Ersatzstoffe und Ersatzverfahren - Praxiserfahrungen aus Sicht der

Ersatzstoffe und Ersatzverfahren
- Praxiserfahrungen aus Sicht der
Arbeitsschutzbehörden
Veranstaltung der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund
„Aktuelles zum Gefahrstoffrecht“
28.06.2016
Aufsichtsperson (Dipl.-Chem.) U. Köhler
28.06.2016
Gefahrstoffverordnung –
Ersatzstoffverpflichtung, Ersatzverfahren
1. Was haben die Römer mit
Ersatzstoffen zu tun?
 Restaurierung und
Museumspädagogische
Ansätze ermöglicht durch
moderne Kunststoffe
Praxiserfahrungen der Aufsichtsbehörden - Ersatzstoffe
2. Gefahrstoffe und Hautpflege
im Schwimmbad – wie passt das
zusammen?
 Ersatzverfahren in der
Wasseraufbereitung
Dipl.-Chem. U. Köhler
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Substitutionsverpflichtung des Arbeitgebers
nach § 7 Abs. 1 GefStoffV und Nr.3 TRGS 600
außer bei geringen Gefährdungen (Schutzmaßnahmen nach
§ 8 GefStoffV) besteht eine Verpflichtung zur Ermittlung von
Substitutionsmöglichkeiten:
Stoffe
Verfahren
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Substitution ist bei Tätigkeiten mit hoher
Gefährdung durchzuführen, wenn dies
technisch möglich ist
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Kriterien aufgrund Gefährdung der
gesundheitsgefährlichen Eigenschaften
nach TRGS 600 Nr. 4 Leitkriterien
1. Stoffe mit niedrigerem AGW > Stoffe mit niedrigerem AGW
>
2. Systemische Wirkung:
sehr giftig (T+) > giftig (T) > gesundheitsschädlich (Xn) >
keines dieser Merkmale
>
3. Ätz/Reizwirkung:
ätzend (c) > reizend (Xi) > keines dieser Merkmale
4. Krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend
(cmr) sensibilisierend > keines dieser Merkmale
>
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Wann muss eine Substitution erfolgen?
Anlage 4 Nr. 1 TRGS 600
- Toxische und KMR-Stoffe:
jährliche Substitutionsprüfung
- Anpassung der Verfahren:
Wenn Referenzprozesse und Anwendungsverfahren aus einzelnen
Betrieben der Branche oder anderen Branchen vorliegen
- Anpassungsentwicklungen notwendig
- Substitution kann oft nicht kurzfristig erfolgen
Dauer der Anpassung mittelfristig (3 - 7Jahre)
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Substitution und REACH
Verpflichtung zur Substitution (Ersatz) eines verwendeten gefährlichen Stoffes oder
Verfahrens
durch einen weniger gefährlichen Stoff oder
ein weniger gefährliches Verfahren
Ist kein Ersatz möglich:
Anpassung der
Schutzmaßnahmen in
den Anwenderbetrieben
Anforderung an
Hersteller über
Lobby der Anwender
Europäische Zulassung
mit REACH
Verfahrensänderung und
Informationsweitergabe
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Forschung und
Entwicklung in den
Herstellerfirmen
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Epoxidharze
In der Regel: 2-Komponentenkunststoffe:
 Harz: Epoxid
 Härter: prim., sek., tert. Amine,
auch Carbonsäuren





z.B.: Bisphenol-A-diglycidester
z.B.: Diethylentriamin (prim. Amin)
Polymerreaktion
Reaktion startet beim Mischen
exotherme Reaktion, Rühren erforderlich
Edukte: flüssig
Produkt: fest
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Epoxidharz – ein genialer Kunststoff
Eigenschaften:
 formstabil
 verbindet unterschiedliche Materialien z.B. Holz und
Metall
 im Aushärtungszustand mechanisch bearbeitbar
 einfärbbar
 mischbar mit anderen Materialien
 die Ausgangstoffe sind im ungemischten Zustand lang
haltbar
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Epoxidharze – Anwendungen in
vielen Gewerken (beispielhaft)
 Manuelle Kleinstreparaturen in der Instandhaltung, z.B.
Hausmeisterarbeiten an Türen und Fenstern in Gebäuden
 Reparaturen mit Kontakt zu anderen Materialien, z.B. Holz oder
Beton
 Gießarbeiten von Böden in Bauten
 Formenguss Formengestaltung in der Fertigungstechnik
 Kleben von verschiedenen Materialien (z.B. Teppich auf Holz,
Metall/Holz, Glas/Stahl)
 Restaurierung von archäologischen Funden
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1. Beispiel: Epoxidharze – Ersatzstoffe
1. Was haben die Römer mit Ersatzstoffen zu tun?
 Restaurierung und Museumspädagogische Ansätze ermöglicht
durch moderne Kunststoffe
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Funde der Römer - Epoxidharze
Hauptfundstellen
für römische
Funde in NRW
Quelle: Nordrhein-Westfalen entdecken: das Land, seine Wirtschaft,
Wissenschaft und Kultur (PDF; 5,7 MB). Informationsbroschüre der Ministerin
für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf 2010
 Nordrhein-Westfalen hat
viele archäologische
Fundstellen, überwiegend
römisch
 NRW hat in Deutschland
die meisten
festangestellten
Restauratoren (300) und
weitere Freiberufliche
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1. Beispiele in der Restaurierung
Formenguss und Ausbesserung
 Klebungen mit Gaze auf Metall, Gefäße
 Abgusse von Glasgefäßen
 Ausbesserung von Schwertern
 Abgusse von Reliefs
 Klebung von Bodenmosaiken
 Formherstellung für den Hintergrund von Szenarien, z.B.
Unterwasserlandschaften in Aquabereichen
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Gefährdungen durch Kontakte
bei der Verwendung
 Hautkontakt an den Beinen durch Mischen großer Gebinde
(z.B. Gießen von Mosaiken)
 Hautkontakt bei großflächiger Formgestaltung
mit den Armen (z.B. Formabguss)
 Hautkontakt bei der Instandsetzung (z.B. Einkleben
ausgebrochener Scharniere)
 Hautkontakt bei filigraner Gestaltung
an den Händen und Gesicht (z.B. Restaurierung)
 Inhalativer Kontakt bei gesichtsnahen Tätigkeiten
Verätzungen, Reizungen und
Sensibilisierungen der Haut
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Berufserkrankungen und Unfälle
durch Verätzungen
Sensibilisierungen der Haut im Sinne der Berufskrankheitenverordnung
BK 5101:
„Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur
Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung,
die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich
waren oder sein können“
führen zu langen Ausfallzeiten und auch zur Berufsaufgabe bei
häufigem Kontakt (z.B. Formenguss, Ausbesserungen)
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Verlauf der Zahlen der Berufskrankheiten
Quelle: Arbeits- und Gesundheitsschutzbericht, BMAS 2014,
www. baua.de
Anerkannte epoxidharzverursachte Hauterkrankungen bei den gewerblichen UVT
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Epoxidharzarbeitskreis INQA Chemie
Mitglieder des Arbeitskreises:
 BAuA
 IFA
 DGUV
 Hersteller (MC-Bauchemie, Bayer, Plastic-Europe, KCL)
 Deutsche Bauchemie (VCI)
 Unfallversicherungsträger (BG BAU, BG ETEM, BG RCI, VBG, BG HM,
UK NRW stellv. f. öffentl. UVT)
 AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Österreich)
 SUVA (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt)
 ARBOUW (Niederlande)
 IVDK
 FoBIG
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Neue Gebinde für die Restaurierung
Durchstoßen und
Anrühren
Applikationsspitze mit
Mischvorrichtung
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Knetgebinde
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Besseres Handling in der Vermarktung
und im Produktdesign
Beispiel: Rissverharzung in Oberflächen
 schlechtes Handling: Topfgießen
 Gutes Handling: Tüllenausguss
 fehlende PSA bei der
Produktvermarktung
(keine PSA auf den
Werbeaufnahmen)
 PSA in der
Produktvermarktung
(Verwendung von
Handschuhen auf den
Werbebildern)
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2. Bespiel: Ersatzstoffe in der
Schwimmbadtechnik
2. Gefahrstoffe und Hautpflege im Schwimmbad – wie passt
das zusammen?
 Ersatzverfahren in der Wasseraufbereitung
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Beispiel: Chlorung im Schwimmbad
Notwendigkeit im Wasserkreislauf:
 Wasserdesinfektion (Abtöten der Mikroorganismen, wie Legionellen,
Escheria Coli, weitere Keime)
 Eiweißzerstörung (Trichloraminbildung mit Resten von Haar- und
Hautschuppen, Urin der Nutzer)
früher nur: Chlorung mit Gasflaschen
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Gefährdung und Schutzmaßnahmen
durch Cl2 und Chlorgas-Wolken
Chlor:
 gelbgrünes Gas,
stechender Geruch
 stark oxidierend, sehr reaktiv, giftig
 Hauptexpositionsweg für Chlor verläuft über den Atemtrakt
 Gasmaskentragepflicht beim Flaschenwechsel
 Evakuierungsmanagement inkl. Notfallmanagement
für die Nutzer und Beschäftigten nach BetriebSichV
erforderlich
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Beispiel für Ersatzverfahren:
In-Situ-Verfahren oder Diaphragmaverfahren
Soleherstellung in situ per Durchfluss-Elektrolyse oder mittels Diaphragmaverfahren im
solehaltigen Badewasser (0,2 bis 0,4% Salzgehalt) durch Elektrolyse
(„Elektrolyse-Chlorungsanlagen sind Anlagen, in denen Hypochloritlösung durch
Elektrolyse einer Lösung von Chloriden erzeugt wird“, DGUV–V 50)
 erleichtertes Management: keine auftretende giftige Gase
 hohe Produktausbeute, niedrige Betriebskosten
 Kompaktbauweise, geringer Platzbedarf
 vereinfachte Lagerung
 einfache Montage und Inbetriebnahme
 geringer Bedienungs- und Wartungsaufwand
 kein Chlorgasausbruch möglich -> Notfallmanagement fällt weg
 Solewasser schont die Haut der Nutzer
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
Uta Köhler (Aufsichtsperson)
28.06.2016