Handbuch Testpilot_Version1_Rev0

Safety-Class-Test
Ein Handbuch für Testpiloten
Einleitung
Karl Slezak, Jürgen Kraus
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung .................................................................................................... 3
2
Auswahl des Testobjekts ............................................................................ 4
3
Testdurchführung ........................................................................................ 5
4
Gurtzeug ..................................................................................................... 6
5
Gleitschirm .................................................................................................. 7
6
Testflugmanöver ......................................................................................... 8
6.1
Seitlicher Einklapper ............................................................................. 8
6.1.1
6.2
Frontaler Einklapper ............................................................................ 11
6.2.1
6.3
Durchführung ................................................................................ 12
Steilspirale .......................................................................................... 13
6.3.1
7
Durchführung .................................................................................. 9
Durchführung ................................................................................ 13
Bewertungs-Richtlinien ............................................................................. 15
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Einleitung
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Einleitung
In den Jahren 2010 und 2011 häuften sich die Meldungen von Flugschulen und
Sicherheitstrainings über nicht klassengerechtes Flugverhalten von A- und BGleitschirmen. Insbesondere beim Verhalten nach seitlichen und frontalen Einklappern, aber auch bei der Steilspirale wurde teilweise eine Verschärfung der
Schirmreaktionen im Vergleich zu früheren Modellen dieser Klassen beobachtet.
Diese bedenkliche Entwicklung besorgte nicht nur den DHV, auch im europäischen Ausland blieb das nicht unbemerkt.
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Auswahl des Testobjekts
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Auswahl des Testobjekts
Es werden ausschließlich Geräte mit der EN/LTF Einstufung A und B getestet.
Diese Gleitschirme werden nach ihrer Marktrelevanz ausgewählt. Der DHV kauft
die Geräte am Markt ein. Im Regelfall wird die meistverkaufte, mittlere Gerätegröße zum Test ausgewählt. Dabei handelt es sich stets um ein Neugerät (Im
Gegensatz zu einem meist gut gebrauchten Musterprüfgerät). Somit besteht die
Möglichkeit einer Serienüberprüfung im Flugverhalten.
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Testdurchführung
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Testdurchführung
Zwei Testpiloten prüfen den Gleitschirm. Die Testflüge erfolgen innerhalb des
zulässigen Gewichtsbereiches. Dabei fliegt ein Pilot nahe dem maximalen Startgewicht und mit mittleren Startgewicht.
Grundlage der Testflugmanöver sind die Prüfvorschriften für Gleitschirmtests
nach der Europäischen Norm (EN 926-2.2013). Bei den DHV-Safety-Tests werden diese Prüfvorschriften strengst möglich angewandt. Bewertet werden die Manöver seitliche Einklapper, frontale Einklapper und Steilspirale. Das Verhalten bei
den anderen getesteten Flugmanövern wird angegeben und beschrieben, aber
nicht bewertet.
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Gurtzeug
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Gurtzeug
Folgende Gurtzeuge werden für die Safety-Class-Tests verwendet:
(Stand Juni 2016)
•
Advance Success 3
•
Independence Logo Freestyle
•
Supair Base System
Es werden keine Liegegurte, Gurtzeuge mit Beinstreckern und Schlaufengurtzeuge (ohne Sitzbrett) verwendet.
Der Karabinerabstand (horizontaler Abstand zwischen den Gurtzeug-Befestigungspunkten) wird nach den Normvorgaben gewählt.1
Desweiteren wird das Geräteverhalten bei größeren Karabinerabstand getestet
und bei signifikant abweichenden Verhalten im Pilotenkommentar (ohne Einfluss
auf das Ergebnis) festgehalten.
1
Vgl. DIN EN 926-2:2014-05 / EN 926-2:2013 (D) S. 37f
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Gleitschirm
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Gleitschirm
Der zu prüfende Gleitschirm wird, der Norm DIN EN 926-2:2014-05 EN 9262:2013 entsprechend, mit einem Messfeld für die seitlichen Einklapper versehen.2
Für frontale Einklapper wird eine Markierung bei 50% der Flügeltiefe angebracht.
2
Vgl. DIN EN 926-2:2014-05 / EN 926-2:2013 (D) S. 34
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Testflugmanöver
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6.1
Testflugmanöver
Seitlicher Einklapper
Die Klapper werden so groß, wie es das am Untersegel markierte Messfeld erlaubt und mit steilst möglicher Knicklinie innerhalb des Messfeldes ausgeführt.
Es werden nur solche Einklapper gewertet, die komplett, von der Eintrittskante
bis zur Hinterkante innerhalb des Messfeldes liegen. Einklapper, deren Größe
über das Messfeld hinausgehen, werden nicht bewertet. Des Weiteren werden
Klapper, bei denen die Kappe gestuft klappt (z.B. Flügelzentrum vor Außenflügel)
nicht gewertet. Im Einzelfall, wenn das Geräteverhalten auf solche Einklapper
markant anspruchsvoller wird, kann eine Erwähnung im Testpilotenkommentar
erfolgen.
Praktischer Hintergrund: In der Praxis generieren seitliche Einklapper, die den
Schirm mit steiler Knicklinie bis über die Hinterkante deformieren, das anspruchsvollste Geräteverhalten. Auch differenziertes Einklappen kommt in der Praxis
häufig vor und sorgt für dynamischere Schirmreaktionen. Dies ist aus Unfallanalysen und Unfallvideos bekannt.
Es müssen je Testpilot mindestens 5 entsprechende Klapper im Trimmflug und
voll beschleunigt erflogen werden.
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Testflugmanöver
6.1.1 Durchführung
Die Durchführung erfolgt der Norm entsprechend.3
Die Steuerleine wird auf der Einklappseite am vorgesehenen Druckknopf fixiert.
Falls dadurch die Steuerleine auf Zug geht, wird eine Verlängerung durch einen
zweiten Griff angebracht. Die Steuerleine darf bei der Einleitung des Klappers
nicht betätigt werden. Auf der offenen Seite wird die Steuerleine zur Sicherheit
gegriffen. Dabei darf während des Manövers kein Zug auf die Steuerleine kommen. Ist dies nicht möglich, wird ebenfalls eine Verlängerung durch einen zweiten
Griff angebracht. Die Manöverausführung muss in weitgehend turbulenzfreien
Bedingungen erfolgen. Der Gleitschirm muss sich vor Einleitung des Manövers
im stationären Geradeausflug befinden.
Die Körperposition des Piloten ist neutral und so passiv wie möglich. Die Klappereinleitung darf nur durch Zug der A-Leinen und mit den Armen erfolgen. Der
Körper muss dabei so ruhig wie möglich bleiben. Wird die Klappgröße nicht erreicht, kann die Einleitung in Einzelfällen mit zwei Händen erfolgen. Auch hierbei
ist darauf zu achten, den Einfluss des Körpergewichts bei der Einleitung so gering
wie möglich zu halten.
Um eine möglichst realistische Deformation zu erreichen, sollte der Einklapper
mit verschiedenen Zugtechniken eingeleitet werden. Ziel sollte es sein, einen
möglichst gleichmäßigen Klapper mit steiler Knicklinie am oberen Messfeldrand
zu erzeugen. Ist dies nur mit Spezialtechnik möglich, wird dies im Testpilotenkommentar vermerkt.
Zur Fixierung der Lage der Hand darf der Tragegurt der offenen Seite bei der
Klappereinleitung berührt werden. Nach der Einleitung darf der Pilot dem Abkippen nicht entgegen wirken und den Tragegurt der offenen Seite nicht fixieren
oder diesen drücken.
Der Einleitimpuls muss so gewählt sein, dass hierbei möglichst kein Einfluss auf
das Abkippen des Körpers ausgeübt wird.
3
Vgl. DIN EN 926-2:2014-05 / EN 926-2:2013 (D) S. 44
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Testflugmanöver
Die A-Leinen, welche zur Klappereinleitung gezogen werden, sind nach der Deformation schnellstmöglich freizugeben. Impulsive Öffnungen sollten vermieden
werden.
Gewertet wird nicht das aggressivste Schirmverhalten, sondern das häufigste reproduzierbare Verhalten. Erwähnenswerte Extremzustände (z.B. Kaskaden, Verhänger), welche nur in Einzelfällen auftraten werden im Testpilotenkommentar
erwähnt.
Der Ablauf ist bei beschleunigten Seitenklappern gleich. Der Beschleuniger wird
schnellst möglich nach kompletten Wegklappen der Kappe vollständig gelöst.
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Testflugmanöver
6.2
Frontaler Einklapper
Es wird das Verhalten bei Frontklappern mit ca. 50% Flächentiefe und zusätzlich
mit der maximal erreichbaren Flächentiefe, die das Gerät vorgibt, geprüft. Tendiert der Gleitschirm zu einem stabilen Frontklapper werden verschiedene Flächentiefen beim Einklappen erflogen, um die Position der stabilen Deformation
zu finden. Bewertet wird dies nur, wenn der Schirm reproduzierbar zu einer stabilen Deformation neigt. Muss diese Position erst gesucht und gefunden werden,
wird es im subjektiven Testpilotenkommentar erwähnt. Bei Verformungen und
Verhängern wird nach demselben Prinzip vorgegangen.
Der Frontklapper muss eine symmetrische Deformation über die gesamte Spannweite ergeben. Der Einklapper muss über die gesamte Spannweite so gut es geht
die gleiche Flächentiefe erreichen.
Es müssen je Testpilot mindestens 5 entsprechende Klapper im Trimmflug und
voll beschleunigt erflogen werden.
Praktischer Hintergrund: Besonders bei sehr großen Frontklappern (70-100%
Flächentiefe) zeigt sich in der Praxis oft ein stark vom LTF/EN-Prüfergebnis abweichendes Geräteverhalten, wie z.B. stabile Frontklapper, Frontrosetten, Verhänger. Ob das geprüfte Gerät Tendenzen zu solchem Verhalten zeigt, soll durch
die Testvorgabe „maximal erreichbare Flächentiefe“ geprüft werden.
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Testflugmanöver
6.2.1 Durchführung
Die Durchführung erfolgt der Norm entsprechend.4
Die Steuerleinen werden am vorgesehenen Druckknopf fixiert. Falls dadurch die
Steuerleinen auf Zug gehen, wird eine Verlängerung durch einen zweiten Griff
angebracht. Die Steuerleinen dürfen bei der Einleitung des Klappers die Hinterkante nicht nennenswert beeinflussen. Die Manöverausführung muss in weitgehend turbulenzfreien Bedingungen erfolgen. Der Gleitschirm muss sich vor Einleitung des Manövers im stationären Geradeausflug befinden.
Die Körperposition des Piloten ist neutral und so passiv wie möglich. Die Klappereinleitung darf nur durch Zug der A-Leinen und mit den Armen erfolgen. Der
Körper muss dabei so ruhig wie möglich bleiben.
Die A-Leinen, welche zur Klappereinleitung gezogen werden, sind nach der Deformation schnellstmöglich freizugeben.
Gewertet wird nicht das aggressivste Schirmverhalten, sondern das häufigste reproduzierbare Verhalten. Erwähnenswerte Extremzustände (z.B. Kaskaden, Verhänger), welche nur in Einzelfällen auftraten werden im Testpilotenkommentar
erwähnt.
Der Ablauf ist bei beschleunigten Frontklappern gleich. Der Beschleuniger wird
schnellst möglich nach kompletten Wegklappen der Kappe vollständig gelöst.
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Vgl. DIN EN 926-2:2014-05 / EN 926-2:2013 (D) S. 42
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Testflugmanöver
6.3
Steilspirale
Die Steilspirale wird nach den Testvorgaben der LTF 91-09 (Verhalten bei einer
Steilspirale mit 14 m/s) und nach denen der EN 926-2:2013 (Ausleitung nach
zwei voll entwickelten Spiralumdrehungen) geprüft.
Zusätzlich wird eine Ausleitung in neutraler Pilotenposition vorgenommen. Dabei
wird die Spirale eingeleitet und geflogen wie Sie in der Grundtechnik gelehrt wird.
Die Ausleitung erfolgt durch langsames Freigeben beider Steuerleinen. Das Verhalten des Schirmes bei dieser Ausleitung wird nicht für die Klassifizierung herangezogen, aber im Testpilotenkommentar erwähnt.
Praktischer Hintergrund: Die Steilspirale ist ein sehr komplexes Flugmanöver,
dessen Verhalten von vielen Parametern beeinflusst wird (Einleitart, Verhalten
des Piloten auf die G-Kräfte, Ausleitmethode). Mit der Prüfung von drei flugtechnisch unterschiedlichen Spiral-Arten und Ausleitvarianten soll das Verhalten des
Gerätes möglichst breit ermittelt werden, um mögliche Schwachpunkte zu erkennen.
6.3.1 Durchführung
Die Durchführung erfolgt der Norm entsprechend.5
Die Steuerleinen sind so zu greifen, dass sie bei der Ausleitung komplett freigegeben werden können.
Es erfolgt eine Durchführung nach den Testvorgaben der LTF 91-09 und nach
denen der EN 926-2:2013.
Der Pilot muss sich bei jeder Ausleitung so passiv wie möglich verhalten. Wie in
der Norm vorgegeben, muss der Pilot zum entsprechenden Zeitpunkt seine Körperspannung aufgeben und darf der Fliehkraft nicht entgegen wirken. Erfolgt
keine Veränderung der Körperlage durch die Fliehkraft, darf das Körpergewicht
nicht mit Muskelkraft verlagert werden.
5
Vgl. DIN EN 926-2:2014-05 / EN 926-2:2013 (D) S. 40f
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Testflugmanöver
Zusätzlich wird eine Spirale wie in der Ausbildung erflogen. Dabei wird auch das
Körpergewicht zur Einleitung mitverwendet und während der Spirale in eine neutrale Position gebracht. Es werden nach der Einleitung beide Steuerleinen verwendet und somit der Schirm in einer starken Spirale gehalten. Für die Ausleitung
werden beide Steuerleinen langsam nach oben geführt. Das Körpergewicht bleibt
neutral.
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Bewertungs-Richtlinien
7 Bewertungs-Richtlinien
http://www.dhv.de/web/piloteninfos/sicherheit-und-technik/dhv-safety-class/
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Kontakt
8 Kontakt
8.1
Auftraggeber
DHV e.V.
8.2
Leitende Executive
Karl Slezak, Referat für Sicherheit und Ausbildung
8.3
Testpiloten
Simon Winkler
Jürgen Kraus
8.4
Kontaktpunkte
http://www.dhv.de/web/kontakt/
[email protected]
[email protected]
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