Dokumentation Stationen IV Hauptbahnhof Wien

stationen
vier: provisorien und bau
Der Bau ist
das Ende vom
Anfang des
Bahnhofs.
Fakten und
Geschichten
über das
Umleiten,
Vorbauen,
Aufbauen,
Umbauen und
Fertigbauen.
Projekt
Haupt­bahnhof Wien
Dokumentation
#4 / 2015
provisorien & bau
Prolog
Beim Bauen ist das Bauen erst der letzte Schritt – die vierte große E
­ tappe
nach dem Abbruch, der Planung und der Kommunikation. Alles auf
­Schiene Gebrachte läuft nun ein in die Realität. Viele Gleise führen zusammen, treffen sich in ihrem neuen Zentrum, dem Bahnhof, der nicht mehr
Kopf-, sondern Durchgangsbahnhof ist, Hauptbahnhof und nicht mehr
Endstation. Der Bau endet im Anfang der Abfahrten und Ankünfte.
Mit der Eröffnung hat er sein Ziel erreicht.
Doch auch dem Bauen muss man vorbauen: Bauten errichten zu dem
Zweck, dass überhaupt mit dem eigentlichen Bau begonnen werden kann.
Wer ein Haus baut, braucht zuerst eine Zufahrt. Dieses Prinzip, auf ein
­internationales Verkehrszentrum angewandt, lässt den Aufwand an
­Bauvorbereitungen exponentiell wachsen. Erst wenn weiträumige Um­
fahrungen möglich sind, kann mit der Errichtung begonnen werden.
Die Eisenbahn war das erste Netzwerk der Geschichte. Der von Fahrplänen
gesteuerte Schienenverkehr bildet ein System. Ändert sich ein Element darin,
hat dies weitreichende Wirkungen auf das Ganze. Auch wenn sich der fertige
Bahnhof stolz als Gebäude zeigt, ist dies nur die äußere Hülle einer komplexen Maschine. Logistik steht an erster Stelle. Jeder Quadratmeter Baugrund
muss als Zwischenlager genutzt werden. Die Gewerke folgen aufeinander im
Stafettenlauf – von außen nach innen, von unten nach oben bis zum Dach.
Der Bau ist die Summe seiner Vorbereitungen. Seine Dokumentation ist
mit diesem vierten Band abgeschlossen. Alle Himmelsrichtungen zu verknüpfen und von einem Punkt aus erreichbar zu machen, war die Vision.
Im Hauptbahnhof ist sie verwirklicht. Damit hat für Wien, Österreich
und Europa eine neue Ära der Mobilität begonnen.
Wolfgang Pauser
station & drehscheibe
Mittlerweile läuft der neue Wiener Hauptbahnhof in Vollbetrieb. Bei den
Fahrgästen durchaus beliebt und von den KritikerInnen vorwiegend gewürdigt, ist die neue Verkehrsdrehscheibe im Stadtzentrum in nur kurzer Zeit
eine wichtige Landmark in der österreichischen Bundeshauptstadt g
­ eworden.
Ein/-e kritische/-r BeobachterIn könnte sich nun fragen, wie man eigentlich so einen Bahnhof baut. Eine gute Frage, aber fast zu trivial gestellt.
Sie müsste wahrscheinlich in etwa so lauten: Wie baut man einen Bahnhof,
der zwei alte Kopfbahnhöfe ersetzt, während der Bahnbetrieb voll aufrechterhalten werden soll, und das mitten im dicht bebauten und bewohnten
Stadtgebiet und in einem mehr als ambitionierten Zeitrahmen? Diesen
überaus komplexen Prozess, der hinter dieser noch immer simplifizierten
Frage steckt, versuchen wir in den vier Bänden „stationen“ zur ­Errichtung
des Wiener Hauptbahnhofs darzustellen. In dem Ihnen vorliegenden
­vierten Band kommen wir zur Sache an sich: zum Bau selbst.
Bau klingt in diesem Kontext fast schon gewöhnlich. Der vorliegende Band
heißt auch nicht umsonst „provisorien & bau“. Denn der neue Wiener
Hauptbahnhof wurde eben nicht einfach auf der grünen Wiese gebaut und
pünktlich zum Stichtag in Betrieb genommen.
Was bei der vorliegenden Lektüre vielleicht nach einem „klassischen“
­Bauprojekt klingen mag, war ein wohlkonzertierter, logistischer Hochseilakt ohne Netz und ohne Platz für Fehler und Verzögerungen. Nur möglich
mit einem Team von SpezialistInnen, die im Rahmen dieses Großprojekts
hochprofessionelles Projektmanagement und Teamwork bewiesen haben.
Oder anders gesagt: Mit dem Bau des Wiener Hauptbahnhofs wurde ein
lebenswichtiges Organ – wenn man so will: das Herzstück im Bahn­betrieb
der österreichischen Ostregion – geschaffen. Und Ihnen liegt nun die
­Dokumentation über den Bau dieses Jahrhundertprojekts vor.
Franz Bauer, Vorstand ÖBB-Infrastruktur AG
stationen
#4
4–7Kontextprojekte
8–9
Busbahnhof Waldmanngründe
10–11
Neues elektronisches Stellwerk Wien Süd
12–15
S-Bahn-Station Südtiroler Platz
16–17
Der verkürzte Ostbahnhof
18–21
High-Tech-Stützpunkt Matzleinsdorf
22–24
Bahnhof Wien Meidling
24
Prerequisites for Vienna Main Station (Summary)
26–27
Kathedralen der Moderne
28–31Abriss
31
Demolition (Summary)
32–33Umfahrungsgleise
34–35
Aushub Verkehrsstation
36–41Rohbau
41
Frame (Summary)
42–47
Rautendach und Halle Nord
47
Diamond-Shaped Roof (Summary)
48–49Umwelt
49
Environment (Summary)
50–53Haustechnik
54–57
Innenausbau und Pächterausbau
58–61Inbetriebnahmen
61
Commissioning (Summary)
62–65Voraussetzungen
66–67 Gut gelaufen
stationen 3
kontextprojekte
4 stationen
LUFTIGE, LEICHTE KON­
STRUK­TION. Um eine weitere
Verbindung zur Ostbahn
und zum Flughafen Wien zu
schaffen, wurde 2012 zudem
mit dem Bau der sogenann­
ten „Klederinger Schleife“
zwischen Ostbahn und
­Donauländebahn begonnen.
Signifikant die Brücken am
Weg Richtung Flughafen
EIN NEUER
KNOTEN IM NETZ
Ein Projekt wie der Hauptbahn­
hof kann nicht für sich alleine
gesehen werden. Im Zuge der Pla­
nung waren daher vorbereitende
und begleitende Maßnahmen
zu setzen, die sich bis weit in das
Wiener Umland zogen.
B
die bahn wird elektrisch
DIE ZUKUNFT DER ÖBB hat ein großes E und
das steht für Elektroantrieb. Entsprechend
wurde der neue Produktionsverbund in Wien
Matzleinsdorf (siehe: „Ein neuer zentraler
­Service-Stützpunkt“, Seite 18) bereits auf das
Service und die Wartung elektrisch betriebener
Fahrzeuge ausgerichtet.
Das bedeutet aber nicht, dass dieselbetriebene
Züge den Hauptbahnhof nicht mehr anfahren
können. Denn einige Jahre nach Inbetrieb­
nahme werden – insbesondere auch für Ver­
schubfahrten – noch Dieselloks im Einsatz sein
und können bis dahin in Matzleinsdorf auch
noch betankt und serviciert werden. Geplant
ist aber, dass in rund zehn Jahren das gesamte
Bahnnetz der ÖBB elektrifiziert sein wird.
is zu 100 Kilometer rund um den Großraum Wien erstreckten sich jene Maßnahmen, die es brauchte, damit man den
Hauptbahnhof Wien überhaupt bauen kann.
Oder besser gesagt, so bauen kann, dass der
Bahnbetrieb von, nach und in Wien aufrechterhalten werden kann.
Als „Kontextprojekte“ wurden diese Maßnahmen bezeichnet, die einen indirekten Einfluss auf die Bauabwicklung hatten, am Ort
des Geschehens jedoch unsichtbar blieben.
Vor allem dienten diese Projekte dazu, Kapazitäten für den Verkehr zu schaffen, der von
den Einschränkungen im Bereich der Baustelle betroffen war. Ganz besonders galt das
für den Güterverkehr. Denn während man die
Personen im Falle von Sperren auch mit Bussen
transportieren konnte, war das mit Tonnen von
Gütern wesentlich schwerer möglich.
GÜTERZUGROUTE WEST. Um die Bauphasen für
die Errichtung des Hauptbahnhofs wie geplant
durchführen zu können, war es erforderlich,
Güterzüge großräumig umzuleiten. Auf der sogenannten „Güterzugroute West“ bot sich dafür
eine Umfahrung über Tulln und Herzogenburg
an. Eine Route, über die auch der Zentralverschiebebahnhof Wien-Kledering – Österreichs
größter Rangierbahnhof – erreichbar war, ohne
dass man dazu den Bahnhof Wien Meidling
oder den im Bau befindlichen Hauptbahnhof
befahren musste.
Außerdem war die Güterzugroute West eine
Strecke, deren Modernisierung und Verstärkung als Teil der Neubaustrecke Wien–St. Pölten ohnedies im Ausbauplan für die Bahnin­
frastruktur durch das Bundesministerium für
Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit)
vorgesehen war.
Einziger Haken: Nach den damals aktuellen
Investitionsplänen wäre diese neue Strecke
deutlich zu spät verfügbar gewesen. Um den
Güterverkehr aber bereits mit der Sperre des
Südbahnhofs Ende 2009 über die Güterzugroute West umleiten zu können, mussten daher
Teile der Ausbaumaßnahmen vorgezogen und
andere beschleunigt werden. Allen voran der
zweigleisige Ausbau der Strecke Herzogenburg–
St. Pölten Hauptbahnhof. Diese Maßnahmen
konnten so weit vorangebracht werden, dass die
für den Umleitungsverkehr benötigte Strecke
rechtzeitig zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 in Betrieb genommen werden konnte.
Um auch die mögliche Kapazität auf derselben Strecke durch eine sogenannte Blockverdichtung zu erhöhen, wurden zusätzliche
Sicherungsanlagen (Signale, Ampeln, Schranken etc.) installiert. Außerdem wurden im
Bahnhof Herzogenburg Entlastungsmaßnahmen in Form einer Begegnungs- und Überholmöglichkeit geschaffen, um auf der Strecke
auch mehr Flexibilität im Betrieb zu erreichen.
Als sehr zeitkritisch gestaltete sich jedoch die
Einbindung der Güterzuggleise in die dortige
Sicherungsanlage. Die große Anzahl an neu zu
errichtenden Signalen und anderen für einen
stationen 5
kontextprojekte
PROVISORIEN
sicheren Bahnbetrieb notwendigen Installationen konnte im vollen Umfang erst bis Mai 2010
fertiggestellt werden.
Der Ausbau der Güterzugroute West war jedoch kein Provisorium, sondern auch ein Vorprojekt, das für die betriebliche Abwicklung
des Güterverkehrs im Zentralraum Wien und
insbesondere im Raum St. Pölten langfristig
Nutzen stiftet.
GÜTERZUGROUTE NORD. Für die Güterzugroute
Nord spielte die Sanierung und Ertüchtigung
der Tullner Donaubrücke eine im wahrsten
Sinne des Wortes tragende Rolle. Denn im
Zuge einer Generalsanierung sollten sämtliche
Tragwerke ausgetauscht werden. Ein Vorhaben,
dessen Realisierung bis 2010 vorgesehen war.
Für die geplante Umleitung von Teilen des
Güterverkehrs über die Güterzugroute Nord
war jedoch auch hier eine Fertigstellung bis
Ende 2009 notwendig. Die geplanten Arbeiten
mussten also beschleunigt werden.
Um die Züge nicht über den zu kleinen Bahnhof Absdorf-Hippersdorf führen zu müssen,
wurde eine Schleife gebaut. Die Errichtung
dieser „Stetteldorfer Schleife“ war ebenfalls unabhängig vom Bau des Hauptbahnhofs geplant
und musste daher „nur“ beschleunigt werden.
Dazu war auch die Neuerrichtung eines elektronischen Stellwerks in Absdorf-Hippersdorf
notwendig, von dem aus die Weichen der neuen Schleife gesteuert werden konnten. Zudem
wurde im Bereich des Bahnhofs Hausleiten
eine Betriebsausweiche zum sicheren Begegnen und Überholen der Züge errichtet, um das
Mehr an Verkehr möglichst flexibel abwickeln
zu können. Und es mussten hier jene Gleise,
die für den Güterverkehr vorgesehen waren,
entsprechend verlängert werden. Trotz der
Genehmigungen, die für diese Maßnahmen
früher eingeholt, und der Grundstücke, die erst
abgelöst werden mussten, und vor allem trotz
des Zeitdrucks konnten alle diese Maßnahmen rechtzeitig vor dem 13. Dezember 2009
realisiert werden. Ein Fixtermin, der nicht verschiebbar war. Denn der Südbahnhof musste
aufgrund der damit verbundenen massiven
Änderungen für Reisende genau zum Fahrplanwechsel außer Betrieb genommen werden. Und
ein Fahrplanwechsel, der europaweit immer in
der Nacht vom zweiten Samstag auf Sonntag im
Dezember stattfindet, war nicht verschiebbar.
6 stationen
VERKEHRSANBINDUNG. Mit dieser Brücke
wurde der Weg vom Hauptbahnhof über den
Zentralverschiebebahnhof Wien-Kledering
zum Flughafen geöffnet
bitte rechts halten!
Ein Umstand, der bei allen Terminplanungen
rund um die Errichtung des Hauptbahnhofs
zu berücksichtigen war – von der Schließung
des Südbahnhofs bis zur Vollinbetriebnahme
im Dezember 2015.
WEITERE VORPROJEKTE. Zu den weiteren Kon-
textprojekten, die im Zuge der Errichtung des
Hauptbahnhofs Wien geplant, beschleunigt
oder realisiert wurden, zählen auch der Lainzer Tunnel und der Wienerwaldtunnel. Beide
wurden bis 9. Dezember 2012 fertiggestellt und
verbinden seither die Weststrecke mit dem
Hauptbahnhof.
Um eine weitere Verbindung zur Ostbahn
und insbesondere zum Flughafen Wien und
weiter Richtung Bratislava und Budapest zu
schaffen, wurde 2012 zudem mit dem Bau der
sogenannten „Klederinger Schleife“ zwischen
Ostbahn und Donauländebahn begonnen, die
bis zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember
2014 fertiggestellt war. 
AUF DEN ZWEIGLEISIGEN STRECKEN der ÖBB
wurde historisch bedingt – trotz des Gleis­
wechselbetriebs – in der einen Richtung
hauptsächlich auf dem rechten und in der
Gegenrichtung hauptsächlich auf dem linken
Gleis gefahren. Auf der Weststrecke erfolgte bis
1991 der Wechsel von Links- auf Rechtsverkehr
in Amstetten. Erst seit diesem Zeitpunkt wird
auf der Weststrecke rechts gefahren. Auf der
Nord- und der Südbahn wurde links gefahren.
Mit der Inbetriebnahme des Lainzer Tunnels am
9. Dezember 2012 wurden im Westkopf des
Bahnhofs Wien Meidling sowie im Abschnitt
von Wien Meidling bis zum Hauptbahnhof die
bereits im Rechtsverkehr geführte West- und
Ostbahn mit der im Linksverkehr geführten
Süd- und Nordstrecke verknüpft.
Hätte man diese verwirrende Situation bei­
behalten, hätte diese ab dem Fahrplanjahr
2013 zu massiven Trassenkonflikten im hoch
belasteten Abschnitt zwischen der Westeinfahrt
in Wien Meidling und dem Hauptbahnhof
geführt. Aus diesem Grund wurde im Zuge der
Planungen für den Hauptbahnhof die generelle
Umstellung auf Rechtsverkehr beschlossen.
Für diese Umstellung mussten unter anderem
auf der Südbahn seitenrichtige Überholgleise
errichtet und die Randbahnsteige adaptiert
werden. Umgesetzt wurde die endgültige Um­
stellung des ÖBB-Bahnverkehrs von Linksver­
kehr auf Rechtsverkehr am 6. August 2012.
Errichtung Stetteldorfer Schleife
Voraussetzung: ESTW Absdorf-Hippersdorf
AbsdorfHippersdorf
Traismauer
Ertüchtigung
Tullner Donaubrücke
Entlastungsmaßnahmen Herzogenburg
- Errichtung ESTW
- Blockverdichtung Traismauer–Herzogenburg
- Zulegung Güterzuggleise
Tullnerfeld
Errichtung
Bahnhof Hausleiten
Stockerau
Hausleiten
Tulln
Errichtung
Tullner Weststrecke
Heiligenstadt
Vorgezogene Teilinbetriebnahme
Bahnhof Tullnerfeld (Ende 2009)
Herzogenburg
Neubaustrecke Wien–St. Pölten
Wien
Hütteldorf
St. Pölten Hbf.
EINE TRAGENDE ROLLE spiel­
te die Sanierung und Ertüch­
tigung der Tullner Donaubrü­
cke für die Güterzugroute
Nord. Im Zuge einer General­
sanierung wurden sämtliche
Tragwerke getauscht
Floridsdorf
Wien
Hbf.
Atzgersdorf
Maßnahmen Umstellung Rechtsfahren
Südbahn (Überholgleise, Randbahnsteige, ...)
BrunnMaria Enzersdorf
Baden Fbf.
Legende:
Alternative Güterzugroute West; ein- bzw. mehrgleisig
Alternative Güterzugroute Nord; ein- bzw. mehrgleisig
Korridorstrecken; ein- bzw. mehrgleisig
Sonstige Strecken; ein- bzw. mehrgleisig
KONTEXTPROJEKTE, um Kapazitäten für den Verkehr zu schaffen, der von den Einschränkungen
im Bereich der Baustelle am Hauptbahnhof betroffen war, reichten bis zu 50 km um Wien
Als „Kontextpro­jekte“
wurden Maßnahmen
bezeichnet, die einen
indirekten Einfluss
auf die Bauabwicklung
hatten, auf der Bau­
stelle des Hauptbahn­
hofs jedoch unsichtbar
blieben.
stationen 7
busbahnhof waldmanngründe
PROVISORIEN
EIN BUSBAHNHOF
ÜBERSIEDELT
Um Platz für den Hauptbahnhof
zu schaffen, musste ­während
der Bauzeit für den ­Busbetrieb
am Südtiroler Platz ein Ausweich­
quartier gefunden und ein
Provisorium ­errichtet werden,
mit allem Drum und Dran.
E
in großer Bahnhof braucht auch ein
würdiges Entree. Und dazu gehört nun
mal ein großer Vorplatz. Für den neuen
Hauptbahnhof wurde dazu der Bereich auserkoren, wo sich bis zur Sperre des Südbahnhofs
der „Busbahnhof Südtiroler Platz“ befand. Die
Pläne sahen vor, einen großzügigen und einladenden Platz zu schaffen, der allen Reisenden,
egal ob sie zu Fuß, mit dem Rad oder mit der
Straßenbahn beziehungsweise dem Taxi kommen würden, einen optimalen Zugang zum
künftigen Hauptbahnhof ermöglichen sollte.
Aber wohin mit dem Busbahnhof? Dieser
wurde nicht nur von zahlreichen nationalen
und internationalen Buslinien angefahren,
sondern war auch ein wichtiger Halt für Tou-
8 stationen
ristenbusse. Bis zur Fertigstellung des neuen
Busbahnhofs 2014 musste daher ein Provisorium geschaffen werden, das während der Bauzeit
aber trotzdem alle Stückerl spielen sollte, die für
einen Busbahnhof notwendig sind.
HERBERGSSUCHE, ABBRUCH UND AUFBAU. Um den
Busbetrieb aufrechtzuerhalten, musste also ein
Ausweichquartier gefunden werden. Im Bereich der Baustelle war dafür kein Platz – zumal
der alte Busbahnhof über der S-Bahn-Station
„Südtiroler Platz“ lag, die ebenfalls umgebaut
werden sollte. Also musste man anderswo suchen, wobei dieses Anderswo möglichst nahe
gelegen, gut zu Fuß und auch auf vier Rädern
erreichbar sein sollte sowie über ausreichend
Platz verfügen musste. Keine leichte Aufgabe
mitten in der Stadt.
Gleich gegenüber, neben der Laxenburger
Straße und westlich des neuen Wiener Hauptbahnhofs wurde man fündig. Dort lagen die
sogenannten Waldmanngründe, die im Süden
durch die Südbahn (bzw. die Schnellbahn) und
im Norden durch den Wiedner Gürtel begrenzt
waren: 18.200 Quadratmeter, einst Standort
der Metallfabrik Waldmann und mittlerweile
wer betreibt
einen ­busbahnhof?
BEVOR JEDOCH DIE ERSTEN BUSSE auf den ehe­
maligen Waldmanngründen ein- und ausfahren
konnten, stellte sich eine nicht unwichtige
Frage: Wer betreibt den als Eisenbahnanlage
gewidmeten provisorischen Busbahnhof?
Busbahnhöfe sind keine Schieneninfrastruktur
und können daher nicht von der ÖBB-Betrieb
AG – diese verantwortete 2006 das Manage­
ment der Schienen und Bahnhöfe – betrieben
werden. Aber auch die Postbus GmbH, eine
Tochter der ÖBB-Betrieb AG, kam nicht infrage,
da sie kein Eisenbahnunternehmen ist und so­
mit keine Eisenbahnanlagen betreiben darf. Ein
juristisches Problem, bei dem es vor allem um
Haftungsfragen ging, das aber mit einer zuge­
gebenermaßen etwas komplexen Konstruktion
gelöst werden konnte. Die ÖBB-Personen­
verkehr AG (PV) wurde Mieter und Betreiber
der Anlage. Die Nutzung erfolgt auf Basis der
„Allgemeinen Bedingungen für die Inbestand­
gabe von Immobilien“, der „Besonderen Bedin­
gungen für die Inbestandgabe von Eisenbahn­
anlagen der ÖBB-Infrastruktur Bau AG“ und der
„Besonderen Bedingungen für die Inbestand­
gabe mit Verrechnung gemäß AfA-(Absetzung
für Abnutzung-)Bestandentgelt“.
BUSBAHNHOF WALDMANN­
GRÜNDE. Bis zur Fertigstel­
lung des neuen Busbahnhofs
2014 musste ein Provisorium
geschaffen werden, das wäh­
rend der Bauzeit alle Stückerl
spielen sollte, die für einen
Busbahnhof notwendig sind
(links)
MIT 21 HALTESTELLEN und 24
Busparkplätze ausgestattet,
bietet der „Busterminal Haupt­
bahnhof Wien“ einen direkten
Zugang zu den Zügen der ÖBB,
zu U-Bahn, Straßenbahn …
(links)
WALDMANNGRÜNDE. Im
Süden durch die Südbahn und
im Norden durch den Wiedner
Gürtel begrenzt: 18.200 Qua­
dratmeter, einst Standort der
Metallfabrik Waldmann (rechts)
im Eigentum der ÖBB. Groß genug und ideal
gelegen, um Reisenden möglichst kurze Umsteigezeiten und eine gute Erreichbarkeit zu
ermöglichen.
Bevor man dort aber einen kompletten Busbahnhof für mehrere Jahre aus dem Boden
stampfen konnte, mussten einige Dinge gelöst
werden. So befanden sich auf dem Areal noch
ein dreistöckiges Bürogebäude, alte Lagerhallen,
Krananlagen und andere Einrichtungen der
früheren Metallfabrik. Diese mussten abgetragen werden. Die Gebäude wurden jedoch
zeitweise von Unterstandslosen als Quartier
genutzt, was eine Räumung und den Abbruch
problematisch machte. Zuerst musste also auch
für diese Menschen ein Ausweichquartier gefunden werden. Durch die gute Zusammenarbeit mit den zuständigen Dienststellen der Stadt
Wien, der Caritas sowie den Behörden konnte
diese „Absiedelung“ erfolgreich durchgeführt
und mit den Bauarbeiten rechtzeitig begonnen
werden.
Der Plan sah die Errichtung von 26 Haltestellen mit durchgehenden Flugdächern, 24
Busparkplätzen, zwei Containerbereichen für
das Expedit und von diversen anderen Ein-
richtungen vor, die ein voll funktionsfähiger
Busbahnhof benötigt. Ende April 2007 wurde
mit den Arbeiten begonnen, Anfang Juni 2007
erfolgte bereits die Übernahme durch die ÖBB
und der provisorische Busbahnhof Südtiroler
Platz nahm seinen Betrieb auf. Gleichzeitig
konnten die Arbeiten für die neue S-Bahn-Station Südtiroler Platz beginnen.
Im Dezember 2014 wurde der neue Busterminal, der unter dem Tragwerk für den Hauptbahnhof an der Laxenburger Straße errichtet
worden war, in Betrieb genommen. Mit 21 Haltestellen und 24 Busparkplätze ausgestattet,
bietet der „Busterminal Hauptbahnhof Wien“
einen direkten Zugang zu den Zügen der ÖBB,
zu U-Bahn, Straßenbahn und innerstädtischen
Buslinien. Insbesondere Busse, die von hier
im Rahmen des Verkehrsverbundes Ost-Region (VOR) Verbindungen etwa nach Eisenstadt,
Himberg oder Maria Lanzendorf fahren, nutzen den neuen Terminal.
Busse aus Osteuropa sowie Touristenbusse
fahren weiterhin die Waldmanngründe an.
Dazu wurde Ende 2014 mit der Stadt Wien ein
Übereinkommen getroffen, den Busbahnhof
bis 2016 aufrechtzuerhalten. 
Die Pläne sahen vor,
einen großzügigen
Vorplatz zu schaffen,
der allen Reisenden
einen optimalen
Zu­gang zum künfti­
gen Hauptbahnhof
­ermöglichen sollte.
Nur der alte Busbahn­
hof stand den Plänen
im Weg.
stationen 9
neues elektronisches stellwerk wien süd
PROVISORIEN
HERZ
UND HIRN
FÜR DEN
BAHN­
BETRIEB
Heute steuert das „Neue elekt­
ronische Stellwerk Wien Süd“
(NSTWS) täglich mehr als tau­
send Zugfahrten im Osten Öster­
reichs. Aber schon während der
Bauphase für den Hauptbahnhof
musste das NSTWS rund um
die Uhr funktionieren.
D
as für die Steuerung der Züge, die künftig den Hauptbahnhof frequentieren
sollten, wichtigste Vorprojekt war die
Errichtung des neuen elektronischen Stellwerks Wien Süd. Stellwerke sind das Herz
und das Hirn eines sicheren Bahnbetriebs.
Als Teil der Netzinfrastruktur dienen sie zur
Steuerung von Weichen und Signalen und unterstützen damit LokführerInnen, FahrdienstleiterInnen und BetriebsmanagerInnen bei
der sicheren Abwicklung von Zug- und Rangierfahrten. Einst mechanisch bedient, werden Stellwerke im modernen Bahnbetrieb
zentral und elektronisch gesteuert.
Das NSTWS sollte als neu zu schaffende
zentrale Einheit vier bestehende Stellwerke in
Wien ersetzen. Zwei Stellwerke in Matzleinsdorf, von denen eines bereits elektronisch war,
dazu ein weiteres elektronisches Stellwerk
10 stationen
in Hetzendorf und ein mechanisches am
Südbahnhof. Insbesondere wegen der Außerbetriebnahme des Stellwerks am Südbahnhof
musste das neue elektronische Stellwerk bereits zum Zeitpunkt der Sperre des Südbahnhofs Ende 2009 realisiert sein. Nur so konnte
die Betriebsführung im Bereich Südbahnhof
während der Bauzeit weiterhin gewährleistet und die anstehenden Umbauarbeiten im
Frachtenbahnhof Matzleinsdorf sicherungstechnisch abgewickelt werden.
PLANUNG MIT WEITBLICK. Das Projekt sah den
Neubau eines Stellwerks an der Laxenburger Straße 2 vor, ca. 300 Meter westlich des
zukünftigen Hauptbahnhofs. Die Situierung
und Konfiguration erfolgten in enger Abstimmung mit den Plänen für den Hauptbahnhof.
Des Weiteren wurde dabei berücksichtigt,
dass neben dem Stellwerk in einem neuen
Bürogebäude die ÖBB-Betriebsführungszentrale Wien untergebracht werden sollte. Neben seiner Funktion als Stellwerk dient das
Gebäude am Standort Laxenburger Straße
2 außerdem als Stützpunkt der Infrastruktur-Service-Gruppe und beherbergt Büros
der Gebietsleitung der ÖBB-Infrastruktur AG.
Im März 2007 wurde mit der Planung begonnen, bereits Anfang Juni 2007 begannen
die Bauarbeiten. Dazu mussten aber zuerst
alte, nicht mehr benötigte Bauwerke – unter
anderem auch Abstellgleise und eine Stützmauer – abgetragen werden. Um die verbleibenden Gleisanlagen vom NSTWS aus versorgen zu können, war zudem zur Aufrechterhaltung des laufenden Bahnbetriebes die
Errichtung einer provisorischen Verbindung
zum alten Stellwerk notwendig.
Ende August 2008 waren der Rohbau und
der Ausbau des neuen Stellwerk-Gebäudes
fertig. In den folgenden Monaten erfolgte die
Ausrüstung des Stellwerks durch die Fach­
expertInnen. Parallel dazu wurden auch die
signal- und elektrotechnische Ausrüstung sowie die Telekom-Ausrüstung installiert, sodass
der Betrieb planmäßig im Dezember 2009
aufgenommen werden konnte. Die in der Folge
errichteten Anlagen und Leitungen für den
Hauptbahnhof wurden laufend in das neue
Stellwerk integriert. Um Störungen im Bahnsystem so gering wie möglich zu halten, wurden diese Erweiterungen und die damit ein-
BETRIEBSFÜRHUNG. Sieben Mitarbeiter an
­Arbeitsplätzen mit je zehn Monitoren über­
wachen rund 1.000 Zugfahrten über 375
Weichen und 514 Signale
IM ALTEN ZENTRALSTELLWERK am Ende des
nördlichsten Bahnsteigs (19) des Südbahnhofs,
wurden die Weichen bis Dezember 2009
ge­steuert. Ab der Sperre des Südbahnhofs im
selben Jahr übernahm das neue Stellwerk schräg
vis-à-vis auf der anderen Seite der Gleise
hergehenden Neuinstallationen der Software
– soweit möglich – in der Nacht durchgeführt.
GEBALLTE BAHNKOMPETENZ. Das neue Stellwerk ist wegen der Zugfrequenz, die über
dieses gesteuert wird, das größte seiner Art
in Österreich. Mehr als tausend Zugfahrten
pro Tag werden so erst möglich gemacht. Im
Endausbau werden es 375 Weichen und 514
Signale sein, die von hier aus zentral gestellt
und überwacht werden.
Das NSTWS steuert aber nicht nur den
Hauptbahnhof, sondern auch den neuen
Produktionsverbund in Matzleinsdorf, den
Bahnhof Meidling sowie alle Gleise von der
Haltestelle Rennweg bis Wien Atzgersdorf im
Süden und von der Verbindungsbahn Maxing
im Westen bis zur Donauländebahn in Wien
Inzersdorf. Künftig sollen sogar alle Weichen
und Signale in Wien, in Niederösterreich, im
Burgenland und bis in die Steiermark hinein
zentral vom neuen Stellwerk gesteuert werden. Überwacht wird das ganze System rund
um die Uhr von sieben MitarbeiterInnen an
Arbeitsplätzen mit je zehn Monitoren. Fünf
davon dienen zur Information über Zugbewegungen, die anderen sind für den operativen
Einsatz gedacht. Das sorgt zum einen für
den perfekten Überblick zu jeder Zeit, zum
anderen können von hier aus auch dispositive
Aufgaben (Stellen von Weichen und Signalen)
durchgeführt werden.
In dem neuen Bürogebäude neben dem
Stellwerk ist zudem die Verkehrsleitzentrale
(VLZ) der ÖBB-Infrastruktur AG, die zuvor am
Westbahnhof angesiedelt war, untergebracht.
Von hier aus wird rund um die Uhr der gesamte heimische Eisenbahnverkehr überwacht.
Sämtliche operativen Entscheidungsträger
konzentrieren sich in der VLZ und können
im Störungsfall rasch notwendige Ersatzmaßnahmen einleiten. Damit ist sichergestellt,
dass bei Behinderungen oder Störungen die
Auswirkungen auf die BahnkundInnen so
gering wie möglich gehalten werden und der
Bahnverkehr immer im Fluss bleibt. 
DIE PLÄNE sahen den Neubau
eines Stellwerks an der Laxen­
burger Straße 2 vor, ca. 300
Meter westlich des zukünfti­
gen Hauptbahnhofs
Künftig sollten
alle Weichen und
­Signale in Wien, in
Nieder­österreich,
im Burgenland und
bis in die Steiermark
­hinein zentral von
einem Stellwerk
­gesteuert werden.
stationen 11
s-bahn-station südtiroler platz
ENTFERNEN DER DECKEN­
PLATTEN. Mittels hydraulischer
Pressen wurden die Tunnel­
deckenteile von den Tunnel­
wänden „abgedrückt“ und mit
einem 290-Tonnen-Raupenkran
weggehoben
PROVISORIEN
VERKEHRSKNOTEN
UNTER DEM VERKEHRSKNOTEN
Der Umbau der Schnellbahn-­
Station Südtiroler Platz war ein
Projekt, das bereits vor dem Bau
des Hauptbahnhofs begonnen
wurde und vor dessen Eröffnung
den entscheidenden „Durch­
bruch“ brachte.
D
ie S-Bahn-Stammstrecke, die von Meidling im Südwesten nach Floridsdorf im
Nordosten Wiens führt, ist die am stärksten genutzte Bahnstrecke Österreichs. Alleine
die Station Südtiroler Platz frequentieren an
einem typischen Wochenende bis zu 58.000
Menschen. Eine Station, die teilweise aus den
1950er-Jahren stammte und die finster, verwinkelt sowie im Laufe der Jahre mehr als
unübersichtlich geworden war.
Seit den 1970er-Jahren kreuzte sich hier unterirdisch die S-Bahn mit der U-Bahn-Linie U1.
Die Wege von der U-Bahn zur S-Bahn, zu den
Straßenbahnlinien O, 18, den Buslinien 69A
sowie weiteren regionalen Buslinien glichen
einem Spießrutenlauf in einem Labyrinth. Wer
sich nicht auskannte, war verloren.
Die Station Südtiroler Platz war also bereits
zum Start der Planungen für den Hauptbahnhof Wien alles andere als State of the Art und
vom Fahrgastaufkommen heillos überfordert.
Um daher eine dem neuen Hauptbahnhof
entsprechende Verknüpfung zum öffentlichen
12 stationen
Verkehr der Bundeshauptstadt zu schaffen, beschlossen ÖBB und Wiener Linien, die gesamte
Verkehrsstation Südtiroler Platz in einem Gemeinschaftsprojekt einer Rundum-Erneuerung
zu unterziehen. Der neue Verkehrsknoten sollte
kundenfreundlich, hell und barrierefrei werden
und möglichst kurze Wege vom Bahnhof zu
U-Bahn, S-Bahn und zu den Bussen schaffen.
VIEL GEWONNEN DURCH ZUSAMMENARBEIT. Da
die Projektteile der Wiener Linien und der
ÖBB baulich und funktional nicht trennbar
waren, wurden die Planung und der Bau des
Verkehrsbauwerks Südtiroler Platz gemeinsam
durchgeführt. Hätten die beiden Auftraggeber
ihre Leistungsteile gesondert vergeben, hätten
zwei Auftragnehmer auch zwei Baustelleinrichtungsflächen für teilweise gleiche Leistungen
schaffen müssen. Durch die enge Zusammenarbeit konnten daher unnötige Kosten und
unnötige Verzögerungen vermieden werden.
Ebenso wie umfangreiche Haftungsfragen, die
sich aufgrund der vielen Schnittstellen, insbesondere im Tiefbau, ergeben hätten und durch
die gemeinsame Vergabe vermieden werden
konnten.
Da insgesamt vier große Bauabschnitte – Sanierung des Bestandsbauwerkes, Verlängerung
der S-Bahn-Station, Errichtung der Fußgängerpassage zwischen U1 und S-Bahn sowie Errichtung neuer Zugänge zur S-Bahn-Station
– nahezu gleichzeitig und räumlich verbunden
zur Ausführung gelangten, wurde auch ein ge-
ein konkurs und ein provi­
sorium als rettende idee
TAG DREI DER S-BAHN-SPERRE im Sommer 2008:
Alles ist vorbereitet und die Steine, mit denen
die Gestaltung der Bahnsteige starten soll,
sind ebenfalls bereits geliefert. Der Ablauf ist
aufgrund der begrenzten Zeit minutiös geplant.
Auch das Eintreffen der Arbeiter der Verlege­
firma lässt nichts Böses ahnen. Noch …
Als diese jedoch, statt die Arbeit aufzunehmen,
ihr Werkzeug einpacken, ist Feuer am Dach.
„Tut uns leid. Wir machen Schluss hier. Unsere
Firma ist in Konkurs“, lautete die knappe Erklä­
rung. Die Projektleiterin des Wiener Hauptbahn­
hofs, Judith Engel, erinnert sich: „Die Telefone
sind heiß gelaufen und nachdem klar war, dass
die Firma wirklich in Konkurs ist, war die Frage:
Was tun? Und zwar: sofort!“ Rasch war klar,
dass weder ein anderer Verleger noch Material
in der Zeit der Sperre zur Verfügung stünden.
Also brauchte es bereits einen Plan C.
Die rettende Idee: Mit den vorhandenen Stei­
nen könnte man zumindest die erste Reihe zum
Gleis hin verlegen und dahinter ein Betonprovi­
sorium errichten. Gesagt, getan. Engel: „Damit
konnten wir während der S-Bahn-Sperre alle
Arbeiten in unmittelbarer Gleisnähe in der vor­
gesehenen Zeit abschließen.“ Erst später wurde
mit einem neuen Steinmetz das Betonprovi­
sorium entfernt und der Belag der Bahnsteige
fertiggestellt. Engel: „Da mussten aber nur
mehr Teile der Bahnsteige und nicht mehr die
ganze Station für den S-Bahn-Verkehr gesperrt
werden.“
stationen 13
s-bahn-station südtiroler platz
PROVISORIEN
meinsames Baustellenablaufkonzept erstellt.
Gut so, denn die Realisierung der neuen
S-Bahn-Station Südtiroler Platz war ohnedies
Herausforderung genug. Nicht nur für die Wiener Linien, die ÖBB und die mit der Errichtung
beauftragten Firmen, sondern auch für die Stadt.
Gleich zweimal mussten im Zuge der Bauarbeiten im Sommer zwei Spuren des Wiedner Gürtels, eine der am stärksten befahrenen Straßen
Österreichs, gesperrt werden. Auch der Betrieb
der Schnellbahn, die in diesem Bereich üblicherweise mit mehr als 650 Zügen pro Tag unterwegs
ist, musste zweimal eingestellt werden. Zwar
erfolgten diese Sperren in den Oster- beziehungsweise in den Sommerferien. Staus und
Verzögerungen waren trotzdem unvermeidbar.
WEG MIT DER DECKE. Bautechnisch eine Herausforderung war insbesondere der Tausch der
Tunneldecke über den Gleisen der S-Bahn, der
im September 2007 in Angriff genommen wurde. Tagsüber wurden die 35 Zentimeter starken
Plattendecken mit Diamantsägen vorgeschnitten und Löcher zur Anbringung der Kranketten
emma stürzt den kran
VOM 29. FEBRUAR bis zum 2. März 2008 zog
der Orkan Emma über Mitteleuropa hinweg
und forderte 14 Menschenleben und verursach­
te Schäden im Ausmaß von rund einer Milliarde
Euro. Auch die Baustelle für den Hauptbahnhof
blieb nicht verschont. Hier stürzte der Sturm
am 1. März einen 60 Meter hohen und 250
Tonnen schweren Turmdrehkran um. Der Kran
fiel dabei quer über die Bahnsteige 11 bis 19
des Südbahnhofs und beschädigte Gleise,
Oberleitungen, Signale und die Außenwand des
angrenzenden Bahnsteigs 19.
Glück im Unglück: Der „Umfaller“ passierte an
einem Samstag und in einem Zeitfenster, zu
dem kein Zug unterwegs war, sodass niemand
verletzt wurde. Die Aufräumarbeiten und Re­
paraturen benötigten vier Tage, in denen der
Südbahnhof gesperrt war. Dadurch mussten
rund 10.000 Reisende in dieser Zeit bereits am
Bahnhof Meidling ein- und aussteigen. Ein er­
zwungenes Notprogramm, das als ein unfreiwil­
liger, aber wichtiger Probelauf für die endgülti­
ge Sperre des Südbahnhofs im darauffolgenden
Jahr gesehen werden konnte.
14 stationen
gebohrt. Das komplette Durchschneiden und
Entfernen der Deckenplatten erfolgte aus Sicherheitsgründen in der Nacht, während der
S-Bahn-Verkehr eingestellt und die Fahrleitung
stromlos war. Mittels hydraulischer Pressen
wurden die Tunneldeckenteile von den Tunnelwänden „abgedrückt“ und mit einem 290-Tonnen-Raupenkran weggehoben. Insgesamt wurden derart mehr als 100 Deckenteile mit jeweils
18 Metern Länge, 3,3 Metern Breite und ca. 50
Tonnen Gewicht entfernt, recycelt und durch
neue Elemente ersetzt. Diese Arbeiten sowie
das Einsetzen der neuen Betondeckenfertigteile, bei denen rund 2.900 Kubikmeter Beton
verarbeitet wurden, waren im Sommer 2008
abgeschlossen.
Im Zuge der zweimaligen Sperre der S-Bahn
wurde der gesamte Bahnsteigbereich umgebaut und so weit wiederhergestellt, dass eine
belagsfertige Mindestbreite über die gesamte
Bahnsteiglänge gegeben war. Rund 40 MitarbeiterInnen der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft arbeiteten im Schichtbetrieb rund um die
Uhr, um den Zeitplan einzuhalten. Zwischen
der noch tiefer liegenden U1 und der S-Bahn
sowie der Straßenbahnlinie 18 wurde bei laufendem Betrieb ein neues Verbindungsgeschoss
errichtet.
Bei laufendem S-Bahn-Betrieb begannen die
ÖBB, ihren Teil der Verbindungspassage Richtung U1 zu graben. Den anderen, längeren Teil
der Verbindungspassage gruben die Wiener Linien (von der U1 weg) unter dem Wiedner Gürtel hindurch, was die oben erwähnte Sperre der
Fahrstreifen notwendig machte. Ab September
2008 erfolgten der Innenausbau in der Station
sowie die Verlegung der Straßenbahnlinie O, die
aufgrund der Bauphasen zweimal durchgeführt
werden musste.
DER SÜDTIROLER PLATZ WIRD BARRIEREFREI. Bis
Dezember 2010 wurden die S-Bahn-Steige fertiggestellt und aufseiten der ÖBB wurde der
Ausbau der Verbindungspassage zwischen
U1-Station und dem Hauptbahnhof Wien fortgesetzt. Parallel dazu erfolgte durch die Wiener
Linien der Ausbau der Haltestellenbereiche
Südtiroler Platz mit den neuen Auf- und Abgängen zur Straßenbahnlinie 18 und 0.
Bereits im August 2009 waren die Rohbauarbeiten für die unterirdische Passage von der
U1, unter dem Wiedner Gürtel sowie unter der
GLASKANAL. Die Gleise 1 und 2 des
­Wiener Hauptbahnhofs sind zugleich die
S-Bahn-­Station. Die Trasse der sogenannten
Stammstrecke führt über den Zugang zur
U-Bahn und ist gut von unten einsichtig
Schnellbahn hindurch zum zukünftigen Hauptbahnhof abgeschlossen, ebenso wie die neue
Brandrauchentlüftungszentrale. Seit diesem
Zeitpunkt verfügt das gesamte Verkehrsbauwerk außerdem über barrierefreie Zugänge mit
drei neuen Liften und einer Rolltreppe. Die
Anhebung der Bahnsteige ermöglicht zudem
ein niveaugleiches, bequemes Einsteigen in
die S-Bahn.
ERÖFFNUNG UND NOCH KEIN ENDE. Trotz der
Komplexität des Bauvorhabens und des knappen Zeitplans konnte die Neuerrichtung der
S-Bahn-Station Südtiroler Platz erfolgreich
durchgeführt werden. Nicht einmal der Kon-
IM ZUGE der zweimaligen
Sperre der S-Bahn wurde der
gesamte Bahnsteigbereich um­
gebaut und so weit wiederher­
gestellt, dass eine belagsfertige
Mindestbreite über die gesamte
Bahnsteiglänge gegeben war
(links)
MODERNE VERKEHRSTATION
für einen ­wichtigen Halt auf
der meistbefahrenen ­Strecke
Österreichs. Die Anhebung der
Bahnsteige ermöglicht zudem
ein niveaugleiches, bequemes
Einsteigen in die S-Bahn (unten)
zahlen, daten & fakten
Das Projekt „S-BAHN-STATION SÜDTIROLER PLATZ“
war ein Gemeinschaftsprojekt der ­Wiener Linien
und der ÖBB-Infrastruktur AG.
Das Projekt bestand aus:
er Errichtung einer Fußgängerpassage
►d
­zwischen U1 und S-Bahn,
er Sanierung des Bestandsbauwerkes,
►d
er Verlängerung der S-Bahn-Station und
►d
er Errichtung neuer Zugänge zur S-Bahn-­
►d
Station
DER ÖBB-ANTEIL umfasste folgende Maßnahmen
(Auszug):
mbau der S-Bahn-Haltestelle mit Bahnsteig­
►U
verlängerung auf 215 m und Hebung auf 55 cm
über Schienenoberkante (SOK)
nderung der Erschließung der Randbahn­steige
►Ä
(Stiegen, Aufzüge)
rneuerung der Schnellbahntunneldecke
►E
im Projektbereich
DER ANTEIL DER WIENER LINIEN umfasste
­folgende Maßnahmen (Auszug):
rrichtung einer neuen Fußgängerpassage
►E
mit mindestens 2,9 m lichter Höhe
erbindungswege (Stiegen, Fahrtreppen,
►V
­ ufzüge) zu den Bahnsteigen der Linie 18
A
und an die Oberfläche
mbauarbeiten im bestehenden Verkehrs­
►U
bauwerk
Da die Projektteile
der Wiener Linien
und der ÖBB nicht
trennbar waren,
wurden Planung
und Bau gemeinsam
durch­geführt.
kurs des mit Verlegearbeiten auf den Bahnsteigen beauftragten Steinmetzes oder Sturm
„Emma“, der am 1. März 2008 einen Kran umstürzte, konnte die planmäßige Umsetzung
vereiteln (siehe Infokästen). Die Eröffnung der
neuen Station und der Passage erfolgte am
17. Dezember 2010. Das alte Labyrinth war ab
diesem Tag für die Öffentlichkeit nicht mehr
zugänglich, wurde aber teilweise für Betriebs­
zwecke und Wartungsarbeiten adaptiert, um
Platz für Geschäfts- und Serviceeinrichtungen
der neuen Passage zu schaffen.
Am Ende der Passage trennte da aber noch
eine Wand den Aufgang der Passage zur künftigen Haupthalle des Hauptbahnhofs. Was
Vorbeigehende damit nicht sehen konnten,
war, dass dahinter unter Einsatz von schweren
Geräten und Maschinen noch an der Errichtung des Bahnhofsgebäudes für den neuen
Hauptbahnhof gearbeitet wurde. Erst kurz vor
der Eröffnung 2014 wurde der Weg für die
endgültige Verbindung zu U1, S-Bahn und Straßenbahn frei gemacht.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2012
wurde die S-Bahn-Station in „Wien Hauptbahnhof“ umbenannt. Die Bezeichnung „Wien
Südtiroler Platz“ ist, alten Gewohnheiten zur
Genüge, aber weiterhin darunter vermerkt. Und
auch die U1-Station heißt seither „Südtiroler
Platz – Hauptbahnhof “. 
stationen 15
der verkürzte ostbahnhof
PROVISORIEN
EIN
ROTER
SCHUHKARTON
Mit Fahrplanwechsel am 13.
­Dezember 2009 schloss der Süd­
bahnhof endgültig seine Tore.
Die Ostseite des Südbahnhofs
blieb jedoch als Provisorium
„Wien Südbahnhof (Ostbahn)“
bis 9. Dezember 2012 in Betrieb.
E
s gab viele Ideen, wie man den neuen
Hauptbahnhof Wien am besten realisieren könnte. Klar war jedenfalls, dass Bauen bei laufendem Betrieb riskanter, langsamer
und teurer sein würde. Und viel komplizierter.
Also entschied man sich für eine Sperre, zumindest zum Teil. Dabei dachten die PlanerInnen zuerst an den Ostbahnhof, der aufgrund
der Bauplanung einfacher zu schließen wäre.
Ein Umstand machte diesen Überlegungen
jedoch einen Strich durch die Rechnung: Der
Ostbahnhof verfügte über ­keinen vorgelagerten Bahnhof, der für Reisende aus und nach
Wien gut erreichbar gewesen wäre. Anders
sah es beim Südbahnhof aus, der mit Wien
Meidling einen vorgelagerten Bahnhof hatte,
16 stationen
der eine umfassende Anbindung an andere
Verkehrsträger, insbesondere die U-Bahn, besaß und auch mit dem Auto erreichbar war.
Daher wurde, unter anderem auf Basis einer
Simulation, entschieden, den Südbahnhof zu
schließen und den Ostbahnhof während der
Bauphase aufrechtzuer­halten.
Damit das gemeinsame Gebäude des Südund Ostbahnhofs abgetragen werden konnte,
mussten jedoch die Gleise, Bahnsteige und
Bahnsteigdächer der Ostbahn um etwa 150
Meter verkürzt werden. Denn nur so konnte
das Baufeld frei gemacht werden, das für die
künftige Errichtung des „Erste-Campus“ – der
neuen Unternehmenszentrale der Erste Group
– vorgesehen war.
Damit einher ging die Notwendigkeit,
Fernzüge aus dem Osten, die aufgrund ihrer
Länge hier nicht mehr halten konnten, ebenfalls nach Wien Meidling umzuleiten. Als
intern genanntes Provisorium „Ostbahnhof
kurz“ übernahm der verkürzte Ostbahnhof
bis zur Teilinbetriebnahme des Hauptbahnhofs am 9. Dezember 2012 den Verkehr in
und aus dem östlichen Umland der Bundeshauptstadt.
wohin mit dem abwasser?
EINE SPEZIELLE HERAUSFORDERUNG beim Projekt
Hauptbahnhof stellte die Entwässerung dar.
Eine Kanalbefahrung mit einer ferngesteuerten
Roboterkamera hatte ergeben, dass der gesam­
te Bereich Gürtel/Ghegastraße am ÖBB-Kanal
angeschlossen war. Da dieser Strang mit dem
Abbruch des Aufnahmegebäudes stillgelegt
werden sollte, musste eine neue, möglichst
kostengünstige und funktionale Variante für die
Entwässerung gefunden werden. Zwei Drittel
der Oberflächenwässer konnten die vorhan­
denen Kanäle in der Arsenalstraße nutzen und
weiter in einen Hauptkanal der Stadt Wien
geleitet werden.
Für das restliche Drittel der Oberflächenwässer
musste ein 120 Meter langer Verbindungskanal
von der Arsenalstraße Richtung Gürtel in den
Kanal unter der Prinz-Eugen-Straße errichtet
werden. Auf dieser Strecke wäre der Kanal aber
quer durch den S-Bahn-Tunnel verlaufen. Mit­
tels einer Hebepumpe wird das Abwasser vom
tiefer liegenden Kanal über den S-Bahn-Tunnel
„gehoben“ und in den Kanal unter der Prinz-­
Eugen-Straße eingeleitet. Da diese Lösung nicht
das gesamte Abwasser bewältigen kann,
musste eine zusätzliche Kanalverbindung unter
dem Schweizergarten errichtet werden.
zahlen, daten, fakten
DAS PROVISORIUM „OSTBAHNHOF KURZ“ als
ÜBER DEM QUERBAHNSTEIG
wurden Container aufgestellt,
die drei Jahre ihren Dienst
als Bahnhofshalle versahen
(ganz links oben). Die letzte
Lok vom Ostbahnhof (ganz
links unten)
INMITTEN DER RUINEN.
Mit dem Fahrplanwechsel am
13. Dezember 2009 nahm
der provisorische Bahnhof
für drei Jahre seinen Betrieb
auf (oben)
DER OSTBAHNHOF schnurrt,
während die letzten Stücke
des Südbahnhofs abgetragen
werden und daneben bereits
die ersten Rautendächer des
Hauptbahnhofs errichtet
­werden (links)
1.100 REISENDE IN SPITZENZEITEN. Nach einem
2006 berechneten Verkehrsmodell der ÖBB
wurden in den Spitzenstunden für den Regionalverkehr am Südbahnhof insgesamt rund
1.500 AussteigerInnen prognostiziert, davon
entfielen auf die Ostbahn 1.100 AussteigerInnen (exklusive UmsteigerInnen). Für diese
musste auch während der drei Jahre von der
Sperre des Südbahnhofs bis zur Teilinbetriebnahme des Hauptbahnhofs ein voll funktionsfähiger Bahnhof zur Verfügung stehen.
Aufgrund der verkürzten Bahnsteige war es
daher notwendig, zu den bestehenden zehn
Bahnsteigen einen zusätzlichen Bahnsteig zu
errichten. Außerdem wurde nach Kürzung der
vorhandenen Gleise an deren Nordseite ein
überdachter Querbahnsteig errichtet, um so
einen geschützten, zentralen Zugang zu allen
Bahnsteigen zu schaffen.
An der Nordkante des Querbahnsteiges wurden Container aufgestellt, die als Räumlichkeiten für Geschäfte, Kunden-WCs sowie für die
Fahrdienstleitung, für Büros sowie für Aufenthalts- und Sozialräume und Personal-WCs
dienten. Außerdem wurden mehrere Technikcontainer installiert, in denen die für den
Bahnbetrieb notwendigen Maschineneinrichtungen untergebracht wurden, etwa Druckluftbehälter für Bremsprüfungen, aber auch
Gerätschaften für die Zugvorheizanlage, um
Reisenden trotz des Provisoriums angenehm
temperierte Waggons anbieten zu können.
ALLES, WAS EIN BAHNHOF BRAUCHT. Wie es sich
auch für einen provisorischen Bahnhof gehört,
gab es auch einen Vorplatz, der sich zwischen
Arsenalstraße und dem ersten Bahnsteig befand und auf dem 25 Kiss & Ride-Plätze, zehn
Taxistandplätze, Fahrradabstellplätze und eine
Bushaltestelle für den 69A eingerichtet wurden. Um den nun etwas längeren und im Freien zurückzulegenden Weg vom provisorischen
Bahnhof zur S-Bahn-Station Wien Südbahnhof
sowie zur Buslinie 13A und Straßenbahnlinie
D bei Wind und Wetter etwas komfortabler zu
gestalten, wurde der gesamte Weg überdacht.
Trotzdem es sich auch beim Ostbahnhof
um ein Provisorium handelte, wurde dieses
natürlich barrierefrei gestaltet. Dazu wurde
ein rollstuhltauglicher Zugang zum Querbahnsteig errichtet, ein behindertengerechter
Fahrkartenautomat installiert und auf allen
Maßnahme in Zusammenhang mit dem Abtrag
des Aufnahmegebäudes am Südbahnhof und
für die Aufrechterhaltung der Funktionen einer
Verkehrsstation bestand aus folgenden Projekt­
teilen:
rrichtung einer provisorischen Verkehrs­
►E
station mit den notwendigen Funktionen in
Containern
rrichtung eines zusätzlichen Bahnsteigs
►E
10/11 für verbesserte Betriebsabwicklung
während der Bauphase Wien Hauptbahnhof
ie Bahnsteige 1–9 blieben – wiewohl um ca.
►d
150 Meter verkürzt – unverändert im Bestand
iese Bahnsteige 1–11 wurden auf Höhe
►d
der Schweizergartenstraße mit einem neuen
Querbahnsteig (83 mal 15 m) ausgestattet
Bahnsteigen ein Blindenleitsystem aufgetragen. Als Sofortmaßnahme, bis zur Auftragung
des Blindenleitsystems, wurde gegen Voranmeldung ein Begleitservice durch geschultes
Personal angeboten, da das Blindenleitsystem
wegen der Kälte erst später aufgetragen werden
konnte.
Mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember
2009 nahm der provisorische Bahnhof für
drei Jahre seinen Betrieb auf. Im Sinne einer einheitlichen Kommunikation wurde die
Bezeichnung „Wien Südbahnhof (Ostbahn)“
festgelegt. Mit der Teilinbetriebnahme des
Hauptbahnhofs, die mit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012 erfolgte, wurde der
provisorische Ostbahnhof obsolet und außer
Betrieb genommen. Im Anschluss erfolgte der
Abbruch der eisenbahntechnischen Anlagen
und der Hochbauten. Ende Mai 2013 waren die
Arbeiten planmäßig abgeschlossen. Ende Juni
erfolgte die vertraglich vereinbarte Grundstücksübergabe an die Käufer. 
stationen 17
hightech-stützpunkt matzleinsdorf
PROVISORIEN
EIN NEUER ZENTRALER
­SERVICE-STÜTZPUNKT
In Wien Matzleinsdorf wurden
veraltete und über ganz Wien
­verteilte Betriebsstandorte der
ÖBB zu einem Produktions­
verbund zusammengefasst.
­Damit wurde ein Hightech-Stütz­
punkt für Service und Wartung
­geschaffen.
zentralen und modern ausgestatteten Produktionsverbund zusammenzufassen. Konkret
handelte es sich dabei um vier Standorte der
ÖBB-Personenverkehr AG (PV), zwei Standorte
der ÖBB-Technische Services GmbH (TS) und
drei Standorte der ÖBB-Traktion GmbH (TR)
– letztere war für die Triebfahrzeuge zuständig
und bildet heute gemeinsam mit dem Verschub
die neu geschaffene Einheit „Produktion“.
EIN HIGHTECH-STÜTZPUNKT
für Service und Wartung auf
einem linsenförmigen Areal
zwischen dem Bahnhof Wien
Meidling und dem Haupt­
bahnhof Wien, ca. 800 Meter
lang und an der breitesten
Stelle fast 300 Meter breit
fliegerbombenalarm
DER VERDACHT LAG NAHE, dass man im Bau­
E
inmal im Bahnhof eingefahren, muss ein
Zug samt Waggons, bevor es wieder losgeht,
im Schnitt alle drei Tage in die Waschanlage, es müssen regelmäßig die WC-Anlagen
geleert und laufend der Speisewagen sowie die
Schlafwägen neu bestückt werden. Außerdem
ist nach einer bestimmten Zahl an Kilometern
ein Service und dann und wann auch eine Reparatur fällig. Da aber ein Zug nur zu geplanter
Zeit auf den Gleisen rollen kann, ohne den
Bahnbetrieb durcheinanderzubringen, müssen
solche Maßnahmen frühzeitig und in Abstimmung mit dem Fahrplan organisiert und in der
dafür vorgesehenen Zeit durchgeführt werden.
In Zeiten, in denen die Bahn immer mehr
PassagierInnen gewinnt, ist das ein logistischer
Albtraum. Umso mehr, wenn die Anlagen und
Einrichtungen, die es braucht, um einen Zug
reisefertig zu machen, mehr oder weniger über
halb Wien verstreut sind. Es sprach also so gut
wie alles dafür, mehrere der ohnedies zum Teil
veralteten Betriebsstandorte der ÖBB zu einem
18 stationen
ALLES AM LAUFENDEN BAND. Als Standort für
so einen Hightech-Stützpunkt für Service und
Wartung bot sich der ehemalige Frachtenbahnhof Matzleinsdorf an – ein linsenförmiges
Areal, das im Norden von der Schnellbahnstammstrecke und im Süden von der Südbahn
umfahren wurde und das ziemlich genau in der
Mitte zwischen dem Bahnhof Wien Meidling
und dem Hauptbahnhof Wien liegt: ca. 800
Meter lang und an der breitesten Stelle fast 300
Meter breit.
Bis 2007 waren hier Güterzüge eingefahren,
um ihre Waren auf Lkws umzuladen, um „zerlegt“, neu formiert oder zwischenzeitlich abgestellt zu werden. Eine Modernisierung stand
also auch hier an und das Areal bot vor allem die
Möglichkeit, quasi auf der grünen Wiese planen
und bauen zu können. Eine Ausgangssituation,
die sich beim Gesamtprojekt Hauptbahnhof
Wien sonst so gut wie nie bot.
Nach Prüfung mehrerer Varianten wurde
entschieden, in Matzleinsdorf einen zentralen,
gemeinsamen Standort für die Anlagen der
bereich auf Kampfmittel aus dem 2. Weltkrieg
stoßen würde. Und tatsächlich wurde man
­fündig. Bei Erdaushubarbeiten stieß man am
29. April 2008 auf einen ­Bombenblindgänger
etwa zehn Meter neben den Gleisen der
Südbahn in nur etwa 1,5 Metern Tiefe. Ent­
sprechend dem festgelegten Alarmierungsplan
wurde der Fundort geräumt, gesperrt und die
Einsatzkräfte telefonisch verständigt. Da der
Kopfzünder beim Aufprall stark gestaucht und
der Verdacht nahelag, dass dabei das Gewinde
beschädigt worden war, wurde die Evakuierung
der Nachbarschaft angeordnet. Dem Ent­
minungs­d ienst gelang es, den Kopfzünder aus
dem Blindgänger zu schrauben und die 247 kg
schwere Bombe mit 125 kg TNT innerhalb
von nur 15 Minuten zu entschärfen.
Ein weiterer Blindgänger wurde am Bahn­
gelände nahe der Schnellbahnstation entdeckt.
Der Blindgänger gleichen Typs lag in etwa 3,5
Meter Tiefe und war mit Erd- und Steinmaterial
stark verkrustet. Vor der Entschärfung musste
der Bombenkörper daher gereinigt werden,
­außerdem waren auch hier umfangreiche
­Sperren inklusive einer kurzfristigen ­Totalsperre
der Südbahn notwendig. Aber auch diese
­Bombe konnte rasch entschärft werden.
stationen 19
PROVISORIEN
hightech-stützpunkt matzleinsdorf
Gesellschaften PV, TR und TS zu errichten. Und
das in Form einer Bandproduktion, wo alles
„wie am Schnürchen“ ablaufen würde. Demnach sollte künftig ein Zug samt Waggons, statt
zwischen mehreren Standorten hin und her
verschoben zu werden, im neuen Produktionsverbund Matzleinsdorf in einem Durchgang
zur Waschstraße gelangen, danach weiter zur
Fäkalienabsaugung für die WC-Anlagen und
schließlich zur Innenreinigung und Aufrüstung mit frischer Bettwäsche für Schlafwaggons
und frischen Speisen und Getränken für den
Speisewagen.
Und das mit aller künftig gebotenen Flexibilität. So sollten für die Züge nicht nur verschiedene Waschprogramme zur Verfügung stehen,
die Anlage selbst wurde so konzipiert, dass auch
wirklich alle von den ÖBB eingesetzten Züge
und Waggons hier behandelt werden können.
Insbesondere auch die neuen Railjets, die seit
dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2008
im Einsatz sind. Für diese gab es bis dahin noch
keine ausreichend große bzw. entsprechend
ausgestattete Service- und Wartungsanlage, da
niedrigenergie
als neuer standard
BEIM PROJEKT MATZLEINSDORF sollten nicht nur
die Kosten niedrig gehalten werden, „niedrig“
war auch eine Vorgabe, was den künftigen
Energieverbrauch im Betrieb betrifft. Um diese
zu erfüllen, wurde das zentrale Betriebsgebäu­
de so gebaut, dass es den Standards entspricht,
die für Niedrigenergiehäuser gelten. Für die
Hallendächer wurde eine sogenannte Sched­
dach-Konstruktion (aufgrund seiner Ähnlichkeit
mit einem Sägeblatt auch als Sägezahndach be­
kannt) gewählt. Diese Form schafft eine gleich­
mäßige natürliche Belichtung und reduziert
so den Einsatz von Energie. Außerdem sorgt
eine erhöhte Dämmung der Werkshalle dafür,
dass die gesetzlich geforderten Wärmedämm­
werte sogar unterschritten werden. Zusätzlich
wurden vor allen Einfahrtstoren Torluftschleier
eingebaut, eine Installation, die mittels Gebläse
eine Barriere bildet, die den Kaltlufteinfall beim
Einfahren der Züge verhindert.
Die Beheizung der Halle erfolgt über Fernwär­
me und mit einer auf die Arbeitsplätze konzent­
rierten Temperierung.
20 stationen
diese als sogenannte „Ganz-Züge“ im Unterschied zu den Intercity-Zügen nicht zerlegt
werden können. Eine multifunktionale Bandproduktion und eine entsprechend große Halle
würden daher auch diese damals noch offene
Frage lösen.
DREI AUFTRAGGEBER, EINE MISSION. Um das Gemeinschaftsprojekt auch gemeinsam realisieren zu können, schlossen sich die betroffenen
Gesellschaften PV, TR und TS zu einem Finanzierungs- und Produktionsverbund zusammen.
Das wiederum brachte zusätzlich den Vorteil,
dass das Projekt Matzleinsdorf mit dem Gesamtprojekt Wien Hauptbahnhof sowohl planerisch als auch betrieblich einfacher und damit
besser abgestimmt werden konnte.
Ende 2005 erfolgte der Grundsatzbeschluss
zur Planung des Gesamtvorhabens, Ende 2006
konnte mit der Freimachung des Areals begonnen werden. Damit standen für Errichtung und
Besiedlung lediglich 23 Monate zur Verfügung,
um rechtzeitig zum Start der Bautätigkeiten für
den Hauptbahnhof mit Fahrplanwechsel am 13.
Dezember 2009 fertig zu sein. Dadurch ergab
sich ein sehr gedrängter Zeitplan, der keinerlei
Pufferzeiten beinhaltete.
Und das obwohl die Bauarbeiten unter laufendem Bahnbetrieb erfolgen mussten. Sowohl
die S-Bahn-Strecke als auch die sogenannten
Umfahrungsgleise führten (zwar am Rand, aber
doch) über das Areal. Darüber hinaus mussten
über diese Gleise weiterhin auch der Güterverkehr zum Zentralverschiebebahnhof Wien-­
Kledering und Verschubfahrten geführt werden.
Dieser Verkehr hatte natürlich Auswirkungen
auf den Bauablauf. Jede Bauphase war verknüpft
mit einer Änderung der betrieblichen Rahmenbedingungen. Ein besonders kritisches Datum
war der 12. Mai 2009. An diesem Tag mussten
die ehemaligen Gleise, jetzt Umfahrungsgleise,
der Südbahn gesperrt werden, um deren Unterbau zu sanieren. Bis zum Abschluss dieser Arbeiten Mitte Oktober musste der Bahnverkehr
der Südbahn daher über zwei Verschubgleise
geführt werden, wobei besondere Vorsicht geboten war.
DIE MANNSCHAFT GEHT AN BORD. Im November
2009 war es aber so weit. Die Besiedelung des
gemeinsamen Büro- und Hallenkomplexes,
der aufgrund seiner Dimensionen ÖBB-in-
FLEXIBILITÄT. So konzipiert, dass auch
wirklich alle von den ÖBB eingesetzten
Züge und Waggons hier behandelt werden
können (oben)
IN MATZLEINSDORF befindet sich Öster­
reichs einzige Tandem-Unterflurradsatz­
drehbank, mit der Zug-Räder eines ganzen
Drehgestelles elektronisch geprüft und
auch gleich nachgedreht, im Fachjargon
„reprofiliert“, werden (oben)
tern auch als „Flugzeugträger“ bezeichnet wird
(alleine die Wartungshalle misst 240 Meter
Länge und beherbergt acht Gleis-Straßen), begann. Und am 13. Dezember 2009, rechtzeitig
zur Sperre des Südbahnhofs, konnte der neue
Produktionsverbund seine Arbeit aufnehmen.
Rund 1.000 MitarbeiterInnen der ÖBB sind
mitsamt Geräten und Maschinen am neuen
Hightech-Stützpunkt Matzleinsdorf beschäftigt: 500 LokführerInnen, 300 TS-MitarbeiterInnen und weitere 100 MitarbeiterInnen
jeweils von TR und PV. Dazu kommen noch
350 MitarbeiterInnen externer Firmen für Catering, Schlafwagen-Service und für die Fahrzeugpflege. Macht in Summe mehr als 1.600
zahlen, daten & fakten
Der neue Produktionsverbund Matzleinsdorf:
ZENTRALES PRODUKTIONSGEBÄUDE für Traktion
(TR), Technische Services (TS) und Personen­
verkehr (PV)
ervicehalle für Reparatur und Wartung
►S
von Garnituren
ervicehalle für Reparatur und Wartung
►S
von Einzelwagen und Triebfahrzeugen
ervicehalle für Arbeiten an Triebfahrzeugen
►S
(Sandbefüllung, Außereinigung, Enteisung)
etriebsgebäude als zentraler Personalstütz­
►B
punkt, Lager sowie Büro für die Verwaltung
FLUGZEUGTRÄGER wird der
Hallenkomplex ÖBB-intern
genannt. Die Wartungshalle
misst 240 Meter Länge und
beherbergt acht Gleis-Straßen
(rechts)
IN DER HALLE kann etwa ein
kompletter Railjet mit einer
Länge von 206 Metern in
nur vier Stunden gereinigt,
gewartet und ausgerüstet
werden (links)
UNTERFLURRADSATZDREHBANK
ilfszuganlage für Reparatur und Wartung
►H
der Hilfszuggerätschaften
DIESELTANKSTELLE
ankstelle für Dieseltriebfahrzeuge
►T
agertank für Dieselkraftstoffe
►L
40 TRIEBFAHRZEUG-ABSTELLPLÄTZE
mit 2 Schiebebühnen
ALLGEMEINE ANLAGEN (Straßen, Parkplatz etc.)
ZU- UND NACHLAUFGLEISE zu diesen Anlagen
adegleis für Materialanlieferung mit teilweiser
►L
Überdachung und Krananlage
MATZLEINSDORF I INFRASTRUKTUR
Rüstgleise mit 3 Rüstbahnsteigen samt Ein­
►7
bauten zur Versorgung wie etwa WCs leeren,
Wasser nachfüllen, reinigen …
bstellgruppen für Zuggarnituren
►A
MATZLEINSDORF II
rovisorische Auto-im-Reisezug-Anlage (ARZ)
►p
bis zur Inbetriebnahme der ARZ am Haupt­
bahnhof im Juni 2014
eueinbindung der Streckengleise der
►N
­Süd­bahn/Pottendorfer Linie
Mehr als 1.600
­Menschen ­führen
hier sämtliche
Service­arbeiten für
alle am Hauptbahn­
hof Wien verkeh­
renden Züge durch.
Menschen, die hier sämtliche Service- und
Wartungsarbeiten für alle am Hauptbahnhof
Wien verkehrenden Züge durchführen. So kann
etwa ein kompletter Railjet mit einer Länge
von 206 Metern in nur vier Stunden gereinigt,
gewartet und ausgerüstet werden.
Die damit entfallenden Rangierfahrten senken nicht nur die Umweltbelastung, der gemeinsame Produktionsverbund bringt auch
eine spürbare Senkung der Investitions- und
Erhaltungskosten. So befindet sich in Matzleinsdorf Österreichs einzige Tandem-Unterflurradsatzdrehbank, mit der Zug-Räder nicht
nur elektronisch geprüft und auf Schwachstellen abgesucht werden, sondern auch gleich
nachgedreht, im Fachjargon „reprofiliert“, werden. Zur Bearbeitung wird das Drehgestell (dieses besteht aus zwei Achsen, daher der Name
„Tandem-Unterflurradsatzdrehbank“) nach
unten gespannt, sodass die vier Räder in einem
Zug „reprofiliert“ werden können. Eine große
Zeitersparnis, aber auch eine Wegersparnis, da
die Züge nicht mehr zur Unterflurradsatzdrehbank nach Salzburg geführt werden müssen.
Eine Investition, die sich so besser rechnet. 
stationen 21
bahnhof wien meidling
PROVISORIEN
MEIDLING WÄCHST
ÜBER SICH SELBST HINAUS
Während der Bauzeit des Haupt­
bahnhofs musste der Bahnhof
Meidling den gesamten Verkehr
der Südbahn und den Fernver­
kehr der Ostbahn bewältigen.
W
as sich beim Fahrplanwechsel am 13.
Dezember 2009 am Bahnhof Wien
Meidling abspielte, war unvorstellbar,
aber doch geplant. Als hätte man mit einem Mal
die sprichwörtlichen Schleusen geöffnet, strömten ab diesem Tag bis zu 65.000 Menschen in
die neu adaptierte Bahnhofshalle. Denn aufgrund der Sperre des Südbahnhofs – bis dahin der größte Bahnhof Österreichs – war nun
Meidling die Ein- und Ausstiegsstelle für alle
Reisenden, die Richtung Graz, Klagenfurt oder
weiter in den Süden wollten. Ebenso wie für
jene nach Budapest, Prag oder Warschau. Nur
der Verkehr zwischen Wien und dem östlichen
Umland der Bundeshauptstadt verblieb am
verkürzten Ostbahnhof (siehe: „Der verkürzte
Ostbahnhof“, Seite 16).
AUSBAU WAR SCHON AUF SCHIENE. Der Bahn-
hof Wien Meidling war aber bereits vor dem
Fahrplanwechsel 2009/10 einer der am stärksten frequentierten Bahnhöfe der ÖBB. Mit
rund 45.000 Reisenden täglich hatte der Verkehrsknoten im Westen Wiens, der zudem Anschluss an die S-Bahn, die U-Bahn-Linie U6 so-
22 stationen
wie an Bus- und Straßenbahnlinien bot, in etwa
die gleiche Zahl an Fahrgästen zu bewältigen
wie der Wiener Westbahnhof. Entsprechend
hoch war auch die Zugdichte. Rund 700 Züge
fuhren hier täglich aus und ein.
Eine Frequenz, die schon vor Beginn der Planungen für die Errichtung des Hauptbahnhofs
zu dem Entschluss geführt hatte, den Bahnhof
Meidling einer Rundumerneuerung zu unterziehen. Im Rahmen eines eigenen Projektes
war der Umbau des Bahnhofs daher bereits seit
2005 voll im Gange. Ein Vorteil für die Maßnahmen, die zusätzlich benötigt wurden, damit
Meidling als Kopfbahnhof für die Südbahn und
für den Fernverkehr der Ostbahn einspringen
konnte. Die meisten davon waren ohnedies
vorgesehen. Deren Umsetzung musste jedoch
schneller als ursprünglich geplant erfolgen,
wollte man für die Sperre des Südbahnhofs
am 13. Dezember 2009 vorbereitet sein. Und,
es waren einige weitere Optimierungen sowie
auch Provisorien notwendig, um Meidling als
„neuen Südbahnhof“ für die sechsjährige Bauzeit des Hauptbahnhofs fit zu machen.
MEHR LICHT UND MEHR KOMFORT. 2005 war mit
der Errichtung der rund 1.300 Quadratmeter
großen, lichtdurchfluteten Halle begonnen
worden. Nach deren forcierter Fertigstellung
wurden hier neue Geschäfte, Lokale und Kundeneinrichtungen wie ein Reisecenter, ein Info-Point und eine Club-Lounge untergebracht.
Durch die Öffnung der Halle verkürzten sich
zahlen, daten & fakten
IM ZUGE DES UMBAUS wurden am Bahnhof
Meidling 4.350 Meter Schienen, 42 Weichen,
6.700 Schwellen verlegt und 11.000 Tonnen
Gleisschotter ausgetauscht.
Folgende Maßnahmen wurden zur Ertüchtigung
des Bahnhofs Wien Meidling durchgeführt
(Auszug):
usbau Halle (Rohbaumaßnahmen, die über
►A
Edelrohbau hinausgehen, Lüftung etc.)
rtüchtigung für Provisorium Süd (Ausstat­
►E
tung entsprechend der Bahnhofskategorie,
Leitsysteme und Reisendeninformation, 70
zusätzliche Monitore für Fahrgastinformation,
Sicherheitstechnik- und Rückbaumaßnahmen)
pgrade des Reisezentrums sowie ein im Rei­
►U
sezentrum integrierter InfoPoint
usbau Durchgang (Kerschensteinergasse)
►A
samt Errichtung Vorplatz im Bereich der
­Eichenstraße
ulegung Gleis 8 in der Einfahrt Wien Meidling
►Z
Richtung S-Bahn (Planung und Bau)
► Errichtung von Weichenverbindungen zur
Betriebsabwicklung während der Sperre Süd­
bahnhof und um eine Blockverdichtung auf
der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Haltstelle
Wien Matzleinsdorferplatz und Bahnhof Wien
Meidling zu ermöglichen
für FußgängerInnen die Wege zwischen den
Bahnsteigen der ÖBB und der U6. Zudem stehen seit dem Umbau zwischen der ÖBB-Passage
und der U-Bahn-Station drei Durchgänge statt
nur eines Durchgangs zur Verfügung.
Dem vorhandenen sogenannten Westtunnel,
von dem aus man auf die Bahnsteige gelangt,
wurde ein Upgrade verpasst. Das Reisezentrum wurde modernisiert, darin ein InfoPoint
integriert und es wurden neue Gepäckschließfächer errichtet. Auch eine VIP-Lounge wurde
installiert.
Neu errichtet wurde eine Passage, die auf der
Ostseite unter dem Bahnhof von der Eichenstraße im Norden zur Kerschensteinergasse im
Süden durchführt und Zugänge zu den Bahnsteigen erhielt. Auf der Seite der Eichenstraße
wurde zudem ein Containerprovisorium für
ein Reisezentrum mit drei Schaltern, Bankomat,
Trafik, WC sowie Büros, Lager und Mitarbeiterräumen errichtet. Damit sich Reisende am
neuen Bahnhof Meidling schnell und einfach
orientieren können, wurde das Wegeleitsystem
angepasst und 70 zusätzliche Monitore installiert. Wer trotzdem nicht weiterwusste, konnte
sich rund um die Uhr an eine/-n MitarbeiterIn
des InfoPoints in der Halle wenden. Außerdem
standen BahnkundInnen ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2009 zehn statt bisher
drei Personenkassen und 14 statt bisher acht
Fahrkartenautomaten zur Verfügung.
HALBE KAPAZITÄT, DOPPELTE LEISTUNG. Um den
verstärkten Bahnbetrieb während der Bauphase des Hauptbahnhofs abwickeln zu können,
wurden auch die Gleisanlagen und Bahnsteige
aufgerüstet. Mit neuen Weichenverbindungen
zwischen den Gleisen wurde die betriebliche
Flexibilität verbessert. Für den Fernverkehr
mussten zudem die Bahnsteige auf 450 Meter
verlängert werden.
Um wie geplant einen viergleisigen Verkehr
zwischen Wien Meidling und dem Hauptbahnhof zu schaffen, mussten die beiden Bahnhofseinfahrten, auf der Ostseite und auf der
Westseite, adaptiert werden. Nur so konnte man
die gleiche Flexibilität an beiden Enden des
Bahnhofs in puncto Erreichbarkeit von Gleisen
und Gleichzeitigkeit von Zugfahrten erreichen.
Schlussendlich standen in Meidling acht
Bahnsteige zur Verfügung, während es am
Südbahnhof 19 gewesen waren. Außerdem
blieb Meidling ein Durchgangsbahnhof, was
bedeutete, dass man – anders als bei einem
BAHNHOF MEIDLING. Einund Ausstiegsstelle für alle
Reisenden, die Richtung Graz,
Klagenfurt oder weiter in den
Süden wollten. Aber auch
Querverbindungen von Süden
in den Westen wie von Wiener
Neustadt nach St. Pölten wer­
den einfacher und schneller
Als hätte man mit
einem Mal die sprich­
wörtlichen Schleusen
geöffnet, strömten
ab diesem Tag bis zu
65.000 Menschen
in die neu adaptierte
Bahnhofshalle.
stationen 23
bahnhof wien meidling
Kopfbahnhof – keine Züge vorab bereitstellen
konnte. Um das Mehr an Verkehr trotzdem bewältigen zu können, wurden daher in der Mitte
der Bahnsteige zusätzliche Signaleinrichtungen
installiert. Damit war es möglich, zwei Züge in
unterschiedliche Richtung gleichzeitig abzufertigen und insgesamt die am Bahnhof Wien
Meidling benötigte Kapazität herzustellen.
PROVISORIEN
MEIDLING IST „DAS NEUE HÜTTELDORF“. Grundla-
ge für diese Umbauarbeiten, die den Bahnhof
Wien Meidling auch über die Bauphase für den
Hauptbahnhof hinaus aufwerten, war unter
anderem eine Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung (ÖIR). Diese attestierte
Meidling in Hinblick auf die Zahl der Reisenden sogar eine annähernd gleiche Bedeutung,
wie sie dem Hauptbahnhof zukommt. Durch
die Verknüpfung von S-Bahn, Regionalzügen,
Fernverkehrszügen, U-Bahn, Straßenbahn und
Bus ist Meidling auch künftig einer der größten
Verkehrsknotenpunkte Österreichs. In einem
sogenannten „Doppel-Hub“ bildet der Bahnhof Wien Meidling mit dem Hauptbahnhof
eine Einheit und hat eine wichtige Funktion
als Umsteigeverbindung zwischen dem Süden
und dem Westen.
Und, vor allem ist Wien Meidling seit der
Vollinbetriebnahme des Hauptbahnhofs am 13.
Dezember 2015 und der damit einhergehenden
Führung der Züge von der Weststrecke durch
den Wienerwald- und den Lainzer Tunnel zum
Hauptbahnhof auch „das neue Hütteldorf“ –
der erste Halt für Reisende aus dem Westen in
der Bundeshauptstadt. 
In einem sogenannten
„Doppel-Hub“ bildet
der Bahnhof Wien
Meidling mit dem
Hauptbahnhof eine
Einheit.
24 stationen
NEUE KAPAZITÄTEN.
Um den verstärkten
Bahnbetrieb abwickeln
zu können, wurden
die Gleisanlagen und
Bahnsteige aufgerüstet
prerequisites for vienna main station
The measures involved in re­
alizing Vienna Main Station
spread up to 50 kilometers
around Vienna because even
during construction trains still
had to run from and to Vienna.
The Vienna Main Station construction project was not realized on
a green meadow. Instead, it was
built in the heart of the city and
at a location where there were not
just two train stations, but also a
concentration of a number of other
important rail-traffic functions.
Keeping all these in operation
during construction necessitated
a number of provisional arrangements as well as measures – socalled context projects – which had
to be implemented before construction began.
On December 13, 2009, South
Train Station (“Südbahnhof”)
shut its doors once and for all. All
trains which up to that point had
been entering and leaving this
station, now headed for Meidling
Train Station. The same went
for long-distance trains which
travelled along the Eastern Route
(“Ostbahn”). But not all trains
to the east could be detoured. To
accommodate this traffic, East
Train Station (“Ostbahnhof”) was
temporarily kept in operation
as “South Train Station (Eastern
Route)” (“Wien Südbahnhof [Ostbahn]”) right up to the first partial
commissioning of the new train
station in December 2012. Only
the platforms had to be shortened
to avoid interfering with clearing
property on the site.
More extensive adaptions were
necessary in the case of Meidling
Train Station where literally overnight up to 65,000 passengers had
to be managed. The upgrading of
Meidling Train Station was, however, not a makeshift solution. In a
so-called double hub with Vienna
Main Station it is the first stop for
long-distance travelers from the
west and south and as a result of
the connections available there to
suburban, regional and long-distance trains, the subway, street
cars and buses one of the largest
traffic hubs in Austria today.
Even the entire redesigning of
Südtiroler Platz was realized in
the context project with a view to
its future role to connect Vienna
Main Station with Vienna’s public
transportation system. The same
was true of the establishment of
the central production network in
Vienna: Matzleindorf. Here, several in part outdated operation sites
of ÖBB (Austrian Federal Railways) were amalgamated to form
a real high tech center for servicing
and doing maintenance on trains
and wagons.
Perhaps the most important
preliminary project was the establishment of a new electrical switch
tower from which more than a
thousand trains per day are controlled.
Temporary solutions had to be
found for the bus terminal and the
car train facility both of which had
to make way for construction work
on the new train station. Although
they were set up temporarily elsewhere, both the bus terminal and
the car train facility had to meet
all requirements and safety regulations.
The same applied for the generous
detouring of freight trains, which
were rerouted around the construction site wherever possible.
Even train stations and a bridge
over the Danube had to be adjusted. But these measures were seen
as a long-term investment in the
competitiveness of the railway as
a sustainable mode of transportation.
bau
stationen 25
kathedralen der moderne
DIE VIERTE GENERATION
BAU
Der neue Wiener Hauptbahnhof
ist der mittlerweile vierte Bahn­
hofskomplex an dieser Stelle. Eine
Begehung von über 150 Jahren
Bahnhofsgeschichte.
20 Jahre nach Grün­
dung der ­Eisenbahn
in Österreich sind
jährlich bereits 3 Mio.­
Menschen nach Triest
gereist – davor waren
es nur 10.000.
26 stationen
ERSTMALS UNTER EINEM
DACH. Süd- und Ostbahnhof
durch die große Halle am
Gürtel verbunden (oben)
DER MARKUSLÖWE. Ab 1854
war der Südbahnhof sozusa­
gen das Visavis von Triest
und Venedig und die vene­
zianischen Löwen ein erstes
Empfangskomitee (links)
SÜDBAHNHOF UM 1880.
Tempelartige Architektur vor
den Toren Wiens. Eleganz wie
auf den Ringstraßen (rechte
Seite oben)
RAABER UND GLOGGNITZER
BAHNHOF. Der Ost- und der
Südbahnhof noch getrennt
und außerhalb des Linien­
walles im Jahre 1850 (linke
Seite oben)
DER ZWEITE OSTBAHNHOF
war der Nachfolger des Raaber
Bahnhofs und das Pendant
zum Südbahnhof, von dem
er sich im Stil mit seinen
Stahl-Glas-Konstruktionen
sehr wohl unterschied (oben)
KRIEGSSCHÄDEN. Die Bomben
hatten es auf die Infrastruktur
abgesehen und hinterließen auf
den Bahnhöfen einen Trüm­
merhaufen (links und großes
Bild Mitte)
STAATSBAHNHOF. Der spätere
Ostbahnhof zeigte sich von
­seiner klassizistischen Seite
(links)
stationen 27
abriss
DAS
ENDE VOR
DEM
ANFANG
28 stationen
NEBEN DEM BETONABBRUCH
fielen auch wiederverwert­
bare Wertstoffe wie Metalle,
Holz und Glas an. Aber auch
10.000 Leuchtstoffröhren
wurden demontiert und
­gesammelt
Bevor der Bau des Hauptbahn­
hofs beginnen konnte, musste
erst Bestehendes abgebrochen
werden. 1,7 Millionen Tonnen
Material wurden entsorgt und,
soweit möglich, für die Wieder­
verwertung aufbereitet.
R
und 109 Hektar groß ist das Areal, auf
dem nicht nur der neue Hauptbahnhof
steht, sondern rundherum ein ganz neues
Stadtviertel entsteht. Nach der endgültigen Realisierung aller im Masterplan der Stadt Wien
vorgesehenen Projekte werden es 550.000 Quadratmeter Büros, 5.500 neue Wohnungen, sieben Hektar Park und ein Bildungs-Campus
mit Kindergarten sein. Insgesamt werden hier
rund 33.000 Menschen arbeiten und wohnen.
Doch bevor der berühmte Stich mit dem
Spaten für den neuen Hauptbahnhof gesetzt
werden konnte, mussten erst 170 Jahre Bahngeschichte beseitigt werden.
GESCHICHTE TRITT ANS LICHT. Die ersten Bahnhö-
fe auf dem Gelände waren zum Ende der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden: der
Gloggnitzer und der Raaber Bahnhof, die zum
Symbol der einsetzenden Industrialisierung
wurden und 1874, im Jahr der Weltausstellung,
vom zweiten Südbahnhof abgelöst wurden. Ein
historischer Ort also, dessen Spuren in Form
von Mauerresten auch bei den Bauarbeiten
für den Hauptbahnhof sichtbar wurden. Im
Laufe der Geschichte war das Areal zu einem
Komplex mit vielen Gebäuden gewachsen und
hatte ebenso dunkle Zeiten des Krieges wie
helle Zeiten des Aufbruchs erlebt. Die Entscheidung, hier den neuen Hauptbahnhof zu
bauen, war jedenfalls eine des Aufbruchs. Und
zwar in eine ganz neue Zeit.
Der eigentliche Abbruch begann im Oktober
2008 mit fast 100 Gebäuden im Frachtenbahnhof, der Bahnverladung und dem Postkomplex
hinter dem Südbahnhof. Letzterer war das
erste und zugleich größte Abbruchprojekt. Der
Komplex, wo die Post- und Paketverzollung
und -verteilung stattgefunden hatten, bestand
aus mehreren, untereinander verbundenen
Objekten, bis zu 35 Meter hoch und elf Meter
tief. Insgesamt eine Baufläche von ca. 41.000
Quadratmetern und ein umbauter Raum von
550.000 Kubikmetern. Der zwischen 1960 bis
1980 gebaute und immer wieder erweiterte
Komplex bestand durchwegs aus Stahlbeton,
der den Abbruchmaschinen einiges abverlangte. Bis zu 15 Großgeräte und bis zu 35
Mann waren mit der schweißtreibenden Arbeit
beschäftigt.
GESCHICHTE BLEIBT ERHALTEN. Insgesamt fielen
alleine beim Postkomplex rund 100.000 Kubikmeter Material an. Gleich vor Ort wurde
dieses sortenrein getrennt und aufbereitet.
Drei Viertel davon waren Betonabbruch, der
auf der Baustelle als Schüttmaterial wiederverwertet werden konnte.
Der Rest waren vor allem wiederverwertbare
Wertstoffe wie Metalle, Holz und Glas. Aber
auch 10.000 Leuchtstoffröhren wurden demontiert und gesammelt. Unerwartet wurden
Asbest-Vorkommen entdeckt, deren Entsorgung den Zeitplan geringfügig verzögerte. Die
„Entsorgung“ der Kupferleitungen hingegen
hatten zuvor schon dreiste Diebe übernom-
stationen 29
abriss
BAU
men. Immer wieder wurden zwielichtige Gestalten mit metallgefüllten Koffern gesichtet
und weggewiesen.
Am Frachtenbahnhof war bereits ab 2004
vereinzelt mit dem Abbruch von Gebäuden
begonnen worden. Insgesamt standen hier 64
Gebäude oder 580.000 Kubikmeter umbauter
Raum auf einem 350.000 Quadratmeter großen Gelände, das als Umschlagplatz für Güter
vom Lkw auf die Schiene und umgekehrt gedient hatte. 2009 waren endgültig alle Gebäude
abgerissen. Aber auch Gleise, Weichen und
Schwellen mussten abgetragen und entfernt
werden. Fast noch schwieriger als diese Arbeit war die Auflösung der Bau- und anderer
Nutzungsrechte von 33 Firmen, die neben den
ÖBB auf dem Frachtenbahnhof tätig waren. In
Summe 200 Verträge mussten zu einem guten
Ende gebracht werden. Zudem gab es auch hier
leer stehende Magazine, wo Obdachlose Unterkunft gesucht hatten und sich offensichtlich
auch zwielichtige Figuren Zutritt für Ablagerungen aller Art verschafft hatten.
RESPEKT UND FEINGEFÜHL. Dem Bahnhof selbst
wurde erst nach der Sperre im Dezember 2009
Mitte Dezember zu Leibe gerückt. Immerhin
ging es um eine Fläche von 20.000 Quadratmetern mit Gebäuden – bis zu 23 Meter hoch und
sieben Meter tief. Das Gelände samt Gleisen
und Bahnsteigen umfasste 80.000 Quadrat-
Vor dem Spaten­
stich für den neuen
Hauptbahnhof muss­
ten erst 170 Jahre
Bahngeschichte fest­
gehalten und doku­
mentiert werden, um
sie dann beseitigen
zu dürfen.
30 stationen
ALTE GEMÄUER. Da, wo sich
die Gleise 1–11 des letzten
Südbahnhofs befanden,
­wurden während des Abrisses
Mauern des Südbahnhofs
von 1875 freigelegt
kriegsrelikten auf der spur
BAHNHÖFE SIND NICHT NUR Orte der Be­
meter, 20.000 davon mit Gebäuden, die bis zu
23 Meter in die Höhe und bis zu sieben Meter
in die Tiefe gingen. In Summe 1,5 Millionen
Kubikmeter umbauter Raum, die mitten in der
Stadt dem Erdboden gleichgemacht werden
mussten. Auch hier wurden die Räumlichkeiten zuerst von Einrichtungsgegenständen und
Müll aller Art geräumt – „Entkernen“ nennen
das die ExpertInnen –, bevor mit dem Betonabtrag begonnen werden konnte. Ein Job, der
von 20 bis zu 70 Tonnen schweren Abbruchbaggern, zahlreichen Kleingeräten und bis zu
100 MaschinistInnen, HilfsarbeiterInnen und
FacharbeiterInnen erledigt wurde.
Diffizil gestaltete sich die Zerlegung der beiden Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich unter der Bahnhofshalle befanden. Da eine Sprengung unter anderem zum
Schutz der AnrainerInnen nicht möglich war,
mussten die bis zu drei Meter starken Mauern
teilweise mit Diamant-Seilsägen zerschnitten
und anschließend mit hydraulischen Meißeln
zerkleinert werden.
Aber nicht nur dabei, sondern von Beginn
an wurde bei den Abbrucharbeiten Wert auf
gute Nachbarschaft gelegt: Vernebelungsanla-
gegnung, sie sind auch Orte strategischen
Interesses. Vor allem in Kriegszeiten. Da der
Südbahnhof im Laufe seiner langen Geschichte
auch zwei Weltkriege erlebt hatte, war man
vorgewarnt, dass man auch auf Relikte aus
­d ieser Zeit stoßen würde.
Nicht immer waren diese aber so offensichtlich
wie der Fund von zwei Fliegerbomben bei den
Bauarbeiten am Areal des Frachtenbahnhofs
(siehe: „Kampfmittel“ in stationen eins: der
abriss, Seite 45). Dass der Boden unterhalb der
Diesel-Tankstelle am Frachtenbahnhof – ÖBB-in­
tern „Kuwait eins“ und „Kuwait zwo“ genannt
– derart mit Diesel kontaminiert war, stellte die
Verantwortlichen vor ein Rätsel. Bis 17 Meter
in die Tiefe war die Erde verunreinigt. Weitaus
mehr, als durch normalen Betrieb erklärbar ist.
„Möglicherweise ist dort im Krieg ein voller Öl­
tank zerschossen worden oder sind ganze Tanks
ausgelaufen“, waren mögliche Erklärungen,
die die zuständige Projektleiterin Judith Engel
schließlich fand.
Die Diesel-Kontamination wurde mithilfe von Öl
zersetzenden Bakterien, die mit Wasser ins Erd­
reich gepumpt wurden, durchgeführt. Die Kon­
tamination sollte jedoch nicht das einzige Kriegs­
relikt bleiben, auf das man bei den Bauarbeiten
stieß. Neunzehn Bomben, mehr als eine Tonne
Werfer- und Artilleriegranaten, MG-Munition
und so weiter, dazu eine Vierlings-Flak und eine
russische Panzerabwehrkanone kamen im Zuge
der Abbrucharbeiten zutage. Sogar ein Panzer,
genauer: ein gepanzerter schwerer Ladungs­
träger vom Typ Borgward IV, wurde gefunden.
gen und Wasserverdüsungen (vulgo Schneekanonen) verhinderten eine allzu große Staub­
entwicklung, Einhausungen für die Betonbrecheranlagen minimierten die Lärm- und
Staubbelästigung und grundsätzlich wurden
ausschließlich lärmarme, abgasgenormte Baumaschinen und Transportfahrzeuge eingesetzt. Sogar Reifenwaschanlagen für die aus
der Baustelle ausfahrenden Lkws wurden aufgestellt, um eine Verschmutzung der Straßen
ringsum zu vermeiden. Sichtfenster für PassantInnen, Broschüren und Flugblätter und
ein Ombudsmann sorgten darüber hinaus
für Transparenz und laufende Information. 
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung von Band
eins der Schriftenreihe: „stationen. eins: der abriss“
FRONT DES SÜDBAHNHOFS
kurz vor dem „Fall“. Verne­
belungsanlagen und Wasser­
verdüsungen verhinderten
eine allzu große Staubent­
wicklung
demolition: the end of the beginning
Before the construction of Vienna
Main Station could start, the existing structures had to be torn down.
1.7 million tons of material were
disposed and wherever possible salvaged for recycling.
The area measures 109 hectares in
total and will not only be the home
to the new train station, but also
the site of a whole new city district.
After realizing all of the envisioned
projects in the master plan developed in cooperation with the City
of Vienna, there will be 550,000
square meters in offices, more than
5,000 new apartments, seven hectares of park and a school campus
with a kindergarten. A total of
around 33,000 people will be able
to work and live here.
But before the ground breaking for
the new train station could take
place, 170 years of railway history
had to be removed.
In October 2008, the actual demolition of countless buildings in the
freight station, the railway loading
equipment and the postal building
behind South Train Station (“Südbahnhof”) and East Train Station
(“Ostbahnhof”) began.
The train station itself was tackled
in January 2010 after its closure in
December 2009. After all, the area
in question encompassed 20,000
square meters with buildings up
to 23 meters high and seven meters
below ground level. The area including the tracks and platforms
measured 80,000 square meters.
In total, 1.5 million cubic meters of
enclosed space had to be levelled in
the heart of the city. The buildings
were first cleared of all kinds of
furnishings and garbage (experts
use the term “gutting”) before work
could start on removing concrete.
A job which was accomplished with
the help of 20- to 70-ton heavy-duty
demolition excavators and up to
100 people.
stationen 31
umfahrungsgleise
QUER
DURCH
DIE
­BAUSTELLE
BAU
Um eine Verbindung zwischen
Süd- und Ostbahn aufrecht­
zuerhalten, musste der Verkehr
drei Jahre lang auf provisorischen
Gleisen direkt durch die Baustelle
geleitet werden.
N
atürlich wäre es einfacher und billiger
gewesen, den Hauptbahnhof Wien „auf
der grünen Wiese“ zu errichten. Dazu
hätten jedoch für mehrere Jahre sämtliche
Verbindungen zwischen Ost- und Südbahn
gekappt werden müssen. Das war weder den
BahnkundInnen für so lange Zeit zumutbar
noch betrieblich möglich. Zum einen mussten Fernzüge, die von Norden und Osten kamen, zum Bahnhof Meidling geführt werden,
zum anderen wären der für Güterzüge wichtige Zentralverschiebebahnhof Kledering und
die Zentralwerkstätte in Simmering von der
Südbahn aus nicht mehr erreichbar gewesen.
Daher wurde 2006 entschieden, dass während
der Bauzeit zwei Betriebsgleise „ständig offen
gehalten“ werden müssen.
RUNDHERUM STATT UNTENDURCH. Ursprünglich
war die Hauptverbindung für den Güterverkehr zwischen Süd- und Ostbahn durch den
sogenannten Steudeltunnel verlaufen. Dieser
begann, von Richtung Matzleinsdorf kommend, kurz vor dem Tunnel vor der Einfahrt
32 stationen
in die S-Bahn-Station Südtiroler Platz und trat
im nördlichen Bereich des Frachtenbahnhofs
wieder ans Tageslicht. Güterzüge gelangten
von dort über den Frachtenbahnhof Wien Süd
auf die Ostbahn und zum Zentralverschiebebahnhof. Aufgrund seiner Lage unterhalb der
künftigen Verkehrsstation musste der Tunnel
jedoch aufgelassen und bis auf Rohre für die
Einbauten mit Beton gefüllt werden (siehe:
„Aushub Verkehrsstation“, Seite 34). Und auch
eine bestehende oberirdische Gleisverbindung
(bekannt als Gleis 120, welches hauptsächlich
als Betriebsgleis für Verschubfahrten zwischen
Süd- und Ostbahn genutzt wurde) lag der Baustelle für den neuen Hauptbahnhof im Weg.
Es musste also ein Ersatz gefunden werden,
zumindest bis 2012 die ersten Gleise des neuen
Hauptbahnhofs fertig wären. Zunächst dachte
man an eine Folge von Hilfsbrücken über das
gesamte Baugelände, aus Kostengründen wurde
diese Lösung aber verworfen. Stattdessen wurde
als Ersatz für den Steudeltunnel an der Stelle
der heutigen Bahnhofshalle eine 859 Meter
lange, zweigleisige Umfahrung errichtet.
PROVISORIUM FÜR ZWEIEINHALB JAHRE. Von März
2010 an wurde zweieinhalb Jahre jener Verkehr über diese Gleise abgewickelt, der nicht
großräumig umgeleitet werden konnte (siehe:
„Kontextprojekte“, Seite 4). Bis zur Sperre des
Südbahnhofs 2009 waren täglich 195 Güter-,
Dienst- und Personenzüge über das Steudelgleis
und das Gleis 120 gerollt, über die provisorischen
Umfahrungsgleise waren es nur 135 Fahrten.
Fahrten, die ohne Zwischenfälle verliefen,
obwohl das dichte Nebeneinander von Bahnbetrieb und Baustelle für alle Beteiligten eine
permanente Herausforderung darstellte – für
die beschäftigten Baufirmen und ihre ArbeiterInnen in puncto Logistik und Arbeitssicherheit ebenso wie für die LokführerInnen, die
zeitweise an einem mehr als 20 Meter tiefen
Loch vorbeifahren mussten (siehe: „Aushub
Verkehrsstation“, Seite 34).
Nachdem die ersten Gleise des neuen Hauptbahnhofs fertiggestellt waren, konnten die Umfahrungsgleise im August 2012 stillgelegt und
abgetragen werden. Damit war der Weg frei für
den Aushub der Haupthalle (Halle Nord), aber
auch die beiden nördlichsten Bahnsteige und
das Einkaufszentrum konnten erst ab diesem
Zeitpunkt weitergebaut werden. 
BRÜCKENPFEILER. Die Bahn
verbindet und wo der Schienen­
strang trennt, wird überbrückt
wie hier durch die „Südbahn­
hofbrücke“ (links oben)
BAUPROVISORIUM. Im nördlichen Bereich der
heutigen Verkehrsstation wurde eine 859 ­Meter
lange, zweigleisige Umfahrung errichtet,
die mitten durch die Baustelle führte (oben)
NACHDEM DIE ERSTEN GLEISE
des neuen Hauptbahnhofs fer­
tiggestellt waren, konnten die
Umfahrungsgleise im August
2012 stillgelegt und abge­
tragen werden (links Mitte)
DER STEUDELTUNNEL war
ursprünglich die Hauptverbin­
dung für den Güterverkehr zwi­
schen Südbahn und Ostbahn.
Er wurde aufgelassen und mit
Beton gefüllt (links unten)
Fahrten, die ohne Z­ wischen­fälle
verliefen, obwohl das dichte
­Nebeneinander von Bahnbetrieb
und Baustelle eine permanente
Herausforderung darstellte.
stationen 33
aushub verkehrsstation
MACHU PICCHU
AM HAUPTBAHNHOF
BAU
Bevor die Verkehrsstation
gebaut werden konnte, musste ein
großes Loch gegraben werden.
Und das direkt neben den Gleisen,
über die währenddessen der
Verkehr rollte.
F
ür die LokführerInnen, die zu Beginn der
Bauarbeiten für den Hauptbahnhof die
Baustelle passierten, muss es sich angefühlt
haben wie eine Zugfahrt durch die Schluchten
der peruanischen Anden. Direkt neben den
sogenannten Umfahrungsgleisen klaffte ein
Riesenloch – mehr als 20 Meter tief, mit einem
Gefälle von fast 80 Grad und einer Länge von
300 Metern.
Hier mussten sie drüber, um nach der Sperre
des Südbahnhofs mit Personen und Gütern zum
provisorischen Kopfbahnhof Wien Meidling zu
gelangen. Das Loch selbst war notwendig, um
Platz zu schaffen für die neue Verkehrsstation
samt Einkaufszentrum und Tiefgeschossen für
Parkplätze und Technikräume.
GRABEN UNTERHALB DER BAHN. Dazu musste aber
zuerst der Aushub vorgenommen werden. Und
zwar knapp unterhalb des Bahndamms, über
den die provisorische Verbindung aufrechterhalten werden musste, bis 2012 die ersten Gleise
des neuen Hauptbahnhofs befahrbar wären.
Erst danach konnte auch der weitere Abtrag und
34 stationen
Aushub insbesondere für die Bahnhofshalle
Nord erfolgen. Bis es aber so weit war, durften
die Umfahrungsgleise keinesfalls unterbrochen
oder bei den Bauarbeiten beschädigt werden.
Also begann man, unterhalb des Damms zu
graben – zwar mit schwerem Gerät, aber mit
großer Vorsicht und immer tiefer hinunter. Die
Steilwand, die sich so ergab, wurde mit Bohrpfählen, Ankern und Spritzbeton gesichert.
Die nächste große Frage war: Wohin mit dem
Aushubmaterial? 400.000 Kubikmeter schiebt
man nicht einfach so beiseite. Zudem sprach
einiges dagegen, das Material zu verführen.
Die Entsorgung über eine Deponie wäre aufgrund der Menge erstens nicht billig gewesen, zweitens benötigte man später Material
für das Fundament und Aufschüttungen, das
man dann kaufen müsste. Doppelte Kosten also
ebenso wie doppelte Lkw-Fahrten, die man dem
eigenen Budget, aber auch der Umwelt und den
AnrainerInnen ersparen wollte.
Was an Material später wieder verwendbar
war, wurde daher auf der Baustelle zwischengelagert. Deponiert wurde nur, was aufgrund der
Zusammensetzung oder aufgrund von Kontaminationen nicht mehr verwendbar war. Solange zwei Verladegleise des stillgelegten Frachtenbahnhofs noch zur Verfügung standen, konnte
das nicht mehr verwendbare Material sogar
umweltfreundlich per Bahn abtransportiert
werden. Natürlich musste dazu aber erst auch
eine Deponie mit Gleisanschluss gefunden werden. Drei bis vier Züge mit je 14 Waggons und
das ende des steudeltunnels
EIN „LOCH“, DAS SCHON DA WAR, aber nicht
mehr gebraucht wurde, war der Steudeltunnel.
In diesem verlief eine eingleisige Verbindung
zwischen Südbahn und Ostbahn, die nicht mehr
benötigt wurde. Den Tunnel einfach stillzulegen
ging nicht, da er unterhalb der künftigen Ver­
kehrsstation bzw. unter der neuen Eisenbahn­
brücke über die Laxenburger Straße lag. Schon
grundsätzlich ist ein Hohlraum unter Funda­
menten nie gut, beim neuen Hauptbahnhof
sollten aber auch noch tragende Stützen auf
der Tunneldecke stehen. Der 100 Meter lange
Tunnel musste also verfüllt werden, und zwar
mit Beton: 3.000 Kubikmeter wurden benötigt,
um den Steudeltunnel vollständig zu schließen.
Diesen einfach reinlaufen zu lassen, ging aber
auch nicht. Zuvor wurde noch ein Abwas­
serkanal für die neue Verkehrsstation darin
untergebracht. Danach wurden Schlitze in die
freigelegte Tunneldecke geschnitten und in
diesen, hinunter bis zur Tunnelsohle, Stützmau­
ern errichtet, die später als Fundament für die
Tragwerke der Verkehrsstation dienten. Auch
für die Pfeiler der neuen Brücke über die La­
xenburger Straße mussten Stützmauern in den
Steudeltunnel hineingebaut werden.
einer Beladung von rund 850 Tonnen verließen
in der Hauptaushubzeit pro Tag die Baustelle.
In Summe verblieben jedoch rund 70 Prozent
des gesamten Abbruchs und Aushubs auf der
Baustelle und wurden wiederverwertet – insgesamt waren es 670.000 Tonnen.
GEBÄUDE WURDEN RECYCELT. So auch der alte Süd-
WO GEBAGGERT WIRD. Mit
einer Tiefe von im Schnitt
zehn bis zwölf Metern ergab
sich ein Aushub von mehr als
400.000 Kubikmeter (oben)
ABTRANSPORT. Rund 850
Tonnen verließen in der
Hauptaushubzeit pro Tag die
Baustelle, jedoch zumeist mit
Zügen (rechts)
EIN BOHRPFAHL ENTSTEHT.
Die Schnecke wird langsam
nach unten gedreht. Dann
wird die Schnecke wieder
gehoben und der Aushub
außerhalb der Bohrung abge­
schüttelt.Insgesamt waren für
den Bau des Hauptbahnhofs
45.000 Meter Bohrpfähle
notwendig (links)
bahnhof, zumindest zu einem großen Teil. Das
Gebäude wurde abgetragen und vor Ort in zwei
eigens installierten Brecheranlagen recycelt.
Dabei wurden Metalle, Kunststoffe, Ziegel und
anderes ungeeignetes Material ausgesondert
und deponiert. Der gebrochene Beton hingegen war ein hervorragendes Schüttmaterial,
das – fast symbolisch – im Fundamentbereich
des neuen Hauptbahnhofs sowie der neuen
Gleisanlagen eingesetzt wurde.
120.000 Tonnen oder rund 50.000 Kubikmeter Material mussten so nicht zuerst entsorgt
und anschließend wieder herbeigeschafft werden. Ausgehend von einem Lkw mit 22 Tonnen
Nutzlast brachte alleine das in Summe eine
Einsparung von fast 11.000 Lkw-Fahrten.
Aber nicht nur die alten Gebäude wurden
recycelt, auch der Aushub wurde andernorts
auf der Baustelle wiederverwertet. Vor allem
als Aufschüttung für die neue Verkehrsstation
und die neue Gleisanlage. Denn diese musste
als Durchgangsbahnhof irgendwo den Niveauunterscheid von viereinhalb Metern zwischen
der alten Südbahn und der alten Ostbahn ausgleichen. Dazu wurde Richtung Osten eine Erd­
rampe errichtet: über die gesamte Breite der
Gleisanlagen von rund 100 Metern und auf
einer Länge von mehr als 600 Metern sanft
abfallend. In Summe wurden alleine dafür rund
175.000 Kubikmeter Schüttmaterial benötigt.
Insgesamt verblieben fast 300.000 Kubikmeter Material zur späteren Verwendung auf
der Baustelle. Dessen Manipulation und Zwischenlagerung war zwar aufgrund der ohnedies
beengten Verhältnisse eine ständige Herausforderung, am Ende brachte dies aber enorme
Einsparungen an Kosten, Lkw-Fahrten und
Ressourcen. 
stationen 35
rohbau
EIN PROTOTYP
FÜR DIE EWIGKEIT
BAU
Beim Bau des Hauptbahnhofs
wurde einiges anders gemacht, als
es üblicherweise getan wird.
Nur dadurch war es aber möglich,
den Rohbau in der Zeit und in
der gewünschten Qualität
zu ­errichten.
D
ass einiges auf sie zukommen würde,
wussten alle am Bau des Hauptbahnhofs
Beteiligten. Der Betrieb der Bahn, der
trotz Baustelle aufrechtzuerhalten war, Bauen
mitten in der Stadt und ein Zeitplan, der so gut
wie keinen Spielraum für unvorhergesehene
Dinge ließ, waren an sich schon Herausforderung genug. Dass aber schon zu Beginn der
Bauarbeiten die Planung fundamental geändert
wurde, brachte alle vom Start weg auf eine „Betriebstemperatur“, die während der fünfjährigen Bauzeit nie wirklich abfallen sollte.
TIEF ODER DOCH FLACH FUNDIEREN? Etwas, was
für die Ewigkeit gebaut werden soll, braucht jedenfalls ein solides Fundament. Üblicherweise
eines, das in die Tiefe geht. Dazu werden Pfähle
so tief in die Erde gebohrt, bis diese ausreichende Tragfähigkeit erreichen und die Last des
künftigen Bauwerks über den Druck und die
Reibung dieser Bohrpfähle abgeleitet werden
kann. Eine solche Tiefenfundierung ist jedoch
ein aufwendiges, teures und bisweilen riskan-
36 stationen
tes Verfahren, denn nicht immer weiß man,
welche Schichten oder auch Hohlräume einen
im Boden erwarten. Damit geht auch eine nur
schwer zu berechnende Bauzeit einher – Zeit,
die man nicht hatte.
Leichter und schneller zu realisieren ist
hingegen eine Flachfundierung, die mit weit
weniger Bohrpfählen und einer umso dickeren Bodenplatte auskommt. Um das Risiko zu
minimieren und Zeit zu sparen, wurde daher
die ursprünglich geplante Tiefenfundierung
für den Hauptbahnhof verworfen und durch
eine Flachfundierung ersetzt. Eine solche muss
jedoch noch exakter berechnet und ausgeführt
werden als eine Tiefenfundierung, um die erforderliche Statik für das darauf errichtete Gebäude zur gewährleisten. Auch mussten kleinere
Nachteile in der Gestaltung der Stützenraster
im Inneren des Gebäudes in Kauf genommen
werden.
Damit einher gingen gleich zu Beginn der
Bauarbeiten für die Verkehrsstation Änderungen in der Planung, die sich vom Tiefgeschoss
über den Stützenraster für das Gebäude bis zu
den obersten Tragwerken des Daches und der
Gleisanlagen durchzogen.
Zudem braucht man für eine Flachfundierung viel Beton in kürzester Zeit. Sehr viel
Beton, um wie beim Hauptbahnhof ein Fundament mit einer Fläche von 34.000 Quadratmetern und einer Dicke von einem Meter in einem
Zug betonieren zu können. Mit Betonmischern,
die den Frischbeton über den Gürtel (eine der
DIE VERBINDUNG der Stahl­
träger mit der Bewehrung war
echte Millimeterarbeit und ver­
gleichbar mit einem Igel, der
versucht, mit seinen Stacheln
in die Löcher eines umgedreh­
ten Siebes zu kommen (oben).
Im November 2013 werden
die letzten Hy­bridträger einge­
baut, der Rohbau der Haupt­
halle und die Verbindung mit
der U-Bahn sind im vollen
Gange (unten)
zahlen, daten & fakten
DIE RAUTENDACH-KONSTRUKTION lässt den
Hauptbahnhof luftig leicht aussehen und genau
genommen führen die Gleise über eine Brücke
im vierten Stock, was nicht heißt, dass darunter
nicht massiv und solide gebaut wurde.
etonabtrag: ca. 48.000 m3
►B
odenabtrag/-aushub: ca. 1.250.000 m3
►B
chalung: ca. 420.000 m2
►S
ewehrung: ca. 46.000 t
►B
etonkubatur: ca. 305.000 m3
►B
ohrpfähle: ca. 45.000 m
►B
ragschichten: ca. 108.000 m3
►T
chottereinbau (ohne Oberbau): ca. 70.000 m3
►S
abeltröge: ca. 30 km
►K
leisanlagen: ca. 100 km
►G
stationen 37
rohbau
am stärksten befahrenen Straßen Wiens) anliefern müssten, wäre das aber mit zu viel Risiko
verbunden. Ganz zu schweigen von der Zahl an
Lkw-Fahrten. Um beides zu minimieren, wurde
auf der Baustelle eine Betonfabrik eingerichtet,
die den Beton vor Ort produzierte. Eine Entscheidung, die sich auch über die Fundierung
hinaus bezahlt machte – ökonomisch und ökologisch (siehe: „Umwelt“, Seite 48).
AUF BRÜCKEN VON SÜDEN NACH OSTEN. Eine
Besonderheit, die sich auf den Bau auswirkte
und bereits im Vorfeld in die Planung eingeflossen war, war der Höhenunterschied zwischen
tonnenschwer,
aber millimetergenau
BAU
UM DIE VERTEILERHALLE mit einer Breite von
30 Metern (lichte Spannweite) stützenfrei zu
überspannen, hatte man eine spezielle Konst­
ruktion entworfen: Hybridträger aus Stahl und
Beton, die die Qualitäten beider Materialien am
besten vereinten – Zugfestigkeit und leichteres
Gewicht beim Stahl, höherer Widerstand gegen
Brand und andere Einflüsse von außen beim Be­
ton. Um diese Verbindung zusätzlich zu stärken,
waren auf den Trägern Stahlbolzen geschweißt,
Noppen, wie ein Feld kleiner Schwammerl, die
sich später beim Betonieren fest mit dem Beton
verkrallen werden.
Eine echte Herausforderung war jedoch die
Verbindung der Hybridträger mit dem Quer­
träger. Denn dazu mussten die Stahlbolzen der
Stirnseite des Trägers so in die Aussparungen
der Stahlbewehrung des Querträgers eingeführt
werden, dass sich Stahl und Stahl nicht berühr­
ten. Die Bewehrung musste aber möglichst
dicht sein, um auch beim Querträger höchste
Zugfestigkeit zu garantieren.
Die Montage war daher echte Millimeterarbeit
und vergleichbar mit einem Igel, der versucht,
mit seinen Stacheln in die Löcher eines um­
gedrehten Siebes zu kommen, aber ohne es
zu berühren. Und wenn es dann gleich beim
ersten Mal nicht klappt, könnten andere bei
insgesamt 24 Trägern, die auf diese Weise zu
montieren sind, wohl leicht den Mut verlieren.
Nicht aber die am Bau des Hauptbahnhofs
Beteiligten, für die seit Beginn das Motto galt:
Probleme sind da, um gelöst zu werden.
38 stationen
der um viereinhalb Meter höher gelegenen
Südbahn und der Ostbahn. Im ehemaligen gemeinsamen Bahnhofsgebäude konnten diese
viereinhalb Meter über eine Treppe bzw. Roll­
treppe überwunden werden. Für einen modernen Durchgangsbahnhof war das keine Option mehr, da die neuen Bahnsteige horizontal
sein mussten. Daher war entschieden worden,
das Niveau der Südbahn bis in den Bahnhofsbereich durchzuziehen. Erst danach sollten
die Gleise über eine sanft abfallende Rampe
Richtung Osten auf einer Strecke von rund
zwei Kilometern auf das Niveau der Ostbahn
gebracht werden.
Daraus ergab sich, dass die Verkehrsstation
samt Einkaufszentrum unterhalb der Gleise
errichtet werden musste und dass die Züge
im ersten Stock des Bahnhofs ein- und ausfahren würden. Das ist etwas, was man – wenn
möglich – vermeidet, schließlich müssen dabei enorme dynamische Kräfte, die von den
bremsenden oder beschleunigenden Zügen
ausgehen, ebenso berücksichtigt werden wie
unterschiedlichste Unfallszenarien. Wenn sich
schon die temperaturbedingte Dehnung bei
einem Bahnsteig im Zentimeterbereich bewegt,
kann man sich zumindest ausmalen, welche
Kräfte ein einfahrender und bremsender Railjet
verursacht.
Gebaut wurden die Bahnsteige und Gleisanlagen der Verkehrsstation daher als Eisenbahnbrücken. Insgesamt sind es elf Tragwerke,
die zusammen die oberste Geschossdecke des
Gebäudes bilden. Sechs davon sind Gleis-Trag­
werke, tragen also die Gleise, fünf sind Bahnsteig-Tragwerke, bilden also die Bahnsteige.
Während jedoch die „Gleisbrücken“ in Fahrt­
richtung liegen, liegen die einzelnen Bahnsteige bautechnisch ganz streng genommen
quer. Und zwar mit jeweils einer Seite auf dem
zugehörigen Gleis-Tragwerk aufliegend, ohne
aber fix mit diesem verbunden zu sein – sie
schwimmen quasi auf den Gleisbrücken mit.
Wozu das gut ist? Die Bahnsteige machen
jede Bewegung der Gleise mit – egal in welche
Richtung: nach oben, unten, vor, zurück, links,
rechts. Und damit wiederum ist sichergestellt,
dass Bahnsteigkante und Waggoneinstieg stets
auf demselben Niveau sind.
Eine Lösung, die nicht nur bautechnisch eine
Herausforderung darstellte, sondern auch logistisch und terminlich. Denn um ein Bahn-
VIEL BETON, um wie beim Hauptbahnhof ein
Fundament mit einer Fläche von 34.000 Qua­
drat­metern und einer Dicke von durchschnittlich
einem Meter betonieren zu können (oben)
steig-Tragwerk zu errichten, mussten zuerst die
beiden Gleis-Tragwerke betoniert werden, erst
danach konnte das Bahnsteigtragwerk aufgesetzt werden. Das Maß aller Bautätigkeiten war
aber nicht nur dabei die Schienenoberkante.
Auch alles darunter musste auf diese abgestimmt errichtet werden.
VON OBEN NACH UNTEN, VON SÜDEN NACH NORDEN. Baut man eine Bahnstrecke, ist die Schie-
nentrasse die Höhe, von der alles ausgeht. Liegt
diese jedoch quasi im Dachgeschoss eines
Gebäudes, muss man den Bau von oben nach
unten denken. Und nicht wie eigentlich üblich
von unten nach oben. Theoretisch mag das
MASSIVER UNTERBAU. Mit
jeder neuen Stütze, mit jeder
neuen Zwischendecke steigt
der Druck auf den Boden, aber
auch auf die Etage darunter
(links)
Gebaut wurden
die Bahnsteige und
Gleisanlagen der
Verkehrsstation als
­Eisenbahnbrücken.
Elf Tragwerke
­bilden die obere
­Geschossdecke.
jetzt nicht so einen großen Unterschied machen, wenn man aber wie beim Hauptbahnhof
zwei Etagen unter der Erde zu bauen beginnt,
sehr wohl. Denn ein Bauwerk setzt sich. Das
beginnt bereits beim Fundament. Durch dessen Aushub lässt darunter der Druck nach,
die Erde hebt sich. Betoniert man dann ein
Fundament, senkt sich der Boden wieder. Ein
Effekt, der sich nach oben fortsetzt. Mit jeder
neuen Stütze, mit jeder neuen Zwischendecke
steigt der Druck auf den Boden, aber auch
auf die Etage darunter. Zwar kann man diese
Kräfte berechnen, aber nicht immer treten
die Setzungen im berechneten Ausmaß bzw.
in der berechneten Zeit ein. Und wenn wie
QUERSCHNITT. Die Verkehrs­
station samt Einkaufszentrum
wird unterhalb der Gleise
errichtet, während die Züge
im ersten Stock des Bahnhofs
bereits rollen (oben)
bei der Verkehrsstation zwischen Fundament
und Schienentrasse vier Ebenen und 21 Meter
liegen, sind es bis zu zehn Zentimeter, in denen
sich die Senkung bewegen kann.
Drei Zentimeter waren es, die dann letztlich
den Unterschied zwischen Plan und Wirklichkeit ausmachten. Bei den Gleisen konnte das
unter anderem mit der Stärke des Schotterbettes ausgeglichen werden. Beim Stahlbau gelten
jedoch andere Gesetze: Was einmal geschweißt
wurde, bleibt so. Daher mussten die Maße für
die Stahltürme der Aufzüge den tatsächlichen
Gegebenheiten angepasst werden, damit auch
die Türen der Liftkabinen niveaugleich mit der
Bahnsteigkante öffnen.
stationen 39
rohbau
Der Bau des Hauptbahnhofs musste aber
nicht nur von oben nach unten gedacht werden.
Aufgrund der Notwendigkeit, den Bahnbetrieb
aufrechtzuerhalten, musste er auch von Süden
nach Norden realisiert werden. Und nicht wie
sonst bei der Errichtung eines Gebäudes üblich
geschossweise von unten nach oben. Damit
ging einher, dass, während im Norden Richtung
Südtiroler Platz noch am Rohbau betoniert wurde, im Süden Richtung Sonnwendgasse bereits
der Innenausbau starten musste. Solange aber
keine Ebene rohbaumäßig wirklich abgeschlossen war, war auch die Entwässerung noch nicht
100-prozentig und die Überdachung schon gar
nicht. Deutlich spürbar wurde das nach starken
Regenfällen, die immer wieder zu Wassereinbrüchen in den unteren Geschossen führten.
Dem Rohbau konnten diese nichts anhaben
und auch den parallel startenden Innenausbau
konnte das Wasser nicht wirklich stoppen.
Pro darüber laufende Schiene wurde ein solcher Hybridträger hergestellt, in Summe sind
es 24, welche die Decke der Verteilerhalle bilden. Die in Gleislängsrichtung gelegten Träger
wurden an ihren Enden – auch wieder über
Kopfbolzen – mit einem Querträger aus Beton
verbunden, der ebenfalls mit einer Stahlbewehrung verstärkt war. Die Verbindung der beiden
Träger verlangte viel Fingerspitzengefühl und
war echte Millimeterarbeit, wie sich gleich bei
der Montage des ersten Trägers herausstellte
(siehe Infokasten Seite 38)
Doch auch diese „Feuertaufe“ konnte die
zeitgerechte Fertigstellung der Rohbauarbeiten
für die Verkehrsstation nicht beeinträchtigen.
Die erste Teilinbetriebnahme erfolgte im Dezember 2012. Termingerecht! Drei Jahre nach
Baubeginn. 
ANPASSUNGSARBEIT. Bei der Vorbereitung
der Bewehrung wird der Bewehrungsstahl mit
Draht zusammengeflochten (oben)
BAU
DAS BESTE VOM STAHL, DAS BESTE VOM BETON.
Eine spezielle Lösung musste für die Überdachung der sogenannten Verteilerhalle, von
der aus die Reisenden zu den Bahnsteigen
kommen, gefunden werden. Aufgrund der
Planung hatte diese nur eine Raumhöhe von
3,50 Metern, dafür aber auf einer Länge von 90
Metern eine Breite von rund 30 Metern, die
nicht zuletzt in Hinblick auf eine mögliche
Evakuierung stützenfrei bleiben sollten. Trotzdem fuhren auch hier die Züge übers Dach – die
Decke musste also einiges aushalten.
Reine Betonträger wären zwar geeignet, hätten aber so dick sein müssen, dass man gebückt
durch die Verteilerhalle hätte gehen müssen.
Reine Stahlträger kamen aus Gründen von
Brand- und Korrosionsschutz nicht infrage.
Also entwickelte man eine Mischung, einen
sogenannten „Hybridträger“. Dieser bestand
aus einem schmalen, hohen I-Träger aus Stahl,
auf den eine Stahlbetonplatte montiert wurde.
Damit diese den Kräften der darauf ein- und
ausfahrenden Zügen standhalten würde, waren
auf dem Stahlträger sogenannte Kopfbolzen,
vergleichbar mit Noppen, angeschweißt, die in
die Stahlbetonplatte einbetoniert wurden und
so für eine schubfeste Verbindung sorgten. Eine
wahre Ingenieursleistung, die sich die höhere
Zugfestigkeit von Stahl ebenso zunutze machte wie die Qualitäten von hochfestem Beton,
welcher einen höheren Zementgehalt aufweist.
40 stationen
ERSTER EINBLICK. Unter dem
massiven I-Träger wird bereits
die zukünftige Verteilerhalle
sichtbar, von der die Men­
schen auf die Bahnsteige
strömen werden (unten)
HYBRIDTRÄGER bestehen aus einem schmalen,
hohen I-Träger aus Stahl, auf den eine Stahl­
betonplatte gegossen wurde (oben)
VON SÜDEN NACH NORDEN.
Während im Norden Richtung
Südtiroler Platz noch am Roh­
bau betoniert wurde, startete
im Süden bereits der Innen­
ausbau (oben)
frame: a prototype for eternity
Reine Betonträger
wären zwar geeig­
net gewesen, ­hätten
aber so dick sein
müssen, dass man
gebückt durch die
Verteilerhalle hätte
gehen müssen.
During the construction of Vienna
Main Station, a few things were
done differently than would otherwise be the case. This was the only
way to complete the structure in
the given time frame and in the
desired quality.
Whenever something is built to
last, it needs a solid foundation,
typically one that goes down deep.
But building such a deep foundation is time consuming, expensive
and sometimes risky because it is
hard to know what to expect in
terms of layers or even hollows in
the ground.
It is easier and faster to build a
shallow foundation with fewer
bored piles and a thicker foundation slab. To minimize the risk and
save time, the original plan for the
train station’s deep foundation
was dismissed and replaced with
a shallow foundation. This had to
be calculated and executed more
exactly than a deep foundation in
order to ensure the required static
for the train station to be built
on top.
Another unique element which
impacted construction was the
height difference between the high-
er Southern Route (“Südbahn”)
and the Eastern Route (“Ostbahn”)
of around four and a half meters.
The plan was to have the level of
the Southern Route (“Südstrecke”)
maintained right into the train
station. Only afterwards were the
platforms to be lowered to the level
of the Eastern Route (“Ostbahn”)
by way of a gently sloping platform
for a stretch of around two kilometers. In order to implement this
goal, the platforms and tracks in
the station were built as railway
bridges – one of the many unique
aspects of Vienna Main Station.
stationen 41
rautendach und halle nord
BAU
WIE SICH
FORM
UND
FUNKTION
TREFFEN
Das Rautendach macht den
Hauptbahnhof zu einer Land­
mark. Als Überdachung der Bahn­
steige hat es aber auch wichtige
Aufgaben zu erfüllen.
V
on Beginn der Planungen an bestand
der Wunsch, dass der Hauptbahnhof als
Herz eines neuen Stadtteils auch architektonisch einen Meilenstein setzt. Er sollte
eine echte Landmark sein – ein Bauwerk, das
neben seiner Bedeutung als Verkehrsdrehscheibe auch in seiner Form etwas ganz Besonderes
ist. Da sich der größte Teil des Hauptbahnhofs
unter der Erde befindet, kam dafür nur das
Dach infrage – ein Bauwerk, das sich in der
Fläche abspielt und nicht in der Höhe. Eine
außergewöhnliche Aufgabenstellung, die das
Architektenteam Hotz/Hoffmann/Wimmer
in der mit der Umsetzung beauftragten ARGE
„Wiener Team“ jedoch mit seinem bereits
mehrfach ausgezeichneten Entwurf hervorragend umsetzen konnte.
14 Rauten mit einer Länge von jeweils 76
Metern bilden zusammen eine Fläche von
rund 22.500 Quadratmetern – 260 Meter an
der längsten und 120 Meter an der breitesten
Stelle und bis zu 15 Meter über dem Niveau
42 stationen
MIT RAUTEN UND KANTEN. So schön die
Form des Dachs ist, so schwierig ist es, einen
solchen Entwurf in die Realität zu übertragen
der Bahnsteige. Richtung Osten geht die dynamische Rauten-Struktur in ein System von
Flachdächern über, welche die einzelnen Bahnsteige vor der Witterung schützen. Insgesamt
wird damit eine Fläche von mehr als 35.000
Quadratmetern überspannt.
FÜR EXTREME GERÜSTET. So schön die Form des
Dachs ist, so schwierig ist es, einen solchen
Entwurf in die Realität zu übertragen. Denn
dabei gilt es, bauliche Vorgaben ebenso wie behördliche Auflagen zu berücksichtigen. Umso
mehr, wenn es sich um einen Bahnhof handelt,
für den Statik, Brandschutz und Sicherheit für
Reisende auch in einem Notfall an oberster Stelle stehen. Dabei gilt es, die schlimmsten Eventualitäten zu berücksichtigen. So etwa auch,
dass ein brennender Zug in den Hauptbahnhof
einfährt und unter dem Dach stehen bleibt.
VOGELPERSPEKTIVE. Beim
Überflug wird die viel zitierte
Rautenform (englisch noch
edler: diamond-shape) noch
besser sichtbar (links)
zahlen, daten & fakten
ntwurf: ARGE „Wiener Team“
►E
usführung: Unger Steel Group (Stahlbau)
►A
auzeit: Juni 2011 bis Februar 2014
►B
läche: 37.000 m² Dachfläche sowie Unter­
►F
sichten, davon: ca. 22.500 m² Rautendächer
(insgesamt 14 Rauten)/12.870 m² Einzelbahn­
steigdächer/1.554 m² Piazzaüberdachung
erarbeiteter Stahl: 7.000 t (entspricht der
►V
Menge des Eiffelturms)
auteile: rund 57.000 Profile, 286.000 Bleche
►B
und 340.000 Schraubengarnituren für das
­gesamte Rautendach inkl. Piazzaüberdachung
uszeichnungen: Österreichischer Stahlbau­
►A
preis (2013), Europäischer Stahlbaupreis (2015)
stationen 43
BAU
rautendach und halle nord
In einem solchen Fall müsste das Dach lange
genug halten, um alle Menschen evakuieren
zu können, und der entstehende Rauch müsste
trotz Dach ableitbar sein.
Um am Hauptbahnhof Wien auch für ein
solches Horrorszenario gerüstet zu sein, wurde
als sogenannte „Brandlast“ eine frei werdende Energie von 80 Megawatt angenommen.
Das entspricht in etwa einem mit Brennholz
voll beladenen Güterwaggon. Zumindest 30
Minuten sollte die Dachkonstruktion einem
solchen Feuer standhalten. Ausreichend Zeit,
um alle Menschen aus dem Gefahrenbereich
evakuieren zu können.
Da die Konstruktion aus Stahl ist, musste diese daher mit einer adäquaten Brandschutzverkleidung und nach oben mit einem speziellen
Brandschutzschild versehen werden. Bei den
Einzelbahnsteigdächern konnte man darauf
verzichten, da dort die entstehende Hitze ohne
Probleme seitlich entweichen kann.
Große Gefahr würde aber auch von entstehendem Rauchgas ausgehen. Dafür wurden in
den Vertikalelementen der Rauten Lamellen
vorgesehen, die sich im Falle eines Brandes
öffnen und so den Rauch aus dem Bahnsteigbereich ableiten.
Sogar die Entgleisung eines Zuges wurde in
der Planung berücksichtigt. Eine solche könnte
was für ein rahmen
DER „BLICKFANG“ eines jeden Bahnhofs ist die
zentrale Anzeigetafel. Einer, der beim Haupt­
bahnhof Wien auch nicht zu übersehen ist.
40 Quadratmeter ist diese groß, was einem
durchaus großen Wohnzimmer entspricht, und
überspannt mit einer Breite von 18 Metern den
Eingang zur Verteilerhalle, von der man zu den
Bahnsteigen gelangt.
Was den Blicken jedoch nahezu verborgen
bleibt, ist, wie diese Anzeigetafel montiert
wurde. Denn – um den Fluchtweg frei zu halten
– es konnten keine unterstützenden Säulen vor­
gesehen werden. Also brauchte es einen Rah­
men, der bautechnisch Kastenträger genannt
wird. In dieser Spannweite ist aber auch ein
Kastenträger nicht alltäglich, weshalb dieser in
zwei Teilen angeliefert und vor Ort verschweißt
werden musste.
44 stationen
zu einer Beschädigung einer oder mehrerer
Stützen führen. Entsprechend musste die Statik
des Dachs so ausgelegt sein, dass dieses auch
einem derartigen Unfall standhalten würde.
IMMER IN BEWEGUNG BLEIBEN. An die Statik des
Rautendachs waren aber ohnedies besondere
Anforderungen gestellt. Denn die Gleise und
Bahnsteige liegen auf Brücken-Tragwerken,
die die darunter befindliche Verkehrsstation
samt Einkaufszentrum überspannen. Eine
Konstruktion, die von den Kräften, die beim
Ein- und Ausfahren der Züge entstehen, bewegt wird. Und das einige Zentimeter nach
vor und zurück, nach oben und unten sowie
auch seitwärts. Bewegungen, die das Dach mitmachen muss. Und zwar auch in der Fläche,
die aus Aluminiumplatten besteht, die zudem
Temperaturschwankungen und unterschiedlicher Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Mit
Falzungen zwischen den Platten wurde auch
dafür Vorkehrung getroffen und verhindert,
dass sich das Dach in einem heißen Sommer
vielleicht wellt.
Die Energie der Einstrahlung wurde jedoch
auch für die Stromerzeugung durch Fotovoltaik
genutzt. Im Sinne der Nachhaltigkeit war vorgesehen, wo möglich, Solarmodule zu installieren.
Die Leistung der installierten Fotovoltaikanlage
von 128 Megawattstunden pro Jahr reicht aus,
die Pumpen für die Temperierung mittels Geothermie zu betreiben (siehe: „Umwelt“, Seite
48). Somit wurde in Kombination aus Geothermie und Fotovoltaik ein nachhaltiges System
der Energienutzung erreicht.
REGEN UND SCHMUTZ MÜSSEN RAUS. So schön
das Rautendach des Hauptbahnhofs ist, die
Konstruktion hat einige Besonderheiten, die es
zu meistern galt – wie etwa bei Regen. Während
bei einem „normalen“ Dach das Wasser seitlich
über Dachrinnen abgeleitet werden kann, müssen diese hier zwischen den Rauten, also innen,
liegen. Zudem können sich in den Einschnitten
Schmutz und Schnee sammeln. Etwas, was man
bei einem Flach- oder Steildach nicht hat und
möglichst vermeiden würde. Auch Schneeverwehungen mussten ebenso statisch berücksichtigt werden wie auch für die Reinigung der
Dächer entsprechende Vorkehrungen geschaffen werden mussten. Dazu wurden im letzten
Drittel der flachen Bahnsteigdächer Aufstiege
DETAILARBEIT. Rund 57.000 Profile,
286.000 Bleche und 340.000 Schrauben­
garnituren wurden für das gesamte
­Rautendach aufgewendet (oben)
STAHLQUERRAHMEN. Sogar die Entglei­
sung eines Zuges wurde in der Planung
berücksichtigt. Eine solche könnte zu einer
Beschädigung einer oder mehrerer Stützen
führen, entsprechend musste die Statik
des Daches ausgelegt sein (oben)
14 Rauten mit einer
Länge von jeweils
76 Metern bilden
zusammen eine
Fläche von rund
22.500 Quadrat­
metern.
EIN DACH WÄCHST auf insge­
samt 37.000 m² Dachfläche
sowie Untersichten, davon
ca. 22.500 m² Rautendächer
mit 14 Rauten und 12.870 m²
Einzelbahnsteigdächer (links)
kein domino
bei der ­haupthalle
NEBEN DEM RAUTENDACH war auch für die
Haupthalle, die sogenannte Halle Nord, eine
Stahlkonstruktion vorgesehen. Lieferprob­
leme in der Türkei hätten aber beinahe den
sogenannten kritischen Pfad und damit den
Fertigstellungstermin des Gesamtprojekts ins
Straucheln gebracht.
HUNDERTTAUSENDE TEILE.
Schrauben, Winkel, Unter­
lagsbleche wurden vorab im
Werk mit einem Code ver­
sehen, um den Überblick zu
bewahren (links)
SOLIDE KONSTRUKTION. Für
jede einzelne der 14 Rauten
wurde ein Monat Konstruk­
tionszeit berechnet – jede ist
ein Unikat (links)
Als kritischen Pfad bezeichnet man den genau
festgelegten Ablauf einer Baumaßnahme:
Wann muss was fertig sein und welcher Schritt
folgt auf welchen, damit am Ende alles zu
einem guten Ende führt. Gibt es auf diesem
Weg jedoch irgendwo ein Problem, droht der
bekannte Dominoeffekt. Bei der Halle Nord
war es der Lieferant eines Lieferanten der
ausführenden Firma, der das Rohmaterial nicht
zeitgerecht geliefert hatte. Von der Fertigstel­
lung der Halle Nord wie geplant hingen jedoch
die Errichtung und die Einrichtung einer Tech­
nikzentrale auf deren Dach ab. Und zwar der
Technikzentrale, ohne die die gesamte Haus­
technik des Hauptbahnhofs nicht in Betrieb
gehen konnte.
Eine mehr als kritische Situation, zumal auch
noch Dezember war. Ein Monat, in dem zu­
meist Winter ist und der jedenfalls viele Feierta­
ge hat. Trotzdem gelang es der ausführenden
Firma dank des milden Wetters und indem
schließlich sogar in drei Schichten und auch an
den Feiertagen gearbeitet wurde, die verlorene
Zeit wieder wettzumachen. Der fixierte Mei­
lenstein „Fertigstellung bis zum Jänner/Februar
2014“ konnte so gehalten werden. Oder anders
gesagt: Der Dominoeffekt konnte rechtzeitig
gestoppt werden.
stationen 45
rautendach und halle nord
installiert, über die man auf das Dach gelangt.
Einmal oben hätte es Gitterstege und Handläufe gebraucht, um das Dach vollständig begehbar zu machen. Kein schöner Anblick für
eine Landmark. In Abstimmung mit den zuständigen Behörden wurde eine alternative
Lösung gefunden. Seilsicherungen, wie sie Bergsteiger benutzen, und statt der Gitterstege eine
Mischung aus Sand und Epoxidharz, die als
„Gehwege“ auf die Aluminiumhaut aufgebracht
wurde und so für eine raue, trittsichere Oberfläche sorgt, ohne der Optik Abbruch zu tun.
BAU
KEINE RAUTE GLEICHT DER ANDEREN. Bei der Pla-
nung des Rautendachs war somit jede Eventualität berücksichtigt. Die Errichtung selbst stellte
trotzdem eine Herausforderung dar. Denn die
Stahlbetonsäulen, auf die das Dach aufgesetzt
wurde, mussten auf den halb fertigen Bahnsteigen errichtet werden.
Und die stellten mit einer Breite von maximal 13 Metern – teilweise verjüngen sich die
Bahnsteige sogar auf nur zehn Meter – eine
äußerst beengte Arbeitsfläche dar. Aber nicht
nur deswegen wurde das Rautendach in vielen
– sehr vielen – kleinen Teilen angeliefert. Denn
der beste Brand- und Korrosionsschutz für
Stahl ist Verzinken – ein Vorgang, der in einem
Zinkbad erfolgt und daher die Größe der Teile
ohnedies limitiert. Nur die Querrahmen waren
zu groß und zu schwer, um sie vorab verzinken zu können. Diese waren alle 38 Meter in
Bahnsteigrichtung vorgesehen und mussten
vor Ort in mehreren Arbeitsschritten beschichtet werden. Ein mühsamer Vorgang, bei dem
Genauigkeit trotzdem die oberste Maxime war.
Da war es fast schon einfacher, die in Summe einige Hunderttausend Teile (inklusive
Schrauben, Winkel und Unterlagsbleche), die
vorab im Werk mit einem Code versehen und
möglichst „just in time“ angeliefert wurden,
zu verschrauben oder zu verschweißen. Trotzdem eine Aufgabe für Puzzlefreunde, denn die
Enden des Hauptbahnhofs liegen in einem
Bogen und das hat zur Folge, dass keine Raute
der anderen gleicht. 
Richtung Osten
geht die dynamische
Rauten-Struktur in
ein System von
Flach­dächern über,
welche die einzelnen
Bahnsteige vor der
­Witterung schützen.
LICHTBLICK. Form und Funk­
tion vereinen sich in den
Lichtdurchlässen. Hier wird
das Rautenthema wieder auf­
genommen und wiederholt
(rechts)
46 stationen
kein bahnhof für tauben
THOMAS BRUNNER war als Projektkoordinator
unter anderem für das Rautendach des Haupt­
bahnhofs zuständig. Brunner: „Die Taubenab­
wehr war ein großes Thema, nicht nur beim
Rautendach, sondern beim gesamten Bahnhof.
Die Taubenabwehr war sogar ein eigenes Paket
in der Ausschreibung.“
Die Vorgabe lautete, Tauben so wenig Sitzoder Nistplätze wie möglich anzubieten. Beim
Rautendach wurden daher Beleuchtungen und
andere Installationen, soweit möglich, in die
Dachuntersicht integriert. Was nicht verbaut
werden konnte wie Anzeigetafeln und Beschil­
derungen, wurde mit einer Taubenabwehr
versehen. Brunner: „Wir haben uns alle Systeme
angeschaut, die elektrische Taubenabwehr mit
Niedervoltspannung funktioniert am besten.“
Dabei handelt es sich um spannungsführende
Drähte, die z. B. entlang der gläsernen Lärm­
schutzwände, Anzeigetafeln, Hinweistafeln etc.
im Abstand von einigen Zentimetern gespannt
sind und verhindern, dass sich Tauben direkt
auf die Objekte setzen können. Sollten es die
Tauben trotzdem versuchen, bekommen sie
einen unangenehmen, aber nicht tödlichen
Stromschlag. Ergänzend wurden auch soge­
nannte Taubenschaukeln installiert. Drähte, die
mit einer Feder fixiert sind und sich bewegen,
sobald sich Tauben daraufsetzen. Und das mö­
gen Tauben auch nicht so gerne.
LOGISTISCHE HERAUSFORDE­
RUNG. Vom ersten Stahlquerrah­
men bis zur fertigen Untersicht
musste über die gesamte Fläche
jeder Schritt im Voraus geplant
werden (oben)
SKELETT MIT INHALT. Hier
führen unter anderem Strom-,
Wasser- sowie Datenleitungen
hindurch, auch Befesti­gungen
für die späteren Signale wurden
vorbereitet (links)
STAHLKONSTRUKTION. Insge­
samt sind im Hauptbahnhof
7.000 Tonnen Stahl verbaut,
etwa ähnlich viel wie beim
Eiffelturm (unten)
diamond-shaped roof: form meets function
The diamond-shaped roof turns
Vienna Main Station into a
landmark. Right from the start of
planning, the intention was for
the train station at the heart of a
new district to set an architectural
milestone. It should be a real landmark, a structure which in addition to its significance as a major
hub should also offer something
special in terms of architectural
design.
As most of the train station is
underground, only the roof came
into question, a construction which
extends horizontally as opposed
to vertically. A terrific task which
the commissioned working group
“ARGE Wiener Team” together
with the team of architects at
Hotz/Hoffmann/Wimmer accomplished and implemented fabulously with an excellent draft that
has received numerous awards.
Fourteen diamonds, each with a
length of 76 meters form a total
area of more than 22,000 square
meters; 260 meters at the longest
and 120 meters at the widest
point and up to 15 meters above
platform level. Towards the east
the dynamic diamond structure
transforms to a system of flat roofs
which protects the individual
platforms from the elements. In
total, an area of more than 35,000
square meters is covered.
As lovely as the form of the roof is,
it was very difficult to turn such
a draft into reality because construction specifications had to be
considered just as much as official
requirements. One of these was the
contingency that a burning train
pulls into the train station and
comes to a stop under the roof. In
such a case, the roof would have to
be able to withstand the fire long
enough to evacuate everyone and
at the same time let the smoke and
fumes dissipate.
stationen 47
umwelt
EIN BAHNHOF
ALS ENERGIEQUELLE
GEOTHERMIE. Die im Fundament einbeto­
nierten mit Glykol gefüllten Schläuche ermög­
lichen eine Absorberfläche von insgesamt
mehr als 30.000 Quadrat­metern (oben)
BAU
Der Wiener Hauptbahnhof pro­
duziert einen Teil der benötigten
Energie für Strom und Wärme
selbst. Und zwar nachhaltig dank
Fotovoltaik, Geothermie und
Rückgewinnung.
D
ie Bahn ist ja per se ein nachhaltiges Verkehrsmittel, das die Umwelt schont. Mehr
als drei Millionen Tonnen CO2 ersparen
die ÖBB mit ihren Schienenverkehrsleistungen
Österreich pro Jahr. Kein Polster, auf dem man
sich ausruht. Innerhalb des Konzerns beschäftigt sich eine eigene Abteilung mit den Themen
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Themen,
die natürlich auch beim Hauptbahnhof Wien
ganz oben auf der To-do-Liste standen.
Naheliegend war es, auf dem Dach der
neuen Verkehrsstation Fotovoltaik-Paneele
zur Stromgewinnung zu installieren. Da die
einzelnen Rauten aber tiefe Schatten werfen,
weil Firste und „Täler“ versetzt sind, wurden
die von den Rauten nach Osten auslaufenden Einzelbahnsteigdächer mit Solarpaneelen
ausgerüstet. Mit einer Ausnahme: Aufgrund
einer 110-kV-Stromleitung mit vier Kabelpaaren, die genau über die mittleren Rauten und
das Einzelbahnsteigdach über die Bahnsteige
7/8 führt, wäre aufgrund des Schattenwurfes
der einzelnen Stromkabel auf die Fotovoltaik-Paneele die Stromausbeute so beeinträch-
48 stationen
tigt, dass die Paneele hier weggelassen wurden.
Trotzdem konnten in Summe 1.000 Quadratmeter Kollektoren mit einer maximalen
Ausbeute von 141,2 Kilowatt Spitzenleistung
installiert werden. Die Jahresleistung der Fotovoltaik-Anlage beträgt 128 Megawattstunden,
die in das hauseigene Stromnetz eingespeist
werden. Das sind zwar nur rund zwei Prozent
des gesamten Energieverbrauchs des Hauptbahnhofs, dennoch werden damit rund 52 Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß vermieden.
Deutlich mehr an Energie liefert die Geothermie, wenngleich auch deren Einsatz in der
ursprünglichen Planung umfangreicher war.
Nachdem die Tiefenfundierung des Gebäudes
jedoch auf eine Flachfundierung umgestellt
wurde (siehe: „Rohbau“, Seite 36), musste die
Geothermie entsprechend reduziert werden.
Die dazu im Fundament einbetonierten mit
Glykol gefüllten Schläuche ermöglichen eine
Absorberfläche von insgesamt mehr als 30.000
Quadratmetern, die sowohl im Sommer als
auch im Winter einen wesentlichen Beitrag zur
angenehmen Temperierung im Hauptbahnhof
Wien leistet. Die Kälteleistung beträgt 475 Megawattstunden und deckt 13 Prozent des Bedarfs
für Lüftung und Klimaanlagen ab. An Wärme
werden 1.880 Megawattstunden und damit ein
Viertel des benötigten Heizaufwands für den
Hauptbahnhof selbst produziert.
In Summe vermeiden die ÖBB damit immerhin 415 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr. Die
darüber hinaus benötigte Energie wird extern
betonerzeugung vor ort
UM DIE AUSWIRKUNGEN des Projekts Haupt­
bahnhof auf unterschiedlichste Bereiche zu
erfassen, wurden im Vorfeld drei Umweltver­
träglichkeitsprüfungen durchgeführt – für die
Bahninfrastruktur, den neuen Stadtteil und die
neuen Straßen. Daraus resultierte eine Reihe
von Maßnahmen, die gesetzt wurden, um die
Belastungen für die Umwelt, aber auch für die
AnrainerInnen so gering wie möglich zu halten.
Auch bei den Bauarbeiten selbst und beginnend
mit dem Abbruch (siehe: „Abriss“, Seite 28).
Eine der Maßnahmen, die vor allem dazu die­
nen sollte, Lkw-Fahrten zu reduzieren, war, auf
der Baustelle eine eigene Betonmischanlage zu
installieren. Bis zu 180 Kubikmeter Beton konn­
te die baustelleneigene Betonfabrik pro Stunde
produzieren. Vor Ort und genau dann, wenn er
gebraucht wurde. Ein Umstand, der sich beim
Betonieren des Fundaments und der Brücke
über die Laxenburger Straße, die aus vier Trag­
werken besteht und deren einzelne Abschnitte
in einem Zug betoniert werden mussten, auch
logistisch als äußerst nachhaltig und wirtschaft­
lich erwies. Denn so konnten beide Bauwerke
in einem Zug betoniert werden, ohne zu riskie­
ren, dass die Lieferkette unterbrochen würde,
und ohne auf den umliegenden Straßen
Staus zu produzieren.
bezogen – als Fernwärme und Fernkälte, die vor
Ort in der von den ÖBB direkt unter den Gleisen errichteten und von der Fernwärme Wien
betriebenen Fernkältezentrale produziert wird.
ENERGIE VON OBEN. 1.000
Quadratmeter Kollektoren mit
einer maximalen Ausbeute
von 141,2 Kilowatt Spitzen­
leistung (oben)
ENERGIE VON UNTEN. Die
Kälteleistung beträgt 475
Megawattstunden und deckt
13 Prozent des Bedarfs für
Lüftung und Klimaanlagen
ab (links)
environment: a train station as energy source
Vienna Main Station produces
some of the energy needed for
electricity and warmth itself sustainably at that thanks to photovoltaics, geothermal energy and
recovery. It made sense to install
photovoltaic panels on the roof of
the station to generate electricity.
Since the individual diamonds
cast deep shadows because the
ridges and valleys are staggered,
the individual platform roofs
were equipped with solar panels.
The annual output of the photovoltaic facility is 128 megawatt
hours. Considerably more energy
is generated by geothermal energy. The cooling capacity is about
475 megawatt hours and covers
13 percent of the requirement for
ventilation and air conditioners.
In terms of warmth, the train
station produces 1,880 megawatt
hours or one-quarter of the heating
requirement. One measure that
is paying off economically is heat
recovery. The warmed outgoing air
leaving the rooms in the winter
warms up the cool incoming air. In
summer, it is exactly the opposite
since the incoming air is cooled
by the outgoing air. This makes it
possible for the shopping center
BahnhofCity to manage with half
the energy which a comparable
above-ground building would require. Even the escalators are used
to generate energy. Once a certain
capacity has been reached, the load
is so great that the escalator is no
longer driven by the motor, but, instead, is practically kept in motion
by the sheer weight of the people.
The same goes for the elevators at
Vienna Main Station.
MENSCHEN MACHEN ENERGIE. Eine Maßnahme,
die sich wirtschaftlich sehr gut rechnet, ist die
Wärmerückgewinnung. Dabei wird mit der aus
den Räumen zurückströmenden, aufgewärmten Abluft im Winter die kühl einströmende
Zuluft aufgewärmt. Im Sommer ist es genau
umgekehrt, da wird die Zuluft durch die Abluft
gekühlt. Dies sorgt dafür, dass die BahnhofCity
(auch aufgrund der unterirdischen Lage) fast
mit der Hälfte der Energie auskommt, die ein
vergleichbarer Hochbau benötigen würde.
Beim Hauptbahnhof Wien werden sogar die
Rolltreppen zur Energiegewinnung genutzt.
Denn ab einer gewissen Belegung mit Menschen ist die Last so groß, dass eine Treppe
nicht mehr vom Motor angetrieben, sondern
vom Gewicht der Menschen praktisch selbst
in Bewegung gehalten wird. Statt die Treppe zu
bremsen, kann dieses Zuviel an Energie zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Der Motor
wird also zum Generator. Die Kosten für eine
solche Installation sind vergleichsweise gering,
die Wirkung ist umso nachhaltiger. Gleiches
gilt auch für die Aufzüge am Hauptbahnhof
Wien, die ebenfalls zur Stromerzeugung genutzt werden. 
wassernutzung
im schongang
UM TRINKWASSER nicht für die WC-Spülungen
der Personenwagen zu verschwenden, wurde
entlang der tiefer liegenden S-Bahn-Stamm­
strecke im Bereich vor der Einfahrt in die
S-Bahn-Station Hauptbahnhof/Südtiroler Platz
ein Grauwasserspeicher angelegt. Auf einer nur
durch Gleise genutzten Fläche wird sämtliches
Regenwasser über das natürliche Gefälle in den
Grauwasserspeicher geleitet. Rund 1.500 Kubik­
meter Regenwasser können in diesem gespei­
chert werden. Verwendet wird dieses Wasser
zum Befüllen der Tanks für die Zugtoiletten und
zum Reinigen der Züge in der nebenan befind­
lichen Waschanlage. Da das Abwasser in der
Waschanlage gefiltert und mehrmals verwendet
wird, wird dabei ein sehr hoher Wiederver­
wertungsgrad erreicht.
stationen 49
haustechnik
EIN KLIMA
WIE IM
URLAUB
BAU
Angenehme 20 Grad das ­ganze
Jahr über, saubere Luft und in
puncto Sicherheit an alles
­gedacht – der Wiener Hauptbahn­
hof spielt auch haustechnisch
alle Stückerl.
R
iesige Blechkanäle mit einem Querschnitt
von einigen Quadratmetern, in denen
frische Luft hinein- und schlechte Luft
hinaustransportiert wird, Ventilatoren – groß
wie Flugzeugtriebwerke –, Brandrauchklappen
und Brandschutztüren, Stromleitungen und
Wasserrohre, Brandmelder und Sprinkler, die
im Notfall für Sicherheit sorgen. Was einen modernen Bahnhof samt Einkaufszentrum heute
ausmacht, sind nicht nur Stahl und Beton, sondern auch die Haustechnik, die sich wie Adern
und Nerven im menschlichen Körper durch
das ganze Gebäude schlängelt.
Die wahre Kunst moderner Haustechnik liegt
aber nicht nur in der Qualität der Ausführung,
sondern in deren Regelung. Denn erst das perfekte Zusammenspiel aller technischen Installationen garantiert höchste Sicherheit und
schafft rundum Behaglichkeit – das höchste
der Gefühle, für das Haustechnik sorgen kann.
Aus dieser Sicht ist der Hauptbahnhof Wien
ein ganz besonderes Bauwerk. Da wäre einmal
der über allem anderen stehende Sicherheitsanspruch einer Verkehrsstation, die von bis zu
150.000 Menschen pro Tag frequentiert wird.
Dazu braucht es für so viele Menschen entsprechende Sanitäreinrichtungen, Heizung, Küh-
50 stationen
lung und frische Luft – insbesondere in den
Geschäften und Gastronomieeinrichtungen
der BahnhofCity.
Die Anforderungen sind jedoch nicht immer
gleich. Während man bei einem Restaurant die
Geruchsentwicklung durch spezielle Be- und
Entlüftungen vermeiden möchte, muss man
in einem Shop, in dem Waren mit viel Licht
in Szene gesetzt werden, Wärme abführen. In
einem Supermarkt wiederum muss genügend
Kühlleistung vorhanden sein, um die Waren
zu kühlen.
Beim Hauptbahnhof Wien kommt noch hinzu, dass das Gebäude zum größten Teil unterirdisch liegt und die Decke des Gebäudes eine
Brücke ist, auf der sich Züge bewegen. Ersteres
bringt durchaus auch Vorteile, Letzteres stellte
für die Planung und Installation der Haustechnik eine echte Herausforderung dar.
FERNKÄLTE. Aus der nahegelegenen Fernwärmebzw. Fernkältezentrale für das gesamte neue
Stadtviertel gelangt die Fernkälte in den „Bauch“
des Hauptbahnhofs (oben)
20 GRAD ALS IDEALTEMPERATUR. Üblicherweise
hat ein Gebäude, das sich in die Höhe streckt,
Fenster, die man öffnen kann. Für die/den
Haus­technikerIn – und auch für die zuständigen Behörden – sind diese daher Teil der
Lüftung. Bei einem Gebäude, das unter der
Erde liegt, ist das nicht so. Dieses muss zu 100
Prozent mechanisch belüftet werden. Entsprechend ziehen sich quer durch den gesamten
Hauptbahnhof kilometerlange Blechkanäle,
die frische Luft zu den einzelnen Geschäften
und in die Verteilerhalle transportieren und
schlechte Luft wieder herausholen. Das hat
Vorteile, aber auch Nachteile.
Vorteile sind, dass die Luft gefiltert, be- oder
entfeuchtet und beheizt oder gekühlt werden
kann. Man kann also das ganze Jahr über für
ein konstantes und perfektes Klima sorgen.
Für den Hauptbahnhof Wien wurden dafür 20
Grad als ideale Temperatur festgelegt. Ein Wert,
der für Reisende mit Bekleidung und Gepäck
nicht zu warm ist, der aber auch nicht zu kühl
ist für die im Bahnhof und in den Geschäften
der BahnhofCity Arbeitenden: ZugbegleiterInnen, Sicherheitspersonal, MitarbeiterInnen der
Zugauskunft und des Reisebüros, Hilfs- und
Reinigungspersonal ebenso wie Bankangestellte, VerkäuferInnen, Köchinnen und Köche
sowie KellnerInnen.
Da sich die Luft in den Innenräumen in
Abhängigkeit der Außentemperatur, aber auch
durch die Körperwärme von Tausenden Per-
LÜFTUNGSSTEUERUNG. Von diesem Paneel
aus wird bei einem Service ein Teil der Belüftung
des Gebäudes gesteuert (oben)
Ventilatoren – groß
wie Flugzeugtrieb­
werke –, Brand­
rauchklappen und
Brandschutztüren,
Stromleitungen
und Wasserrohre,
Brandmelder und
Sprinkler …
FERNWÄRME UND WÄRME­
PUMPE. Von der Haustechnik­
zentrale aus führen die Wärme­
leitungen (silber) wie Adern
durch das ganze ­Gebäude
(oben)
BRANDSCHUTZ. In Summe
musste den Behörden für rund
1.000 Szenarien der Nachweis
erbracht werden, dass alles
auch dann perfekt funktioniert,
wenn es muss – hier bei einer
Katastrophenübung mit Ein­
satzkräften bei einer simulier­
ten Bankomatsprengung (links)
ein job, der auch
gemacht werden muss
DIE TIEFE LAGE DER VERKEHRSSTATION und der
BahnhofCity brachte mit sich, dass das kom­
plette Gebäude „wassertechnisch aufgehoben“
werden musste. Um Verstopfungen zu verhin­
dern, wurde bis dato das Abwasser von Bahn­
höfen durch eine Zerkleinerungsanlage geleitet.
Am Hauptbahnhof Wien wird ein neues, um­
weltfreundlicheres System eingesetzt. Zwei
autarke Pumpen sorgen dafür, dass alles, was
im Abwasser nichts zu suchen hat, abgesondert
wird und in einem separaten Vorratsbehälter
landet. Dieser muss natürlich von Zeit zu Zeit
geleert werden. Bei Lost&Found landen diese
Dinge aber in der Regel nicht. Michael Jelle­
schitz, als Baumanager für das Gewerk Haus­
technik verantwortlich: „Eine Geldbörse, die
über Wochen Fäkalabwässern ausgesetzt ist,
wird wohl niemanden mehr interessieren.“
stationen 51
haustechnik
SILBER UND FUNKTIONAL
winden sich die Rohre des
­Heizungsverteilers – das Herz
der Heizungsanlage in der
Technik­zentrale des Haupt­
bahnhofs (links)
IN DEN PLATTENWÄRMETAU­
SCHERN wird das von der Fern­
wärme angelieferte Heißwasser
auf die notwendige Heiztempe­
ratur von rund 70 Grad Celsius
angepasst (rechts)
BAU
bereit für den ernstfall
PAPIER IST BEKANNTLICH GEDULDIG, eine Ga­
rantie, dass alles reibungslos klappt, ist auch
die detaillierteste Planung keine. Oder wie es
Michael Jelleschitz, als Baumanager für das
Gewerk Haustechnik verantwortlich, formu­
liert: „Was ich theoretisch auf Excel-Listen und
Plänen zu Papier bringe, muss ich irgendwann
auch umsetzen. Und das nicht nur im Normal­
betrieb, sondern auch im Ernstfall.“ Also muss­
ten vorab sämtliche möglichen Notfall-Szenari­
en für den Hauptbahnhof Wien durchgespielt
werden. Und das für jeden einzelnen Brand­
abschnitt. In Summe musste den Behörden für
rund 1.000 Szenarien der Nachweis erbracht
werden, dass alles auch dann perfekt funktio­
niert, wenn es muss.
Tagsüber, während die Bauarbeiten liefen, war
das nicht möglich. Jelleschitz: „Das Einschalten
der Ventilatoren hätte enormen Staub aufge­
wirbelt und Bau- sowie Verpackungsmaterial
wären durch die Gegend geflogen.“ Man
entschied daher, die Probeläufe in die Nacht­
stunden und aufs Wochenende zu verlegen.
Eine Belastung wiederum für die AnrainerInnen.
Jelleschitz: „So ein Ventilator macht einen mit
einem startenden Flugzeug vergleichbaren
Lärm.“ Aufgrund von Vorinformationen und des
stets gepflegten guten Einvernehmens gab es
aber keine Probleme mit den AnrainerInnen.
Auch die Praxissimulationen selbst liefen weit­
gehend problemfrei. Ein echtes Problem, das
aber zeitgerecht geklärt werden konnte, stellte
sich nur einmal. Bei einer Fluchttür, die sich
öffnen sollte, ging nur ein Flügel auf. Jelleschitz:
„Ein Kabel für den Antriebsmotor war zwar ver­
legt, aber nicht angeschlossen worden.“
52 stationen
sonen, Beleuchtung, Maschinen und Geräte
aufwärmt, muss diese vor allem im Sommer
gekühlt werden. Aufgrund der unterirdischen
Lage beschränkt sich die Energie, die es zum
Kühlen braucht, die sogenannte Kühllast, jedoch auf fünf Megawatt. In einem oberirdischen gläsernen Bürogebäude wären es acht
Megawatt, ein Energiemehraufwand von 60
Prozent.
Im Sinne der nachhaltigen Energienutzung
beim Hauptbahnhof Wien wird ein Teil der
Wärme zudem rückgewonnen und die sogenannte Erstenergie mithilfe von Geothermie
und Fotovoltaik selbst produziert (siehe: „Umwelt“, Seite 48). Eine Produktion, die beispiels-
weise ausreicht, dass das komplette Einkaufszentrum bis zu einer Außentemperatur von
minus sieben Grad über die im Boden installierte Fußbodenheizung auf 20 Grad gehalten
werden kann. Die darüber hinaus benötigte
Energie wird im Winter durch Fernwärme und
im Sommer durch Fernkälte in das System
eingespeist. Regelkreise, die ebenfalls mithilfe
intelligenter Haustechnik gelöst wurden.
Die mechanische Be- und Entlüftung, samt
Filterung, Heizung und Kühlung der Außenluft,
sorgt dafür, dass sich die Frischluftzufuhr, abhängig von der Außentemperatur, auf im Schnitt
zwischen zehn und 15 Prozent beschränkt.
Gesteuert wird diese Luftzufuhr beim Haupt-
die sicherheitsrelevanten Anlagen, die im Falle
eines Brandes den Rauch seitlich ausblasen und
frische Luft zur Rauchverdrängung seitlich
ansaugen müssen.
IDEALES KLIMA. Man kann das ganze Jahr
über für ein konstantes und perfektes Klima
sorgen. Für den Hauptbahnhof Wien wurden
dafür 20 Grad als ideale Temperatur festgelegt
(oben)
RIESIGE BLECHKANÄLE mit einem Querschnitt
von einigen Quadratmetern, in ­denen frische
Luft hinein- und schlechte Luft hinaustranspor­
tiert wird (oben)
bahnhof über den CO2-Gehalt der Luft. Sensoren in den Räumen messen dazu laufend die
Luftqualität. Steigt der CO2-Gehalt der Luft,
sind also mehr Menschen im Raum, wird automatisch mehr Frischluft zugeführt. Umgekehrt wird die Luft in Räumen, wo sich selten
Menschen aufhalten, mit weniger Frischluft
durchströmt. Dieser Raum ist quasi im Energiesparmodus, der Frischluftmodus wird erst
aktiviert, wenn sich Menschen darin aufhalten.
Üblicherweise wird diese Luft über das Dach
angesaugt beziehungsweise abgeblasen. Beim
Hauptbahnhof Wien verkehren jedoch dort
die Züge, Zufuhr und Abfuhr der Luft müssen
daher seitlich erfolgen. Analoges gilt auch für
ALLES FÜR DEN BRANDSCHUTZ. 140.000 Sprinklerköpfe sind am Hauptbahnhof Wien installiert
und über Wasserleitungen, die ständig unter
Druck stehen, mit sechs Sprinklerbecken verbunden. Diese befinden sich im zweiten und
im ersten Untergeschoss und sind mit je 200
Kubikmeter Wasser gefüllt. In Summe 1.200
Kubikmeter und damit die doppelte Menge,
die benötigt wird, um den gesamten Bahnhof im Brandfall besprinkeln zu können. 50
Zentimeter könnte man alle Geschosse des
Hauptbahnhofs mit dieser Bevorratung unter
Wasser setzen und so die Ausbreitung eines
Brandes verhindern.
Dazu kommen fünf Hydranten, um einen
Brand von außen zu bekämpfen, sowie Feuerlöscher, die im gesamten Gebäude installiert
sind. Im Ladehof, der den Pächtern des Einkaufszentrums als Zufahrt dient, wurde zudem
eine Trockenlöschleitung installiert, die auch
bei Minusgraden einsatzfähig ist. Zusätzlich
ist jede einzelne Pachtfläche als eigener Brandabschnitt mit speziellen Brandschutzvorhängen
gesichert, die im Falle eines Brandes den betroffenen Raum von den nicht betroffenen Flächen isolieren. Ein Vorgang, der mit der nötigen
Warnung und Zeit erfolgt, um den Menschen
die Flucht aus diesem Bereich zu ermöglichen.
Außerdem wurden in der Verteilerhalle in Abständen von 30 bis 40 Metern Rauchschürzen
installiert, die einen Bereich nicht ganz bis zum
Boden abschließen. Damit bleiben die Fluchtwege für Menschen offen, der aufsteigende Rauch
wird jedoch abgefangen und kann sich nicht auf
das gesamte Gebäude ausbreiten.
In den Geschäften wurde zudem die Be- und
Entlüftung so ausgestattet, dass diese im Falle eines Brandes auch zur Entrauchung und
Rauchgasverdünnung eingesetzt werden kann.
Die Dimension ist dabei der jeweiligen Brandlast angepasst, also der Menge an brennbarem
Material im jeweiligen Abschnitt. Denn die
Brandlast ist beispielsweise in einem Blumengeschäft eine andere als in einem Mode- oder
einem Schuhgeschäft, in dem viele Kartons
gelagert sind.
Der akustische Brandalarm, das Senken der
Rauchvorhänge und Rauchschürzen, das Versprühen von Wasser durch die Sprinkler – all
das wird von Brandmeldern ausgelöst, von
denen im Hauptbahnhof mehr als 4.000 an
den Decken und in Zwischendecken installiert
sind. Sobald mehr als drei aktiv werden, ist
nicht mehr nur die hauseigene Technik- und
Sicherheitszentrale alarmiert, sondern automatisch auch die Hauptfeuerwache in Wien
Favoriten, zu der eine direkte Alarmleitung (ein
sogenanntes tonfrequentes Übertragungssystem – TUS) führt.
Wie komplex moderne Haustechnik ist, zeigt
der Umstand, dass im Falle eines Brandes nicht
nur Brandmelder, Sprinkler und Ventilatoren
zusammenspielen müssen, auch Klappen und
Türen müssen sich genau so schließen oder
öffnen wie für das jeweilige Szenario geplant.
So erzeugt beispielsweise das Absaugen der
Rauchgase einen Unterdruck im Gebäude.
Um diesen auszugleichen, öffnen sich automatisch bestimmte Türen – je nachdem, wo der
Brand detektiert wurde, da sie sich (durch das
„Zusaugen“) händisch von den Flüchtenden
nicht mehr so einfach öffnen ließen. Über die
automatisch geöffneten Türen erfolgt zudem
die Zufuhr von Frischluft. Eine sogenannte
„Brandfallsteuermatrix“ in der Software, welche
die gesamte Haustechnik steuert, legt exakt fest,
welche Vorgänge wann, wo und wie ausgelöst
werden. 
Die wahre Kunst
moderner Haus­
technik liegt aber
nicht nur in der
Qualität der Ausfüh­
rung, sondern
in deren Regelung.
stationen 53
innenausbau und pächterausbau
FÜR MASSEN GERÜSTET.
Langfristig werden bis zu
150.000 Menschen pro Tag
auf drei Ebenen den Bahnhof
und die BahnhofCity mit ihrer
Shoppingmall frequentieren
BAU
EIN GANZ BESONDERES
­EINKAUFSZENTRUM
Die BahnhofCity Wien Haupt­
bahnhof ist kein Einkaufs­
zentrum wie jedes andere. Darauf
mussten auch die zukünftigen
Pächter der insgesamt 20.000
Quadratmeter Verkaufs- und
Gastronomieflächen vorbereitet
werden.
R
und 90 Shops und Gastronomiebetriebe, darunter ein Interspar-Supermarkt,
Modegeschäfte und Designläden, aber
auch Restaurants, Bäckereien und Cafés. Der
Hauptbahnhof Wien macht auch als Einkaufszentrum einiges her. Unter der Woche hat die
BahnhofCity Wien Hauptbahnhof bis 21:00
Uhr geöffnet, viele Geschäfte und Lokale haben aber auch am Sonntag und an den Feiertagen geöffnet. Dazu kommt eine perfekte
Anbindung und Erreichbarkeit: Neben Bahn,
Bus, Straßenbahn und U-Bahn runden 600
Parkplätze für den Individualverkehr dieses
Angebot ab.
Trotzdem ist ein Einkaufszentrum in einem
Bahnhof kein Einkaufszentrum wie jedes andere. Denn in die BahnhofCity kommen nicht
nur Menschen zum Einkaufen. Langfristig
werden bis zu 150.000 Menschen pro Tag auf
drei Ebenen den Bahnhof und die BahnhofCity mit ihrer Shoppingmall frequentieren.
Als Reisende, aber auch als Menschen, die in
54 stationen
dem neuen Stadtteil arbeiten und leben. Ein
großer Personenstrom also, der in einem Notfall sicher und schnell evakuiert werden muss.
Im Falle der BahnhofCity Wien Hauptbahnhof kommt als weitere Besonderheit
hinzu, dass die Bahnsteige und Gleise der
Verkehrsstation das Einkaufszentrum überbrücken. Und das ganz im Sinne des Wortes:
Brücken-Tragwerke bilden die Decke des Einkaufszentrums – und damit auch der einzelnen darunterliegenden Geschäfte. Und man
weiß: Brücken, insbesondere dieser Größe,
bewegen sich – und das in alle Richtungen. Die
Gründe dafür sind Temperaturschwankungen und im Falle eines Bahnhofs außerdem
die Brems- und Beschleunigungskräfte der
darauf fahrenden Züge. Daraus ergaben sich
für das Einkaufszentrum und die Geschäfte
besondere Vorgaben: Sämtliche Zwischenmauern durften mit dem Brücken-Tragwerk keine
feste Verbindung haben, um Risse oder sonstige Schäden zu vermeiden. Ebenso mussten
Strom, Wasser und Lüftungsdurchführungen
„elastisch“ durch die Mauern geführt werden,
damit sie nicht brechen oder reißen. Vor allem mussten aber auch sämtliche Übergänge
zwischen den einzelnen Räumen als eigene
„Brandabschnitte“ abgegrenzt werden.
Alles Maßnahmen, die für die Pächter in der
BahnhofCity Hauptbahnhof Wien neu, aber
streng einzuhalten waren. Nur eine kleine
Abweichung hätte die behördliche Abnahme
des großen Ganzen verhindert.
PÄCHTER MUSSTEN FRÜH AN BORD. Alleine die
Festlegung der Termine, wann die Pächter auf
die Baustelle dürften und wann sie Zeit hätten,
ihre Flächen zu gestalten, war bei 90 Pächtern,
welche alle ihre eigenen Planer und ausführenden Firmen mitbrachten, nicht leicht zu organisieren. In den Wochen kurz vor Eröffnung
im Oktober 2014, als so gut wie alle Pächter
gleichzeitig ihre Geschäfte mit Waren füllen
wollten, gestaltete sich der Pächterausbau als
logistische Herausforderung.
Für die Pächter der BahnhofCity außergewöhnlich war zudem der Umstand, dass sie weit
früher als sonst bei einem Einkaufszentrum üblich ihre Anforderungen und Wünsche die technische und sonstige Infrastruktur betreffend
bekannt geben mussten. Also, welchen Bedarf
an Strom, Wärme und Kälte, aber auch Zu- und
Abluft sie hatten und wo diese Installationen auf
ihrer Fläche benötigt wurden. Bedingt durch die
technischen Besonderheiten wie Brandschutz,
Brandrauchentlüftung, Statik und Evakuierung
im Notfall war es wichtig, diese Informationen
teils zwei bis drei Jahre vor Eröffnung zu fixieren. Für Handelsketten, die ihre Shop-Konzepte
oft sehr kurzfristig ändern, war das nicht immer
möglich. Wo diese Informationen nicht zu bekommen oder wo Flächen noch nicht vergeben
waren, mussten die ÖBB selbst entscheiden, wie
eine Fläche ausgestattet wird, um den Baufortschritt insgesamt nicht zu gefährden.
Wie überhaupt die ÖBB bedingt durch die
Verzahnung des Einkaufzentrums mit der Ver-
stationen 55
innenausbau und pächterausbau
kehrsstation anders als bei reinen Einkaufszentren das technische Gesamtkonzept mit allen
sicherheitsrelevanten Randbedingungen wie
Brandschutz und Fluchtwege nie aus den Augen
verlieren durften.
Neu für die Pächter der BahnhofCity Hauptbahnhof Wien war vor allem der Umstand, dass
jede einzelne Pachtfläche als eigener Brandabschnitt zu definieren war, während es sonst
üblich ist, auch mehrere Pachtflächen zu einem
Brandschutzabschnitt zusammenzufassen. Am
Hauptbahnhof galt die Vorgabe, dass bei einem
Brand in einem Geschäft kein anderes betroffen sein durfte. Daher mussten auch die Portale
der Geschäfte eine spezielle Verglasung aufweisen, die einem Brand entsprechend Wider-
zwei „reise“-zentren
der besonderen art
stand leistet. Aber auch bei der Gestaltung der
Schaufenster gab es Einschränkungen: Sowohl
außen wie auch innen musste ein Mindestabstand eingehalten werden, da die Gläser über
eine eigene Besprinkelung verfügen, die nicht
durch die Ausstellung von Waren behindert
werden darf. Vor den einzelnen Geschäftsportalen gibt es zudem Brandschutzvorhänge, die
sich im Falle eines Brandes senken und so eine
Ausbreitung der Flammen auf andere Teile
der Verkehrsstation und des Einkaufszentrums
verhindern.
Brandschutzvorhänge, die sich bis zum Boden senken, gibt es außerdem in regelmäßigen
Abständen in der Verteilerhalle, von der aus die
Reisenden zu den Bahnsteigen gelangen, sowie
in der Haupthalle des Hauptbahnhofs. Zudem
Rauchgasvorhänge, die sich nicht ganz bis zum
Boden senken. Menschen können so flüchten,
während der entstehende Rauch unterhalb der
Decke „abgefangen“ wird und sich nicht weiterausbreiten kann.
Im Falle der
BahnhofCity Wien
Hauptbahnhof
kommt hinzu,
dass die Bahn­steige
und Gleise der
­Verkehrsstation das
Einkaufszentrum
überbrücken.
NICHT ALLES IST MÖGLICH. Ganz im Sinne des
BAU
FÜR BIRGIT ZAKALL, die seitens der ÖBB bereits
die Pächterkoordination bei der BahnhofCity
West betreut hatte, war es fast ein persönlicher
Herzenswunsch: „Ein Hauptbahnhof braucht
ein Reisezentrum, wo Kundinnen und Kunden
alles bekommen: Bahninformationen, einen
Stadtplan und vielleicht auch Karten fürs The­
ater oder für ein Konzert und falls notwendig
auch ein Hotel.“ So etwas gibt es international,
in Wien jedoch noch nicht. Um aber ein solches
Reisezentrum nach internationalem Vorbild
zu realisieren, mussten mehrere Beteiligte in
ein Boot – oder genauer in eine gemeinsame
Fläche – gebracht werden. Konkret: die ÖBB,
die Wiener Linien und Wien Tourismus. Dazu
mussten jedoch erst die unterschiedlichen
Anforderungen an Kundenbereiche, Lagerund Büroflächen auf einen Nenner gebracht
werden. Was mit viel Engagement auch gelang.
Zakall: „Als ÖBB haben wir das vorausschauend
mitgesteuert, um am Hauptbahnhof Österreichs
erstes Reisezentrum zu schaffen.“
Der Hauptbahnhof Wien beherbergt aber noch
ein weiteres „Reisezentrum“: „Der Raum der
Stille“ dient der „Reise nach innen“, aber auch
als Fläche für Ausstellungen, Veranstaltungen
und Ort der Begegnung. „Einen solchen Raum
gab es davor noch auf keinem Bahnhof“, erklärt
Gerald Mitterbäck, der als Projektleiter die tech­
nischen Aspekte des Pächterausbaus verantwor­
tete: „In Österreich gibt es 16 Glaubensgemein­
schaften. Uns war es wichtig, keine zu bevorzu­
gen und einen Raum für alle zu schaffen.“
56 stationen
Brandschutzes gilt in der BahnhofCity Hauptbahnhof Wien auch, dass vor den Geschäften
weder Buch- und Zeitschriftenständer noch
die beliebten Schütten für Sonderangebote
und Textilien aufgestellt werden dürfen. Zum
einen, weil derartige Dinge eine Brandlast
darstellen, also etwas, was brennt und im Falle
eines Brandes eine zusätzliche Gefahrenquelle
darstellt. Zum anderen, weil am Hauptbahnhof permanent alle Fluchtwege frei gehalten
werden müssen, um in einem Ernstfall auch
Zigtausende Menschen rasch und gefahrlos
evakuieren zu können. Entsprechend dürfen
auch die Gastronomiebetriebe außerhalb der
für sie vorgesehenen Fläche keine weiteren
Tische aufstellen.
Dementsprechend mussten die Pächter
ihre Ausbaupläne rechtzeitig vorlegen, um
individuelle Wünsche oder Änderungen,
wo möglich, zu berücksichtigen. Dies aber
immer nach Prüfung und Abstimmung mit
dem Gesamtprojekt. In Summe gab es 150 Änderungen, die nach Vertragsunterzeichnung
noch berücksichtigt und in eigenen „Pächteränderungsblättern“ dokumentiert wurden.
Die wiederum dienten als Grundlage für die
notwendigen technischen und behördlichen
Abnahmen, aber auch für eine saubere und
GEMISCHTE AUFGABEN. Eine Halle für WindowShopping, Orientierung und Information,
aber zugleich Aufgang zu den Gleisen, ebenso
wie Wartehalle oder Durchgang
transparente Kostenabrechnung zwischen
ÖBB und Pächtern.
AUS ERFAHRUNG GUT VORBEREITET. Als große
Stärke erwies sich, dass das Projektteam der
ÖBB bei der Betreuung und Information
der Pächter – in der Phase der Planung, aber
auch vor Ort auf der Baustelle – auf Erfahrungen aufbauen konnte, die kurz davor bei
der BahnhofCity West gemacht wurden. Das
Einkaufszentrum am Wiener Westbahnhof ist
mit ebenfalls 90 Shops und einer Fläche von
17.000 Quadratmetern vergleichbar groß und
war erst 2011 eröffnet worden.
Die Erinnerungen waren also ganz frisch. So
etwa daran, dass man den Aufwand für die not-
wendigen behördlichen Genehmigungen nicht
unterschätzen darf, um zeitgerecht eröffnen zu
können. Obwohl dies eine Aufgabe der Pächter
selbst ist, übernahmen die ÖBB koordinative
Tätigkeiten und Vorarbeiten, um diese auch
dabei bestmöglich zu unterstützen. Kurz vor
der Eröffnung wurden sogar Sammeltermine
auf der Baustelle organisiert, um für alle Beteiligten (Behörden, Pächter, ÖBB) eine möglichst
effiziente und ganzheitliche Abwicklung der
Abnahmen zu ermöglichen.
Eine der wichtigsten Lehren aus der Pächterbetreuung am Wiener Westbahnhof war das
rund 20 Seiten starke Pächterhandbuch. Dieses
enthielt, individuell zugeschnitten, alle notwendigen Informationen, die für die Pächter wichtig
und einzuhalten waren. Von den besonderen
technischen und behördlichen Auflagen über
das richtige Verhalten auf der Baustelle, die
vorgeschriebene Sicherheitsbekleidung bis hin
zu den Parkmöglichkeiten und dem Weg zur
eigenen Fläche. Sogar die Orte der während der
Tätigkeit auf der Baustelle zur Verfügung stehenden Sanitäranlagen waren hier dokumentiert.
Zusätzlich stand den Pächtern der BahnhofCity vor Ort eine eigene von der ÖBB beauftragte örtliche Bauaufsicht als Ansprechpartner für technische Fragen und Anliegen zur
Verfügung, was eine effiziente Kommunikation
ermöglichte. 
PÄCHTERAUSBAU. Wenn über
dem Geschäft täglich über
1.000 Züge fahren, ist – von
Anfang an – einiges zu be­
rücksichtigen (links)
VORBEREITUNGEN. Da das
Einkaufszentrum auch ein
Bahnhof ist, mussten die
Pächter ungewöhnlich früh
ihre Wünsche und Pläne
­bekannt geben (unten)
zahlen, daten & fakten
EIN EINKAUFSZENTRUM auf drei Geschossen
läche: 20.000 m²
►F
ächter: 93
►P
tellplätze: 620, 2 h Gratis-Parken
►S
rößte Shop-Fläche: 3.500 m²
►G
leinste Shop-Fläche: 20 m²
►K
astrobetriebe: ca. 20
►G
entraler Ladehof: ca. 2.500 m²,
►Z
vier Ladebuchten für Sattelschlepper
nabhängige Belieferung und Erschließung
►U
fast aller Einkaufsflächen
ersonal für Geschäftsbetrieb: ca. 400
►P
ffnungszeiten: 9:00–21:00 Uhr, teilweise
►Ö
auch sonn- und feiertags
aum der Stille
►R
stationen 57
inbetriebnahmen
DAMIT EIN BAHNHOF
FUNKTIONIERT
BAU
Mit dem Bauen alleine ist es
nicht getan. Damit die Züge ab
dem ersten Tag auch richtig
rollen, müssen Loks und Waggons
bereitstehen und alle Weichen
richtig gestellt sein.
E
in Bahnbetrieb funktioniert wie ein Orchester, die Noten dazu legt der Fahrplan
fest. Dieser beinhaltet aber nicht nur, wann
ein Zug von welchem Bahnhof, von welchem
Bahnsteig z. B. von Wien Hauptbahnhof nach
Salzburg Hauptbahnhof fährt. Intern beinhaltet
er auch Wartungs-, Service- und Rangierfahrten,
die so getaktet sein müssen, dass sich keine
Züge in die Quere kommen. Und dazu müssen
neben dem Personal auch das entsprechende
Wagenmaterial zur rechten Zeit am rechten
Ort und die Weichen entsprechend gestellt sein.
Bei den ÖBB ist die perfekte Orchestrierung der Abläufe Aufgabe des „Betriebs“, der
im Zuge der schrittweisen Inbetriebnahme
des Hauptbahnhofs ordentlich gefordert war.
Nahezu laufend mussten Strecken aus dem
Verkehr und neue Gleise und Weichen in Betrieb genommen werden. Eine logistische und
technische Herausforderung, die mit diversen
Software-Updates verbunden war und einwandfrei funktionieren musste. Andernfalls hätte
es zu Misstönen geführt, vor allem bei den
KundInnen.
58 stationen
ALLES ANDERS ÜBER NACHT. Die Geschichte der
laufenden Veränderungen für den Betrieb beginnt nicht erst mit der Sperre des Südbahnhofs.
Provisorien und sogenannte Kontextprojekte
(siehe: „Kontextprojekte", Seite 4), die teils Jahre
davor in Angriff genommen wurden, schufen
immer wieder neue Grundlagen für die Planung
der Fahrten und die Belegung der Strecken.
Die Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 2009
brachte jedoch die massivste Veränderung. Kurz
vor zwei Uhr früh wurde der Südbahnhof gesperrt und nur wenige Stunden später galten
ganz neue Regeln: Fern- und Nahverkehrszüge,
die bisher zum Südbahnhof fuhren, sollten nun
über ein Umfahrungsgleis durch die Baustelle
zum provisorischen Endbahnhof Meidling gelangen. Aber nicht alle und nicht alle immer.
Manche Züge sollten nur in der Hauptverkehrszeit nach Meidling fahren und sonst bis Wiener
Neustadt verkehren, wo sie eine Umsteigemöglichkeit in Fernzüge boten. Güterverkehre wurden überhaupt großräumig umgeleitet und in
Matzleinsdorf, am Areal des ehemaligen Frachtenbahnhofs, nahm die provisorische Autoreisezuganlage ihren Betrieb auf. Das gemeinsam
mit dem neuen Produktionsverbund, der hier
gleich drei ÖBB-Gesellschaften – Personenverkehr, Produktion und Technische Services – und
deren zuvor über ganz Wien verstreuten Standorte für Service und Wartung bündelte (siehe:
„Umbau Wien Matzleinsdorf“, Seite 18).
Damit einher gingen komplett neue Arbeitsläufe und Umläufe, wie es intern heißt.Vor allem
BAHNHOFSALLTAG. Letzte
Detailarbeiten, während im
Souterrain erste Bahnhofs­
besucher mit Einkaufstaschen
flanieren (oben)
GEMISCHTER VERKEHR.
Während sich rechts der ICE
auf die Weiterfahrt zum
Flughafen Wien vorbereitet,
fährt links ein Pendlerzug
ein (rechts)
eine hochzeit als feuertaufe
MIT DER SPERRE DES SÜDBAHNHOFS nahm auch
das neue elektronische Stellwerk, eine graue
unscheinbare „Box“ neben dem ebenfalls grau­
en, großen, treppenartigen Gebäude, seinen
Betrieb auf. Vier alte Stellwerke wurden zu
einer zentralen Einheit „verheiratet“. Ganz rei­
bungslos lief die Hochzeit, die in der Nacht von
Samstag, den 12. Dezember 2009, auf Sonn­
tag, den 13. Dezember 2009, stattfand, aber
nicht ab. Schuld war nicht die Software – wie
man vermuten würde –, sondern ein schadhaf­
tes Relais, das zu Verzögerungen führte.
Als bei Christian Krückel mitten in der Nacht
das Telefon klingelte, wusste er sofort, dass
das nicht der Postbote sein kann: „Wir haben
alle herangezogen, die wir erreichen konnten,
und sind raus, um die Weichen zu stellen.“
Immerhin mussten einige Kilometer Gleise auf
ein Notfahrprogramm eingestellt werden. 15
MitarbeiterInnen waren unterwegs, um rund
60 Weichen in die richtige Richtung zu stellen.
Krückel: „Alle haben wunderbar reagiert und
um sechs Uhr konnte der erste Zug mit dem
Notfahrprogramm fahren.“
GLEISLÜCKENSCHLUSS. Im Sommer 2012
­wurden die ersten Gleise der Ost- und Südbahn
im Hauptbahnhof verbunden, damit konnte
das provisorische Umfahrungsgleis abgetragen
werden (oben)
LUFTIGES AMBIENTE. Auf bis zu 15 Metern
Höhe überspannt das Rautendach die Bahnstei­
ge des Wiener Hauptbahnhofs. Im Hintergrund
die Fassade der ÖBB-Unternehmens­zentrale
(links)
stationen 59
inbetriebnahmen
das Wagenmaterial, das zuvor am Südbahnhof
geparkt war, musste blitzschnell verlagert werden. Über Nacht wurden rund 200 Waggons und
Züge in den Bereich Matzleinsdorf gebracht,
um am nächsten Tag für den Bahnverkehr ab
dem Bahnhof Meidling bereitzustehen. Außerdem mussten die neuen Gleise und Weichen in
das ebenfalls neue elektronische Stellwerk Süd
(NSTWS) aufgenommen werden (siehe: „Neues
elektronisches Stellwerk Wien Süd“, Seite 10).
BAU
DER BETRIEB SPIELT SICH EIN. In der Folge wur-
den mit jedem Fahrplanwechsel neue Teile des
Gesamtprojekts Hauptbahnhof in das neue
Stellwerk integriert und Provisorien aus dem
Betrieb genommen. Und sukzessive wurde alles
leichter. Bereits die neue Betriebsanlage Matzleinsdorf vereinfachte die weiteren Planungen.
Zum einen, weil Abläufe durch die räumliche
wie auch funktionelle Konzentration vieler
Service- und Wartungsarbeiten für den Bahnbetrieb einfacher wurden: Das Betanken der
Triebfahrzeuge, die Reinigung der Züge und
Waggons außen wie auch innen, technische Servicierung und vieles mehr konnten hier nunmehr quasi „im Durchfahren“ erledigt werden.
Zum anderen war bei der Planung dieses zentralen Produktionsstandortes (siehe: „Umbau
Wien Matzleinsdorf“, Seite 18) auch gleistechnisch für freie Durchfahrt gesorgt worden. Eine
„Überwerfung“ – eine Art Fly-over, wie man es
von der Wiener Südosttangente kennt, aber
für Züge – ermöglichte einen kreuzungsfreien
Über Nacht wurden
rund 200 Waggons
und Züge nach Matz­
leinsdorf gebracht,
um am nächsten Tag
für den Bahnverkehr
ab Bahnhof Meidling
bereitzustehen.
60 stationen
Verkehr zwischen Meidling und Hauptbahnhof
auch durch die Betriebsanlage Matzleinsdorf.
2012 erfolgte der sogenannte Gleislückenschluss. Die ersten durchgehenden Verbindungen zwischen Süd- und Ostbahn durch den
Hauptbahnhof (Bahnsteige neun bis zwölf)
waren fertiggestellt und konnten in Betrieb
genommen werden. Am 3. August 2012 war es
tatsächlich so weit: Der erste Zug rollte durch
den neuen Hauptbahnhof und am 9. Dezember
2012 ging der Hauptbahnhof mit dem Fahrplanwechsel in Teilbetrieb. Ab diesem Zeitpunkt hielten und starteten hier die ersten Nahund Regionalzüge, die bis dahin am verkürzten
Ostbahnhof ankamen und wegfuhren (siehe:
„Der verkürzte Ostbahnhof“, Seite 16).
Zwei Jahre später wurden – nach der offiziellen Eröffnung des Hauptbahnhofs im Oktober, zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember
2014 – bereits die ersten Fernzüge über den
neuen Hauptbahnhof geführt. Zum Nah- und
Regionalverkehr kamen nun auch einige Fernverbindungen aus Norden, Süden, Osten und
Westen hinzu. Es hielten bereits die Railjets
Graz–Wien–Prag und München–Wien–Budapest am Hauptbahnhof ebenso wie die Fernverkehrsverbindung mit dem ICE via Passau, Linz
und St. Pölten zum Flughafen Wien.
Bereits am 16. Juni 2014 war die neue Verladeanlage für „Auto im Reisezug“ (Bahnsteige
14–16) östlich des Hauptbahnhofs für alle Züge
von und nach Italien in Betrieb genommen
worden, im Dezember 2014 kamen auch alle
anderen ÖBB-Züge mit Auto- und Motorradbeförderung ab und nach Wien dazu.
Am 12. Dezember 2015 nahm der Hauptbahnhof Wien als internationale Verkehrsdrehscheibe endgültig den Vollbetrieb auf. Seither
wird der gesamte Fernverkehr aus allen Himmelsrichtungen über das neue Bahnhofsystem – dem sogenannten „Doppel-Hub“ – Wien
Meidling und Wien Hauptbahnhof geführt.
Mit jeder dieser Inbetriebnahmen einher
ging die Aufnahme der Steuerung neuer Gleise
und Weichen in das elektronische Stellwerk
und damit auch eine Änderung der dazugehörigen Software. Und wer schon einmal selbst
eine Software auf seinem Computer installiert
hat, weiß, dass dabei nicht immer alles glattgeht.
Nach der „Feuertaufe“ bei der Inbetriebnahme
des neuen Stellwerks zum Fahrplanwechsel am
12. Dezember 2009 wurde daher eine Woche vor
ROLLENDE AUTOS. Mit dem neuen Hauptbahn­
hof wurde auch eine neue Autoreisezuganlage
an der Ostseite in Betrieb gestellt (oben)
WARTEN AUFS WARTEN. An der Fertigstel­
lung der letzten Details wurde bis zum Schluss
­gearbeitet (oben)
jeder Inbetriebnahme jedes Gleis einzeln in das
neue Stellwerk übernommen. Dem gingen Tests
der Software im Labor ebenso voraus wie eine
Prüfung der Strecke durch einen Signalkontrolleur. Dieser hatte aber nicht nur die neuen
Signale zu prüfen, sondern auch die Stellung
der einzelnen Weichen und ob diese mit der
Lage laut Stellwerk übereinstimmt.
Kleinere Probleme bei den Inbetriebnahmen
gab es, größere, die zu einer Verzögerung geführt hätten, aber nicht mehr. Eine erstaunliche
Leistung, denn immerhin musste die Software
während der gesamten Bauphase 14-mal getauscht oder aktualisiert werden. 
notfahrpläne
und schlüsselbretter
NICHT ZULETZT AUFGRUND DER ERFAHRUNGEN
bei der Inbetriebnahme 2009 gibt es für den
Fall, dass neue Gleise und Weichensteuerungen
in das Stellwerk aufgenommen werden, einen
Notfahrplan. Damit wird sichergestellt, dass,
sollten Probleme auftreten, zumindest ein Gleis
durchgehend befahrbar ist. Für diese Notfahr­
strecke werden vor Beginn der Inbetriebnahme
die Weichen entsprechend gestellt und gesi­
chert. Die Sicherung erfolgt mittels Schlüsseln –
diese sind an jeder Weiche angebracht, werden
sie abgezogen, ist die Weiche gesperrt. Um
sicherzugehen, dass auch wirklich alle Weichen
richtig gestellt und gesichert sind, gibt es ein
„Schlüsselbrett“ – heute kein echtes Brett mehr,
sondern ein Formular.
ÜBERBLICK BEWAHREN heißt es bei über 1.000
Zügen, die täglich den Hauptbahnhof frequen­
tieren. Genaue Auskunft gibt die 46 m2 große
Anzeigetafel in der Verteilerhalle (links)
Erst wenn alle Schlüssel – viereckige zeigen an,
dass die Weiche nach rechts, dreieckige zeigen
an, dass die Weiche nach links gestellt und ge­
sichert wurde – auf dem Schlüsselbrett abgelegt
sind, kann die Strecke für das Notfahrprogramm
freigegeben werden. Dabei gelten besondere
Regeln: Für die festgelegte Strecke ist die Ge­
schwindigkeit auf maximal 40 Kilometer pro
Stunde begrenzt und die sogenannte Signalab­
hängigkeit ist aufgehoben. Die/Der LokführerIn
muss sich daher bei jedem Signal die Fahrer­
laubnis fernmündlich einholen. Statt im Drei-Mi­
nuten-Takt wie beispielsweise auf der Schnell­
bahnstrecke ist dadurch auf einer Notfahrstrecke
bestenfalls ein 15-Minuten-Takt möglich.
commissioning: making sure a train station works
It is not enough to simply build the
structure. To ensure that trains operate correctly right from the get-go,
locomotives and wagons have to be
ready and all the switches have to
be set correctly. Railway operation
works like an orchestra with the
notes being set in the train schedule.
This determines not only when a
train leaves which train station
from which platform. Internally,
it contains maintenance, service
and shunting trips which have to
operate like clockwork so that trains
do not get in each other’s way. And
for this to happen not only is manpower needed, but the right trains
have to be in the right place at the
right time and the switches set accordingly.
At ÖBB (Austrian Federal Railways) the perfect orchestration is
the job of the so-called “operations”,
which was duly challenged over the
course of the step-by-step commissioning of the train station. Almost
constantly stretches had to be closed
and new tracks and switches put
into service.
It was a logistic and technical challenge which was associated with numerous software updates that had
to work without any glitches. Otherwise this would have led to discord,
particularly among the customers.
The biggest change came in the
night from December 12 to 13, 2009.
Just before two in the morning,
South Train Station (“Südbahnhof”)
was closed and a few hours later
new rules came into effect. Commuter and long-distance trains that
used to go to South Train Station
(“Südbahnhof”) were now detoured
through the construction site to
reach the temporary terminal station Meidling. Construction was
finally completed on December 12,
2015 when Vienna Main Station
went into full operation as a major
international railway hub.
zahlen, daten & fakten
AM 9. DEZEMBER 2012 wurde die S-Bahn-Halte­
stelle Wien Hauptbahnhof (Bahnsteige 1 und 2)
in Betrieb genommen, hier verkehren die Linien
S1, S2 und S3 – die sogenannte Stammstrecke.
Ebenso wurden an diesem Tag der oberirdische
Teil mit vier Bahnsteiggleisen und einem Durch­
fahrtsgleis in Teilbetrieb genommen.
AB 14. DEZEMBER 2014 hielten alle Fernzüge
aus und in den Norden, Osten und Süden am
Hauptbahnhof sowie alle Nachtreisezüge.
AM 12. DEZEMBER 2015 ging der Hauptbahnhof
dann in Vollbetrieb. Seither halten und ­starten
hier auch alle Railjet- und Inter­city-Züge aus
dem und in den Westen.
stationen 61
voraussetzungen
VORAUSSETZUNGEN
UND ­URSACHENFORSCHUNG
BAU
Der Hauptbahnhof Wien ist
eines der größten Infrastruktur­
projekte Österreichs. Und eines,
das trotz Änderungen, Konkurse
und anderer ­unvorhergesehener
Dinge nahezu reibungslos
­funktioniert hat.
A
ndere Infrastrukturprojekte der jüngeren Geschichte haben während ihrer
Planung und Errichtung oft für negative Schlagzeilen gesorgt. Man denke nur an
den Flughafen Berlin, Stuttgart 21 oder den
Skylink am Flughafen Wien. Beim Hauptbahnhof setzte man von Beginn an auf einen offenen
Dialog – insbesondere mit den AnrainerInnen.
Und auch sonst wurde das Projekt von einer
durchwegs positiven Berichterstattung begleitet (stationen drei: die kommunikation) In
diesem Kontext stellt sich dennoch die Frage,
was die Gründe waren, dass eines der größten Bauprojekte, das mitten in der Stadt und
bei teils laufendem Betrieb realisiert werden
musste, so klaglos funktionieren konnte. Denn
Herausforderungen und auch Probleme gab es
durchaus. Diese konnten aber weder das Projekt
noch den geplanten Fertigstellungstermin ins
Wanken bringen.
GUT GEPLANT IST GUT GEBAUT. Gut geplant ist
auch das erste Stichwort, begibt man sich auf
62 stationen
Ursachenforschung im positiven Sinn. Obwohl
die ersten Ideen für einen „Zentralbahnhof für
Wien“ aus den 1870er-Jahren datieren, bildete
erst die 2003 unterzeichnete Absichtserklärung
von Bund, Stadt Wien und ÖBB die Grundlage
für dessen Planung. Ganz konkret wurde diese
2005 gestartet. Zu Beginn mit einem kleinen
Team. Acht Leute zerbrachen sich den Kopf
darüber, wie und wo ein solcher Durchgangsbahnhof realisiert werden könnte. Nach und
nach wurden es mehr. In Spitzenzeiten bestand
das Projektmanagement-Team der ÖBB-Infrastruktur AG (die Projektleitung) aus 30 Leuten.
Deren Aufgabe war es, die vorgegebenen Ziele,
Kosten, Termine und Qualitäten und die damit
verbundenen Anforderungen an das Projekt
umzusetzen.
Vielleicht eines der Geheimnisse des Erfolgs:
Die Besetzung der Schlüsselstellen für die
Steuerung eines Bauprojektes mit eigenen
Leuten ist nicht unbedingt üblich (oder auch
möglich), hat aber Vorteile: Interne Wege sind
kürzer, Entscheidungen erfolgen schneller
und unbürokratischer und auch das oft zitierte
Commitment, also die Identifikation mit dem
Projekt, ist höher. Dazu kommt eine bessere
Unterstützung durch den Vorstand und der
Umstand, dass man nicht von Externen abhängig ist, die zwangsweise immer auch andere Interessen oder andere Prioritäten haben.
Jedenfalls war der interne Anteil am Projekt
Hauptbahnhof auch höher als bei anderen
von der ÖBB-Infrastruktur abgewickelten
Herausforderungen
und auch Probleme
gab es durchaus.
Diese konnten aber
weder das Projekt
noch den ­geplanten
Fertigstellungs­
termin ins Wanken
bringen.
PLANUNG UND WIRKLICHKEIT. Trotz realitäts­
nahem Modell haben sich anfangs nur wenige
vorstellen können, dass hier so ein Projekt
Realität werden könnte (unten)
FÜR ANRAINER UND INTERESSIERTE. Das
bahnorama hat die Anrainer am Bau teil­haben
lassen und damit Ängste genommen, auch
wenn es in dieser Bauphase fast
schon „­untergeht“ (oben)
STÄDTEBAU. Auf einem Areal
so groß wie der achte Wiener
Gemeindebezirk hat sich
binnen weniger Jahre beinahe
alles grundlegend ­geändert
(oben)
stationen 63
voraussetzungen
BAU
Projekten. Trotzdem war natürlich auch beim
Hauptbahnhof ein großes Team an externen
Dienstleistern beschäftigt. Bis zu 100 Personen arbeiteten schließlich gemeinsam an der
Erstellung der Einreichunterlagen.
Das interne Projektteam übernahm schließlich auch die Planung und Durchführung der
Ausschreibungen sowie der kleineren Vergaben
und auch Kleinstbestellungen, welche laut Bundesvergabegesetz nicht ausschreibungspflichtig
waren. In Summe wurden an die 1.000 Aufträge im Zuge des Bauvorhabens Hauptbahnhof
Wien vergeben, der größte Einzelauftrag hatte
einen Wert von 220 Millionen Euro.
BESONDERHEITEN BEIM BAU. Der Bau selbst gliederte sich in vier Hauptbauphasen, die zum
Teil wiederum in Unterphasen gegliedert wurden. Ein durchaus üblicher Vorgang, der beim
Hauptbahnhof jedoch zwei gravierende Besonderheiten hatte. Zum einen, dass jede Bauphase
mit einer Änderung der betrieblichen Rahmenbedingungen verknüpft war. Denn immer musste darauf Rücksicht genommen werden, dass die
Eisenbahn weiterrollt. Und wenn es sein muss,
auch quer durch die Baustelle wie im Fall der bis
2012 installierten Umfahrungsgleise.
Für die Bauabwicklung ergaben sich daraus
Einschränkungen hinsichtlich der Baulogistik
und besondere Vorgaben in Bezug auf die Arbeitssicherheit. So konnte ein Turmdrehkran
nicht unbedingt dort aufgestellt werden, wo
es am zweckmäßigsten gewesen wäre, da der
Standort z. B. im Gefährdungsbereich der Bahn
gelegen wäre. Auch Baufahrzeuge durften nicht
einfach über die Gleise fahren.
FLEXIBILITÄT WIRD ZUM ALLTAG. Bei jedem Bau
gibt es Änderungen und unvorhergesehene
Dinge. So auch beim Hauptbahnhof. Und nachdem die wohl gravierendsten Änderungen sehr
früh passierten, wurde das Sofortreagieren auf
neue Gegebenheiten fast zur Gewohnheit. Am
massivsten wirkte sich die Entscheidung im
Herbst 2006 aus, den Südbahnhof zu sperren
(ursprünglich sollte dieser bis zur Fertigstellung
des Hauptbahnhofs in Betrieb bleiben). Diese
Entscheidung stellte mehr oder weniger die gesamte bis dahin gemachte Planung auf den Kopf.
Vieles musste neu gedacht werden. Nicht ohne
war auch die Entscheidung, die geplante und
zum Zeitpunkt der Änderung (2010) auch be-
64 stationen
reits vergebene Tiefenfundierung des Bauwerks
durch eine Flachfundierung zu ersetzen. Letztere war mit weniger Risiko verbunden und daher
auch schneller zu realisieren, die gesamte Statik
des Hauptbahnhofs musste aber innerhalb kürzester Zeit neu berechnet und adaptiert werden.
Die dritte größere Änderung betraf den
Zeitpunkt der sukzessiven Inbetriebnahme.
Ursprünglich sollten 2012 die ersten Gleise
befahrbar sein, 2013 die Teileröffnung der Verkehrsstation und 2015 die Vollinbetriebnahme
erfolgen. Der Termin 2013 wurde nach sorgfältiger Abwägung in den Lenkungsgremien
im Frühjahr 2008 auf 2014 verschoben. Damit
gewann man zwar mehr Zeit für die Fertigstellung der gesamten Verkehrsstation und des
Einkaufszentrums, für die Errichtung der sogenannten Anlage Ost war danach jedoch weniger
Zeit. Dank eines von Beginn an implementierten Änderungsmanagements waren aber weder
diese Änderungen eine nicht zu nehmende
Hürde noch die vielen kleineren Adaptionen,
die nach klar definierten Regeln analysiert,
beurteilt und detailliert dokumentiert wurden.
DACHTRÄGER. Der Aufbau der Träger
sowie später die Montage der Stahldächer
waren absolute Maß- und damit oft auch
Handarbeit
GEPLANTES UND UNGEPLANTES IM GRIFF. Nicht
wirklich planbar sind Konkurse und andere Schwierigkeiten mit beauftragten Firmen.
Vordergründig am gravierendsten war der Insolvenzantrag des Baukonzerns Alpine im Juni
2013. Die Firma Alpine Bau GmbH war eine
von vier Firmen der mit dem Bau der Verkehrsstation beauftragten Arbeitsgemeinschaft. Die
drei anderen Firmen übernahmen aber nicht
nur die ausgefallenen Leistungen, sondern teilweise auch Personal, sodass der Baufortschritt
nicht gefährdet war und auch Haftungsfragen
aufgrund der ARGE-Geschäftsordnung rasch
geklärt werden konnten. So wurde keine Zeit
verloren, auch enorme Kosten wurden dadurch
vermieden. Denn zu diesem Zeitpunkt war
der Bau in einer seiner intensivsten Phasen.
Entsprechend hoch war die Dichte der beschäftigten Menschen und Gerätschaften. Ein
Komplettstillstand der Baustelle hätte, so wurde
errechnet, rund 75.000 Euro pro Stunde (!)
gekostet.
Eher noch als der Fall Alpine hätte der Konkurs einer Steinmetzfirma, die mit Arbeiten
beim Umbau der S-Bahn-Station Südtiroler
Platz betraut war, den geplanten Bauablauf
fast ins Wanken gebracht. Aber auch hier er-
LICHTSPIELE. In der blue hour oder auch
Dämmerung zeigt das Rautendach inte­
ressante Farbakzente. Ob davor jemand
genau damit gerechnet hat?
So konnte ein Turm­
drehkran nicht dort
aufgestellt werden,
wo es am zweck­
mäßigsten gewesen
wäre, da der Stand­
ort im Gefährdungs­
bereich der Bahn
gelegen wäre.
EINGERÜSTET. Für eine Beton­
kubatur von rund 305.000 m3
wurden rund 420.000 m2
Schalung angebracht.
Dafür benötigt es einiges
an Gerüsten (rechts)
ROOF-LINE. Mittlerweile ist
die Linie des Daches längst
das Markenzeichen des
­Wiener Hauptbahnofs und
der Bahnhof selbst eine Land­
mark der Stadt (links)
wiesen sich die Flexibilität, das Commitment,
der Ideenreichtum aller Beteiligten – auch
der externen Partner – als solides Fundament
für eine rasche und effiziente Lösung (siehe:
„S-Bahn-Station Südtiroler Platz“, Seite 12).
DURCHBLICK BIS ZUM SCHLUSS. Begleitet wurde
das gesamte Projekt durch ein eigenes Controlling, das Überblick hatte über jeden einzelnen Auftrag, unabhängig von der vergebenen
Summe, über damit verbundene Änderungen
der Beauftragung und des Leistungsumfanges
sowie über die Entwicklung der Gesamtkosten. Die dafür eingesetzte Software war eine
ÖBB-interne Entwicklung, die mithilfe externer Partner und der Erfahrungen aus früheren
Projekten programmiert wurde. Zu festgelegten
Stichtagen mussten die Daten von allen Betei-
ligten aktualisiert und beigestellt werden.
Die Abrechnung mit den beauftragten Firmen erfolgte ebenfalls auf dieser Basis, wobei diese aufgefordert waren, ihre erbrachten
Leistungen laufend abzurechnen, auch wenn
sich Aufträge über mehrere Jahre zogen. Dadurch wurden allzu große Differenzen zum
Budget verhindert und auch Diskussionen über
mögliche Mehrkosten konnten weitestgehend
hintangehalten werden. Bis zur Schlussrechnung war damit jeder einzelne Auftrag, der
beim Hauptbahnhof vergeben wurde, klar
und transparent prognostiziert und nach Abschluss vollständig dokumentiert. Dabei ist es
besonders wichtig, die Kostenermittlung und
-prognose nicht als einmalige Übung zu Projektbeginn, sondern als begleitenden Prozess
während der gesamten Projektdauer zu sehen.
Die regelmäßige Analyse und Bewertung von
Risiken in den Projektkosten ist ebenso verpflichtend wie die Planung der Ausgaben in
jedem Jahr. Nur eine kontinuierliche und stets
nachvollziehbare Bewertung der noch offenen
Projektteile ermöglicht eine aktuelle und zum
Projektfortschritt passende Gesamtprognose.
Detaillierte Kenntnisse zum Stand des Projektes sind dazu ebenso erforderlich wie der
Mut, auch noch nicht berechenbare (aber erfahrungsgemäß auftretende) Kosten als Risiko
monetär darzustellen. Eine Qualität, die einen
wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Realisierung des Infrastrukturprojekts Hauptbahnhof
Wien innerhalb der vorgesehenen Termine
und Kosten leistete. 
stationen 65
gut gelaufen
GEBAUT FÜR
GENERATIONEN
Beim Bau des Wiener Haupt­
bahnhofs wurden ein ambitio­
nierter Zeitrahmen und das
­Budget eingehalten. Warum hat
das so gut geklappt?
„Für die ÖBB gehört die Abwicklung von Infrastrukturprojekten zum Tagesgeschäft.
Das fachliche Know-how dafür
sowie das notwendige Projektmanagement haben wir
im Haus. Einen wesentlichen
Erfolgsfaktor stellten hier die
kommunikativen Skills dar –
innerhalb der Projektgruppen
und quer durch alle Hierarchien. So war dieser logistische
Hochseilakt ohne Netz und
ohne Platz für Verzögerungen
überhaupt möglich.“
„Ein wichtiger Faktor war auch
die Kontinuität. Denn dass Störungen vorkommen, ist klar.
Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo
Information verloren geht.
Information war entscheidend.
Und das hat funktioniert.“
THOMAS BRUNNER
Projektkoordinator Stahlbau
FRANZ BAUER
Vorstand ÖBB-Infrastruktur AG
GEORG HABERSACK
„Das war echtes Teamwork,
es ist ein richtiger Chorgeist
entstanden. Beigetragen hat
auch der zeitliche Druck. Bei
langfristigen Projekten kann es
zu Zeitschienen kommen, die
ins Unendliche gehen. Das war
bei uns gar nicht möglich. Wir
wussten, in zwei Jahren muss
Matzleinsdorf fertig sein.“
„Allen war bewusst, wenn wir
eine Entscheidung treffen
oder etwas ändern, dann am
besten gleich, schnell und
gemeinsam. Hilfreich war,
dass das die Gesprächskultur
positiv beeinflusst hat. Es gab
fixe Serien, Tagesordnungen
und die Terminfolge war dicht
genug, sodass es nicht oft notwendig war, zu einem ­Thema
eine Sonder­besprechung
­einzu­berufen.“
BERNHARD BENES
JUDITH ENGEL
Geschäftsführer ÖBB-Produktion GmbH
Projektleiterin Bahninfrastruktur
66 stationen
„So etwas wie einen Hauptbahnhof macht man nur einmal im Leben. Geholfen hat
aber, sich bewusst zu machen,
dass auch ein Hauptbahnhof
ein Bauprojekt ist, das dieselben Beteiligten hat wie jedes
andere – Baumeister, Installateur, Elektriker etc. Nur dass
hier alles um ein Vielfaches
größer war. “
Baumanager Rohbau
„Um ein derartig komplexes Bauprojekt innerhalb
der ­prognostizierten Kosten
abzuwickeln, wurde es einer
regelmäßigen Analyse und
Bewertung von Kostenrisiken
unterzogen – sowohl in der
Planungs- als auch über die
­gesamte Erricht­ungsphase.“
HUBERT HAGER
Geschäftsbereichsleiter Projekte
Neu-/Ausbau
„Es gibt Verträge, aber man
muss auch miteinander reden.
Ein Ergebnis ist nur so gut, wie
der Dialog zwischen den Vertragspartnern war. Und auch
wenn es durchaus Probleme
und unterschiedliche Standpunkte gab, so gab es mit den
Pächtern im Einkaufszentrum
immer einen guten Dialog.“
GERALD MITTERBÄCK
Projektleiter Immobilien/Pächterausbau
„Es gab eine hohe Projektkosten- und Termindisziplin.
Diese wurde auch durch gute
Kontakte des Controllings
zu allen Projektbeteiligten
­sichergestellt.“
„Durch ein klares Risiko­
management aufseiten der
Projektleitungen konnte rasch
frühzeitig und adäquat auf
kritische Situationen reagiert
werden. Innerhalb der Projektbeteiligten herrschte ein besonders guter innerer Zusammenhalt, der nicht zuletzt von
Stolz auf dieses zwar komplexe,
aber wegweisende Projekt
­getragen war.“
KARL-JOHANN HARTIG
Gesamtprojektleiter
„Es gab Besprechungen, die
oft den ganzen Tag dauerten, ohne Mittagspause und
ohne dass jemand auf die Uhr
­geschaut hätte, bevor etwas
nicht fertig war.“
MICHAEL JELLESCHITZ
Baumanager Haustechnik
ZEITREISE. Ein Blick auf viele
­Phasen eines Projektes voller
­Herausforderungen, das schluss­
endlich pünktlich und im Kosten­
rahmen fertiggestellt wurde
„Zwei Drittel der Mannschaft
waren bis zuletzt dabei. Wenn
du sie brauchst, sind sie da.
Auch am Wochenende. Wenn
es sich spießt: Die fahren los,
wie weit weg sie auch wohnen.“
RUDOLF KANTAUER
Chef-Polier,
ARGE Baulos 01, STRABAG
SONJA MÜLLER
Projektcontrollerin
„Entscheidend war aber auch
der politische Wille aller Beteiligten, dieses Projekt umzusetzen – Stadt Wien, Bund
und ÖBB und die gute Öffentlichkeitsarbeit, die bereits im
Vorfeld gemacht wurde. Damit
konnte in der Bevölkerung
und bei den Anrainern eine
hohe Akzeptanz für das Projekt
geschaffen werden.“
WERNER SCHWAB
„2008 hatten wir ein Problem beim Softwaretausch im
­elektronischen Stellwerk mitten in der Nacht. Da haben alle
angepackt, weil jede und jeder
wusste, dass sonst die Bahn
nicht fährt. So konnten wir
auch ad hoc auf ein Problem
reagieren, ohne dass Chaos
entstanden ist.“
Projektkoordinator für interne
und externe Schnittstellen
„Die Erfahrung insbesondere
aus der Vermietung am Wiener
Westbahnhof war sehr wichtig.
Durch diese Kompetenz hatten
auch die Gespräche mit den
Pächtern von Anfang an eine
andere Qualität.“
CHRISTIAN KRÜCKEL
BIRGIT ZAKALL
Betrieb Projektkoordinator
Mitarbeiterin Pächterausbau
stationen 67
IMPRESSUM
Herausgeber: ÖBB-Infrastruktur AG, 1100 Wien,
Laxenburger Straße 4
Konzeption und Projektleitung: Sigi Herzog,
Matthias Flödl
Redaktion: Karl-Johann Hartig, Sigi Herzog,
Matthias Flödl
Text: Friedrich Ruhm, Sigi Herzog, Matthias
Flödl, Wolfgang Pauser, Franz Bauer
Lektorat: Korrelektor
Grafische Gestaltung: Sebastian Treytl,
Brainds (Basisdesign)
Bildbearbeitung: Bernd Weiss
Produktion: ÖBB Werbung GmbH
Produktionsnummer: 117016-0358
Druck & Herstellung: Druckerei Paul Gerin
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde
bei Personen nicht durchgängig die männliche
und weibliche Form angeführt. Gemeint sind
selbstverständlich immer beide Geschlechter.
Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben ohne
­ ewähr, Stand Dezember 2015
G
© 2015, ÖBB-Infrastruktur AG
68 stationen
BILDNACHWEIS
Allgemeine Bauzeitung: Seite 27 links oben
(1874, Blatt 26)
Roman Bönsch: Seiten 30–32, 39, 41, 43 oben,
45, 47 oben, 46 Mitte, 63 oben, 63 Mitte,
65 oben, Umschlaginnenseiten (Plangrafiken)
Michael Frankenstein: Seiten 27 links unten
Sigi Herzog: Seiten 4–8, 9 oben, 10–24, 26
unten, 28, 33–38, 40, 44, 46 unten, 48–61, 64
oben, 65 unten, 66 (Sigi Herzog/Aldinger & Wolf)
Philipp Horak: Seite 64 unten
Brüder Kohn: Seite 27 rechts oben (um 1910)
August Markart: Seiten 9 unten, 26 Mitte,
27 links Mitte, 27 rechts unten
Luftbildservice Redl: 47 unten, 63 unten
Rudolf von Sandmann: Seite 26 oben
(Tonlithografie nach Aquarell von Rudolf von Alt,
L.T. Neumann Verlag, Wien ca. 1870,
Sammlung Roman Bönsch, Wien)