Gebietsbetreuung – ein Berufsbild im Wandel

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Gebietsbetreuung – ein Berufsbild
im Wandel
Rangerinnen und Ranger sind Sinnbild für den praktischen Naturschutz schlechthin. Noch wird der
Beruf meist von Facharbeitern ausgeübt. Doch vielleicht kommt der Nachwuchs bald von den Hochschulen.
Text: Laura Danzeisen
Ob Nationalparkdienst, Naturwacht, RangerService oder schlichtweg Schutzgebietsbetreuung – all diese Bezeichnungen stehen
für einen Beruf, der vor 100 Jahren in den
USA entstand. In Deutschland hat sich die
hauptamtliche Schutzgebietsbetreuung vor
30 Jahren etabliert. Der bevorstehende Generationswechsel führt nun dazu, dass sich
der Beruf langsam für Akademiker/innen
öffnet – eine spannende Entwicklung für
Hochschulabsolventen/innen mit Interesse
an einer Karriere unter freiem Himmel.
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Die Anfänge des Berufs
Die Idee, weite Naturlandschaften vor dem
Eingriff des Menschen zu schützen, führte in
den USA bereits Ende des 19. Jahrhunderts
zur Ausweisung von Nationalparks. Um an
diesen beliebten Reisezielen den zunehmenden Besucherdruck und die Wilderei einzuschränken, bewachte ab 1916 der „National
Park Service“ die Schutzgebiete. Ein neuer
Beruf war entstanden. Dass die Einrichtung
und Bewachung dieser Gebiete mit der Ver-
Bildautoren: Oben links: © Andreas Lauter,
oben rechts & unten links: © Frank Schröder,
unten rechts: © Naturwacht Brandenburg
treibung dort lebender Indigener einherging,
darf dabei nicht unerwähnt bleiben.
Zeitgleich wurden auch in Deutschland Naturschutzgebiete populär, und Naturschutzvereine und staatliche Organe stellten wertvolle Landschaften unter Schutz. Zuständig
für die Schutzgebiete in öffentlicher Hand
waren Behörden, die meist von ehrenamt-
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lichen Naturschützer/innen unterstützt
wurden. Die Ehrenamtlichen waren wichtige
Sachkundige vor Ort, die freiwillig oder auch
auf vertraglicher Basis Aufgaben der Verwaltung übernahmen.
Steigender Betreuungsaufwand
Diese Arbeitsteilung bestand in den kommenden Jahrzehnten fort, und in allen Regionen
Ost- und Westdeutschlands wurden Gebiete
unter Schutz gestellt. Doch ohne aufwändiges
Engagement vor Ort waren viele der wertvollen Biotope kaum zu erhalten, geschweige
denn zu entwickeln. Zusätzlich gewannen
Konzepte sogenannter Großschutzgebiete
wie Nationalparke, Biosphärenreservate oder
Naturparke an Bedeutung, die im Gegensatz
zum kleinflächigen Arten- und Biotopschutz
große Schutzkulissen benötigen. Nach der
Wende wurden im Rahmen des DDR-Nationalparkprogramms großflächige Landschaften Ostdeutschlands unter Schutz gestellt,
und die Bundesländer im Westen folgten mit
der Ausweisung weiterer Großschutzgebiete.
Schnell war klar, dass die Betreuung dieser
Gebiete nur mit genügend Personal sichergestellt werden konnte.
Die Naturwachten entstehen
Insbesondere in Ostdeutschland wurde deshalb zu Beginn der 1990er-Jahre der Aufbau
hauptamtlicher Schutzgebietsbetreuung vorangetrieben. Zwar gab es bis dahin bereits
vereinzelt professionelle Gebietsbetreuende,
beispielsweise in den Biologischen Stationen
in Nordrhein-Westfalen oder im Nationalpark
Bayerischer Wald, doch nun wurden in ganz
Deutschland personalstarke Dienste eingerichtet. Die Zusammensetzung der neuen
Berufsgruppe war vielfältig. Hauptsächlich
wurden vormals ehrenamtliche Gebietsbetreuende, Interessierte aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Forstwirte umgeschult. Die Ausbildungsinhalte und -intensität
variierten dabei je nach Bundesland so stark,
dass früh der Ruf nach einer bundesweit einheitlichen Ausbildung laut wurde. Ein Zusammenschluss aus Umweltverbänden setzte
das Thema auf die politische Agenda, und ab
1995 setzte sich der neu gegründete Bundesverband Naturwacht e.V. für dieses Ziel ein.
Nach vielen Jahren der Diskussion und der
Planung wurde 1998 deutschlandweit die
Prüfung zum/zur „Geprüften Natur- und
Landschaftspfleger/in“ (GNL) eingeführt. Es
bestanden und bestehen jedoch starke regionale Unterschiede im GNL-Fortbildungsangebot und hinsichtlich der Absolventen/
innenzahlen. In den neuen Bundesländern,
wo viele personalstarke Naturwachten etabliert waren, wurde das Angebot stärker
angenommen als in Westdeutschland. Bis
2002 absolvierten 650 Menschen die GNLPrüfung: Hauptsächlich Forstwirtinnen und
Forstwirte und Schutzgebietsbetreuende, die
bereits im Berufsfeld arbeiteten, aber einen
anerkannten Titel wünschten.
Die Gebietsbetreuenden
Eine Studie der Hochschule für nachhaltige
Entwicklung Eberswalde (HNEE) aus dem Jahr
2013 ermittelte, dass in der hauptamtlichen
Gebietsbetreuung in Deutschland überwiegend Beschäftigte mit Berufsausbildung
arbeiten. Davon sind die meisten Forstwirt/
innen, nur wenige (10 Prozent) besitzen einen
Hochschulabschluss. Die Zusatzqualifizierung
GNL haben zwei Drittel aller Schutzgebietsbetreuenden abgelegt. Als sich der Beruf Anfang
der 1990er-Jahre zu formieren begann, wurden viele junge Mitarbeiter/innen eingesetzt.
Heute, über 20 Jahre später, stellt sich die
Altersstruktur im Berufsfeld wenig vorteilhaft
dar: Mehr als 80 % sind zwischen 40 und 60
Jahre alt, außerdem ist der Anteil an Frauen
seit einer ersten Studie zum Beruf aus dem
Jahr 1995 stark gesunken. Nach der Wende
wurden Gebietsbetreuende unter anderem in
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgebildet,
wobei sich auch Frauen für den Beruf umschulen ließen. In manchen Bundesländern
gab es jedoch in den folgenden Jahren bei
der Neueinrichtung von Großschutzgebieten
die politische Vorgabe, frei gestellte Waldarbeiter als Ranger fortzubilden. Da sich wenige
Frauen zu Forstwirtinnen ausbilden lassen,
sank in der Folge auch der Frauenanteil. Bis
heute besteht dieses Problem. Werden Stellen
für Naturwachten nicht frei ausgeschrieben,
sondern intern vergeben, bestehen geringere
Chancen für Frauen, diesen Beruf zu ergreifen.
Vermehrter Bedarf
Aktuell gibt es laut der Studie der HNEE
knapp 500 Einsatzstellen für Schutzgebietsbetreuende in Deutschland. Die meisten
liegen in Großschutzgebieten, wobei circa
die Hälfte in Nationalparken und um die 200
Stellen in den Biosphärenreservaten und
WILA Arbeitsmarkt – Infodienst für Berufe in Umwelt und Natur 23|2016
Naturparken geschaffen wurden. Größter
Arbeitgeber sind die Landesbehörden, die
für die Verwaltung der Schutzgebiete verantwortlich sind. Ein Zehntel der Gebietsbetreuenden ist außerhalb von Großschutzgebieten
bei Kommunen, Landkreisen, Vereinen oder
Stiftungen angestellt. Insbesondere die Behörden sehen vermehrt den Bedarf, für größere Naturschutzgebiete und FFH-Gebiete
hauptamtliche Betreuende zu engagieren. So
soll dem großen Pflegeaufwand entsprochen
und gegebenenfalls Gebiete bewahrt werden, die nahe großer Ballungsräume oder
in touristischen Regionen liegen. Beispiele
sind etwa das Gebietsbetreuungssystem in
Bayern, das im vergangenen Jahr aufgestockt
wurde, oder die Ranger/innen des Regionalverbands Ruhr, die sich um Naherholungsgebiete kümmern. Die Entlohnung entspricht
nach Befunden der HNEE-Studie bei einfachen Mitarbeiter/innen den Entgeltgruppen
fünf und sechs des Tarifsystems der Länder,
welche sich an Facharbeiter/innen richten.
Gebietsbetreuende in leitender Funktion
werden in Entgeltgruppe neun, seltener in
Gruppe zehn eingestuft. Die Entwicklung
auf dem Stellenmarkt der Schutzgebietsbetreuung deutet darauf hin, dass in den
kommenden Jahren nur vereinzelt neue
Gebietsbetreuungssysteme aufgebaut werden. Der Arbeitsmarkt bietet Interessierten
trotzdem Einstiegsmöglichkeiten, denn die
starke Überalterung der bestehenden Naturwachten wird Raum für Berufseinsteiger/
innen bieten. Da sich das Berufsfeld stark
gewandelt hat und wissensintensiver geworden ist, wird die Gebietsbetreuung in Zukunft
auch für Akademiker/innen mit passender
Studienausrichtung interessant werden.
Veränderung des Arbeitsalltags
Eine Studie der Umweltstiftung WWF aus dem
Jahr 1995 stellte die Aufgaben der Ranger/
innen in den ersten Jahren des sich neu formierenden Berufs dar. Damals hatten Bau und
Wartung der Infrastruktur zur Besucherlenkung und die Aufsicht in den Schutzgebieten
eine große Bedeutung im Arbeitsalltag. Aber
auch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und
die Weiterbildung der Gebietsbetreuenden
nahmen viel Zeit in Anspruch. Die Neuauflage
der Studie von der HNEE im Jahr 2013 zeichnete ein verändertes Bild. Führungen und Umweltbildungsprogramme sind zwar weiterhin
wichtige Bestandteile des Arbeitsalltags. Doch
heute spielen Bau und Instandhaltung von
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Infrastruktur eine wesentlich geringere Rolle
als noch in den Jahren, als die Schutzgebiete
aufgebaut wurden. Stattdessen ist etwa die
Datenaufnahme für verschiedene MonitoringProgramme ein regelmäßiger Auftrag. Die
Veränderungen liegen in der Weiterentwicklung des Naturschutzes seit der Entstehung
des Berufs begründet. Auf internationaler und
nationaler Ebene wurden neue Konzepte diskutiert und Vereinbarungen getroffen, und einige dieser Neuerungen hatten unmittelbare
Auswirkungen auf die Arbeit im Gebiet.
Mehr Management-Aufgaben
„Natura 2000“, „Man and Biosphere Programme“, „IUCN Global Protected Areas Programme“ – das sind nur drei der vielen internationalen Vereinbarungen, die sich auf die
Naturschutzgesetzgebung und das Schutzgebietsmanagement in Deutschland ausgewirkt
men oder Freiwillige an. Auch die Einrichtung
einheitlicher Monitoring-Netzwerke hat zu
Veränderungen geführt. Der Zustand der Arten und Lebensräume im Schutzgebiet muss
regelmäßig erfasst und bewertet werden.
Dafür werden Mitarbeiter/innen benötigt,
die wissenschaftliche Monitoring-Methoden
und Auswertungstools beherrschen. Umfassende Arten- und Ökosystemkenntnisse sind
für diese Aufgabe Voraussetzung.
Bildungsarbeit ist seit Beginn der Großschutzgebietsarbeit eine wichtige Aufgabe in der
Gebietsbetreuung. Dabei hat sich die Umweltbildung in den letzten Jahrzehnten professionalisiert und die „Bildung für nachhaltige
Entwicklung“ (BNE) hat neue Aspekte und
Impulse in die Bildungsarbeit der Schutzgebiete gebracht. Befeuert durch die weltweite
Projektförderung während der von den Vereinten Nationen ausgerufenen Weltdekade
zielgruppengerecht kommunizieren und für
die Ziele des globalen Naturschutzes werben.
Große Flächen und Konflikte
Die Erweiterung und Neueinrichtung von
großflächigen Schutzgebieten erfreut nicht
alle Landnutzer/innen. Es sei nur an die vielschichtigen Konflikte bei der Einrichtung des
kürzlich gegründeten Nationalparks Schwarzwald erinnert, um den Gegenwind zu verdeutlichen, der Unterstützer/innen eines Schutzgebiets entgegenblasen kann. Die Erfahrung
hat gelehrt, dass ein dauerhafter Austausch
mit der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft, dem Tourismus und den Kommunen
umso wichtiger ist, je stärker ein Schutzgebiet
die herkömmliche Nutzung eines Landschaftsraums verändert. Ranger/innen gelten als verlängerter Arm der Schutzgebietsverwaltung,
die vor Ort ansprechbar sind. Gesprächs- und
Einbindungsangebote für die Schutzgebietsnachbarn und -einwohner/innen haben daher
an Bedeutung gewonnen. Die Gebietsbetreuenden müssen sich lokal Akzeptanz verschaffen und einbringen können.
Aufgaben im Schutzgebiet
So vielfältig wie die verschiedenen Schutzgebiete und Landschaften, in denen Gebietsbetreuende arbeiten, sind auch ihre Aufgaben.
Jedoch kann man den typischen Berufsalltag
in vier Themenfelder aufteilen:
Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit spielen eine große Rolle im Arbeitsalltag der Ranger/innen
und verlangen neben dem entsprechenden Talent auch eine Ausbildung in diesem Bereich.
Foto: © Naturwacht Brandenburg
haben. Das Schutzgebiet zu pflegen reicht
schon lange nicht mehr aus, nun spielen
auch Regionalentwicklung und Bildung im
Gebietsmanagement eine Rolle. Insbesondere das europäische Schutzgebietssystem
Natura 2000 hat neue Pflichten definiert, die
zu mehr Management- und Kontrollaufgaben
geführt haben. Und statt Aufgaben selbst
auszuführen, koordinieren und leiten die
Gebietsbetreuenden vermehrt Auftragsfir-
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BNE ist die Konzeption von BNE-Angeboten
oder zumindest die Berücksichtigung einiger
Aspekte fester Teil des Arbeitsalltags. Auch die
UN-Dekade Biologische Vielfalt, die Nationale
Biodiversitätsstrategie oder der Klimawandel
stellen neue Anforderungen an die Bildungsarbeit. Die Ranger/innen dienen als Vermittler/
innen zwischen Mensch und Natur und somit
als Botschafter/innen dieser Strategien. Sie
müssen komplexe, globale Zusammenhänge
Artenschutz, Landschaftspflege und Monitoring
Klassische Aufgabe ist die praktische Naturschutzarbeit. Gebietsbetreuende müssen
den Zustand von Lebensräumen einschätzen
können und das Vorkommen an Tier- und
Pflanzenarten kennen. Landschaftspflegemaßnahmen werden durchgeführt oder angeleitet und Artenschutzprojekte umgesetzt.
In vielen Gebieten werden regelmäßig Kartierungsarbeiten durchgeführt und weitere
Daten erhoben, um gesetzlichen und freiwilligen Monitoring-Pflichten nachzukommen.
Bildung, Besucherbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit
Gebietsbetreuende werden auch als die „Visitenkarte“ eines Schutzgebietes bezeichnet.
Während in der Verwaltung – für die Öffentlichkeit unsichtbar – die naturschutzfachliche
Planung erfolgt, arbeiten die Gebietsbetreuenden nahe am Menschen. In öffentlichen
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Führungen, Umweltbildungsprogrammen
für Schulen oder Exkursionen für Fachpublikum vermitteln sie unterschiedlichsten
Zielgruppen die Besonderheiten der Natur.
Gebietskontrolle
Was in einem Schutzgebiet zulässig ist, regelt die Schutzgebietsverordnung. Deren
Einhaltung wird von den Gebietsbetreuenden regelmäßig bei Touren kontrolliert. Ob
Wanderer abseits der Wege, illegal Campende oder Hundehalter/innen, die ihre
Tiere nicht an die Leine nehmen – Ranger/
innen treffen auf Menschen, die gegen
Schutzgebietsregeln verstoßen. Ausgeprägte
kommunikative Fähigkeiten sind für den
richtigen Umgang mit diesen verschiedenen
Personengruppen enorm wichtig. Zusätzlich
wird in vielen Schutzgebieten kontrolliert,
ob sich die dortigen Landnutzer/innen, etwa
im Vertragsnaturschutz, an die vereinbarten
Bewirtschaftungsvorgaben halten. Je nach
Bundesland besitzen Gebietsbetreuende
hoheitliche Rechte und können zum Beispiel
Bußgelder ausstellen.
Bau und Instandhaltung der Infrastruktur
Das Wegenetz, die Informationstafeln oder
Schutzhütten in den Gebieten müssen regelmäßig gewartet werden. Auch der Bau neuer
Anlagen ist in einigen Gebieten die Aufgabe
der Gebietsbetreuenden. Handwerkliche
Fähigkeiten sind hierbei natürlich von Vorteil.
Je nach Größe eines Schutzgebiets, Umfang
des Personalstamms oder Zielsetzung im Gebiet sind die Aufgaben in den Einsatzstellen
unterschiedlich: Einige Schutzgebietsbetreuende übernehmen viele der dargestellten
Aufgaben, andere konzentrieren sich auf wenige Aufgabenfelder.
Der Ranger als Tausendsassa
Die Gebietsbetreuenden sind die Alleskönner
des praktischen Naturschutzes. Vielfältige Anforderungen an ihre Arbeit führen zur Frage,
wie der Nachwuchs in diesem Berufsfeld
zukünftig ausgebildet wird. Bislang wurde
neuen Entwicklungen durch entsprechende
Weiterbildungsangebote begegnet. Doch
wenn in den nächsten Jahren ein Großteil
der Ranger/innen in den Ruhestand tritt, ist
anzunehmen, dass Neueinsteiger/innen die
meisten Fähigkeiten und Kenntnisse bereits
bei Berufseintritt besitzen sollen. An der
HNEE wurde im Rahmen einer Masterarbeit
versucht, die von Bewerbern und Bewerbe-
rinnen tatsächlich geforderten Kompetenzen
durch eine Analyse von Stellenanzeigen für
Gebietsbetreuung (u.a. des WILA Arbeitsmarkts) aus den Jahren 2010 bis 2015 zu
ermitteln. Die Ergebnisse dieser Auswertung
zeigen vier wichtige Aspekte:
• Branchenwissen im Sinne von biologischen Grundkenntnissen und ausgeprägten Artenkenntnissen ist erwartungsgemäß Einstiegsvoraussetzung für den Beruf.
Jedoch wurde in vielen Anzeigen zugleich
didaktisches bzw. pädagogisches Fachwissen von den Bewerber/innen gewünscht.
• (Berufs-)Erfahrung wird in der Naturschutzarbeit, etwa in praktischer Landespflege
verlangt. Erfahrungen in Bildungs- und
Öffentlichkeitsarbeit sind ebenfalls gerne
gesehen.
• Ein Studium in Biologie, Forstwissenschaften, Umweltwissenschaften und ähnlichen
Disziplinen wird in 70 Prozent der untersuchten Stellenanzeigen gefordert. Einige
dieser Anzeigen akzeptieren zugleich eine
berufliche Ausbildung, doch der überwiegende Teil richtet sich nur an akademische
Bewerber/innen.
• Kommunikative und soziale Kompetenzen
wie Teamfähigkeit, Verhandlungsgeschick
oder Durchsetzungsvermögen werden
in allen Anzeigen gewünscht und deuten
darauf hin, dass man in diesem Beruf nicht
nur ein Naturliebhaber sein darf, sondern
mit seinen Mitmenschen gut auskommen
und zusammenarbeiten muss.
Natürlich gilt auch in dieser Berufssparte,
dass in den Stellenanzeigen mehr Wissensund Erfahrungsanforderungen an Bewerber/
innen gestellt werden, als ein/e Berufsanfänger/in im Laufe der Ausbildungsjahre
sammeln kann. Trotzdem zeigt die Tendenz,
von Neueinsteiger/innen neben Wissen
und Erfahrung in Ökologie und Naturschutz
insbesondere pädagogische Kompetenzen
zu verlangen, dass Berufsinteressierte eine
vielseitige und interdisziplinäre Bildung vorweisen müssen. Die zuvor erwähnte Studie
von 2013 ergab, dass über zwei Drittel der
befragten Einsatzstellen einen Fachhochschulabschluss für Gebietsbetreuende neben dem bereits etablierten Fortbildungsberuf GNL begrüßen würden.
Akademiker oder Facharbeiter?
In welchen Anteilen sich Schutzgebietsbetreuung als Akademiker/innenberuf durch-
WILA Arbeitsmarkt – Infodienst für Berufe in Umwelt und Natur 23|2016
setzen wird, ist nicht eindeutig zu beantworten. Aktuell entspricht die durchschnittliche
Entlohnung bei Weitem nicht dem Profil,
das in den Stellen gefordert wird. Indes ist
die Akademisierung wissensintensiver Ausbildungsberufe bereits seit Jahren in vollem
Gange. Die Zunahme an Hochschulabgänger/innen, die Popularität berufsorientierter
Hochschulen und die allgemeinen Veränderungen der kognitiven Anforderungen
innerhalb vieler Berufsfelder führen dazu,
dass Akademiker/innen in fachverwandte
Ausbildungsberufe drängen. Es ist nicht
ungewöhnlich, dass in dieser Wandlungsphase eines Berufbildes Höherqualifizierte
bevorzugt eingestellt werden, bevor dieser
als „typischer“ Akademiker/innenberuf gilt.
Im englischsprachigen Ausland, wo der Berufsstand großes gesellschaftliches Prestige
genießt, gehört eine Bachelorausbildung
bereits zum Standard für Ranger/innen mit
Gebietsverantwortung.
Doch die GNL-Aufstiegsfortbildung wird
damit nicht hinfällig. In Einsatzstellen mit
überwiegend praktischer und handwerklicher Arbeit sind die Facharbeiter/innen mit
..................................................
Anforderungen an
Schutzgebietsbetreuende
Kompetenzen, die in Anzeigen für Schutzgebietsbetreuende häufig gefordert wurden
(nach absteigender Häufigkeit):
Bewerber/innen sollten
• Naturschutzfachliche, Arten- und didaktische Kenntnisse besitzen
• kommunikativ und teamfähig sein
• Erfahrung in Landschaftspflege und in Bildungsarbeit vorweisen
• sichere EDV-Kenntnisse in Microsoft Office
und Arc GIS besitzen
• sicher auftreten, flexibel und belastbar sein
• ein Hochschulstudium in der Fachrichtung
Biologie, Landespflege, Forstwissenschaften,
Umweltwissenschaften oder in einer vergleichbaren Disziplin abgeschlossen haben
• den Führerschein Klasse B besitzen
• Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen besitzen
• Eigeninitiative zeigen
• einen eigenen PKW für Dienstfahrten einsetzen
• selbstständig arbeiten
• Organisationsgeschick besitzen
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zusätzlicher GNL-Qualifikation geeignete
Kandidaten/innen. Sie punkten durch Erfahrungswissen, Routine bei der Aufgabenausführung auf dem jeweiligen Fachgebiet und
eventuell auch mit höherer Akzeptanz bei
Landnutzer/innen. Welche Bewerber/innen
eingestellt werden, hängt von den Prioritäten der Arbeitgeber/innen ab. Die Analyse
der Stellenanzeigen und die allgemeine Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt lassen
jedoch vermuten, dass sich hier ein neues
Feld für Akademiker/innen mit Leidenschaft
für die Arbeit in der freien Natur öffnet.
..................................................
Weiterbildungsmöglichkeiten
Geprüfte/r Natur- und Landschaftspfleger/in
Die Prüfung als GNL können Erwachsene mit
Berufsausbildung in einer „grünen“ Branche,
etwa Forst- und Landwirtschaft oder Gartenbau ablegen. Im Einzelfall werden auch Personen mit großer Erfahrung in Naturschutz
und Landschaftspflege durch die zuständige
Prüfungskommission zugelassen. Weiterbildungsakademien bieten meist sechsmonatige Vorbereitungslehrgänge an, darin
werden Kurse zu Grundlagen und Methoden
des Naturschutzes und der Landespflege, zu
Öffentlichkeitsarbeit im Naturschutz oder zu
rechtlichen Rahmenbedingungen angeboten.
Bachelor Schutzgebietsbetreuung
An der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE), bereits 1830
als Höhere Forstlehranstalt gegründet,
werden Studierende in grünen Disziplinen
wie Forstwirtschaft, Ökolandbau oder Naturschutzmanagement ausgebildet. Der Bachelorstudiengang „Landschaftsnutzung und
Naturschutz“ bietet seit 1993 jährlich circa
50 Studierenden die Möglichkeit, sich mit
umweltverträglichen Landnutzungsformen
auseinanderzusetzen. Die zahlreichen Absolvent/innen des Studiums sind weltweit tätig.
Seit dem Wintersemester 2014/15 können
die Studierenden zusätzlich die Vertiefung
„Schutzgebietsbetreuung“ wählen. In Modulen wie „Schutzgebietsbetreuung“, „Spezielle
Artenkenntnis“ oder „BNE/Umweltbildung“
werden Wissen und Methoden zu der Arbeit
in einem Schutzgebiet vermittelt. Das praktische Studiensemester wird bei einer Naturwacht in In- oder Ausland absolviert und
Projektarbeiten und Bachelorthesis werden
zu aktuellen Themen des Berufs verfasst.
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Prof. Dr. Vera Luthardt hat die Vertiefung
„Schutzgebietsbetreuung“ an der Hochschule in Eberswalde konzipiert. Sie sieht den
beruflichen Nachwuchs von den Fachhochschulen kommen.
Foto: © Hochschule für nachhaltige
Entwicklung Eberswalde
WILA Arbeitsmarkt: Frau Luthardt, seit
wann sehen Sie den Bedarf, eine Hochschulspezialisierung für die Schutzgebietsbetreuung anzubieten?
In meinen vielen Begegnungen mit Naturwächtern in den letzten Jahren wurde
verstärkt das auf uns zukommende Problem
der zahlreichen Altersausstiege und der immer höher gesetzten Anforderungen an das
Wissen und die Kompetenzen der Ranger
benannt. Die heute im Beruf Tätigen haben
die vielen neuen Befähigungen im Rahmen
von Weiterbildungen während ihrer Berufstätigkeit Schritt für Schritt mit aufgesattelt
– von Neueinsteigern wird erwartet, dass sie
das alles als Grundwissen mitbringen. Unsere
Studierenden kommen zum Teil von vorne­
herein mit diesem Berufswunsch zu uns und
die Ausbildung im Bachelor ist gut auf dieses
Tätigkeitsfeld zugeschnitten. So lag es nahe,
hier im Zuge der Reakkreditierung des Studiengangs eine Vertiefung auszubauen.
Mit wem haben Sie bei Konzeption des Studienangebots zusammengearbeitet?
Wir haben von Beginn an einen engen Schulterschluss mit allen Akteuren gesucht. An
erster Stelle sei die Naturwacht Brandenburg
mit ihrem Leiter Herrn Manfred Lütkepohl
benannt. Die Studie zur derzeitigen Situation
der hauptamtlichen Schutzgebietsbetreuung
wurde mitgetragen von dem Bundesverband
Beruflicher Naturschutz e.V., dem Bundesverband Naturwacht e.V., Europarc-Deutschland
e.V. und dem Verband Deutscher Naturparke
e.V. Natürlich mussten wir für den Bachelor
werben, aber die Ergebnisse der Studie haben uns dabei sehr unterstützt.
Wie haben die ersten Studierenden das Angebot angenommen?
Die erste Studierendengruppe ist mit 17 Teilnehmern maximal besetzt. Kurse wie Mediation, Außendarstellung im Naturschutz oder
Monitoring stoßen auf rege Beteiligung. Bald
geht es in diesem Semester auf Exkursionen
zu Gebietsbetreuer/innen in verschiedenen
Naturwachtstationen. Wir sind gespannt auf
den Austausch zwischen Jung und Alt, der
dort entsteht.
Wer kann sich bewerben?
Das Angebot richtet sich in erster Linie an
die Studierenden des Bachelorstudiengangs.
Jedoch gibt es auch schon Interessenten aus
den forstlichen Studiengängen an der HNEE.
Wir sind grade dabei die Voraussetzungen
zu schaffen, auch für Quereinsteiger/innen
mit einer Ausbildung als GNL das Studium in
verkürzter Form zu ermöglichen.
..................................................
Links
Bundesverband Naturwacht e.V.
Die Interessenvertretung der Berufsszene
www.bundesverband-naturwacht.de
International Ranger Federation
Der internationale Verband vernetzt alle
Ranger/innen weltweit und lädt regelmäßig
zu Berufstreffen ein
www.internationalrangers.de
Hochschule für nachhaltige Entwicklung
Eberswalde
Informationen über den Studiengang Landschaftsnutzung und Naturschutz mit Profil
Schutzgebietsbetreuung
www.hnee.de/sgb
Berufsbildungswerk des Sächsischen Garten-, Landschafts- und Wasserbaus
Weiterbildungsakademie für „grüne“ Berufssparten
www.natur-und-landschaftspfleger.de
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ein weiteres Institut, das aktuell GNL-Lehrgänge anbietet
www.stmelf.bayern.de/berufsbildung
www.wila-arbeitsmarkt.de