Inhalt - Archäologie in Deutschland

Titelthema
20 Burgen – Schlösser – Herrenhäuser
Die Zeit um 1500 gilt als Wendepunkt vom Mittelalter zur frühen
Neuzeit, die auch für den Adel große Veränderungen mit sich brachte.
Burgen, die bis dahin zahlreich in Deutschland Abbild und Grundlage
der weltlichen Macht waren, verloren nun an Bedeutung. Mithilfe
von Archäologie und Bauforschung ließ sich in den letzten Jahren die
Baugeschichte einzelner Adelssitze weitgehend klären. Zusammen
mit den geborgenen Alltagsgegenständen gewähren sie einen facettenreichen Einblick in adelige Lebenswelten zu Beginn der Neuzeit.
Inhalt
AiD 2 2016
8 Kölner Stadtgrabungen
Inmitten der Kölner Altstadt fanden 2007 bis
2015 großflächige Ausgrabungen statt. Dort soll
in den nächsten Jahren eine mehr als 6500 m²
große archäologische Zone mit neuem Museumsbau erschlossen werden. Sie umfasst die Überreste
der 2000-jährigen Stadtgeschichte wie etwa den
römischen Statthalterpalast, das mittelalterliche
jüdische Viertel oder Zeugnisse der Zerstörungen
1942/1943.
14 Zerstörung von Kulturgut
Die schrecklichen Auswirkungen der
Kriege im Jemen, Irak und in Syrien sind
längst auch in Europa zu spüren. Neben
all den menschlichen Tragödien gefährden die Kampfhandlungen, systematischen Plünderungen und bewussten
Zerstörungen durch terroristische radikalislamische Gruppen die reichen Kulturschätze der betroffenen Länder in
höchstem Maße.
66 Digitaler Wandel
in Museen
68 Fünf Jahre »Keltenwelt
am Glauberg«
Auch in Museen gewinnt das »Digital
Storytelling« zunehmend an Bedeutung.
Neben klassischen Formen der Wissensvermittlung nutzen viele Museen die neuen
Social-Media-Plattformen, aber auch mobile Ausstellungs-Guides, um mit ihrem
Publikum einen kontinuierlichen Kontakt
und Dialog zu pflegen.
Knapp 25 Jahre nach Entdeckung keltischer Grabhügel am Glauberg und 15 Jahre
nach Bergung des berühmten steinernen
Fürsten wurde das Museum eröffnet. In
seiner umfangreichen Präsentation hat der
streng blickende Herrscher seinen Platz
gefunden, ebenso wie zahlreiche weitere
inzwischen restaurierte Objekte.
|
1 Editorial
4 Spektrum Archäologie
26 Adelssitz Haus Horst im Wandel der Zeit
64 Reportage: Puzzle aus 2500 Teilen
30 Von der Burg zur Festung Senftenberg
Wie man sich bettet, so liegt man:
32 Umzug vom Burgturm ins Schloss
8 Forschung: Grabungen auf dem
Kölner Rathausplatz
Unser Titelbild
zeigt Burg Vischering
bei Lüdinghausen.
Archäologie im Herzen der Stadt
Zerstörung kulturellen Erbes
Für alle Fragen zum Bezug der »AiD«
gibt es folgende Service-Nummern:
Tel. 01805 002511*, Fax 01805 002513*
Wie immer erreichen Sie Redaktion
und Leserservice auch elektronisch
unter [email protected]
und [email protected].
20 Titelthema: Burgen – Schlösser –
* 14 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz,
abweichende Preise aus dem Mobilfunk
22 Rittersitz Haus Pesch »auf den Grund
gegangen«
Archäologie in Deutschland 2 | 2016
66 Reportage: Neue Formen der
Wissensvermittlung
38 Aktuelles aus der Landesarchäologie
Herrenhäuser
20 Wohnsitze des Adels zwischen Mittelalter
und Renaissance
www.aid-magazin.de
78 Ausstellungen
Petra-StreetView
Jetzt kann man sich mithilfe von Googles StreetView auch auf die Spuren des Wüstenvolks der
Nabatäer begeben und deren einstige Hauptstadt
Petra im Süden Jordaniens am Bildschirm erkunden. Wer mag, kann sich die einzelnen Stationen
vom (englischen) Audioguide erläutern lassen –
die Texte werden von niemand geringerem als
der jordanischen Königin Rania gesprochen. Wem
eine Reise in den Nahen Osten aufgrund der angespannten Weltlage derzeit zu heikel ist, dem
ermöglicht diese Seite zumindest einen virtuellen
Rundgang durch die geheimnisvolle Felsenstadt,
die seit 1985 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
http://goo.gl/ixZRa9
81 Rätsel
75 Autoren dieses Heftes
Der digitale Wandel erreicht die Museen
80 Bildnachweis
14 International: Irak, Syrien und Jemen
Service für unsere Abonnenten
2
34 Aristokraten und Antiken
»Auferstehung« einer römischen Kline
76 Bücher
54 Fenster Europa: Estland
68 Museum: Keltenwelt am Glauberg
Fundreicher Nordosten
Ein Jubiläum für den Keltenfürsten
58 Fenster Europa: Österreich
Salzburg – Römerstadt am Alpenrand
70 Denkmal: Westfalen
Archäologen wecken Großsteingrab
aus Dornröschenschlaf
62 Fenster Europa: Erhaltung der Domus Aurea
Neros goldener Palast muss gerettet werden
72 Nachrichten
Archäologie in Deutschland 2 | 2016
3
Spektrum | Archäologie
Im Blickpunkt
Bissingen an der Teck
Frühmittelalterliches Kriegergrab
mit Goldblattkreuz
Schmalkalden. Tauchbad mit zwei Treppenstufen als Einstiegshilfe, links daneben
das Grobfilterbecken.
In einer früh- bis hochmittelalterlichen
Siedlung bei Bissingen an der Teck wurde
im Sommer 2015 überraschend ein unberaubtes einzelnes Kriegergrab entdeckt.
Die etwa 2,7 m x 1,3 m große Grabgrube barg eine hölzerne Grabkammer; darin
lag in einem Sarg ein ungefähr 30 bis 40
Jahre alter, ca. 1,78 m großer Mann. Ihm
war eine vollständige Waffenausrüstung
mitgegeben worden, bestehend aus Spatha, Sax, Schild und Lanze. Lang- und Kurzschwert lagen mit im Sarg; Schild und Lanze waren rechts daneben deponiert. Zudem fanden sich ein Bronzegefäß, Pferdegeschirr, Fleischbeigaben und ein kleines
Keramikgefäß. Noch nicht zu deuten sind
Kellermikwe in Schmalkalden
Jüdisches Leben des späten Mittelalters
Bei einer Rettungsgrabung in der Altstadt von Schmalkalden wurde 2015 überraschend eine Kellermikwe entdeckt. Das jüdische Tauchbad zur rituellen Reinigung
der Gläubigen fand sich am Fuße der Wilhelmsburg, die von den hessischen Landgrafen als Sommerresidenz genutzt wurde. Im Gewölbekeller eines Fachwerkhauses
eingebaut, lag die Mikwe unweit zur 1622 in der Judengasse errichteten Synagoge.
Die komplex und durchdacht konstruierte Mikwe ist außergewöhnlich gut erhalten. Qualität und Verarbeitung der verwendeten Sandsteine sowie vereinzelter
Spolien sind beeindruckend. Sie bestand aus verschiedenen architektonischen Einheiten, drei in enger räumlicher Nachbarschaft. Eine weitere war über eine hölzerne
Wasserleitung mit den anderen verbunden, sodass alle Bestandteile wohl gleichzeitig und in funktionalem Zusammenhang bestanden. Auffälligstes architektonisches
Element ist ein Tauchbecken mit zwei Treppenstufen als Einstiegshilfe. Aus der Kubatur ergibt sich ein Fassungsvermögen von mindestens 1 m³, sodass Gemeindemitglieder gemäß religiöser Vorschriften vollständig untergetaucht werden konnten. Der Anlage zuzuordnen sind zwei weitere Schächte zur Filterung und Haltung
des eintretenden Schichtwassers vor dessen Einleitung ins Tauchbecken. Über eine
Holzleitung war der zum Tauchbecken gehörende Überlauf mit einem vierten Schacht
verbunden, der aufgrund seines Fassungsvermögens von 0,4 m³ dem Kaschern, also der rituellen Reinigung von Geschirr, gedient haben dürfte. Nach Aufgabe der Mikwe wurde der Kellerboden mit einer Tonschicht abgedichtet, um den Keller trocken
zu halten und profan nutzen zu können. Keramik aus einer Schachtverfüllung datiert die Mikwe ins ausgehende Mittelalter. Juden waren in Schmalkalden seit dem
13. / 14. Jh. ansässig.
Ihre außergewöhnlich gute Erhaltung, qualitätvolle Baumaterialien sowie die komplexe und durchdachte technische Umsetzung machen die Mikwe zu einem herausragenden Zeugnis jüdischen Lebens in Thüringen. Das Ensemble soll erhalten
und öffentlich zugänglich gemacht werden.
| Mathias Seidel, Martin Seifert
4
Archäologie in Deutschland 2 | 2016
jeweils ein oder zwei Buckel zum Befestigen durchbrochen sind.
Bei der Freilegung zeigte sich, dass die
hauptsächlich aus oxydiertem Eisen bestehenden Beigaben nicht einzeln geborgen werden konnten. So wurde der größte Teil der Bestattung und der Beigaben in
mehreren Blöcken entnommen, und die
Reichhaltigkeit der Beigaben lässt sich bislang nur anhand von Röntgenbildern des
Computertomografen erschließen.
Sowohl die vielteilige Gürtel- als auch
die Spathagarnitur waren mit silber-, teils
wohl bichromtauschierten Beschlägen besetzt, die mit Tier- und Flechtbandornamentik geschmückt sind. Auch das Pferdegeschirr war reich verziert mit drei Riemenverteilern, einem größeren Rechteckbeschlag und mondförmigem Anhänger.
Lesefunde bzw. Objekte aus hochmittelalterlichen Grubenhausverfüllungen
wie eine bronzene Riemenzunge des 7. Jh.
oder ein bronzener Siegelring lassen vermuten, dass das Kriegergrab Teil einer Hofgrablege war, von der mindestens ein Grab
durch die hochmittelalterliche Besiedlung
zerstört wurde.
| Dorothee Brenner
Gefrorene Vergangenheit
Gletschereis gibt Artefakte frei
Goldblattkreuz mit
nach hinten umgeschlagener rechter
Seite aus dem reich
ausgestatteten Männergrab in Bissingen
an der Teck.
Als 1991 die Gletschermumie »Ötzi« bekannt wurde, gab dieser Jahrhundertfund
den Startschuss für eine ganze Reihe weiterer außergewöhnlicher Entdeckungen
mit vergleichbaren Fundumständen.
sechs schmale, etwa 1 cm breite und knapp
9 cm lange Bronzelamellen, die auf organischem Material aufgebracht waren. Die
Beigaben datieren das Grab in das zweite
Drittel des 7. Jh.
Auch ein Goldblattkreuz – der erste
Fund eines solchen seit ungefähr 10 Jahren in Baden-Württemberg – gehörte zu
den Beigaben. Vermutlich war es auf ein
Tuch genäht dem Toten über das Gesicht
gelegt worden, auch wenn sich die Lage
aufgrund taphonomischer Prozesse verschoben hat. Das 6,2 cm große, aus Goldblech geschnittene Kreuz hat einen runden Mittelteil mit Buckel und vier gedrungene weit ausladende Kreuzarme, wobei ein Teil nach hinten umgeknickt ist. Es
ist mit einer Punktbuckelverzierung versehen, wobei in den Ecken der Kreuzarme
Aus dem abschmelzenden Eis tauchen
seither in Nordamerika, den Alpen und
Norwegen zahlreiche Artefakte auf. Sie
sind bemerkenswert gut erhalten, wirkte
das Gletschereis doch wie eine riesige prähistorische Tiefkühlbox – bis die globale Erwärmung nun den Netzstecker zog.
In keinem anderen Gebiet sind mehr
Objekte entdeckt worden als in der Provinz
Oppland in Südnorwegen. Hier kamen in
den letzten Jahren etwa 2000 Objekte von
50 ehemals eisüberdeckten Fundstätten
zutage. Die meisten stehen mit prähistorischer und mittelalterlicher Rentierjagd in
Verbindung. 150 hölzerne Pfeile, die zwischen 4000 v. Chr. und 1500 n. Chr. datie-
Kriegergrab des 7. Jh.
nach Chr. aus Bissingen
an der Teck mit Spatha,
Sax, Schildbuckel und
Bronzebecken.
ren, sind bisher bekannt, hinzu kommen
so genannte Scaring Sticks, die dazu dienten, Rentiere in Richtung der Jäger zu treiben.
Hingegen ist das außergewöhnliche
Fundspektrum am südnorwegischen Lendbreen-Gletscher auf die günstige verkehrsgeografische Lage zurückzuführen: Das
Areal liegt an einem Gebirgspass, der in der
Eisenzeit und im Mittelalter genutzt wurde, um über einen Bergrücken zu gelangen. Wie etwa das Schnidejoch in den Berner Alpen bietet dieser Fundort ein großes
Spektrum an Objekten, das weit über dasjenige eines reinen Jagdplatzes hinausreicht. Die Funde zeugen von recht unter-
Die Wiege der Menschheit
Spektakuläre Landschaften, sagenhafte Kulturen und schillernde Vielfalt: Äthiopien ist
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Archäologie in Deutschland 2 | 2016
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schiedlichen Aktivitäten an dieser verkehrstechnisch günstigen Engstelle. So
stammen unter anderem ein wikingerzeitlicher Fäustling, Bestandteile von Transportausrüstungen, Überreste von Packpferden und sogar eine Tunika der Eisenzeit von hier. Das Kleidungsstück wurde als
Bündel zusammengeschnürt entdeckt, sodass nicht gleich erkennbar war, um was
es sich handelte. Erst bei der anschließenden Untersuchung im Museum of Cultural History in Oslo erwies sich der Fund als
zwar stark abgetragene und mehrmals geflickte, aber komplette Tunika in gewebtem Diamantköper. Radiokarbonmessungen datieren sie in die Zeit um 300 n. Chr.
Die Tunika von Lendbreen findet ihre nächste Parallele im Thorsberger Moor in Schleswig-Holstein. Sie zählt damit zu nur einer
Handvoll erhaltener gleichartiger Funde
nördlich des Limes.
| Lars Pilø, Espen Finstad/AiD
Plastische Wandmalerei
Die vom abgetauten
Gletscher freigelegte
eisenzeitliche Tunika
in situ an der Fundstelle
Lendbreen und nach
der Restaurierung.
Bilderfries der Jungsteinzeit
rekonstruiert
Wissenschaftler des Landesamts für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart präsentierten Ende Januar im
Dienstsitz Hemmenhofen ein sensationelles Ergebnis ihrer Arbeit: Sie haben ein großes Wandbild, das vor nahezu 6000 Jahren im Bodensee untergegangen war, aus
zahlreichen Fragmenten zusammengefügt. Die spektakulären Funde, darunter
auch plastisch geformte, fast lebensgroße
weibliche Brüste, waren bereits 1990 bis
1994 von Taucharchäologen des Landesamts in einer Pfahlbausiedlung bei Bodman-Ludwigshafen geborgen worden.
Es handelt sich um die ältesten figuralen Wandmalereien nördlich der Alpen
und – mit Ausnahme einiger weiterer Funde aus Sipplingen – um die einzigen bekannten Wandmalereien aus den zirkum-
Unten: Der rekonstruierte jungsteinzeitliche Bilderfries ist
rund 7 m lang. Teile
des Wandbildes waren
auch plastisch geformte wie diese nahezu lebensgroßen
weiblichen Brüste.
alpinen Pfahlbauten. Zu steinernen Stelen und Felsbildern des Alpenraums, die allerdings mehr als 1000 Jahre jünger sind,
lassen sich Verbindungen aufzeigen.
Die Auswertung der mehr als 2000 Einzelfragmente war diffizil, doch nun kann
die Innenwand eines Pfahlbauhauses rekonstruiert werden, auf der mindestens
sieben weibliche Gestalten mit erhobenen
Händen dargestellt waren. Sie gehörten zu
einem Gebäude, das für besondere rituelle Zwecke genutzt wurde.
Die Malereifragmente ergänzen sich zu
einem 7 m langen Bilderfries. Auf der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg
»4000 Jahre Pfahlbauten« wird dieser 2016
der Öffentlichkeit vorgestellt. | RPS, AiD
Archäologie in Deutschland 2 | 2016
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Titelthema | Burgen – Schlösser – Herrenhäuser
Wohnsitze des Adels
zwischen Mittelalter und Renaissance
Die Zeit um 1500 gilt als Wendepunkt vom Mittelalter zur frühen Neuzeit. Die Entdeckung
Amerikas 1492 und Luthers Thesenanschlag 1517 sind nur zwei welthistorische Ereignisse, die den Beginn einer neuen Epoche markieren. Auch für den Adel ist es eine Epoche
großer Veränderungen, die wie immer in Zeiten beschleunigten Wandels Gewinner und
Verlierer kennt. Nicht allein deshalb lohnt ein genauerer Blick auf die Herrenhäuser.
Von Guido von Büren und Alfred Schuler
D
ie Wohnsitze des Adels bildeten
den Mittelpunkt von dessen weltlicher Grundherrschaft inmitten
eines agrarisch geprägten Umfelds. Der
Adel übernahm politische, soziale, wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Aufgaben, die in den verschiedenen Bauten, die zu einer Burg gehörten, ihren
Niederschlag fanden. Die Burg war Abbild und Grundlage der weltlichen Macht,
hatte zu Beginn der Neuzeit jedoch mitunter an Bedeutung verloren. Ursache
hierfür waren vor allem neue Kriegstechniken. So war ein niederadliger Rittersitz nur bedingt an die Erfordernisse
der Kriegsführung mit Feuerwaffen anzupassen. Zum einen fehlte es dem Adel
20
Archäologie in Deutschland 2 | 2016
an Geld für die Anlage kostspieliger Wälle und Rondelle bzw. Bastionen, zum anderen war der Festungsbau ein Privileg
der Landesherren, und der Bau und Ausbau der Rittersitze bedurfte deren Zustimmung.
Adel in der »Zwickmühle«
Am Übergang vom späten Mittelalter
zur frühen Neuzeit sah sich der Niederadel einer harten Konkurrenz ausgesetzt.
Die Revolution des Kriegswesens im ausgehenden 15. Jh. durch neue Kampftechniken sowie die Einführung von
Feuerwaffen und Söldnertruppen hatten
ihn eines wichtigen Betätigungsfeldes
beraubt, und es dauerte eine gewisse
Ein letztes Foto: Haus
Palant in ErkelenzBorschemich Ende Oktober 2015. Das ehemalige Rittergut wurde kurze Zeit später
für den rheinischen
Braunkohlentagebau
abgebrochen. Bis zum
großflächigen Geländeabtrag erfolgen
nun noch archäologische Untersuchungen.
Burg – Schloss – Festung
Den Wandel in der Herrschaftsarchitektur
von der überwiegend verteidigungstechnischen Funktion zur ausschließlich
repräsentativen Wirkung versucht man
im deutschsprachigen Raum mit den
Wörtern »Burg« und »Schloss« zu fassen.
Der unterstellte Gegensatz verschleiert,
dass die beiden Begriffe im Mittelalter
gleichbedeutend verwendet wurden,
und auch im 16. Jh. ein Schloss nicht selten als Burg bzw. die Burg als Schloss bezeichnet wurde. Die Burg bot Schutz, sie
hatte einen bergenden Charakter. Das
Schloss war ein Wehrbau, den man abschließen konnte. Als Festung bezeichnet
man eine Verteidigungsanlage der frühen Neuzeit, wobei der Begriff selbst im
Mittelalter ganz allgemein verwendet
wurde, wenn man etwas bekräftigen
oder bestärken wollte.
Zeit, bis er sich das Kriegshandwerk als
Söldnerführer zurückeroberte. Ein gutes
Beispiel ist Graf Reinhard zu Solms
(1491–1562), der als kaiserlicher Heerführer tätig war und Schriften zum Belagerungswesen sowie zum Festungsbau
verfasste. Er beschäftigte sich zudem eingehend mit seinem Stand und dessen
erkennbarem Niedergang. Aus ständischer Sicht »von unten« wurde die Herrschaft des Adels durch aufbegehrende
Bauernschaften (Bauernkrieg) in Frage
gestellt. Parallel setzten die Fürsten in der
Phase sich intensivierender Landesherrschaft weniger auf den Adel als auf humanistisch gebildete bürgerliche Räte,
die mit dem römischen Recht vertraut
waren. Die alten adeligen Hofämter verloren dadurch an Einfluss und Bedeutung. Auch arbeiteten die Landesherren
daran, alte Rechte zurückzugewinnen,
die sie häufig an Niederadelige verpfändet hatten. Nicht zu Unrecht fühlte sich
der Niederadel, dessen Mitglieder in diesem Zusammenhang gerne als Raubritter diffamiert wurden, in ihrer Existenz
bedrängt. Gleichzeitig galt der Niederadel als Verlierer der ab 1495 einsetzen-
den Reichsreformen, waren doch die Territorialherren die Träger des neu strukturierten Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation.
Schwere Vorwürfe gegenüber dem
Adel erhoben die Humanisten, indem sie
ihm Bildungsferne und fehlende Tugendhaftigkeit unterstellten. Letzteres
zielte ins Herz adeligen Selbstverständnisses, sah man sich doch durch die Geburt zum Herrschen legitimiert. In der
Frage einer fundierten humanistischen
Bildung holte der Adel jedoch rasch auf,
wie die häufig zu beobachtende Antikenbegeisterung belegt.
Adelige Wohnsitze im Spiegel
der Archäologie
Eine kunsthistorische Datierung der
vielen kleinen Herrenhäuser des Niederadels gelingt aufgrund allenfalls spärlich vorhandener Stilelemente nur selten.
Auch die Überlieferung von Schriftquellen ist hier meist dürftig. Daher kommt
gerade der Archäologie bei der Erforschung von Adelsbauten eine entscheidende Rolle zu, wobei ein interdisziplinär ausgerichteter Forschungsansatz un-
Die (verlorene) Burg
Kerpen in Kerpen
(Rhein-Erft-Kreis) in
einer lavierten Federzeichnung von 1589.
Im Inneren der spätmittelalterlich ausgebauten Burg steht
der romanische Wohnturm, aus dem die
Anlage – wie viele andere ihrer Zeit auch –
hervorgegangen ist.
abdingbar ist: Neben Archäologen, Archäobotanikern, Archäozoologen und
Dendrochronologen haben hier auch
Historiker, Bauforscher und Geophysiker ein breites Arbeitsfeld. Nur so kann
ein möglichst umfassendes Bild vom Leben des Landadels gelingen.
Resümiert man die Möglichkeiten
der archäologischen Erforschung überlieferter Adelssitze, so liegt im vollständigen Denkmalverlust, wie er vor allem
im raumgreifenden Braunkohlentagebau zwangsläufig gegeben ist – bei aller
Wehmut – auch die einzigartige Chance, die bauliche Entwicklung gesamter
Anlagen nachzuzeichnen und über das
Fundmaterial Rückschlüsse auf das Leben der adeligen und nichtadeligen Bewohner zu gewinnen. Zudem können
umfassende Ausgrabungen auf Herrschaftssitzen aller Art bezüglich der
noch relativ jungen und ausbaufähigen
Realienkunde des Mittelalters und der
Neuzeit große Fortschritte erbringen.
Häufig sind im Fundmaterial auch Sozialindikatoren auszumachen, die eine
Differenzierung in verschiedene Wirkungsbereiche der durchaus heteroge-
nen Bewohnerschaft erlauben können.
Da gerade für die nichtadeligen Personen Schriftarchivalien als Erkenntnisquelle nahezu vollständig ausfallen, ist
man hier allein auf die Ergebnisse der
Archäologie angewiesen.
Info
Die wissenschaftlich orientierte Datenbank »Ebidat« versteht sich als »zentrales Melderegister für Burgen«, das fortlaufend aktualisiert wird. Derzeit umfasst
der Datenbestand schon mehr als die
Burgen an Rhein und Donau im In- und
Ausland, wobei Erweiterungen in Planung sind. Auch nicht mehr existierende
sowie ausschließlich über Schriftquellen
bekannte Burgen finden hier Berücksichtigung.
www.ebidat.de
Literatur
R. Atzbach/S. Lüken/H. Ottomeyer (Hrsg.),
Burg und Herrschaft. Ausstellungskatalog Hist. Mus. Berlin (Berlin 2010).
G. U. Großmann (Red.), Die Burg zur Zeit
der Renaissance. Forschungen zu Burgen und Schlössern 13 (München, Berlin
2010).
Archäologie in Deutschland 2 | 2016
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