Brief von Oliver Honer

Oliver Honer
Wildunger Str. 24
70372 Stuttgart
An:
Herrn Bürgermeister Schreiber
den Gemeinderat
und die Stadtverwaltung der Stadt Weil der Stadt
Marktplatz 4
71263 Weil der Stadt
Sehr geehrter Herr Schreiber,
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates und der Stadtverwaltung,
Die Nachricht, dass das Jugendhaus Kloster geschlossen ist und einer ungewissen Zukunft entgegenblickt, verbreitete sich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis rasend schnell. Dies nicht nur weil
ich einen Großteil meiner Freunde in diesem Jugendhaus kennen lernen durfte, sondern weil die
meisten aktiv ein Teil des Klosters waren und sind. Dementsprechend groß ist der Anteil, den auch
sie am Schicksal des Klosters nehmen.
Ich selbst stand viele Jahre an den Freitagen hinter der Theke des Klosters, war anschließend drei
Amtszeiten im Vorstand (Bereich „PR und Verwaltung“) und auch darüber hinaus Teil verschiedener
AGs. Besonders am Herz lagen mir die Konzerte im Jugendhaus. Die Planung und Durchführung solcher Veranstaltungen war mit viel Arbeit verknüpft – das Booking der Bands, die Kalkulation, das
Zusammentrommeln und die Koordination der Helfer, der Aufbau der Technik, das Catering, die Organisation der Werbung usw. –, aber stets die Mühe wert. Wenn hier natürlich nicht immer alles
nach Plan ablief, so wurde doch gute Arbeit geleistet. Vornehmlich weil man sich die Zeit nahm und
nehmen konnte aus den eignen Fehlern zu lernen, um sich die notwendigen Fertigkeiten anzueignen.
Zahlreiche Besucher aus der Umgebung aber auch aus Stuttgart oder noch weiter entfernten Städten, die extra für Veranstaltungen im Kloster anreisten, gaben uns hier Recht. Es erfüllte einen mit
Stolz, wenn man in den Tourdaten der Bands neben Städten wie Berlin, Hamburg oder Leipzig auf
einmal den Namen „Weil der Stadt“ lesen konnte. Umgekehrt kamen Musiker aus ganz Deutschland,
aus Schweden, den USA oder auch Ungarn gerne nach Weil der Stadt, ließen sich die Altstadt zeigen
und waren nicht zuletzt vom Jugendhaus selbst und der ehrenamtlichen Arbeit dort beeindruckt.
Unnötig zu sagen, dass es mich auch heute noch regelmäßig zu Livemusik ins Weil der Städter Jugendhaus zieht.
Der oft gehörte Ruf der Politik danach, Verantwortung zu übernehmen, ist hier mehr als nur eine
hohle Phrase. Seit über 40 Jahren ist das Jugendhaus Kloster ein Ort an dem Jugendliche aktiv wurden, ihre Freizeit selbst gestalteten und Projekte verwirklichten; sei dies nun indem der Thekenbetrieb mit seinen vielen kleinen Aufgaben und Reparaturarbeiten am Laufen gehalten wird, in Form
von Konzerten, Theateraufführungen, politischen Diskussionsgruppen, Mottopartys oder einfachen
Spielerunden.
Für mich zeigte sich nirgendwo besser als hier, „daß der Weg der Bildung einer der Entäußerung ist“,
wie es Max Horkheimer in Anschluss an Hegel formulierte. Der Begriff findet seine Anwendung dort,
wo es möglich ist, mit Zeit und „Hingabe an die Sache“ sich seinen Werken zu widmen, dabei die
eigenen Anlagen und Fähigkeiten zu entwickeln und sich ihrer selbst sowie der eigenen Grenzen bewusst zu werden. Es handelt sich allerdings nicht nur um einen individuellen Prozess der Selbstgestaltung, ebenso wenig wie diese Arbeit und ihre Früchte nur Mittel zum Zweck sind. Nur dann ist die
Bildung seiner selbst auch die Bildung des gesellschaftlichen Ganzen. Wenn sich Menschen für ein
Gemeinsames engagieren, entstehen soziale Bande und Freundschaften, die Bestand haben. Die
Arbeit im Jugendhaus ist seit jeher ein Teil davon, das Leben und das gesellschaftliches Miteinander
in Weil der Stadt zu gestalten und zu verbessern. Nicht nur in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher
Desintegration ist es deshalb unerlässlich, dass die Jugend aktiv wird – die Form eines Jugendhaues
mit selbstverwalteter und demokratischer Organisation gilt es dabei zu begrüßen.
Das ehrenamtliche Engagement ist etwas, das Weil der Stadt immer auszeichnete. Im Kloster fand
man hierfür einen Freiraum vor in dem eigene Ideen Gestalt annehmen konnten, in dem es die Möglichkeit gab, eigene Fehler zu machen. Die Rede von einem „Freiraum“ ist keine bloß metaphorische,
denn genau diese Arbeit manifestiert sich in den Räumen des alten Augustinerklosters, im Zentrum
der Stadt – gut erreichbar und sichtbar für alle. Diese Räume sind Teil des Werkes, das das Jugendhaus bildet. Sie eröffnen erst die Möglichkeiten für all diese Projekte und Aktivitäten, sie vermitteln
die Jugendlichen zueinander, ohne dabei selbst ein bloßes Mittel zu sein. Und deswegen sind sie
nicht ohne weiteres austauschbar. Es gilt solche Freiräume zu schaffen und zu erhalten. Ein Jugendhaus in Containern ist keine Alternative, es kann dies nicht in gleicher Weise bieten. Es wäre darum
mehr als ein fatales Zeichen, die offene Jugendarbeit aus diesen Räumen zu verdrängen.
Wie für viele ist auch für mich das Vorgehen der Stadt im Bezug auf den Brandschutz und den zweiten Fluchtweg im alten Augustinerkloster nicht nachzuvollziehen. Bislang wurde nicht der Eindruck
erweckt, es werde offen auf die von Seiten des Jugendhauses und seiner Unterstützer unterbreiteten
Vorschläge eingegangen. Im Interesse aller Vereine im Gebäude muss eine Lösung gefunden werden.
Dass sich das selbstverwaltete Jugendhaus – im Unterschied zu anderen Städten – über einen so langen Zeitraum halten konnte, ist ein großer Verdienst der aktiven und ehemaligen Mitglieder, der
Generationen, die nach wie vor mit dem Jugendhaus verbunden sind und es immer sein werden.
Aber auch der Stadt selbst: In schwierigen Zeiten sah der Gemeinderat letztendlich immer, was das
Jugendhaus Kloster für die Jugendlichen und auch für die Stadt bedeutet. Ich appelliere deswegen an
Sie, sich darauf zu besinnen, was hier verloren zu gehen droht. Setzen Sie sich dafür ein, dass das
Jugendhaus in den Räumen des alten Augustinerklosters erhalten bleiben kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Oliver Honer