Befestigungen für die späteren Signale wurden vorbereitet (links) STAHLKONSTRUKTION. Insge samt sind im Hauptbahnhof 7.000 Tonnen Stahl verbaut, etwa ähnlich viel wie beim Eiffelturm (unten) diamond-shaped roof: form meets function The diamond-shaped roof turns Vienna Main Station into a landmark. Right from the start of planning, the intention was for the train station at the heart of a new district to set an architectural milestone. It should be a real landmark, a structure which in addition to its significance as a major hub should also offer something special in terms of architectural design. As most of the train station is underground, only the roof came into question, a construction which extends horizontally as opposed to vertically. A terrific task which the commissioned working group “ARGE Wiener Team” together with the team of architects at Hotz/Hoffmann/Wimmer accomplished and implemented fabulously with an excellent draft that has received numerous awards. Fourteen diamonds, each with a length of 76 meters form a total area of more than 22,000 square meters; 260 meters at the longest and 120 meters at the widest point and up to 15 meters above platform level. Towards the east the dynamic diamond structure transforms to a system of flat roofs which protects the individual platforms from the elements. In total, an area of more than 35,000 square meters is covered. As lovely as the form of the roof is, it was very difficult to turn such a draft into reality because construction specifications had to be considered just as much as official requirements. One of these was the contingency that a burning train pulls into the train station and comes to a stop under the roof. In such a case, the roof would have to be able to withstand the fire long enough to evacuate everyone and at the same time let the smoke and fumes dissipate. stationen 47 umwelt EIN BAHNHOF ALS ENERGIEQUELLE GEOTHERMIE. Die im Fundament einbeto nierten mit Glykol gefüllten Schläuche ermög lichen eine Absorberfläche von insgesamt mehr als 30.000 Quadratmetern (oben) BAU Der Wiener Hauptbahnhof pro duziert einen Teil der benötigten Energie für Strom und Wärme selbst. Und zwar nachhaltig dank Fotovoltaik, Geothermie und Rückgewinnung. D ie Bahn ist ja per se ein nachhaltiges Verkehrsmittel, das die Umwelt schont. Mehr als drei Millionen Tonnen CO2 ersparen die ÖBB mit ihren Schienenverkehrsleistungen Österreich pro Jahr. Kein Polster, auf dem man sich ausruht. Innerhalb des Konzerns beschäftigt sich eine eigene Abteilung mit den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Themen, die natürlich auch beim Hauptbahnhof Wien ganz oben auf der To-do-Liste standen. Naheliegend war es, auf dem Dach der neuen Verkehrsstation Fotovoltaik-Paneele zur Stromgewinnung zu installieren. Da die einzelnen Rauten aber tiefe Schatten werfen, weil Firste und „Täler“ versetzt sind, wurden die von den Rauten nach Osten auslaufenden Einzelbahnsteigdächer mit Solarpaneelen ausgerüstet. Mit einer Ausnahme: Aufgrund einer 110-kV-Stromleitung mit vier Kabelpaaren, die genau über die mittleren Rauten und das Einzelbahnsteigdach über die Bahnsteige 7/8 führt, wäre aufgrund des Schattenwurfes der einzelnen Stromkabel auf die Fotovoltaik-Paneele die Stromausbeute so beeinträch- 48 stationen tigt, dass die Paneele hier weggelassen wurden. Trotzdem konnten in Summe 1.000 Quadratmeter Kollektoren mit einer maximalen Ausbeute von 141,2 Kilowatt Spitzenleistung installiert werden. Die Jahresleistung der Fotovoltaik-Anlage beträgt 128 Megawattstunden, die in das hauseigene Stromnetz eingespeist werden. Das sind zwar nur rund zwei Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Hauptbahnhofs, dennoch werden damit rund 52 Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß vermieden. Deutlich mehr an Energie liefert die Geothermie, wenngleich auch deren Einsatz in der ursprünglichen Planung umfangreicher war. Nachdem die Tiefenfundierung des Gebäudes jedoch auf eine Flachfundierung umgestellt wurde (siehe: „Rohbau“, Seite 36), musste die Geothermie entsprechend reduziert werden. Die dazu im Fundament einbetonierten mit Glykol gefüllten Schläuche ermöglichen eine Absorberfläche von insgesamt mehr als 30.000 Quadratmetern, die sowohl im Sommer als auch im Winter einen wesentlichen Beitrag zur angenehmen Temperierung im Hauptbahnhof Wien leistet. Die Kälteleistung beträgt 475 Megawattstunden und deckt 13 Prozent des Bedarfs für Lüftung und Klimaanlagen ab. An Wärme werden 1.880 Megawattstunden und damit ein Viertel des benötigten Heizaufwands für den Hauptbahnhof selbst produziert. In Summe vermeiden die ÖBB damit immerhin 415 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr. Die darüber hinaus benötigte Energie wird extern betonerzeugung vor ort UM DIE AUSWIRKUNGEN des Projekts Haupt bahnhof auf unterschiedlichste Bereiche zu erfassen, wurden im Vorfeld drei Umweltver träglichkeitsprüfungen durchgeführt – für die Bahninfrastruktur, den neuen Stadtteil und die neuen Straßen. Daraus resultierte eine Reihe von Maßnahmen, die gesetzt wurden, um die Belastungen für die Umwelt, aber auch für die AnrainerInnen so gering wie möglich zu halten. Auch bei den Bauarbeiten selbst und beginnend mit dem Abbruch (siehe: „Abriss“, Seite 28). Eine der Maßnahmen, die vor allem dazu die nen sollte, Lkw-Fahrten zu reduzieren, war, auf der Baustelle eine eigene Betonmischanlage zu installieren. Bis zu 180 Kubikmeter Beton konn te die baustelleneigene Betonfabrik pro Stunde produzieren. Vor Ort und genau dann, wenn er gebraucht wurde. Ein Umstand, der sich beim Betonieren des Fundaments und der Brücke über die Laxenburger Straße, die aus vier Trag werken besteht und deren einzelne Abschnitte in einem Zug betoniert werden mussten, auch logistisch als äußerst nachhaltig und wirtschaft lich erwies. Denn so konnten beide Bauwerke in einem Zug betoniert werden, ohne zu riskie ren, dass die Lieferkette unterbrochen würde, und ohne auf den umliegenden Straßen Staus zu produzieren. bezogen – als Fernwärme und Fernkälte, die vor Ort in der von den ÖBB direkt unter den Gleisen errichteten und von der Fernwärme Wien betriebenen Fernkältezentrale produziert wird. ENERGIE VON OBEN. 1.000 Quadratmeter Kollektoren mit einer maximalen Ausbeute von 141,2 Kilowatt Spitzen leistung (oben) ENERGIE VON UNTEN. Die Kälteleistung beträgt 475 Megawattstunden und deckt 13 Prozent des Bedarfs für Lüftung und Klimaanlagen ab (links) environment: a train station as energy source Vienna Main Station produces some of the energy needed for electricity and warmth itself sustainably at that thanks to photovoltaics, geothermal energy and recovery. It made sense to install photovoltaic panels on the roof of the station to generate electricity. Since the individual diamonds cast deep shadows because the ridges and valleys are staggered, the individual platform roofs were equipped with solar panels. The annual output of the photovoltaic facility is 128 megawatt hours. Considerably more energy is generated by geothermal energy. The cooling capacity is about 475 megawatt hours and covers 13 percent of the requirement for ventilation and air conditioners. In terms of warmth, the train station produces 1,880 megawatt hours or one-quarter of the heating requirement. One measure that is paying off economically is heat recovery. The warmed outgoing air leaving the rooms in the winter warms up the cool incoming air. In summer, it is exactly the opposite since the incoming air is cooled by the outgoing air. This makes it possible for the shopping center BahnhofCity to manage with half the energy which a comparable above-ground building would require. Even the escalators are used to generate energy. Once a certain capacity has been reached, the load is so great that the escalator is no longer driven by the motor, but, instead, is practically kept in motion by the sheer weight of the people. The same goes for the elevators at Vienna Main Station. MENSCHEN MACHEN ENERGIE. Eine Maßnahme, die sich wirtschaftlich sehr gut rechnet, ist die Wärmerückgewinnung. Dabei wird mit der aus den Räumen zurückströmenden, aufgewärmten Abluft im Winter die kühl einströmende Zuluft aufgewärmt. Im Sommer ist es genau umgekehrt, da wird die Zuluft durch die Abluft gekühlt. Dies sorgt dafür, dass die BahnhofCity (auch aufgrund der unterirdischen Lage) fast mit der Hälfte der Energie auskommt, die ein vergleichbarer Hochbau benötigen würde. Beim Hauptbahnhof Wien werden sogar die Rolltreppen zur Energiegewinnung genutzt. Denn ab einer gewissen Belegung mit Menschen ist die Last so groß, dass eine Treppe nicht mehr vom Motor angetrieben, sondern vom Gewicht der Menschen praktisch selbst in Bewegung gehalten wird. Statt die Treppe zu bremsen, kann dieses Zuviel an Energie zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Der Motor wird also zum Generator. Die Kosten für eine solche Installation sind vergleichsweise gering, die Wirkung ist umso nachhaltiger. Gleiches gilt auch für die Aufzüge am Hauptbahnhof Wien, die ebenfalls zur Stromerzeugung genutzt werden. wassernutzung im schongang UM TRINKWASSER nicht für die WC-Spülungen der Personenwagen zu verschwenden, wurde entlang der tiefer liegenden S-Bahn-Stamm strecke im Bereich vor der Einfahrt in die S-Bahn-Station Hauptbahnhof/Südtiroler Platz ein Grauwasserspeicher angelegt. Auf einer nur durch Gleise genutzten Fläche wird sämtliches Regenwasser über das natürliche Gefälle in den Grauwasserspeicher geleitet. Rund 1.500 Kubik meter Regenwasser können in diesem gespei chert werden. Verwendet wird dieses Wasser zum Befüllen der Tanks für die Zugtoiletten und zum Reinigen der Züge in der nebenan befind lichen Waschanlage. Da das Abwasser in der Waschanlage gefiltert und mehrmals verwendet wird, wird dabei ein sehr hoher Wiederver wertungsgrad erreicht. stationen 49 haustechnik EIN KLIMA WIE IM URLAUB BAU Angenehme 20 Grad das ganze Jahr über, saubere Luft und in puncto Sicherheit an alles gedacht – der Wiener Hauptbahn hof spielt auch haustechnisch alle Stückerl. R iesige Blechkanäle mit einem Querschnitt von einigen Quadratmetern, in denen frische Luft hinein- und schlechte Luft hinaustransportiert wird, Ventilatoren – groß wie Flugzeugtriebwerke –, Brandrauchklappen und Brandschutztüren, Stromleitungen und Wasserrohre, Brandmelder und Sprinkler, die im Notfall für Sicherheit sorgen. Was einen modernen Bahnhof samt Einkaufszentrum heute ausmacht, sind nicht nur Stahl und Beton, sondern auch die Haustechnik, die sich wie Adern und Nerven im menschlichen Körper durch das ganze Gebäude schlängelt. Die wahre Kunst moderner Haustechnik liegt aber nicht nur in der Qualität der Ausführung, sondern in deren Regelung. Denn erst das perfekte Zusammenspiel aller technischen Installationen garantiert höchste Sicherheit und schafft rundum Behaglichkeit – das höchste der Gefühle, für das Haustechnik sorgen kann. Aus dieser Sicht ist der Hauptbahnhof Wien ein ganz besonderes Bauwerk. Da wäre einmal der über allem anderen stehende Sicherheitsanspruch einer Verkehrsstation, die von bis zu 150.000 Menschen pro Tag frequentiert wird. Dazu braucht es für so viele Menschen entsprechende Sanitäreinrichtungen, Heizung, Küh- 50 stationen lung und frische Luft – insbesondere in den Geschäften und Gastronomieeinrichtungen der BahnhofCity. Die Anforderungen sind jedoch nicht immer gleich. Während man bei einem Restaurant die Geruchsentwicklung durch spezielle Be- und Entlüftungen vermeiden möchte, muss man in einem Shop, in dem Waren mit viel Licht in Szene gesetzt werden, Wärme abführen. In einem Supermarkt wiederum muss genügend Kühlleistung vorhanden sein, um die Waren zu kühlen. Beim Hauptbahnhof Wien kommt noch hinzu, dass das Gebäude zum größten Teil unterirdisch liegt und die Decke des Gebäudes eine Brücke ist, auf der sich Züge bewegen. Ersteres bringt durchaus auch Vorteile, Letzteres stellte für die Planung und Installation der Haustechnik eine echte Herausforderung dar. FERNKÄLTE. Aus der nahegelegenen Fernwärmebzw. Fernkältezentrale für das gesamte neue Stadtviertel gelangt die Fernkälte in den „Bauch“ des Hauptbahnhofs (oben) 20 GRAD ALS IDEALTEMPERATUR. Üblicherweise hat ein Gebäude, das sich in die Höhe streckt, Fenster, die man öffnen kann. Für die/den HaustechnikerIn – und auch für die zuständigen Behörden – sind diese daher Teil der Lüftung. Bei einem Gebäude, das unter der Erde liegt, ist das nicht so. Dieses muss zu 100 Prozent mechanisch belüftet werden. Entsprechend ziehen sich quer durch den gesamten Hauptbahnhof kilometerlange Blechkanäle, die frische Luft zu den einzelnen Geschäften und in die Verteilerhalle transportieren und schlechte Luft wieder herausholen. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Vorteile sind, dass die Luft gefiltert, be- oder entfeuchtet und beheizt oder gekühlt werden kann. Man kann also das ganze Jahr über für ein konstantes und perfektes Klima sorgen. Für den Hauptbahnhof Wien wurden dafür 20 Grad als ideale Temperatur festgelegt. Ein Wert, der für Reisende mit Bekleidung und Gepäck nicht zu warm ist, der aber auch nicht zu kühl ist für die im Bahnhof und in den Geschäften der BahnhofCity Arbeitenden: ZugbegleiterInnen, Sicherheitspersonal, MitarbeiterInnen der Zugauskunft und des Reisebüros, Hilfs- und Reinigungspersonal ebenso wie Bankangestellte, VerkäuferInnen, Köchinnen und Köche sowie KellnerInnen. Da sich die Luft in den Innenräumen in Abhängigkeit der Außentemperatur, aber auch durch die Körperwärme von Tausenden Per- LÜFTUNGSSTEUERUNG. Von diesem Paneel aus wird bei einem Service ein Teil der Belüftung des Gebäudes gesteuert (oben) Ventilatoren – groß wie Flugzeugtrieb werke –, Brand rauchklappen und Brandschutztüren, Stromleitungen und Wasserrohre, Brandmelder und Sprinkler … FERNWÄRME UND WÄRME PUMPE. Von der Haustechnik zentrale aus führen die Wärme leitungen (silber) wie Adern durch das ganze Gebäude (oben) BRANDSCHUTZ. In Summe musste den Behörden für rund 1.000 Szenarien der Nachweis erbracht werden, dass alles auch dann perfekt funktioniert, wenn es muss – hier bei einer Katastrophenübung mit Ein satzkräften bei einer simulier ten Bankomatsprengung (links) ein job, der auch gemacht werden muss DIE TIEFE LAGE DER VERKEHRSSTATION und der BahnhofCity brachte mit sich, dass das kom plette Gebäude „wassertechnisch aufgehoben“ werden musste. Um Verstopfungen zu verhin dern, wurde bis dato das Abwasser von Bahn höfen durch eine Zerkleinerungsanlage geleitet. Am Hauptbahnhof Wien wird ein neues, um weltfreundlicheres System eingesetzt. Zwei autarke Pumpen sorgen dafür, dass alles, was im Abwasser nichts zu suchen hat, abgesondert wird und in einem separaten Vorratsbehälter landet. Dieser muss natürlich von Zeit zu Zeit geleert werden. Bei Lost&Found landen diese Dinge aber in der Regel nicht. Michael Jelle schitz, als Baumanager für das Gewerk Haus technik verantwortlich: „Eine Geldbörse, die über Wochen Fäkalabwässern ausgesetzt ist, wird wohl niemanden mehr interessieren.“ stationen 51 haustechnik SILBER UND FUNKTIONAL winden sich die Rohre des Heizungsverteilers – das Herz der Heizungsanlage in der Technikzentrale des Haupt bahnhofs (links) IN DEN PLATTENWÄRMETAU SCHERN wird das von der Fern wärme angelieferte Heißwasser auf die notwendige Heiztempe ratur von rund 70 Grad Celsius angepasst (rechts) BAU bereit für den ernstfall PAPIER IST BEKANNTLICH GEDULDIG, eine Ga rantie, dass alles reibungslos klappt, ist auch die detaillierteste Planung keine. Oder wie es Michael Jelleschitz, als Baumanager für das Gewerk Haustechnik verantwortlich, formu liert: „Was ich theoretisch auf Excel-Listen und Plänen zu Papier bringe, muss ich irgendwann auch umsetzen. Und das nicht nur im Normal betrieb, sondern auch im Ernstfall.“ Also muss ten vorab sämtliche möglichen Notfall-Szenari en für den Hauptbahnhof Wien durchgespielt werden. Und das für jeden einzelnen Brand abschnitt. In Summe musste den Behörden für rund 1.000 Szenarien der Nachweis erbracht werden, dass alles auch dann perfekt funktio niert, wenn es muss. Tagsüber, während die Bauarbeiten liefen, war das nicht möglich. Jelleschitz: „Das Einschalten der Ventilatoren hätte enormen Staub aufge wirbelt und Bau- sowie Verpackungsmaterial wären durch die Gegend geflogen.“ Man entschied daher, die Probeläufe in die Nacht stunden und aufs Wochenende zu verlegen. Eine Belastung wiederum für die AnrainerInnen. Jelleschitz: „So ein Ventilator macht einen mit einem startenden Flugzeug vergleichbaren Lärm.“ Aufgrund von Vorinformationen und des stets gepflegten guten Einvernehmens gab es aber keine Probleme mit den AnrainerInnen. Auch die Praxissimulationen selbst liefen weit gehend problemfrei. Ein echtes Problem, das aber zeitgerecht geklärt werden konnte, stellte sich nur einmal. Bei einer Fluchttür, die sich öffnen sollte, ging nur ein Flügel auf. Jelleschitz: „Ein Kabel für den Antriebsmotor war zwar ver legt, aber nicht angeschlossen worden.“ 52 stationen sonen, Beleuchtung, Maschinen und Geräte aufwärmt, muss diese vor allem im Sommer gekühlt werden. Aufgrund der unterirdischen Lage beschränkt sich die Energie, die es zum Kühlen braucht, die sogenannte Kühllast, jedoch auf fünf Megawatt. In einem oberirdischen gläsernen Bürogebäude wären es acht Megawatt, ein Energiemehraufwand von 60 Prozent. Im Sinne der nachhaltigen Energienutzung beim Hauptbahnhof Wien wird ein Teil der Wärme zudem rückgewonnen und die sogenannte Erstenergie mithilfe von Geothermie und Fotovoltaik selbst produziert (siehe: „Umwelt“, Seite 48). Eine Produktion, die beispiels- weise ausreicht, dass das komplette Einkaufszentrum bis zu einer Außentemperatur von minus sieben Grad über die im Boden installierte Fußbodenheizung auf 20 Grad gehalten werden kann. Die darüber hinaus benötigte Energie wird im Winter durch Fernwärme und im Sommer durch Fernkälte in das System eingespeist. Regelkreise, die ebenfalls mithilfe intelligenter Haustechnik gelöst wurden. Die mechanische Be- und Entlüftung, samt Filterung, Heizung und Kühlung der Außenluft, sorgt dafür, dass sich die Frischluftzufuhr, abhängig von der Außentemperatur, auf im Schnitt zwischen zehn und 15 Prozent beschränkt. Gesteuert wird diese Luftzufuhr beim Haupt- die sicherheitsrelevanten Anlagen, die im Falle eines Brandes den Rauch seitlich ausblasen und frische Luft zur Rauchverdrängung seitlich ansaugen müssen. IDEALES KLIMA. Man kann das ganze Jahr über für ein konstantes und perfektes Klima sorgen. Für den Hauptbahnhof Wien wurden dafür 20 Grad als ideale Temperatur festgelegt (oben) RIESIGE BLECHKANÄLE mit einem Querschnitt von einigen Quadratmetern, in denen frische Luft hinein- und schlechte Luft hinaustranspor tiert wird (oben) bahnhof über den CO2-Gehalt der Luft. Sensoren in den Räumen messen dazu laufend die Luftqualität. Steigt der CO2-Gehalt der Luft, sind also mehr Menschen im Raum, wird automatisch mehr Frischluft zugeführt. Umgekehrt wird die Luft in Räumen, wo sich selten Menschen aufhalten, mit weniger Frischluft durchströmt. Dieser Raum ist quasi im Energiesparmodus, der Frischluftmodus wird erst aktiviert, wenn sich Menschen darin aufhalten. Üblicherweise wird diese Luft über das Dach angesaugt beziehungsweise abgeblasen. Beim Hauptbahnhof Wien verkehren jedoch dort die Züge, Zufuhr und Abfuhr der Luft müssen daher seitlich erfolgen. Analoges gilt auch für ALLES FÜR DEN BRANDSCHUTZ. 140.000 Sprinklerköpfe sind am Hauptbahnhof Wien installiert und über Wasserleitungen, die ständig unter Druck stehen, mit sechs Sprinklerbecken verbunden. Diese befinden sich im zweiten und im ersten Untergeschoss und sind mit je 200 Kubikmeter Wasser gefüllt. In Summe 1.200 Kubikmeter und damit die doppelte Menge, die benötigt wird, um den gesamten Bahnhof im Brandfall besprinkeln zu können. 50 Zentimeter könnte man alle Geschosse des Hauptbahnhofs mit dieser Bevorratung unter Wasser setzen und so die Ausbreitung eines Brandes verhindern. Dazu kommen fünf Hydranten, um einen Brand von außen zu bekämpfen, sowie Feuerlöscher, die im gesamten Gebäude installiert sind. Im Ladehof, der den Pächtern des Einkaufszentrums als Zufahrt dient, wurde zudem eine Trockenlöschleitung installiert, die auch bei Minusgraden einsatzfähig ist. Zusätzlich ist jede einzelne Pachtfläche als eigener Brandabschnitt mit speziellen Brandschutzvorhängen gesichert, die im Falle eines Brandes den betroffenen Raum von den nicht betroffenen Flächen isolieren. Ein Vorgang, der mit der nötigen Warnung und Zeit erfolgt, um den Menschen die Flucht aus diesem Bereich zu ermöglichen. Außerdem wurden in der Verteilerhalle in Abständen von 30 bis 40 Metern Rauchschürzen installiert, die einen Bereich nicht ganz bis zum Boden abschließen. Damit bleiben die Fluchtwege für Menschen offen, der aufsteigende Rauch wird jedoch abgefangen und kann sich nicht auf das gesamte Gebäude ausbreiten. In den Geschäften wurde zudem die Be- und Entlüftung so ausgestattet, dass diese im Falle eines Brandes auch zur Entrauchung und Rauchgasverdünnung eingesetzt werden kann. Die Dimension ist dabei der jeweiligen Brandlast angepasst, also der Menge an brennbarem Material im jeweiligen Abschnitt. Denn die Brandlast ist beispielsweise in einem Blumengeschäft eine andere als in einem Mode- oder einem Schuhgeschäft, in dem viele Kartons gelagert sind. Der akustische Brandalarm, das Senken der Rauchvorhänge und Rauchschürzen, das Versprühen von Wasser durch die Sprinkler – all das wird von Brandmeldern ausgelöst, von denen im Hauptbahnhof mehr als 4.000 an den Decken und in Zwischendecken installiert sind. Sobald mehr als drei aktiv werden, ist nicht mehr nur die hauseigene Technik- und Sicherheitszentrale alarmiert, sondern automatisch auch die Hauptfeuerwache in Wien Favoriten, zu der eine direkte Alarmleitung (ein sogenanntes tonfrequentes Übertragungssystem – TUS) führt. Wie komplex moderne Haustechnik ist, zeigt der Umstand, dass im Falle eines Brandes nicht nur Brandmelder, Sprinkler und Ventilatoren zusammenspielen müssen, auch Klappen und Türen müssen sich genau so schließen oder öffnen wie für das jeweilige Szenario geplant. So erzeugt beispielsweise das Absaugen der Rauchgase einen Unterdruck im Gebäude. Um diesen auszugleichen, öffnen sich automatisch bestimmte Türen – je nachdem, wo der Brand detektiert wurde, da sie sich (durch das „Zusaugen“) händisch von den Flüchtenden nicht mehr so einfach öffnen ließen. Über die automatisch geöffneten Türen erfolgt zudem die Zufuhr von Frischluft. Eine sogenannte „Brandfallsteuermatrix“ in der Software, welche die gesamte Haustechnik steuert, legt exakt fest, welche Vorgänge wann, wo und wie ausgelöst werden. Die wahre Kunst moderner Haus technik liegt aber nicht nur in der Qualität der Ausfüh rung, sondern in deren Regelung. stationen 53 innenausbau und pächterausbau FÜR MASSEN GERÜSTET. Langfristig werden bis zu 150.000 Menschen pro Tag auf drei Ebenen den Bahnhof und die BahnhofCity mit ihrer Shoppingmall frequentieren BAU EIN GANZ BESONDERES EINKAUFSZENTRUM Die BahnhofCity Wien Haupt bahnhof ist kein Einkaufs zentrum wie jedes andere. Darauf mussten auch die zukünftigen Pächter der insgesamt 20.000 Quadratmeter Verkaufs- und Gastronomieflächen vorbereitet werden. R und 90 Shops und Gastronomiebetriebe, darunter ein Interspar-Supermarkt, Modegeschäfte und Designläden, aber auch Restaurants, Bäckereien und Cafés. Der Hauptbahnhof Wien macht auch als Einkaufszentrum einiges her. Unter der Woche hat die BahnhofCity Wien Hauptbahnhof bis 21:00 Uhr geöffnet, viele Geschäfte und Lokale haben aber auch am Sonntag und an den Feiertagen geöffnet. Dazu kommt eine perfekte Anbindung und Erreichbarkeit: Neben Bahn, Bus, Straßenbahn und U-Bahn runden 600 Parkplätze für den Individualverkehr dieses Angebot ab. Trotzdem ist ein Einkaufszentrum in einem Bahnhof kein Einkaufszentrum wie jedes andere. Denn in die BahnhofCity kommen nicht nur Menschen zum Einkaufen. Langfristig werden bis zu 150.000 Menschen pro Tag auf drei Ebenen den Bahnhof und die BahnhofCity mit ihrer Shoppingmall frequentieren. Als Reisende, aber auch als Menschen, die in 54 stationen dem neuen Stadtteil arbeiten und leben. Ein großer Personenstrom also, der in einem Notfall sicher und schnell evakuiert werden muss. Im Falle der BahnhofCity Wien Hauptbahnhof kommt als weitere Besonderheit hinzu, dass die Bahnsteige und Gleise der Verkehrsstation das Einkaufszentrum überbrücken. Und das ganz im Sinne des Wortes: Brücken-Tragwerke bilden die Decke des Einkaufszentrums – und damit auch der einzelnen darunterliegenden Geschäfte. Und man weiß: Brücken, insbesondere dieser Größe, bewegen sich – und das in alle Richtungen. Die Gründe dafür sind Temperaturschwankungen und im Falle eines Bahnhofs außerdem die Brems- und Beschleunigungskräfte der darauf fahrenden Züge. Daraus ergaben sich für das Einkaufszentrum und die Geschäfte besondere Vorgaben: Sämtliche Zwischenmauern durften mit dem Brücken-Tragwerk keine feste Verbindung haben, um Risse oder sonstige Schäden zu vermeiden. Ebenso mussten Strom, Wasser und Lüftungsdurchführungen „elastisch“ durch die Mauern geführt werden, damit sie nicht brechen oder reißen. Vor allem mussten aber auch sämtliche Übergänge zwischen den einzelnen Räumen als eigene „Brandabschnitte“ abgegrenzt werden. Alles Maßnahmen, die für die Pächter in der BahnhofCity Hauptbahnhof Wien neu, aber streng einzuhalten waren. Nur eine kleine Abweichung hätte die behördliche Abnahme des großen Ganzen verhindert. PÄCHTER MUSSTEN FRÜH AN BORD. Alleine die Festlegung der Termine, wann die Pächter auf die Baustelle dürften und wann sie Zeit hätten, ihre Flächen zu gestalten, war bei 90 Pächtern, welche alle ihre eigenen Planer und ausführenden Firmen mitbrachten, nicht leicht zu organisieren. In den Wochen kurz vor Eröffnung im Oktober 2014, als so gut wie alle Pächter gleichzeitig ihre Geschäfte mit Waren füllen wollten, gestaltete sich der Pächterausbau als logistische Herausforderung. Für die Pächter der BahnhofCity außergewöhnlich war zudem der Umstand, dass sie weit früher als sonst bei einem Einkaufszentrum üblich ihre Anforderungen und Wünsche die technische und sonstige Infrastruktur betreffend bekannt geben mussten. Also, welchen Bedarf an Strom, Wärme und Kälte, aber auch Zu- und Abluft sie hatten und wo diese Installationen auf ihrer Fläche benötigt wurden. Bedingt durch die technischen Besonderheiten wie Brandschutz, Brandrauchentlüftung, Statik und Evakuierung im Notfall war es wichtig, diese Informationen teils zwei bis drei Jahre vor Eröffnung zu fixieren. Für Handelsketten, die ihre Shop-Konzepte oft sehr kurzfristig ändern, war das nicht immer möglich. Wo diese Informationen nicht zu bekommen oder wo Flächen noch nicht vergeben waren, mussten die ÖBB selbst entscheiden, wie eine Fläche ausgestattet wird, um den Baufortschritt insgesamt nicht zu gefährden. Wie überhaupt die ÖBB bedingt durch die Verzahnung des Einkaufzentrums mit der Ver- stationen 55 innenausbau und pächterausbau kehrsstation anders als bei reinen Einkaufszentren das technische Gesamtkonzept mit allen sicherheitsrelevanten Randbedingungen wie Brandschutz und Fluchtwege nie aus den Augen verlieren durften. Neu für die Pächter der BahnhofCity Hauptbahnhof Wien war vor allem der Umstand, dass jede einzelne Pachtfläche als eigener Brandabschnitt zu definieren war, während es sonst üblich ist, auch mehrere Pachtflächen zu einem Brandschutzabschnitt zusammenzufassen. Am Hauptbahnhof galt die Vorgabe, dass bei einem Brand in einem Geschäft kein anderes betroffen sein durfte. Daher mussten auch die Portale der Geschäfte eine spezielle Verglasung aufweisen, die einem Brand entsprechend Wider- zwei „reise“-zentren der besonderen art stand leistet. Aber auch bei der Gestaltung der Schaufenster gab es Einschränkungen: Sowohl außen wie auch innen musste ein Mindestabstand eingehalten werden, da die Gläser über eine eigene Besprinkelung verfügen, die nicht durch die Ausstellung von Waren behindert werden darf. Vor den einzelnen Geschäftsportalen gibt es zudem Brandschutzvorhänge, die sich im Falle eines Brandes senken und so eine Ausbreitung der Flammen auf andere Teile der Verkehrsstation und des Einkaufszentrums verhindern. Brandschutzvorhänge, die sich bis zum Boden senken, gibt es außerdem in regelmäßigen Abständen in der Verteilerhalle, von der aus die Reisenden zu den Bahnsteigen gelangen, sowie in der Haupthalle des Hauptbahnhofs. Zudem Rauchgasvorhänge, die sich nicht ganz bis zum Boden senken. Menschen können so flüchten, während der entstehende Rauch unterhalb der Decke „abgefangen“ wird und sich nicht weiterausbreiten kann. Im Falle der BahnhofCity Wien Hauptbahnhof kommt hinzu, dass die Bahnsteige und Gleise der Verkehrsstation das Einkaufszentrum überbrücken. NICHT ALLES IST MÖGLICH. Ganz im Sinne des BAU FÜR BIRGIT ZAKALL, die seitens der ÖBB bereits die Pächterkoordination bei der BahnhofCity West betreut hatte, war es fast ein persönlicher Herzenswunsch: „Ein Hauptbahnhof braucht ein Reisezentrum, wo Kundinnen und Kunden alles bekommen: Bahninformationen, einen Stadtplan und vielleicht auch Karten fürs The ater oder für ein Konzert und falls notwendig auch ein Hotel.“ So etwas gibt es international, in Wien jedoch noch nicht. Um aber ein solches Reisezentrum nach internationalem Vorbild zu realisieren, mussten mehrere Beteiligte in ein Boot – oder genauer in eine gemeinsame Fläche – gebracht werden. Konkret: die ÖBB, die Wiener Linien und Wien Tourismus. Dazu mussten jedoch erst die unterschiedlichen Anforderungen an Kundenbereiche, Lagerund Büroflächen auf einen Nenner gebracht werden. Was mit viel Engagement auch gelang. Zakall: „Als ÖBB haben wir das vorausschauend mitgesteuert, um am Hauptbahnhof Österreichs erstes Reisezentrum zu schaffen.“ Der Hauptbahnhof Wien beherbergt aber noch ein weiteres „Reisezentrum“: „Der Raum der Stille“ dient der „Reise nach innen“, aber auch als Fläche für Ausstellungen, Veranstaltungen und Ort der Begegnung. „Einen solchen Raum gab es davor noch auf keinem Bahnhof“, erklärt Gerald Mitterbäck, der als Projektleiter die tech nischen Aspekte des Pächterausbaus verantwor tete: „In Österreich gibt es 16 Glaubensgemein schaften. Uns war es wichtig, keine zu bevorzu gen und einen Raum für alle zu schaffen.“ 56 stationen Brandschutzes gilt in der BahnhofCity Hauptbahnhof Wien auch, dass vor den Geschäften weder Buch- und Zeitschriftenständer noch die beliebten Schütten für Sonderangebote und Textilien aufgestellt werden dürfen. Zum einen, weil derartige Dinge eine Brandlast darstellen, also etwas, was brennt und im Falle eines Brandes eine zusätzliche Gefahrenquelle darstellt. Zum anderen, weil am Hauptbahnhof permanent alle Fluchtwege frei gehalten werden müssen, um in einem Ernstfall auch Zigtausende Menschen rasch und gefahrlos evakuieren zu können. Entsprechend dürfen auch die Gastronomiebetriebe außerhalb der für sie vorgesehenen Fläche keine weiteren Tische aufstellen. Dementsprechend mussten die Pächter ihre Ausbaupläne rechtzeitig vorlegen, um individuelle Wünsche oder Änderungen, wo möglich, zu berücksichtigen. Dies aber immer nach Prüfung und Abstimmung mit dem Gesamtprojekt. In Summe gab es 150 Änderungen, die nach Vertragsunterzeichnung noch berücksichtigt und in eigenen „Pächteränderungsblättern“ dokumentiert wurden. Die wiederum dienten als Grundlage für die notwendigen technischen und behördlichen Abnahmen, aber auch für eine saubere und GEMISCHTE AUFGABEN. Eine Halle für WindowShopping, Orientierung und Information, aber zugleich Aufgang zu den Gleisen, ebenso wie Wartehalle oder Durchgang transparente Kostenabrechnung zwischen ÖBB und Pächtern. AUS ERFAHRUNG GUT VORBEREITET. Als große Stärke erwies sich, dass das Projektteam der ÖBB bei der Betreuung und Information der Pächter – in der Phase der Planung, aber auch vor Ort auf der Baustelle – auf Erfahrungen aufbauen konnte, die kurz davor bei der BahnhofCity West gemacht wurden. Das Einkaufszentrum am Wiener Westbahnhof ist mit ebenfalls 90 Shops und einer Fläche von 17.000 Quadratmetern vergleichbar groß und war erst 2011 eröffnet worden. Die Erinnerungen waren also ganz frisch. So etwa daran, dass man den Aufwand für die not- wendigen behördlichen Genehmigungen nicht unterschätzen darf, um zeitgerecht eröffnen zu können. Obwohl dies eine Aufgabe der Pächter selbst ist, übernahmen die ÖBB koordinative Tätigkeiten und Vorarbeiten, um diese auch dabei bestmöglich zu unterstützen. Kurz vor der Eröffnung wurden sogar Sammeltermine auf der Baustelle organisiert, um für alle Beteiligten (Behörden, Pächter, ÖBB) eine möglichst effiziente und ganzheitliche Abwicklung der Abnahmen zu ermöglichen. Eine der wichtigsten Lehren aus der Pächterbetreuung am Wiener Westbahnhof war das rund 20 Seiten starke Pächterhandbuch. Dieses enthielt, individuell zugeschnitten, alle notwendigen Informationen, die für die Pächter wichtig und einzuhalten waren. Von den besonderen technischen und behördlichen Auflagen über das richtige Verhalten auf der Baustelle, die vorgeschriebene Sicherheitsbekleidung bis hin zu den Parkmöglichkeiten und dem Weg zur eigenen Fläche. Sogar die Orte der während der Tätigkeit auf der Baustelle zur Verfügung stehenden Sanitäranlagen waren hier dokumentiert. Zusätzlich stand den Pächtern der BahnhofCity vor Ort eine eigene von der ÖBB beauftragte örtliche Bauaufsicht als Ansprechpartner für technische Fragen und Anliegen zur Verfügung, was eine effiziente Kommunikation ermöglichte. PÄCHTERAUSBAU. Wenn über dem Geschäft täglich über 1.000 Züge fahren, ist – von Anfang an – einiges zu be rücksichtigen (links) VORBEREITUNGEN. Da das Einkaufszentrum auch ein Bahnhof ist, mussten die Pächter ungewöhnlich früh ihre Wünsche und Pläne bekannt geben (unten) zahlen, daten & fakten EIN EINKAUFSZENTRUM auf drei Geschossen läche: 20.000 m² ►F ächter: 93 ►P tellplätze: 620, 2 h Gratis-Parken ►S rößte Shop-Fläche: 3.500 m² ►G leinste Shop-Fläche: 20 m² ►K astrobetriebe: ca. 20 ►G entraler Ladehof: ca. 2.500 m², ►Z vier Ladebuchten für Sattelschlepper nabhängige Belieferung und Erschließung ►U fast aller Einkaufsflächen ersonal für Geschäftsbetrieb: ca. 400 ►P ffnungszeiten: 9:00–21:00 Uhr, teilweise ►Ö auch sonn- und feiertags aum der Stille ►R stationen 57 inbetriebnahmen DAMIT EIN BAHNHOF FUNKTIONIERT BAU Mit dem Bauen alleine ist es nicht getan. Damit die Züge ab dem ersten Tag auch richtig rollen, müssen Loks und Waggons bereitstehen und alle Weichen richtig gestellt sein. E in Bahnbetrieb funktioniert wie ein Orchester, die Noten dazu legt der Fahrplan fest. Dieser beinhaltet aber nicht nur, wann ein Zug von welchem Bahnhof, von welchem Bahnsteig z. B. von Wien Hauptbahnhof nach Salzburg Hauptbahnhof fährt. Intern beinhaltet er auch Wartungs-, Service- und Rangierfahrten, die so getaktet sein müssen, dass sich keine Züge in die Quere kommen. Und dazu müssen neben dem Personal auch das entsprechende Wagenmaterial zur rechten Zeit am rechten Ort und die Weichen entsprechend gestellt sein. Bei den ÖBB ist die perfekte Orchestrierung der Abläufe Aufgabe des „Betriebs“, der im Zuge der schrittweisen Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs ordentlich gefordert war. Nahezu laufend mussten Strecken aus dem Verkehr und neue Gleise und Weichen in Betrieb genommen werden. Eine logistische und technische Herausforderung, die mit diversen Software-Updates verbunden war und einwandfrei funktionieren musste. Andernfalls hätte es zu Misstönen geführt, vor allem bei den KundInnen. 58 stationen ALLES ANDERS ÜBER NACHT. Die Geschichte der laufenden Veränderungen für den Betrieb beginnt nicht erst mit der Sperre des Südbahnhofs. Provisorien und sogenannte Kontextprojekte (siehe: „Kontextprojekte", Seite 4), die teils Jahre davor in Angriff genommen wurden, schufen immer wieder neue Grundlagen für die Planung der Fahrten und die Belegung der Strecken. Die Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 2009 brachte jedoch die massivste Veränderung. Kurz vor zwei Uhr früh wurde der Südbahnhof gesperrt und nur wenige Stunden später galten ganz neue Regeln: Fern- und Nahverkehrszüge, die bisher zum Südbahnhof fuhren, sollten nun über ein Umfahrungsgleis durch die Baustelle zum provisorischen Endbahnhof Meidling gelangen. Aber nicht alle und nicht alle immer. Manche Züge sollten nur in der Hauptverkehrszeit nach Meidling fahren und sonst bis Wiener Neustadt verkehren, wo sie eine Umsteigemöglichkeit in Fernzüge boten. Güterverkehre wurden überhaupt großräumig umgeleitet und in Matzleinsdorf, am Areal des ehemaligen Frachtenbahnhofs, nahm die provisorische Autoreisezuganlage ihren Betrieb auf. Das gemeinsam mit dem neuen Produktionsverbund, der hier gleich drei ÖBB-Gesellschaften – Personenverkehr, Produktion und Technische Services – und deren zuvor über ganz Wien verstreuten Standorte für Service und Wartung bündelte (siehe: „Umbau Wien Matzleinsdorf“, Seite 18). Damit einher gingen komplett neue Arbeitsläufe und Umläufe, wie es intern heißt.Vor allem BAHNHOFSALLTAG. Letzte Detailarbeiten, während im Souterrain erste Bahnhofs besucher mit Einkaufstaschen flanieren (oben) GEMISCHTER VERKEHR. Während sich rechts der ICE auf die Weiterfahrt zum Flughafen Wien vorbereitet, fährt links ein Pendlerzug ein (rechts) eine hochzeit als feuertaufe MIT DER SPERRE DES SÜDBAHNHOFS nahm auch das neue elektronische Stellwerk, eine graue unscheinbare „Box“ neben dem ebenfalls grau en, großen, treppenartigen Gebäude, seinen Betrieb auf. Vier alte Stellwerke wurden zu einer zentralen Einheit „verheiratet“. Ganz rei bungslos lief die Hochzeit, die in der Nacht von Samstag, den 12. Dezember 2009, auf Sonn tag, den 13. Dezember 2009, stattfand, aber nicht ab. Schuld war nicht die Software – wie man vermuten würde –, sondern ein schadhaf tes Relais, das zu Verzögerungen führte. Als bei Christian Krückel mitten in der Nacht das Telefon klingelte, wusste er sofort, dass das nicht der Postbote sein kann: „Wir haben alle herangezogen, die wir erreichen konnten, und sind raus, um die Weichen zu stellen.“ Immerhin mussten einige Kilometer Gleise auf ein Notfahrprogramm eingestellt werden. 15 MitarbeiterInnen waren unterwegs, um rund 60 Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Krückel: „Alle haben wunderbar reagiert und um sechs Uhr konnte der erste Zug mit dem Notfahrprogramm fahren.“ GLEISLÜCKENSCHLUSS. Im Sommer 2012 wurden die ersten Gleise der Ost- und Südbahn im Hauptbahnhof verbunden, damit konnte das provisorische Umfahrungsgleis abgetragen werden (oben) LUFTIGES AMBIENTE. Auf bis zu 15 Metern Höhe überspannt das Rautendach die Bahnstei ge des Wiener Hauptbahnhofs. Im Hintergrund die Fassade der ÖBB-Unternehmenszentrale (links) stationen 59 inbetriebnahmen das Wagenmaterial, das zuvor am Südbahnhof geparkt war, musste blitzschnell verlagert werden. Über Nacht wurden rund 200 Waggons und Züge in den Bereich Matzleinsdorf gebracht, um am nächsten Tag für den Bahnverkehr ab dem Bahnhof Meidling bereitzustehen. Außerdem mussten die neuen Gleise und Weichen in das ebenfalls neue elektronische Stellwerk Süd (NSTWS) aufgenommen werden (siehe: „Neues elektronisches Stellwerk Wien Süd“, Seite 10). BAU DER BETRIEB SPIELT SICH EIN. In der Folge wur- den mit jedem Fahrplanwechsel neue Teile des Gesamtprojekts Hauptbahnhof in das neue Stellwerk integriert und Provisorien aus dem Betrieb genommen. Und sukzessive wurde alles leichter. Bereits die neue Betriebsanlage Matzleinsdorf vereinfachte die weiteren Planungen. Zum einen, weil Abläufe durch die räumliche wie auch funktionelle Konzentration vieler Service- und Wartungsarbeiten für den Bahnbetrieb einfacher wurden: Das Betanken der Triebfahrzeuge, die Reinigung der Züge und Waggons außen wie auch innen, technische Servicierung und vieles mehr konnten hier nunmehr quasi „im Durchfahren“ erledigt werden. Zum anderen war bei der Planung dieses zentralen Produktionsstandortes (siehe: „Umbau Wien Matzleinsdorf“, Seite 18) auch gleistechnisch für freie Durchfahrt gesorgt worden. Eine „Überwerfung“ – eine Art Fly-over, wie man es von der Wiener Südosttangente kennt, aber für Züge – ermöglichte einen kreuzungsfreien Über Nacht wurden rund 200 Waggons und Züge nach Matz leinsdorf gebracht, um am nächsten Tag für den Bahnverkehr ab Bahnhof Meidling bereitzustehen. 60 stationen Verkehr zwischen Meidling und Hauptbahnhof auch durch die Betriebsanlage Matzleinsdorf. 2012 erfolgte der sogenannte Gleislückenschluss. Die ersten durchgehenden Verbindungen zwischen Süd- und Ostbahn durch den Hauptbahnhof (Bahnsteige neun bis zwölf) waren fertiggestellt und konnten in Betrieb genommen werden. Am 3. August 2012 war es tatsächlich so weit: Der erste Zug rollte durch den neuen Hauptbahnhof und am 9. Dezember 2012 ging der Hauptbahnhof mit dem Fahrplanwechsel in Teilbetrieb. Ab diesem Zeitpunkt hielten und starteten hier die ersten Nahund Regionalzüge, die bis dahin am verkürzten Ostbahnhof ankamen und wegfuhren (siehe: „Der verkürzte Ostbahnhof“, Seite 16). Zwei Jahre später wurden – nach der offiziellen Eröffnung des Hauptbahnhofs im Oktober, zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2014 – bereits die ersten Fernzüge über den neuen Hauptbahnhof geführt. Zum Nah- und Regionalverkehr kamen nun auch einige Fernverbindungen aus Norden, Süden, Osten und Westen hinzu. Es hielten bereits die Railjets Graz–Wien–Prag und München–Wien–Budapest am Hauptbahnhof ebenso wie die Fernverkehrsverbindung mit dem ICE via Passau, Linz und St. Pölten zum Flughafen Wien. Bereits am 16. Juni 2014 war die neue Verladeanlage für „Auto im Reisezug“ (Bahnsteige 14–16) östlich des Hauptbahnhofs für alle Züge von und nach Italien in Betrieb genommen worden, im Dezember 2014 kamen auch alle anderen ÖBB-Züge mit Auto- und Motorradbeförderung ab und nach Wien dazu. Am 12. Dezember 2015 nahm der Hauptbahnhof Wien als internationale Verkehrsdrehscheibe endgültig den Vollbetrieb auf. Seither wird der gesamte Fernverkehr aus allen Himmelsrichtungen über das neue Bahnhofsystem – dem sogenannten „Doppel-Hub“ – Wien Meidling und Wien Hauptbahnhof geführt. Mit jeder dieser Inbetriebnahmen einher ging die Aufnahme der Steuerung neuer Gleise und Weichen in das elektronische Stellwerk und damit auch eine Änderung der dazugehörigen Software. Und wer schon einmal selbst eine Software auf seinem Computer installiert hat, weiß, dass dabei nicht immer alles glattgeht. Nach der „Feuertaufe“ bei der Inbetriebnahme des neuen Stellwerks zum Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2009 wurde daher eine Woche vor ROLLENDE AUTOS. Mit dem neuen Hauptbahn hof wurde auch eine neue Autoreisezuganlage an der Ostseite in Betrieb gestellt (oben) WARTEN AUFS WARTEN. An der Fertigstel lung der letzten Details wurde bis zum Schluss gearbeitet (oben) jeder Inbetriebnahme jedes Gleis einzeln in das neue Stellwerk übernommen. Dem gingen Tests der Software im Labor ebenso voraus wie eine Prüfung der Strecke durch einen Signalkontrolleur. Dieser hatte aber nicht nur die neuen Signale zu prüfen, sondern auch die Stellung der einzelnen Weichen und ob diese mit der Lage laut Stellwerk übereinstimmt. Kleinere Probleme bei den Inbetriebnahmen gab es, größere, die zu einer Verzögerung geführt hätten, aber nicht mehr. Eine erstaunliche Leistung, denn immerhin musste die Software während der gesamten Bauphase 14-mal getauscht oder aktualisiert werden. notfahrpläne und schlüsselbretter NICHT ZULETZT AUFGRUND DER ERFAHRUNGEN bei der Inbetriebnahme 2009 gibt es für den Fall, dass neue Gleise und Weichensteuerungen in das Stellwerk aufgenommen werden, einen Notfahrplan. Damit wird sichergestellt, dass, sollten Probleme auftreten, zumindest ein Gleis durchgehend befahrbar ist. Für diese Notfahr strecke werden vor Beginn der Inbetriebnahme die Weichen entsprechend gestellt und gesi chert. Die Sicherung erfolgt mittels Schlüsseln – diese sind an jeder Weiche angebracht, werden sie abgezogen, ist die Weiche gesperrt. Um sicherzugehen, dass auch wirklich alle Weichen richtig gestellt und gesichert sind, gibt es ein „Schlüsselbrett“ – heute kein echtes Brett mehr, sondern ein Formular. ÜBERBLICK BEWAHREN heißt es bei über 1.000 Zügen, die täglich den Hauptbahnhof frequen tieren. Genaue Auskunft gibt die 46 m2 große Anzeigetafel in der Verteilerhalle (links) Erst wenn alle Schlüssel – viereckige zeigen an, dass die Weiche nach rechts, dreieckige zeigen an, dass die Weiche nach links gestellt und ge sichert wurde – auf dem Schlüsselbrett abgelegt sind, kann die Strecke für das Notfahrprogramm freigegeben werden. Dabei gelten besondere Regeln: Für die festgelegte Strecke ist die Ge schwindigkeit auf maximal 40 Kilometer pro Stunde begrenzt und die sogenannte Signalab hängigkeit ist aufgehoben. Die/Der LokführerIn muss sich daher bei jedem Signal die Fahrer laubnis fernmündlich einholen. Statt im Drei-Mi nuten-Takt wie beispielsweise auf der Schnell bahnstrecke ist dadurch auf einer Notfahrstrecke bestenfalls ein 15-Minuten-Takt möglich. commissioning: making sure a train station works It is not enough to simply build the structure. To ensure that trains operate correctly right from the get-go, locomotives and wagons have to be ready and all the switches have to be set correctly. Railway operation works like an orchestra with the notes being set in the train schedule. This determines not only when a train leaves which train station from which platform. Internally, it contains maintenance, service and shunting trips which have to operate like clockwork so that trains do not get in each other’s way. And for this to happen not only is manpower needed, but the right trains have to be in the right place at the right time and the switches set accordingly. At ÖBB (Austrian Federal Railways) the perfect orchestration is the job of the so-called “operations”, which was duly challenged over the course of the step-by-step commissioning of the train station. Almost constantly stretches had to be closed and new tracks and switches put into service. It was a logistic and technical challenge which was associated with numerous software updates that had to work without any glitches. Otherwise this would have led to discord, particularly among the customers. The biggest change came in the night from December 12 to 13, 2009. Just before two in the morning, South Train Station (“Südbahnhof”) was closed and a few hours later new rules came into effect. Commuter and long-distance trains that used to go to South Train Station (“Südbahnhof”) were now detoured through the construction site to reach the temporary terminal station Meidling. Construction was finally completed on December 12, 2015 when Vienna Main Station went into full operation as a major international railway hub. zahlen, daten & fakten AM 9. DEZEMBER 2012 wurde die S-Bahn-Halte stelle Wien Hauptbahnhof (Bahnsteige 1 und 2) in Betrieb genommen, hier verkehren die Linien S1, S2 und S3 – die sogenannte Stammstrecke. Ebenso wurden an diesem Tag der oberirdische Teil mit vier Bahnsteiggleisen und einem Durch fahrtsgleis in Teilbetrieb genommen. AB 14. DEZEMBER 2014 hielten alle Fernzüge aus und in den Norden, Osten und Süden am Hauptbahnhof sowie alle Nachtreisezüge. AM 12. DEZEMBER 2015 ging der Hauptbahnhof dann in Vollbetrieb. Seither halten und starten hier auch alle Railjet- und Intercity-Züge aus dem und in den Westen. stationen 61 voraussetzungen VORAUSSETZUNGEN UND URSACHENFORSCHUNG BAU Der Hauptbahnhof Wien ist eines der größten Infrastruktur projekte Österreichs. Und eines, das trotz Änderungen, Konkurse und anderer unvorhergesehener Dinge nahezu reibungslos funktioniert hat. A ndere Infrastrukturprojekte der jüngeren Geschichte haben während ihrer Planung und Errichtung oft für negative Schlagzeilen gesorgt. Man denke nur an den Flughafen Berlin, Stuttgart 21 oder den Skylink am Flughafen Wien. Beim Hauptbahnhof setzte man von Beginn an auf einen offenen Dialog – insbesondere mit den AnrainerInnen. Und auch sonst wurde das Projekt von einer durchwegs positiven Berichterstattung begleitet (stationen drei: die kommunikation) In diesem Kontext stellt sich dennoch die Frage, was die Gründe waren, dass eines der größten Bauprojekte, das mitten in der Stadt und bei teils laufendem Betrieb realisiert werden musste, so klaglos funktionieren konnte. Denn Herausforderungen und auch Probleme gab es durchaus. Diese konnten aber weder das Projekt noch den geplanten Fertigstellungstermin ins Wanken bringen. GUT GEPLANT IST GUT GEBAUT. Gut geplant ist auch das erste Stichwort, begibt man sich auf 62 stationen Ursachenforschung im positiven Sinn. Obwohl die ersten Ideen für einen „Zentralbahnhof für Wien“ aus den 1870er-Jahren datieren, bildete erst die 2003 unterzeichnete Absichtserklärung von Bund, Stadt Wien und ÖBB die Grundlage für dessen Planung. Ganz konkret wurde diese 2005 gestartet. Zu Beginn mit einem kleinen Team. Acht Leute zerbrachen sich den Kopf darüber, wie und wo ein solcher Durchgangsbahnhof realisiert werden könnte. Nach und nach wurden es mehr. In Spitzenzeiten bestand das Projektmanagement-Team der ÖBB-Infrastruktur AG (die Projektleitung) aus 30 Leuten. Deren Aufgabe war es, die vorgegebenen Ziele, Kosten, Termine und Qualitäten und die damit verbundenen Anforderungen an das Projekt umzusetzen. Vielleicht eines der Geheimnisse des Erfolgs: Die Besetzung der Schlüsselstellen für die Steuerung eines Bauprojektes mit eigenen Leuten ist nicht unbedingt üblich (oder auch möglich), hat aber Vorteile: Interne Wege sind kürzer, Entscheidungen erfolgen schneller und unbürokratischer und auch das oft zitierte Commitment, also die Identifikation mit dem Projekt, ist höher. Dazu kommt eine bessere Unterstützung durch den Vorstand und der Umstand, dass man nicht von Externen abhängig ist, die zwangsweise immer auch andere Interessen oder andere Prioritäten haben. Jedenfalls war der interne Anteil am Projekt Hauptbahnhof auch höher als bei anderen von der ÖBB-Infrastruktur abgewickelten Herausforderungen und auch Probleme gab es durchaus. Diese konnten aber weder das Projekt noch den geplanten Fertigstellungs termin ins Wanken bringen. PLANUNG UND WIRKLICHKEIT. Trotz realitäts nahem Modell haben sich anfangs nur wenige vorstellen können, dass hier so ein Projekt Realität werden könnte (unten) FÜR ANRAINER UND INTERESSIERTE. Das bahnorama hat die Anrainer am Bau teilhaben lassen und damit Ängste genommen, auch wenn es in dieser Bauphase fast schon „untergeht“ (oben) STÄDTEBAU. Auf einem Areal so groß wie der achte Wiener Gemeindebezirk hat sich binnen weniger Jahre beinahe alles grundlegend geändert (oben) stationen 63 voraussetzungen BAU Projekten. Trotzdem war natürlich auch beim Hauptbahnhof ein großes Team an externen Dienstleistern beschäftigt. Bis zu 100 Personen arbeiteten schließlich gemeinsam an der Erstellung der Einreichunterlagen. Das interne Projektteam übernahm schließlich auch die Planung und Durchführung der Ausschreibungen sowie der kleineren Vergaben und auch Kleinstbestellungen, welche laut Bundesvergabegesetz nicht ausschreibungspflichtig waren. In Summe wurden an die 1.000 Aufträge im Zuge des Bauvorhabens Hauptbahnhof Wien vergeben, der größte Einzelauftrag hatte einen Wert von 220 Millionen Euro. BESONDERHEITEN BEIM BAU. Der Bau selbst gliederte sich in vier Hauptbauphasen, die zum Teil wiederum in Unterphasen gegliedert wurden. Ein durchaus üblicher Vorgang, der beim Hauptbahnhof jedoch zwei gravierende Besonderheiten hatte. Zum einen, dass jede Bauphase mit einer Änderung der betrieblichen Rahmenbedingungen verknüpft war. Denn immer musste darauf Rücksicht genommen werden, dass die Eisenbahn weiterrollt. Und wenn es sein muss, auch quer durch die Baustelle wie im Fall der bis 2012 installierten Umfahrungsgleise. Für die Bauabwicklung ergaben sich daraus Einschränkungen hinsichtlich der Baulogistik und besondere Vorgaben in Bezug auf die Arbeitssicherheit. So konnte ein Turmdrehkran nicht unbedingt dort aufgestellt werden, wo es am zweckmäßigsten gewesen wäre, da der Standort z. B. im Gefährdungsbereich der Bahn gelegen wäre. Auch Baufahrzeuge durften nicht einfach über die Gleise fahren. FLEXIBILITÄT WIRD ZUM ALLTAG. Bei jedem Bau gibt es Änderungen und unvorhergesehene Dinge. So auch beim Hauptbahnhof. Und nachdem die wohl gravierendsten Änderungen sehr früh passierten, wurde das Sofortreagieren auf neue Gegebenheiten fast zur Gewohnheit. Am massivsten wirkte sich die Entscheidung im Herbst 2006 aus, den Südbahnhof zu sperren (ursprünglich sollte dieser bis zur Fertigstellung des Hauptbahnhofs in Betrieb bleiben). Diese Entscheidung stellte mehr oder weniger die gesamte bis dahin gemachte Planung auf den Kopf. Vieles musste neu gedacht werden. Nicht ohne war auch die Entscheidung, die geplante und zum Zeitpunkt der Änderung (2010) auch be- 64 stationen reits vergebene Tiefenfundierung des Bauwerks durch eine Flachfundierung zu ersetzen. Letztere war mit weniger Risiko verbunden und daher auch schneller zu realisieren, die gesamte Statik des Hauptbahnhofs musste aber innerhalb kürzester Zeit neu berechnet und adaptiert werden. Die dritte größere Änderung betraf den Zeitpunkt der sukzessiven Inbetriebnahme. Ursprünglich sollten 2012 die ersten Gleise befahrbar sein, 2013 die Teileröffnung der Verkehrsstation und 2015 die Vollinbetriebnahme erfolgen. Der Termin 2013 wurde nach sorgfältiger Abwägung in den Lenkungsgremien im Frühjahr 2008 auf 2014 verschoben. Damit gewann man zwar mehr Zeit für die Fertigstellung der gesamten Verkehrsstation und des Einkaufszentrums, für die Errichtung der sogenannten Anlage Ost war danach jedoch weniger Zeit. Dank eines von Beginn an implementierten Änderungsmanagements waren aber weder diese Änderungen eine nicht zu nehmende Hürde noch die vielen kleineren Adaptionen, die nach klar definierten Regeln analysiert, beurteilt und detailliert dokumentiert wurden. DACHTRÄGER. Der Aufbau der Träger sowie später die Montage der Stahldächer waren absolute Maß- und damit oft auch Handarbeit GEPLANTES UND UNGEPLANTES IM GRIFF. Nicht wirklich planbar sind Konkurse und andere Schwierigkeiten mit beauftragten Firmen. Vordergründig am gravierendsten war der Insolvenzantrag des Baukonzerns Alpine im Juni 2013. Die Firma Alpine Bau GmbH war eine von vier Firmen der mit dem Bau der Verkehrsstation beauftragten Arbeitsgemeinschaft. Die drei anderen Firmen übernahmen aber nicht nur die ausgefallenen Leistungen, sondern teilweise auch Personal, sodass der Baufortschritt nicht gefährdet war und auch Haftungsfragen aufgrund der ARGE-Geschäftsordnung rasch geklärt werden konnten. So wurde keine Zeit verloren, auch enorme Kosten wurden dadurch vermieden. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Bau in einer seiner intensivsten Phasen. Entsprechend hoch war die Dichte der beschäftigten Menschen und Gerätschaften. Ein Komplettstillstand der Baustelle hätte, so wurde errechnet, rund 75.000 Euro pro Stunde (!) gekostet. Eher noch als der Fall Alpine hätte der Konkurs einer Steinmetzfirma, die mit Arbeiten beim Umbau der S-Bahn-Station Südtiroler Platz betraut war, den geplanten Bauablauf fast ins Wanken gebracht. Aber auch hier er- LICHTSPIELE. In der blue hour oder auch Dämmerung zeigt das Rautendach inte ressante Farbakzente. Ob davor jemand genau damit gerechnet hat? So konnte ein Turm drehkran nicht dort aufgestellt werden, wo es am zweck mäßigsten gewesen wäre, da der Stand ort im Gefährdungs bereich der Bahn gelegen wäre. EINGERÜSTET. Für eine Beton kubatur von rund 305.000 m3 wurden rund 420.000 m2 Schalung angebracht. Dafür benötigt es einiges an Gerüsten (rechts) ROOF-LINE. Mittlerweile ist die Linie des Daches längst das Markenzeichen des Wiener Hauptbahnofs und der Bahnhof selbst eine Land mark der Stadt (links) wiesen sich die Flexibilität, das Commitment, der Ideenreichtum aller Beteiligten – auch der externen Partner – als solides Fundament für eine rasche und effiziente Lösung (siehe: „S-Bahn-Station Südtiroler Platz“, Seite 12). DURCHBLICK BIS ZUM SCHLUSS. Begleitet wurde das gesamte Projekt durch ein eigenes Controlling, das Überblick hatte über jeden einzelnen Auftrag, unabhängig von der vergebenen Summe, über damit verbundene Änderungen der Beauftragung und des Leistungsumfanges sowie über die Entwicklung der Gesamtkosten. Die dafür eingesetzte Software war eine ÖBB-interne Entwicklung, die mithilfe externer Partner und der Erfahrungen aus früheren Projekten programmiert wurde. Zu festgelegten Stichtagen mussten die Daten von allen Betei- ligten aktualisiert und beigestellt werden. Die Abrechnung mit den beauftragten Firmen erfolgte ebenfalls auf dieser Basis, wobei diese aufgefordert waren, ihre erbrachten Leistungen laufend abzurechnen, auch wenn sich Aufträge über mehrere Jahre zogen. Dadurch wurden allzu große Differenzen zum Budget verhindert und auch Diskussionen über mögliche Mehrkosten konnten weitestgehend hintangehalten werden. Bis zur Schlussrechnung war damit jeder einzelne Auftrag, der beim Hauptbahnhof vergeben wurde, klar und transparent prognostiziert und nach Abschluss vollständig dokumentiert. Dabei ist es besonders wichtig, die Kostenermittlung und -prognose nicht als einmalige Übung zu Projektbeginn, sondern als begleitenden Prozess während der gesamten Projektdauer zu sehen. Die regelmäßige Analyse und Bewertung von Risiken in den Projektkosten ist ebenso verpflichtend wie die Planung der Ausgaben in jedem Jahr. Nur eine kontinuierliche und stets nachvollziehbare Bewertung der noch offenen Projektteile ermöglicht eine aktuelle und zum Projektfortschritt passende Gesamtprognose. Detaillierte Kenntnisse zum Stand des Projektes sind dazu ebenso erforderlich wie der Mut, auch noch nicht berechenbare (aber erfahrungsgemäß auftretende) Kosten als Risiko monetär darzustellen. Eine Qualität, die einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Realisierung des Infrastrukturprojekts Hauptbahnhof Wien innerhalb der vorgesehenen Termine und Kosten leistete. stationen 65 gut gelaufen GEBAUT FÜR GENERATIONEN Beim Bau des Wiener Haupt bahnhofs wurden ein ambitio nierter Zeitrahmen und das Budget eingehalten. Warum hat das so gut geklappt? „Für die ÖBB gehört die Abwicklung von Infrastrukturprojekten zum Tagesgeschäft. Das fachliche Know-how dafür sowie das notwendige Projektmanagement haben wir im Haus. Einen wesentlichen Erfolgsfaktor stellten hier die kommunikativen Skills dar – innerhalb der Projektgruppen und quer durch alle Hierarchien. So war dieser logistische Hochseilakt ohne Netz und ohne Platz für Verzögerungen überhaupt möglich.“ „Ein wichtiger Faktor war auch die Kontinuität. Denn dass Störungen vorkommen, ist klar. Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo Information verloren geht. Information war entscheidend. Und das hat funktioniert.“ THOMAS BRUNNER Projektkoordinator Stahlbau FRANZ BAUER Vorstand ÖBB-Infrastruktur AG GEORG HABERSACK „Das war echtes Teamwork, es ist ein richtiger Chorgeist entstanden. Beigetragen hat auch der zeitliche Druck. Bei langfristigen Projekten kann es zu Zeitschienen kommen, die ins Unendliche gehen. Das war bei uns gar nicht möglich. Wir wussten, in zwei Jahren muss Matzleinsdorf fertig sein.“ „Allen war bewusst, wenn wir eine Entscheidung treffen oder etwas ändern, dann am besten gleich, schnell und gemeinsam. Hilfreich war, dass das die Gesprächskultur positiv beeinflusst hat. Es gab fixe Serien, Tagesordnungen und die Terminfolge war dicht genug, sodass es nicht oft notwendig war, zu einem Thema eine Sonderbesprechung einzuberufen.“ BERNHARD BENES JUDITH ENGEL Geschäftsführer ÖBB-Produktion GmbH Projektleiterin Bahninfrastruktur 66 stationen „So etwas wie einen Hauptbahnhof macht man nur einmal im Leben. Geholfen hat aber, sich bewusst zu machen, dass auch ein Hauptbahnhof ein Bauprojekt ist, das dieselben Beteiligten hat wie jedes andere – Baumeister, Installateur, Elektriker etc. Nur dass hier alles um ein Vielfaches größer war. “ Baumanager Rohbau „Um ein derartig komplexes Bauprojekt innerhalb der prognostizierten Kosten abzuwickeln, wurde es einer regelmäßigen Analyse und Bewertung von Kostenrisiken unterzogen – sowohl in der Planungs- als auch über die gesamte Errichtungsphase.“ HUBERT HAGER Geschäftsbereichsleiter Projekte Neu-/Ausbau „Es gibt Verträge, aber man muss auch miteinander reden. Ein Ergebnis ist nur so gut, wie der Dialog zwischen den Vertragspartnern war. Und auch wenn es durchaus Probleme und unterschiedliche Standpunkte gab, so gab es mit den Pächtern im Einkaufszentrum immer einen guten Dialog.“ GERALD MITTERBÄCK Projektleiter Immobilien/Pächterausbau „Es gab eine hohe Projektkosten- und Termindisziplin. Diese wurde auch durch gute Kontakte des Controllings zu allen Projektbeteiligten sichergestellt.“ „Durch ein klares Risiko management aufseiten der Projektleitungen konnte rasch frühzeitig und adäquat auf kritische Situationen reagiert werden. Innerhalb der Projektbeteiligten herrschte ein besonders guter innerer Zusammenhalt, der nicht zuletzt von Stolz auf dieses zwar komplexe, aber wegweisende Projekt getragen war.“ KARL-JOHANN HARTIG Gesamtprojektleiter „Es gab Besprechungen, die oft den ganzen Tag dauerten, ohne Mittagspause und ohne dass jemand auf die Uhr geschaut hätte, bevor etwas nicht fertig war.“ MICHAEL JELLESCHITZ Baumanager Haustechnik ZEITREISE. Ein Blick auf viele Phasen eines Projektes voller Herausforderungen, das schluss endlich pünktlich und im Kosten rahmen fertiggestellt wurde „Zwei Drittel der Mannschaft waren bis zuletzt dabei. Wenn du sie brauchst, sind sie da. Auch am Wochenende. Wenn es sich spießt: Die fahren los, wie weit weg sie auch wohnen.“ RUDOLF KANTAUER Chef-Polier, ARGE Baulos 01, STRABAG SONJA MÜLLER Projektcontrollerin „Entscheidend war aber auch der politische Wille aller Beteiligten, dieses Projekt umzusetzen – Stadt Wien, Bund und ÖBB und die gute Öffentlichkeitsarbeit, die bereits im Vorfeld gemacht wurde. Damit konnte in der Bevölkerung und bei den Anrainern eine hohe Akzeptanz für das Projekt geschaffen werden.“ WERNER SCHWAB „2008 hatten wir ein Problem beim Softwaretausch im elektronischen Stellwerk mitten in der Nacht. Da haben alle angepackt, weil jede und jeder wusste, dass sonst die Bahn nicht fährt. So konnten wir auch ad hoc auf ein Problem reagieren, ohne dass Chaos entstanden ist.“ Projektkoordinator für interne und externe Schnittstellen „Die Erfahrung insbesondere aus der Vermietung am Wiener Westbahnhof war sehr wichtig. Durch diese Kompetenz hatten auch die Gespräche mit den Pächtern von Anfang an eine andere Qualität.“ CHRISTIAN KRÜCKEL BIRGIT ZAKALL Betrieb Projektkoordinator Mitarbeiterin Pächterausbau stationen 67 IMPRESSUM Herausgeber: ÖBB-Infrastruktur AG, 1100 Wien, Laxenburger Straße 4 Konzeption und Projektleitung: Sigi Herzog, Matthias Flödl Redaktion: Karl-Johann Hartig, Sigi Herzog, Matthias Flödl Text: Friedrich Ruhm, Sigi Herzog, Matthias Flödl, Wolfgang Pauser, Franz Bauer Lektorat: Korrelektor Grafische Gestaltung: Sebastian Treytl, Brainds (Basisdesign) Bildbearbeitung: Bernd Weiss Produktion: ÖBB Werbung GmbH Produktionsnummer: 117016-0358 Druck & Herstellung: Druckerei Paul Gerin Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde bei Personen nicht durchgängig die männliche und weibliche Form angeführt. Gemeint sind selbstverständlich immer beide Geschlechter. Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben ohne ewähr, Stand Dezember 2015 G © 2015, ÖBB-Infrastruktur AG 68 stationen BILDNACHWEIS Allgemeine Bauzeitung: Seite 27 links oben (1874, Blatt 26) Roman Bönsch: Seiten 30–32, 39, 41, 43 oben, 45, 47 oben, 46 Mitte, 63 oben, 63 Mitte, 65 oben, Umschlaginnenseiten (Plangrafiken) Michael Frankenstein: Seiten 27 links unten Sigi Herzog: Seiten 4–8, 9 oben, 10–24, 26 unten, 28, 33–38, 40, 44, 46 unten, 48–61, 64 oben, 65 unten, 66 (Sigi Herzog/Aldinger & Wolf) Philipp Horak: Seite 64 unten Brüder Kohn: Seite 27 rechts oben (um 1910) August Markart: Seiten 9 unten, 26 Mitte, 27 links Mitte, 27 rechts unten Luftbildservice Redl: 47 unten, 63 unten Rudolf von Sandmann: Seite 26 oben (Tonlithografie nach Aquarell von Rudolf von Alt, L.T. Neumann Verlag, Wien ca. 1870, Sammlung Roman Bönsch, Wien)
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