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Nummer 23/2016, 24. Juni 2016
Sehr geehrte User unserer Website,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine faktenbasierte Politik, das wäre was! Sie setzt zweierlei
voraus: das Vorhandensein valider Daten und den Willen der
Politik, diese auch zur Kenntnis zu nehmen.
Am vergangenen Donnerstag zeigte das Österreichische
Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung
(ÖZBF) in einer Presseaussendung den Mangel an Daten auf. Im
über 600 Seiten umfassenden und Ende Mai 2016 präsentierten
„Nationalen Bildungsbericht“ des BIFIE sei „die Förderung von
begabten Schülern im gesamten Bericht kein Thema […]. Und das, obwohl im
Regierungsübereinkommen schwarz auf weiß zu lesen ist (S. 44): Ziel: Begabungsund Begabtenförderung – Entdecken und fördern aller Talente und Begabungen.“
Zwar fänden sich in Band 1 des Bildungsberichts ein paar Daten zu SpitzenschülerInnen, in „Band 2, in dem die wesentlichen Empfehlungen für das österreichische Schulsystem festgehalten werden, kommt das Wort „begabt“ nicht einmal vor. Und das, obwohl es laut BIFIE ohnehin nur sehr wenige Spitzenschüler im
Vergleich zu anderen Ländern gibt.“ 1
In einem anderen Bereich gibt es Daten und Fakten, die aber von Teilen der Politik
ignoriert, geleugnet und nicht selten sogar auf den Kopf gestellt werden. In einer
Nationalratssitzung Mitte Juni lobte der Vizekanzler – völlig zu Recht – das duale
Bildungswesen in Österreich, um dann beachtenswerte „Fakten“ zu nennen. Es
„müssten die Drop-out-Quoten bei der Lehrausbildung weiter gesenkt werden, ungeachtet der Tatsache, dass die betriebliche Lehre mit rund 13% eine weit niedrigere Abbruchsrate aufweist als allgemeinbildende höhere Schulen, rechnete der
Vizekanzler vor. Der über 40%-ige Drop-out-Anteil bei überbetrieblichen Lehrwerkstätten ist für Mitterlehner unter anderem darauf zurückzuführen, dass hier meist
nicht im Wunschberuf ausgebildet werden kann …“ 2
Besonders erheitert mich daran, dass der Vizekanzler das laut Parlamentskorrespondenz „vorgerechnet“ haben soll. Ich weiß nicht, welcher Zahlen er sich dabei be-
dient hat. Nimmt man die Statistik Austria als Quelle, ergibt sich jedenfalls folgendes Bild: Die Abbruchquote liegt in der Lehre bei 8,1 %, in der BMS bei 5,0 %, in der
BHS bei 3,7 % und in der AHS bei 3,1 %.3
„Österreich gehört zu den Ländern Europas mit den niedrigsten
Schulabbruchsraten“, hält tatsächlich „faktenbasiert“ eine Studie fest, die – man höre und staune – im Auftrag des Unterrichtsministeriums erstellt worden ist.4 Warum findet eine solche
Meldung keinen Eingang in ministerielle Presseaussendungen?
Der Weg zu einer faktenbasierten Bildungspolitik ist wohl noch
weit.
Mit herzlichen Grüßen
Mag. Dr. Eckehard Quin
stv. Vorsitzender der ÖPU
www.quintessenzen.at
1
Verdienen begabte Kinder keine Förderung? Presseaussendung des ÖZBF vom 23. Juni 2016.
2
Steigende Jugendarbeitslosigkeit trotz dualer Ausbildung. Parlamentskorrespondenz Nr. 670 vom 15.
Juni 2016.
3
Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum 2009/2009 bis 2010/2011. Jüngere Daten liegen nicht mir
vor. Siehe Statistik Austria (Hrsg.), Ergebnisse aus dem Bildungsbezogenen Erwerbskarrierenmonitoring
(BibEr) (2015), S. 9, Statistik Austria (Hrsg.), Bildung in Zahlen 2008/09 – Tabellenband (2010), S. 93,
Statistik Austria (Hrsg.), Bildung in Zahlen 2009/10 – Tabellenband (2011), S. 93, und Statistik Austria
(Hrsg.), Bildung in Zahlen 2010/11 – Tabellenband (2012), S. 97.
4
Susanne Linde und Klaus Linde-Leimer, „… damit niemand rausfällt!” Grundlagen, Methoden und
Werkzeuge für Schulen zur Verhinderung von frühzeitigem (Aus-)Bildungsabbruch (Wien 2014, 2. Auflage), S. 21.
Die Woche im Medienspiegel der