Musikstunde: Geigenbauer I

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
„Violinen, Virtuosen, Vibrationen. Das
Goldene Zeitalter der Teufelsgeiger“
„Der Pakt.“ (5)
Von Wolfgang Scherer
Sendung:
Freitag, 01. Juli 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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„Musikstunde“ mit Wolfgang Scherer
„Violinen, Virtuosen, Vibrationen. Das Goldene Zeitalter der
Teufelsgeiger“
„Der Pakt.“ (5)
SWR 2, 27. Juni – 01. Juli 2016, 9h05 – 10h00
Signet: SWR2 Musikstunde
Am Mikrophon ist Wolfgang Scherer: Guten Morgen! „Violinen, Virtuosen,
Vibrationen. Das Goldene Zeitalter der Teufelsgeiger.“ Darum ging es in dieser
Musikstundenwoche. Hören Sie heute den fünften und letzten Teil: „Der Pakt.“
(Ca.: 0´15)
Musikstunde Anfangsmusik: Capriccio
2„15
„Eines Nachts im Jahre 1713 träumte mir, ich hätte einen Pakt mit dem Teufel um
meine Seele geschlossen. Alles ging nach meinem Wunsche, mein neuer Diener
erkannte im Voraus all meine Sehnsüchte. Unter anderem gab ich ihm meine
Geige, um zu sehen, ob er sie spielen könne. Wie groß war mein Erstaunen, als ich
ihn mit vollendeter Kunst, mit größtem Wissen eine so erlesene und wunderbare
Sonate spielen hörte, wie ich sie mir in den kühnsten Höhenflügen meiner
Fantasie nicht hätte vorstellen können! Ich war entzückt, hingerissen, bezaubert;
mir stockte der Atem, und ich erwachte. Sofort griff ich zu meiner Geige, um die
Eindrücke meines Traums wenigstens in Teilen festzuhalten. Doch vergebens! Das
Stück, das ich daraufhin geschrieben habe, mag das Beste sein, das ich je
komponiert habe, und ich nenne es immer noch den Teufelstriller, doch der
Unterschied zwischen ihm und dem, was mich so sehr berührte, ist so groß, dass
ich mein Instrument zerstört und die Musik für immer aufgegeben hätte, wäre ich
denn imstande, ohne die Ergötzung zu leben, die sie mir bereitet.“
(Ca.: 1´04)
Musik 2
CD take 2
5´14
Giuseppe Tartini
2.Satz “Allegro”aus
Sonata a violin e basso g-Moll, il trillo del Diavolo (frühe Version Ms Padua)
Enrico Onofri, Violine
Imaginarum Ensemble
Passacaille 996, LC 10925
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Il trillo del Diavolo – Enrico Onofri und das Imaginarium Ensemble waren das, mit
dem Allegro aus der “Teufelstriller”-Sonate von Giuseppe Tartini. Den Traum, in
dem er mit dem Teufel einen Pakt um seine Seele schließt, um diese Musik spielen
und schreiben zu können, den hat Tartini übrigens erst gut fünfzig Jahre später
dem französischen Mathematiker und Astronomen Joseph Jérome de Lalande
erzählt. Für seine Grand Tour durch Italien hatte sich der ehemalige Direktor der
Berliner Sternwarte zwei Jahre vom College de France beurlauben lassen. Mit
Bahnberechnungen des Halleyschen Kometen hatte er sich zuvor profiliert; jetzt
beschleunigte er mit seinem Bericht von Tartinis Teufels-Triller-Traum den
kometenhaften Aufstieg des Virtuosen in Padua, damals schon eine lebende
Legende und nicht nur in den Augen von Leopold Mozart „einer der
berühmtesten Geiger unserer Zeit.“ Makellose Bogenbeherrschung, absolute
Intonationsreinheit, virtuose Fingerfertigkeit, raffinierte Doppelgriff- und
Verzierungstechniken – Tartini war der renommierteste Star-Geiger seiner
Generation. Aber er war kein reisender Virtuose. Ganz im Gegenteil. Er weigerte
sich standhaft, Padua zu verlassen. Mit seiner dort ins Leben gerufenen
Musikakademie – einem der ersten Konservatorien dieser Art – etablierte sich
Tartini als einflussreichste violinpädagogische Instanz der musikalischen Welt; auf
seine Regole per ben suonar il Violino wird sich auch Leopold Mozarts ViolinSchule beziehen. Tartinis Institut in Padua sollte bald den Namen scuola delle
nazioni tragen, weil seine Schüler aus aller Welt hierher strömten. Und die
unterrichtete er höchstpersönlich. Oft bis zu zehn gleichzeitig. Zehn Stunden am
Tag, an zehn Monaten im Jahr. Über 40 Jahre lang. Hatte der brave Geigenlehrer
dem Astronomie-Professor aus Paris womöglich nur einen Bären aufbinden
wollen? Mit seiner romantischen Rede vom Teufelspakt? Nun, Tartini war clever
genug, sein Teufels-Narrativ als Traum auszugeben. Dabei war er ihm ja in jungen
Jahren tatsächlich einmal begegnet. In Venedig. Der Geiger war nur zwei Jahr
älter als er. Aber er spielte wie der Leibhaftige. Tartini war so erschüttert, dass er
sich für zwei Jahre aus dem öffentlichen Konzertleben zurückzog - um an seiner
Technik zu feilen. Fast hätte er seine Geige zertrümmert. Den Namen dieses
teuflisch versierten Geigers, den kennen Sie schon, wenn Sie gestern die
Musikstunde gehört haben: Francesco Maria Veracini.
(Ca.: 2´52)
Musik 3
ams M0416040 / 011
Francesco Maria Veracini
3.Satz „Allegro“ aus
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo A-Dur
Federico Guglielmo, Violin
L´Arte dell´Arco
2´47
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Musik des Teufelsgeigers Francesco Maria Veracini. Dessen Virtuosität hatte
Giuseppe Tartini einmal in ein selbstgewähltes Exil getrieben, wo er zwei Jahre mit
Üben verbrachte, bevor er es wagte, wieder in die musikalische Öffentlichkeit
zurückzukehren. Antonio Vivaldi hatte am Ospedale della Pietà in Venedig dafür
gesorgt, dass es seine Lieblingsschülerin Anna Maria dal Violin zu einiger
Berühmtheit brachte. Tartinis Lieblingsschülerin an seinem Konservatorium in
Padua heisst Maddalena Laura Lombardini, stammt aus Venedig, wo sie am
Ospedale dei Mendicanti musikalisch ausgebildet worden war und inzwischen
selbst Violinunterricht erteilt. Mit vierzehn Jahren. Ihren Lehrern liegt die
hochbegabte junge Dame in den Ohren, sie doch zum großen Tartini nach
Padua zu schicken. In einem Brief, datiert auf den 5. März 1760, gibt der Meister
schon einmal Tipps aus der Ferne, wie und was sie besonders üben soll, darunter
vor allem ihre Bogentechnik und – natürlich! – Triller. Zweimal erhält sie die
Erlaubnis, selbst nach Padua zu reisen. Begleitet selbstredend von einer
Anstandsdame. Dann ist sie bereit für eine internationale Karriere als BravourGeigerin. Praktischerweise heiratet sie zuerst, bevor sie mit ihrem Mann auf eine
Konzert-Tournee geht, die sie als eine der ersten reisenden Virtuosinnen bis nach
Paris, London und Dresden führen wird. Dort war ihre Gage doppel so hoch wie
die eines italienischen Sängers. In den Pariser Concerts spirituels brilliert sie mit
einem Konzert Tartinis.
(Ca.: 1´41)
Musik 4
CD 2 take 3
Giuseppe Tartini
3.Satz „Allegro“ aus
Concerto C-Dur D 10
Federico Guglielmo, Violine
L´Arte dell´Arco
Dynamic, CDS 591/1-2, LC 02654
2´24
Als Tartinis Meisterschülerin Jahre nach dem Tod ihres Lehrers noch einmal in Paris
konzertiert, da lobt man zwar ihren bezaubernden Ton, ihre schöne Fingertechnik
und ihr Spiel von Reiz und Grazie, aber man rät ihr, da „diese Musik nicht mehr in
Mode ist, modernere Konzerte zu spielen.“ Die Tartini-Schule hatte unzählige
Geigerinnen und Geiger geprägt, darunter Nardini, Graun oder Pugnani…, aber
Tartinis Musik -: dass sie so schnell aus der Mode kam, das konnte auch sein
Publicity-Trick von Teufelspakt nicht verhindern. Eine neue Generation von ViolinVirtuosen hatte die Bühne der musikalischen Welt betreten. Sie waren mit der
Geige im Arm groß geworden und hatten von Kindesbeinen an täglich hart
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trainiert. Sie hatten die Lehrwerke von Geminiani, Mozart oder Tartini intensiv
studiert und waren dann gleich ganz groß ins Geschäft eingestiegen. Nein, sie
hatten nicht ihre Seele an den Teufel verkauft, sondern ihre Kindheit - an eine
Zukunft im Zeichen der Violine. Um sie im Konzert zu erleben, bezahlten die
Menschen das, was ein Beamter in einem oder ein Bergarbeiter in drei Monaten
verdiente. Der vielleicht bedeutendste, bestimmt aber der einflussreichste von
ihnen war Giovanni Battista Viotti.
(Ca.: 1´18)
Musik 5
4´44
ams M0312197 / 016
Giovanni Battista Viotti
Schluss vom 1. Satz „Allegro maestoso“ aus
Sinfonia concertante Nr. 2 B-Dur G77 für 2 Violinen solo, 2 Oboen, 2 Hörner,
Streicher und Basso continuo
Gottfried von der Goltz und Anne Katharina Schreiber, Violine
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz, Anne Katharina Schreiber und das Freiburger
Barockorchester mit dem Schluss aus der Sinfonia Concertante Nr. 2 für 2 Violinen
solo von Giovanni Battista Viotti. Mit acht war der schon ein ganz beachtlicher
Geiger gewesen, mit elf hörte ihn der örtliche Bischof und empfahl den Sohn aus
einfachen Verhältnissen an die Marchesa di Voghera, die einen
Schulkameraden für ihren Sohn suchte. Protegiert vom jungen Prinzen dal Pozzo
della Cisterna kam der talentierte Junge nach Turin, um dort bei Gaetano
Pugnani Unterricht zu nehmen. Pugnani hatte wie Jean-Marie Leclair bei dem
Corelli-Schüler Giovanni Battista Somis und bei Tartini sein Handwerk gelernt, war
ein Virtuose von Rang und Namen, der in Wien ebenso wie in den Pariser
Concerts spirituels aufgetreten und gerade aus London zurückgekehrt war, wo er
es bis zum Konzertmeister am King´s Theatre gebracht und in der berühmten
Bach-Abel-Konzertreihe gespielt hatte. Bei ihm war der junge Viotti also in besten
Händen. Hier das „Allegro“ aus Pugnanis Triosonate Es-Dur:
(Ca.: 1´06)
Musik 6
2´52
ams M0393905 / 011
Gaetano Pugnani
3. Satz „Grazioso“ aus
Sonate für 2 Violinen, Violoncello und Cembalo Es-Dur
Der Musikalische Garten
German Echeverri Chamorro, Violine ; Karoline Echeverri, Violine; Annekatrin
Beller, Violoncello; Sebastian Bausch, Cembalo
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Das Ensemble Der Musikalische Garten spielte das Allegro aus der Triosonate EsDur von Gaetano Pugnani. Gut zwanzigtausend Francs investierte die Famiglia
dal Pozzo della Cisterna in die Zukunft des jungen Viotti. Es sollte sich bezahlt
machen. 1780 bricht Viotti zusammen mit seinem Lehrer Pugnani, man könnte
auch sagen: mit seinem Manager, zu einer zweijährigen Europatournee auf. Sie
reisen nach Genf und Bern, an die preußischen und sächsischen Höfe, nach
Polen und Russland, dann trennen ihre Wege. Während sein Lehrer nach Turin
zurückkehrt, stürzt sich Viotti mit seiner Stradivari ins Pariser Konzertleben. Er
debütiert in den Concerts spirituels, tritt in die Dienste der Königin MarieAntoinette, muss während der Revolutionswirren nach London fliehen, wo er mit
Salomon und Haydn musizieren und die Konzertreihe im King´s Theatre leiten wird,
und er schreibt für seine spektakulären Auftritte insgesamt achtundzwanzig
Violinkonzerte. Zu einiger Bekanntheit hat es das Luigi Cherubini gewidmete
Violinkonzert Nr. 22 a-Moll gebracht, von dem Johannes Brahms schwärmen wird:
„Ein Prachtstück von einer merkwürdigen Freiheit der Erfindung; als ob er
phantasiere klingt es, und es ist alles meisterhaft gedacht und gemacht.“ Hier
kommen Elizabeth Wallfisch und das Brandenburg Orchestra mit dem letzten Satz
aus diesem Konzert.
(Ca.: 1´25)
Musik 7
ams M0037878 / 006
Giovanni Battista Viotti
3. Satz „Agitato assai“ aus
Konzert für Violine und Orchester Nr. 22 a-Moll
Elizabeth Wallfisch, Violine
Brandenburg Orchestra, Leitung: Roy Goodman
6´59
Elizabeth Wallfisch und das Brandenburg Orchestra spielten den letzten Satz aus
dem Violinkonzert Nr. 22 a-Moll von Giovanni Battista Viotti. Persönlich begegnet
sind sich die beiden nie. Obwohl er den bewunderten Altmeister so gerne einmal
gehört hätte. Dafür hat er immer wieder seine Konzerte gespielt: Niccolò
Paganini, der legendäre Hexenmeister der Violine. Eine steile Karriere wie Viotti,
der ja auch als musikalisches Wunderkind begonnen hatte – nichts anderes
wünschte sich der strenge Antonio Paganini für seinen begabten Sohn. Eine
strahlende Zukunft jenseits der schmutzigen Gassen in einem der ärmsten Viertel
Genuas, Reichtum, Wohlstand, Ansehen – musikalische Wunderkinder, mit denen
sich dies alles erreichen ließ, sie hatten Hochkonjunktur. Aber Antonio Paganini
war kein Leopold Mozart. Er prügelte seinen Sohn an die Geige. Hatte der nicht
fleißig genug geübt, gab es nichts zu essen. Stattdessen Wasser und Schläge.
Erste Konzertreisen durch Italien organisierte sein Manager-Vater mit den
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Zuschüssen betuchter Gönner. Wo immer er auftrat, verblüffte der junge Mann
mit seinen Violinkünsten das Publikum. Die erste Dame, die bei Paganinis Spiel in
Ohnmacht fiel, war die Fürstin Elisa von Piombino und Lucca. Nun, als ihren
Kammervirtuosen hat sie ihn dann eingestellt… Das konnte nicht gut gehen und
bald war Paganini wieder sein eigener Herr. Von nun war er nahezu
ununterbrochen auf Tournee. Und reiste alleine, ohne seinen Vater. In einer
abgedunkelten Kutsche, lichtempfindlich wie er war… Oder weil er das Licht
scheute? Hatte er nicht in Venedig auf dem Friedhof des Lido für die Toten
gespielt? Zwischen den Gräbern? Ein bleicher Virtuose von dürrer Gestalt, mit
einem diabolischen Blick, pechschwarzen, wirren Haarsträhnen, in einem
schäbigen dunklen Gehrock, um danach wortlos in seine Kutsche einzusteigen
und in der Dunkelheit der Nacht zu verschwinden?
(Ca.: 2´02)
Musik 8
CD take 2
Niccolò Paganini
2. Satz „Adagio“ aus
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 6
Kristóf Baráti, Violine
NDR Radiophilharmonie Hannover, Leitung: Eiji Oue
Berlin Classics, BC 0016462BC, LC 06203
4´57
Kristóf Baráti und die NDR Radiophilharmonie Hannover waren das, mit dem
“Adagio” aus dem Violinkonzert Nr. 1 von Niccolò Paganini. Als Paganini die
Alpen überquert, um in Wien, Paris, London zu konzertieren, wobei er stets seine
Eintrittspreise verdoppelt, ist er längst eine lebende Legende. In Kirchen darf er
schon lange nicht mehr spielen… Aber das macht nichts. Er ist ein Pop-Star.
Seine Auftritte lösen Massenhysterien aus. Die Säle toben, es kommt zu Tumulten,
die Frauen kreischen und reißen sich die Kleider auf, Männer heulen vor Rührung,
prügeln sich mit ihren Nachbarn oder fallen in Ohnmacht. Paganini macht
Millionen. In Wien verkaufen die Bäcker Paganinis aus Zuckerguß. Die Damen
tragen Hüte und Handschuhe à la Paganini, es gibt Knöpfe, Stöcke,
Zigarrenkisten, Pillendöschen mit seinem Konterfei. Und dann die Gerüchte. Ja, er
hatte zahlreiche amouröse Affären gehabt; ja, er hatte eine Minderjährige
entführt, geschwängert und sitzen gelassen. Ja, er war dafür, weil er nicht zahlen
wollte, eine Zeit lang im Gefängnis gesessen. Aber hatte er wirklich seine Geliebte
erwürgt und aus ihren Därmen seine vierte Saite gemacht, der er so zauberhafte
Töne entlocken konnte? Hatte er wirklich einen faustischen Pakt mit dem Teufel
geschlossen und seine Seele verkauft, um so spielen zu können? War es
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tatsächlich wahr, dass er nie übte? Und war das wirklich ein Bocksfuß, was da
unten aus seinem Hosenbein herausschaute…?
Paganini selbst hat eine Erklärung für die ekstatische Wirkung, die er auslöst; und
für die gesundheitliche Erschöpfung, die ihm während dieser never-ending-tour
zunehmend zu schaffen macht. Aus seinen Worten spricht die Plausibilität des
elektrischen Jahrhunderts. „Die elektrischen Spannungen, die ich spüre, wenn ich
mich der magischen Harmonie aussetze, schaden mir entsetzlich. Ehrlich gesagt
tut es mir leid, dass überall verbreitet wird, ich wäre vom Teufel besessen…“
(Ca.: 1´59)
Musik 9
CD take 6
Niccolò Paganini
3. Satz „Rondo. Allegretto moderato“ aus
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 h-Moll op. 7 (La Campanella)
Kristóf Baráti, Violine
NDR Radiophilharmonie Hannover, Leitung: Eiji Oue
Berlin Classics, BC 0016462BC, LC 06203
4´06
Kristóf Baráti und die NDR Radiophilharmonie Hannover waren das noch einmal,
mit dem Schluss des Violinkonzerts Nr. 2 h-Moll op. 7 „La Campanella“ von
Niccolo Paganini. Mit ihm geht das Goldene Zeitalter der Teufelsgeiger zu Ende.
Kein Geiger wird ihm je das Wasser reichen können. Und das moderne
Virtuosentum spielt längst auf einem anderen Instrument. Paganinis Erben, ob sie
nun Schubert, Schumann oder Chopin heißen, sie werden vor den Tasten des
modernen Pianoforte Platz nehmen; ihre Bühne ist die Klaviatur. Keiner hat das so
klar erkannt wie Franz Liszt, der in seinem forschen Nachruf auf den großen
Geiger keinen Zweifel daran lässt, wer an die Stelle Paganinis treten und den
Teufelsgeiger durch den Piano-Priester ersetzen wird: „Der Künstler,“ schreibt Liszt,
der sich zutraut, Paganinis Erbe anzutreten, darf sich nur eine Aufgabe stellen: die
Kunst nicht als bequemes Mittel für eigennützige Zwecke und unfruchtbare
Berühmtheit aufzufassen, sondern als heilige Macht.“
(Ca.: 1´04)
9
Musik 10
ams M0012179 / 003
Franz Liszt
Etüde Nr. 3 gis-Moll „La Campanella“ aus
Grandes Etudes de Paganini
Marc-André Hamelin
4´42
Marc-André Hamelin spielte die Etüde Nr. 3 gis-Moll „La Campanella“ aus den
Grandes Etudes de Paganini von Franz Liszt, heute zum Schluss der Musikstunde.
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„Tschüss! Und „Danke fürs Zuhören!“ sagt: Wolfgang Scherer.
(Ca.: 0´44)